Drachensaat - Jan Weiler

  • Kurzbeschreibung:
    Postbote. Busfahrer. Rentner. Sachbearbeiterin. Architekt. Fünf Menschen, in deren Leben irgendwann mal was richtig schiefgegangen ist. Fünf ganz normale Verrückte und ihr ehrgeiziger Arzt. Dem die Behandlung langsam aus dem Ruder läuft. Bis die fünf eines Tages ausbrechen und sich an der Gesellschaft rächen...


    Über den Autor und Sprecher:
    1967 in Düsseldorf geboren, arbeitete er zunächst als Texter in der Werbung, bevor er die Deutsche Journalistenschule in München absolvierte. Seit 1994 in der Redaktion des SZ-Magazins tätig, leitete er dieses 2000 - Anfang 2005 als Chefredakteur (gemeinsam mit Dominik Wichmann). Jan Weiler lebt mit seiner italienischen Frau und zwei Kindern in Ambach.


    Meine Rezension:
    Wer seine Bestseller "Maria, ihm schmeckt's nicht" und die Fortsetzung "Antonio im Wunderland" kennt, wird in "Drachensaat" mit Vergnügen einem alten Bekannten begegnen: Benno Tiggelmann, dem kauzigen Freund Antonios, der in einen illustren Kreis faszinierender Persönlichkeiten gerät und mit ihnen ein höchst unterhaltsames Abenteuer mit durchaus ernstem Hintergrund erlebt. Fünf sehr normale Leute, die jahrelang in ihrem Alltag unauffällig funktioniert haben, rasten eines Tages aus und werden in die Psychiatrie eingewiesen - teils aus Angst, teils aus Unwissenheit, teils aus Ahnungslosigkeit werden sie zu ihrem und dem Schutz der Gesellschaft weggesperrt und sollen nun an einer neuen Therapie teilnehmen. Doch diese Therapie setzt ungeahnte Kräfte frei und verleiht den Teilnehmern ein ganz neues Selbstbewusstein... Mit "Drachensaat" hat Jan Weiler einen urkomischen Roman mit skurrilen Figuren und viel Potenzial zum Nachdenken vorgelegt, der von Situationskomik aber auch einer gewissen tragischen Note lebt, welche die gesamte Handlung umweht. Der Humor ist hintergründig, spitzfindig und mit einem Hauch von Bitterkeit versetzt, lässt den Hörer schmunzeln, aber regt ihn auch zum Nachdenken an. Denn diese fünf Psychiatrie-Insassen sind, so wird schnell klar, nicht wirklich verrückter als jeder andere, sie wecken nicht nur Empathie und Sympathie, sondern erscheinen immer normaler, je mehr man über sie erfährt. Wenn die Geschichte zunehmend an Fahrt aufnimmt, werden nicht nur die Erlebnisse der "Drachensaat" geschildert, sondern auch durch zahlreiche Zeitungsberichte ergänzt, die die öffentliche Meinung widerspiegeln. Ein gelungenes Stilmittel, das noch einmal verdeutlicht, dass jedes Ding zwei Seiten hat...


    Jan Weiler liest wie immer großartig und auch seine Mitstreiter (Annette Frier, Matthias Haase, Baki Davrak, Sandra Limoncini) bei diesem ungewöhnlichen Hörbuch machen ihre Sache mehr als gut. Es ist ein richtiges Vergnügen, ihnen zuzuhören, denn durch ihre Sprechweise verleihen sie ihren - eigentlich doch sehr skurrilen - Figuren totale Glaubwürdigkeit.

  • Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch wird Bernhard Schade in eine psychiatrische Klinik eingewiesen und erklärt sich bereit, an einem Experiment des Psychotherapeuten Dr. Heiner Zens über eine angebliche neue Zivilisationskrankheit teilzunehmen. Zusammen mit anderen Leid geplagten Patienten startet der Doktor daraufhin ein waghalsiges Experiment, das sogar die Entführung eines erfolgreichen Top-Managers mit einschließt.

    Die Geschichte besaß eine ebenso interessante wie witzige Ausgangsbasis. Die Sorgen und Probleme vieler der an der Studie teilnehmenden Leidensgenossen konnte ich gut nachvollziehen. Vor allem die vom Braunschweiger Busfahrer Ünal Yilmaz, dem die zunehmende Rücksichtslosigkeit innerhalb der Bevölkerung zusetzte. Es war auch eine gute Idee, das schwierige Thema mit zahlreichen Gags und knalligen Dialogen aufzuheitern. Dennoch gibt es vor allem im Mittelteil auch einige Längen. Abgesehen davon erschien mir die Handlung (zum Beispiel das mit der Fernseh-Show) stellenweise zu abgedreht. Alles in allem ist „Drachensaat“ eine sozialkritische Satire auf den deutschen Lebensstil und die Medienlandschaft, die einen auch im Nachhinein zum Nachdenken anregen kann (und sollte).

    Vom Roman existiert eine inszenierte Hörspielfassung im Umfang von 3 CDs, in der neben Autor Jan Weiler auch Annette Frier, Matthias Haase und viele andere Sprecher beteiligt sind und die ich als Alternative zum Lesen des Buches empfehlen kann.