Amy Sohn: Prospect Park West

  • Sohn, Amy
    Prospekt Park West
    Original Titel: Prospect Park West. A Novel
    Haffmans & Tolkemitt (bei Zweitausendeins)
    November 2010
    ISBN-10: 3942048256
    ISBN-13: 978-3942048255
    19,90€


    Zur Autorin:
    Amy Sohn ist (vermutlich) 1973 geboren, schloss 1991 die High School und 1995 die Universität ab. Sie veröffentlichte Run Catch Kiss (1999), My Old Man (2004) und Sex and the City: Kiss and Tell (1994), SaC auch auf deutsch unter diesem Titel. Sohn schrieb als Kolumnistin für New York Press und ist inzwischen für eine wöchentliche Kolumne im New York Magazine verantwortlich.


    Verlagstext:
    Brooklyns Park Slope-Viertel hat einfach alles: Stil, Geld, Charme. Weitläufige Grünflächen, renommierte Schulen, stattliche Gebäude, die bestaussehenden Frauen der Welt. Im Park, in den Cafés und auf den Spielplätzen von Park Slope kreuzen sich in einem langen heißen Sommer die Wege von vier Frauen: Schauspielerin Melora Leigh (zweimalige Oscargewinnerin, überfordert mit ihrem Adoptivkind) erliegt der Verlockung des Taschendiebstahls. Rebecca Rose (vermisst den regelmäßigen Sex) fängt einen gefährlichen Flirt mit einem attraktiven Filmstar aus dem Viertel an. Lizzie O'Donnell (ehemalige Lesbe), will endlich wissen, warum sie sich trotz sexy Ehemann und süßem Baby noch immer zu Frauen hingezogen fühlt. Und Karen Bryan Shapiro ist gleich von zwei Obsessionen besessen: dem Wohlergehen ihres vierjährigen Sohnes und der Jagd nach der ultimativen Vierzimmerwohnung im angesagten Schulbezirk 321.


    Smart, sexy und mit einem lachenden Auge wirft die New Yorker Autorin und Kolumnistin Amy Sohn einen Blick in die Schlafzimmer und Herzen des hippen Brooklyns des neuen Jahrtausends. Und das tut sie zu unserer aller Vergnügen: „Schon beim Lesen der ersten Seite wurde ich rot“ (Lauren Weisberger, Der Teufel trägt Prada). „Ich habe neunzehn Jahre in Amy Sohns Brooklyn gelebt. Dachte ich jedenfalls. Wieso sind mir die amoklaufenden MILFs (Mothers I’d Like to Fuck) nie aufgefallen?“ (Schriftstellerkollege Kurt Anderson).



    Zum Inhalt:
    Rebecca Rose aus Park Slope im New Yorker Stadtteil Brooklyn ist Mutter einer kleinen Tochter und schreibt ab und zu für Cosmopolitan. Rebeccas ungelebte Träume lagern in zwei Schuhkartons unter ihrem Bett. Der von Chanel enthält Rebeccas Ei-Vibrator, der namenlose Karton ihr unveröffentlichtes Roman-Manuskript. Rebeccas sexuelle Durststrecke entwickelt sich gerade zu einer handfesten Ehekrise; denn Rebecca bildet sich ein, ihr Mann Theo würde nur noch seine Tochter lieben und Rebecca habe nach Abbies Geburt als Partnerin ausgedient. Rebecca möchte gern ein zweites Kind - aber wie soll das gehen, wenn sie und Theo seit Abbies Geburt keinen Sex mehr hatten? In Park Slope treffen sich junge Mütter mit ihren Maclaren-Kinderwagen auf dem Spielplatz oder leisten Dienst in der Lebensmittelkooperative. Der Kauf von Bio-Gemüse und Vollkorn-Keksen ist unter Bobos (Bourgois-Bohemians) Status-Symbol. Neustes Mitglied in der Koop ist die zweifache Oscarpreisträgerin Melora Leigh, die jeden Auftritt im wirklichen Leben wie eine PR-Kampagne streng durchplant. Melora hat einen von einem Au Pair betreuten Adoptivsohn, einen teuren Psychiater und nascht Psychopharmaka wie andere Menschen Schokolade.


    Zur Mütter-Mafia um den Prospect Park zählt Karen B. Shapiro. Karen hat alles richtig gemacht im Leben, den passabel verdienenden Anwalt Matty geheiratet und Sohn Darby zur Welt gebracht. Ihren Job als Sozialpädagogin an einer Grundschule vermisst die ehrgeizige Übermutter nicht. Sie hat Darby bereits im Windelalter in sieben Vorschulen angemeldet, um ihm einen Startvorteil ins Leben zu verschaffen. Karens wichtigstes Ziel: eine Eigentumswohnung in der "richtigen" Gegend zu ersteigern, damit Darby im Schulbezirk einer angesehenen Grundschule aufwachsen kann. Je höher der Anteil weißer Schüler, je höher ist hier der Quadratmeterpreis für Appartments. Die usprünglichen Bewohner fühlen sich längst nicht mehr wohl im Viertel. Trotz Immobilienkrise wird der Kampf um die richtige Adresse mit harten Bandagen geführt. Karen und ihr Mann sind dabei, sich mit ihrer Fixierung auf ein einziges Appartment finanziell zu ruinieren. In Prospekt Park West lebt man nach dem Motto: sei reich und zeige in dezenten, aber deutlichen Hinweisen was du dir leisten kannst. Als Karen und Darby auf dem Spielplatz Meloras Leighs Sohn Orion mit seinem Au Pair kennenlernen, drängt Karen sich in aufdringlichster Art in Meloras Leben, die an Stalking grenzt. Karens Auftritt ist der Tropfen, der bei der alternden Melora das Fass zum Überlaufen bringt und sie in eine persönliche und berufliche Krise stürzt.


    Lizzie O'Donnell hatte sich früher für lesbisch gehalten. Sie lebt mit dem jamaicanischen Musiker Jay zusammen und hat mit ihm ein Kind. Jay ist oft unterwegs und verdient Lizzies Meinung nach vergleichsweise wenig für diese Unbequemlichkeit. Weil Lizzie nicht so lange herumexperimentieren musste wie die anderen Mütter der Spielplatz-Mafia ehe sie endlich schwanger wurde, ist sie gefühlte 10 Jahre jünger als Rebecca und Karen. Durch Rebecca (intelligent, witzig und vulgär) fühlt Lizzie sich aufgewertet. Während Rebecca die sie anschmachtende Lizzie in dem Glauben lässt, dass zwischen beiden etwas laufen könnte, macht sie sich an Meloras Mann Stuart heran. Durch einen Zwischenfall in der Koop realisiert Lizzie, dass sie als Mutter eines farbigen Kindes eine Zukunft voller abschätziger Blicke vor sich hat.


    Wenn Ihnen das Schnattern von Sarah Jessica Parker in Sex and the City auf die Nerven gegangen ist, werden Sie die Übermütter vom Prospect Park ebenso nervig finden. Das ist beabsichtigt. Amy Sohn seziert teils zynisch, teils mit anteilnehmendem Blick Mütter, die ihr Kind als Status-Symbol in den Kampf schicken. Unter dem sozialen Druck, wenn schon nicht selbst beruflich erfolgreich zu sein, dann doch wenigstens die Rolle der perfekten Mutter zu mimen, ertragen sie nur schwer das Alleinsein mit einem Kleinkind und ihre überzogenen eigenen Ansprüche. Alles ist hier Wettbewerb. Andere sind emanzipierter, haben die größeren Häuser, die schickere Biografie oder das exotischere Au-Pair-Mädchen. Obwohl man als Leser Zeuge expliziter Sex-Szenen wird, gibt es zwischen den Partnern kaum Erotik. Im Gegenteil, es lässt sich nicht verbergen wie gnadenlos prüde Sohns Protagonistinnen im Herzen sein können. In diesem erotischen Niemandsland könnte Lizzies spontanes Lob "Du siehst phantastisch aus" als Wundermittel wirken. Wenn die biologische Uhr tickt, entpuppen sich in Mustern erstarrte Beziehungen zur Ehe zu dritt, in der die dritte Partei das Thermometer für die Basaltemperatur ist. Wer je in der Regenbogen-Presse Promis mit kleinen Kinder oder Adoptionen durch Prominente bewundert hat, wird spätestens hier erfahren, dass diese Kinder exakt lancierte Werbekampagnen sind - die Arbeit macht immer die Nanny.


    Fazit:
    Im überschaubaren Biotop der Spielplatz-Mafia-Mütter zeigt Amy Sohn wie in einem Brennglas vier sehr gegensätzliche Frauen, deren Wege sich kreuzen, weil sie kleine Kinder haben. Amy Sohn schreibt ironisch an der Grenze zum Zynismus. Die Protagonistinnen, die in ihrem Markenfimmel leicht übersehen, dass Kinder auch Kekse ohne Markenschildchen essen würden, sind mitten aus dem Leben gegriffen. Wer sich davon auf den Schlips getreten fühlt, ist selbst Schuld. Auch ohne auffällige Winke mit dem Zaunpfahl auf Sex and the City ist Prospect Park West ein überaus witziger Roman, der es mit Maupin oder Langer aufnehmen kann.