Höllenfeuer/C.J. Cherryh

  • Höllenfeuer/Hellburner


    Bildet gemeinsam mit "Schwerkraftzeit/Heavy time" den Doppelband "Devil to the belt".


    Inhalt:
    Etwa ein Jahr nach dem Ende von „Heavy time“ blickt Ben Pollard, nun Lieutenant im UDC (Unified Defense Command), einer glänzenden Zukunft als Computergenie in einem gemütlichen, sicheren Posten entgegen. Da tritt Paul Dekker wieder in sein Leben. Armer Ben.


    Dekker, mittlerweile ebenfalls Offizier, aber in der Flotte, hatte einen Unfall und hat ausgerechnet Ben als seinen „next of kin“ angegeben, weshalb dieser nun gegen seinen Willen auf eine andere Raumstation kommandiert wird, um aus dem mal wieder komplett neben sich stehenden Dekker herauszubringen, was ihm eigentlich zugestoßen ist.
    Nach und nach fügen sich die Puzzleteile zusammen und man findet heraus, dass er Testpilot in einem streng geheimen Projekt ist und das Opfer seiner Vergangenheit wurde, sowie von Intra-Service-Konflikten zwischen UDC und Flotte.


    Um das für den Krieg so wichtige Projekt noch zu retten, werden nach Ben auch Sal und Meg herbeigeholt, um Dekkers neues Flugteam zu bilden. Nicht gut, wenn man weiß, was aus dem letzten wurde …


    Meinung:
    Oh my, was für ein großartiges Buch. Beim ersten Mal habe ich mangels Verständnis die politische Ebene komplett ausgeblendet und mich auf Ben & Co konzentriert. Hat wunderbar funktioniert, aber nun, mit allen Ebenen, war es noch um Eckhäuser besser.
    Wirklich einfach ist es immer noch nicht, allein die Abkürzungen sind schwierig, UDC, EC, what? Aber, die Nebel haben sich zumindest gelichtet.


    Somit konnte ich diesmal auch die zweite Handlungsebene genießen, verkörpert durch Lieutenant Graff, der in der schwierigen Situation ist, zunächst in Abwesenheit seines Captains Keu als Junioroffizier die Sache der Flotte gegen den unfreundlichen UDC-Kommandanten Tanzer zu verteidigen. Später, als der auch nicht freundlichere Flotten-Commander Porey das Kommando übernimmt, muss Graff seine aus Shepherds, Beltern und sonstigen Außenseitern zusammengestellte Truppe vor ihm schützen.
    Graff ist somit auch so etwas wie eine Hauptfigur und eine, die es definitiv nicht verdient hat, ignoriert zu werden. Sympathisch ist er auch.


    Wenn man nicht chronologisch liest, ist es auch faszinierend, hier Namen zu lesen, die einem in den Ohren klingeln, ganz besonders Mazian, Keu und Porey. Später werden Union- und Alliance-Eltern ihren Kindern damit drohen, hier sind sie noch mehr oder weniger normale Flottenoffiziere. Wie interessant, dass sie aber offenbar alle einen Merchanter-Hintergrund haben.
    Aber auch die Vertreter der Shepherd-Subkultur, wie Dekker in die Flotte gelockt, sind interessant und sollten nicht verwirrt ignoriert werden.


    Am wichtigsten sind natürlich dennoch Dekker, von Ben so passend „Moonbeam“ getauft, dieser selbst und die Damen Meg und Sal, ihre Beziehungen und Interaktionen. Da Dekker nicht mehr ganz so oft neben sich steht, tritt nun auch sein Charakter schön hervor. Ebenso Megs, die das Problem hat, nicht nur weit älter als ihr junger Lover zu sein, sondern sich auch fragen muss, wer von ihnen der bessere Pilot ist. Nur Sal bleibt ein bisschen im Hintergrund. Aber gemeinsam zeigen diese beiden Frauen sehr schön, woher die wunderbar durchgeknallte Capella ("Tripoint") gekommen ist. Man könnte fast meinen, sie wäre die Tochter von einer der beiden.


    Es macht auch einfach höllischen Spaß dabei zuzusehen, wie dem armen Ben seine schöne, glänzende Zukunft entschwindet und er es einfach nicht schafft, Dekker aus seinem Leben zu entfernen und genau dort endet, wo er niemals hin wollte – in der Feuerlinie.
    Da Ben weit menschlicher geworden ist als früher, fällt es mir nun umso leichter, ihn hinreißend zu finden. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich im ersten Buch oder hier einst mein Herz an ihn verloren habe. Großartig auch, wie er sich langsam eingestehen muss, dass er sich doch noch an Dekker „gewöhnt“ hat. Eine wunderbare Freundschaft, sagte ich doch.


    Am Ende fragt man sich natürlich, auf welchem Carrier-Schiff unsere vier Freunde später gelandet sind. Cherryh selber soll gesagt haben, dass es Mallorys „Norway“ ist. Wie praktisch, doch die Anwesenheit von Graff und Almarshad dort („Downbelow station“) könnten schon darauf hindeuten.


    Jetzt wünsche ich mir erst recht nichts sehnsüchtiger, als ein Buch, das erklärt, wo Mazian & Co so extrem falsch abgebogen sind. Ob es an "Tripoint" als Erstkontakt liegt oder daran, dass ich der Geist bin, der stets verneint und gerade das anziehend finde, was andere verteufeln, ich bin einfach fasziniert von dieser Flotte, den zukünftigen "Mazianni".
    Aber, Moment, ist das erklärende Buch nicht „Downbelow station“, einst wohl ebenfalls geistig abwesend gelesen? Her damit!


    Hilfe, ich kann nicht mehr aufhören, Cherryhs zu rereaden! Was für ein schönes Problem.


    PS: Ich glaube nicht, dass ich früher so viel dümmer war, als jetzt. Aber ich habe viel weniger Englisch gelesen und hatte überhaupt eine andere, weniger analytische Art, Bücher zu lesen. Ich habe Bücher einfach für die Story und die Charaktere gelesen und wenn ich etwas nicht verstanden habe, war es mir egal. Es waren wohl Bücher wie die von Dorothy Dunnett oder meine Mittelalterei, die mich gelehrt haben, dass man Bücher auch ganz anders lesen, verstehen und genießen kann - wenn da etwas dahintersteckt.
    Keine uninteressante Erkenntnis.
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  • Deinem Review kann ich nichts mehr hinzuzufügen, gut beschrieben. Ich bin sehr froh das wir die Cherryhs zusammen lesen, da ich dadurch bereits beim ersten Mal auch von der politischen Ebene was mitbekomme und nachfragen kann. Denn ihre Bücher sind sehr dicht geschrieben, auf eine sehr fördernde, aber dafür auch sehr belohnende Art. Und die Charaktere sind einfach durch die Bank toll.