13 wahre Geschichten - Alex Capus

  • Alex Capus tut, was er am besten kann: Geschichten erzählen. Diesmal sind es historische Miniaturen, also wahre Geschichten, die er der Vergessenheit entrissen hat ...


    'Wahre Geschichten' sind das Anliegen des Schweizer Autors, seit seinem allerersten Roman. Er findet sie in Archiven zwischen Aktendeckeln, in alten Zeitungen oder beim Bäcker, wenn er seine Brötchen kauft. Er nimmt sie sich mit regelrecht räuberischer Gier und - schwupps, ab damit in die Welt der Fiktion. Daraus wurden bis jetzt in der Regel ziemlich gute Romane.
    Hier haben wir etwas anderes. Die Geschichten, die erzählt werden, sind wahr und sie bleiben es. Die Personen gab es wirklich, ihr Leben und ihr Tun läßt sich nachlesen, in Zeitungen, Akten, alten Reisepässen. Eine Literaturliste im Anhang gibt genau Auskunft über die Quellen.
    Da gibt es einen Gärtner, Ernest Perron, der sich mit dem alten Schah von Persien anfreundete und nach Persien zog, Veronka Gut, die als Waffenschmugglerin gegen die französische Revolution kämpfte, den Motorenkonstrukteur Louis Chevrolet, der arm war, reich wurde und wiederum veramt war als er starb. Wir hören vom Goldrausch in Solothurn 1862, einem Bergsturz im Bündnerland 1618, Ausländerkrawallen in Zürich 1896 und von Schweizer Emigranten nach Brasilien. 13 Geschichten, in der Regel kurz, zwischen zehn und fünfzehn Seiten, klar und eher knapp erzählt. Es liest sich gut. Nicht selten sind die Geschichten faszinierend.
    Und doch fehlt etwas.
    Der Drang, nur zu berichten, nur Chronist zu sein, führt dazu, daß sich Capus zu sehr aus den Geschichten herausnimmt. Die ruhige Erzählstimme ist immer in Gefahr eintönig zu klingen. Dann geschah dies, dann geschah das.
    Es gibt auch keinen Grund dafür, daß gerade diese 13 Geschichten ausgewählt wurden. Es hätten auch andere sein können, irgendwas passiert doch immer, oder?
    Trotzdem ist das im übrigen sehr schön gemacht kleine Büchlein, (mit Lesebändchen!!), auf eine nicht genau bestimmbare Weise attraktiv. Es verlockt zum Blättern, mal diese Geschichte zu lesen, mal jene. Irgendwie ist es wie das Leben.
    Was die Lektüre bestimmt mit sich bringt, ganz sicher für LeserInnen in Deutschland, sind höchst aufschlußreiche Einblicke in die wilde und blutige Geschichte der Städte, Herrschaften und Kantone eines Nachbarlandes, das im kollektiven deutschen Bewußtsein heute so friedlich im Sonnenschein unter weißverschneiten Berggipfeln daliegt, wo sanfter Duft nach Schokolade die Täler durchzieht und die Ruhe nur vom leisen Rascheln der Banknoten in den Safes durchbrochen wird.
    Früher war eben alles ganz anders. :grin
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Nein, ich wollte keine besondere Aufmerksamkeit für das Buch nach all den Jahren.
    Ich hatte nur einen bescheuerten Tipfehler in der - TITELZEILE - entdeckt.
    :yikes :yikes


    Elbereth weiß warum.
    :lache


    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus


  • Prima die Sache mit dem "bescheuerten Tippfehler", sonst wäre ich wohl nie auf dieses Buch aufmerksam geworden. Tippfehler haben also auch ihr Gutes. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • *lach*


    weißt Du, ich bin ja schon schlimm in puncto: immer das Gute an etwas sehen.
    Abr Du schlägst mich hier um eine Nasenlänge.


    Aber ja, könnte Dir gefallen. Am besten nicht alle hintereinander weg lesen, sonst wird es eintönig.



    :wave


    magali (gerade 'Summer of '69' mitsingend ;-) )

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • .......gibt es übrigens seit Juli 2006 auch als Taschenbuch. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Wenn Dir 'Studium ferner Welten' gelesen hast, wird Dir der Stil bekannt vorkommen. Hier ist aber alles glatter, geschliffener. Und die Geschichten sind nicht erfunden.


    'Nett' ist nicht unbedingt das Wort, das mir bei Capus einfällt :grin
    Aber ich weiß, was Du meinst.


    Ich selber bin noch nicht dahinter gekommen, ob ich die Erzählungen in 'Studium ...' gescheit oder eher langweilig bs platt finde. Eigenartiger Autor.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich hab Alex Capus als neuen Autor gerade erst fuer mich entdeckt. Leon und Louise hatte mir sehr gut gefallen, und dann sah ich dieses kleine Buechlein.


    Man erkennt den Schreibstil gleich wieder, kurz und praegnant werden ganze Lebensgeschichten auf wenigen Seiten erzaehlt. Da gibt es keine Schnoerkeleien und blumige Worte.


    Hier ist der Erzaehler ein sehr genauer und distanzierter Berichterstatter. Das funktioniert recht gut, so kurz die Geschichten auch sind, so lesen sie sich doch so, dass man wirklich das Gefuehl hat sie ist so wie sie ist komplett.


    Diese Skizzen schaffen es ein faszinierendes Bild der Schweizer Geschichte und seiner Menschen zu malen, das fuer mich voellig neu ist. Es ist ein breites Spektrum, das sich da auftut, von bitter Armut ueber Intrigen und blutigen Konflikten bis hin zu genialen Erfindungen. Wer haette gedacht, dass sich hinter dem so typisch amerikanischen Chevrolet ein Schweizer versteckt? Dass es eine Kolonie Schweizer Auswanderer in Brasilien gibt?


    Und doch fehlt mir etwas: mit dieser Distanz des Erzaehlers geht etwas die menschliche Seite verloren. Ich bin fasziniert von den Geschehnissen, der geschichtlichen Entwicklung des Landes. Ich kann aber nicht wirklich mit den Menschen mitfuehlen. Schade, denn ansonsten ist dies ein wunderschoenes kleines Buch, das ich sehr gerne gelesen hab.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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