Tom Rob Smith - Agent 6

  • Moskau 1965: Leo Demidow ist ein ehemaliger KGB Agent. Er kümmert sich nur mehr um seine Familie, seine Frau Raisa, die er über alles liebt und seine zwei Adoptivtöchter Elena und Soja. Als Raisa und die Töchter die Möglichkeit haben in den USA ein Konzert zu geben, ahnt Leo Schlimmes und will die Abreise verhindern. Als seine Befürchtungen wahr werden und in New York sehr schlimme Dinge geschehen, setzt er alles daran die offiziellen Lügen aufzudecken. Seine Suche führt ihn 15 Jahre später auch nach Afghanistan und damit mitten in die russische Invasion in ein unwirtliches Land.


    Agent 6 ist keine direkte Fortsetzung von „Kind 44“ und „Kolyma“ aber es lohnt sich auch diese zwei Geschichten zu lesen. Dieses Buch wird als Krimi/Thriller bezeichnet, jedoch kann ich dem nur bedingt zustimmen. Es geht schon um die Geschehnisse in New York, aber im Mittelpunkt steht eindeutig Leo und sein Leben. Seine Gedanken kreisen nur mehr um die Vergangenheit. Er sammelt alle Informationen, die er bekommen kann und zweifelt vom ersten Augenblick an der offiziellen Version. Als ein Fluchtversuch fehlt schlägt, wird er nach Afghanistan gebracht, um dort als Berater der sowjetischen Armee zu dienen. Eine Arbeit, die meist das Leben kostet. Gefangen in diesem Land, verfällt er dem Opium, um so seinen Schmerz vergessen zu können. Mehr als einmal fasst er den Entschluss seinem Leben ein Ende zu setzen, zieht es jedoch nicht durch. Durch Zufall ergibt sich die Chance zum Überlaufen in die USA und somit auch die Möglichkeit seine Suche fortzusetzen.


    Ich habe das Buch im Zuge einer Leserunde gewonnen und gelesen. (Nochmals vielen Dank an die Organisatoren) Mich hat „Agent 6“ überzeugt. Mit Leo Demidow ist dem Autor eine Hauptfigur gelungen, die ihresgleichen sucht. Er hat über die 3 Bücher eine Entwicklung durchgemacht – vom eingebildeten KGB Offizier zum Familienvater, der für seine Frau und seine Töchter sterben würde. Leos Leben verändert sich grundlegend und er versucht sich mit der Aufklärung über Wasser zu halten. Sein Leben in Afghanistan und seine Opiumsucht waren eindringlich beschrieben und das System der Bespitzelung auf beiden Seiten der Großmächte USA und ehemalige UdSSR haben mich fast schon beängstigt.
    Die Geschichte hat mich doch recht traurig gemacht und es war nicht einfach das Buch zur Seite zu legen. Dennoch ist es für mich ein sehr gutes Buch.


    Von mir gibt's 9 von 10 Punkten

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  • Leo ist zu Beginn des Buches noch ein junger Agent beim KGB, in dieser Zeit lernt er seine zukünftige Frau Raisa kennen. Aber auch in dieser Zeit wird er als Beschützer eines Amerikanischen Sängers Jesse Austin eingesetzt so kreuzen sich deren Wege einmal. 15 Jahre später lebt Leo mit seiner Familie in einer Wohnung, seinen Beruf beim KGB hat er aufgegeben und seine Frau arbeitet immer noch als Lehrerin. Sie reist nun mit ihren Kindern mit einer Gruppe Schüler in die USA um dort aufzutreten. Dort passiert nun schreckliches, Leo kann dies nicht begreifen und lebt eigentlich nur noch für die Zeit bis er Nachforschunge anstellen kann. Doch bis er in die USA kommt, das dauert er macht einen Umweg über Afghanistan, dort erlebt er auch so einiges. Für uns als Leser ist dieses Buch interessant, denn es schildert die Zeit des Kalten Krieges, wie dieser stattfand bzw. wie man damals lebte und wie er ausgeführt wurde. Sowohl auf seiden der UDSSR und auch auf Seiten der USA. Vieles war einem gar nicht so bekannt wie es einem jetzt im Buch klar wird. Gut es stimmt nicht alles aber ein großteil wird schon so in etwa so sein wie in diesem Buch beschrieben. Sinnvoll wäre es wenn man die beiden Vorgängerbücher kennen würde, was ich nicht getan habe und daher an einigen Stellen etwas Probleme hatte der Handlung zu folgen. Alles in Allem ein sehr empfehlenswertes Buch.

  • Auch ich durfte das Buch im Rahmen einer Testleserunde lesen - hier noch einmal herzlichen Dank an die Verantwortlichen - und fühlte mich von der Intensität der Schilderung bereits auf den ersten Seiten so gefesselt, dass ich mich an "Der fünfte Reiter" von Collins & Lapierre und Tom Clancys "Befehl von oben" erinnert fühlte, meine ersten mich richtig beeindruckt habenden Gegenwartsthriller.
    Natürlich ist es ein Roman, aber er wirkte so echt, dass man sich gut vorstellen konnte, dass es so oder so ähnlich gewesen sein muss - und es gewiss auch heute noch an manchen Stellen unserer Erde so ist. Die totale Überwachung erinnerten sowohl an Orwells 1986 als auch an Berichte aus der McCarthy-Ära und über die eingeschränkte Berichterstattungsfreiheit während der letzten Olympischen Spiele in China.
    Bedauerlicherweise habe ich mit dem Schauplatzwechsel nach Afghanistan etwas die Fühlung sowohl mit dem Protagonisten als auch mit der Story an sich verloren. Afghanistan ist zwar leider ein Dauerthema, und ich las auch, dass anderen LR-Teilnehmern dieser "Ausflug" gefiel, aber ich hätte das lieber als ausgelagerte Extrageschichte gelesen und mich hier voll auf die Ereignisse um Leo und seine Familie in der UdSSR und den USA konzentriert
    7 von 10 Punkten

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von maikaefer ()

  • Zum Inhalt möchte ich gar nicht so viel sagen, da ich ansonsten zu viel verraten würde. Vorweg kann ich aber sagen, dass sowohl der Titel als auch der Klappentext des Buches eher irreführend sind. Hier geht es nicht vorrangig um Agent 6 oder um die Geschehnisse in New York und dessen Auflösung. In diesem Buch geht es hauptsächlich um Leos Leben. Daher rate ich auch jedem Leser, die beiden Vorgänger-Bücher (Kind 44 & Kolyma) unbedingt zu lesen. Als eigenständiges und unabhängiges Buch kann ich Agent 6 auf keinen Fall empfehlen, denn diese Leser werden bestimmt enttäuscht sein. Aber für jeden, der die beiden anderen Bücher kennt, kann ich nur eine klare Leseempfehlung aussprechen. Denn dies ist ein Buch, welches nicht durch eine rasante Handlung besticht, sondern eher durch einen tollen Schreibstil, glaubhafte Charaktere, viele interessante Geschehnisse rund um die Sowjetunion und ihr System und natürlich um das Leben der Hauptperson Leo Demidow.
    Trotz unterschiedlicher Personen und Orte verliert der Leser niemals den Überblick, da alles sehr logisch und konsequent erzählt wird. Letztlich das Ende ging für mich leider etwas zu schnell – hier hatte ich ein wenig das Gefühl, dass der Autor „schnell“ fertig werden wollte.


    Fazit: Für alle Leser der beiden Vorgängerromane absolut empfehlenswert und interessant. Ich vergebe 9,5 von 10 Punkten.

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von verena ()

  • sollhaben


    Danke für deine ausführliche Rezension, jedoch bin ich der Meinung, dass du inhaltlich schon ziemlich viel verrätst!?


    Vielleicht möchtest du deine Rezi noch etwas abändern?


    :wave

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Moskau 1050: Zusammen mit Leo Demidow durchreisen wir den Kommunismus. Mit dabei: Jesse Austin, Schwarzer, Amerikaner und Anhänger des Kommunismus. Ihm soll eine Heile Kommunismuswelt vorgespielt werden. Nur knapp kann Leo einen Eklat verhindern. 15 Jahre später wird seine Frau eingeladen die USA zu besuchen. Zusammen mit ihren zwei Töchtern und vielen anderen Kindern will sie ein Konzert ausrichten. Doch nach diesem Konzert gibt es mehrere Tote, viel Schmerz und nur eine Person, die die Wahrheit kennt: Agent 6.


    Ich dufte dieses Buch in einer Leserunde lesen. Oben seht ihr alle drei Bücher des Autors in meinem Regal. Fakt ist, dass ich "Kind 44" und "Kolyma" nicht gelesen habe. Ich hatte erst Angst, ich bräuchte beide Vorgänger um alles zu verstehen, aber nun kann ich euch mit ruhigem Gewissen sagen, dass es nicht nötig ist, alle Bücher zu lesen.


    Zwar hat man mit den beiden Büchern einen kleinen Wissensvorsprung und kann einige Dinge vielleicht besser einordnen, aber mit etwas gesundem Menschen verstand und Mut zur "Minimallücke" geht es auch so.


    Ich kann euch genau sagen, bis zu welcher Seite das Buch mich gepackt hat. Es hat mich geschüttelt und gerüttelt, es hat mich wahnsinnig gemacht und traurig und das bis Seite 283. Bis dahin begleiten wir Leo durch den ersten Abschnitt seiner Geschichte. 1950, sein Familienleben, Jesse Austin... All dies wird mit brillanter Einsicht in die Gefühle der Charaktere, in die Lebensverhältnisse Moskaus und auch mit akribischen Einblicken in den Kommunismus beschrieben. Ich litt mir, empfand Schmerz zusammen mit Leo als er die Scharade versucht zu vertuschen. Als er versucht ein Mensch zu sein und gleichzeitig Kommunist. Er vergisst nie, auch später im Buch nicht, woher er kommt, welche Lebensweise er gelebt hat und was ihm nun wichtig ist. Das macht ihn zu einem vielschichtigen, gewichtigen und lebensnahen, verwunderlichen Charakter.


    Alle anderen Dinge sind bis dahin genau beschrieben und man merkt, da hat sich der Autor was bei gedacht. Die Hintergründe sind gut recherchiert und verändert.


    Ab Seite 283 begeben wir uns in ein anderes Land, eine andere Zeitrechnung und gefühlt auch zu einem anderen Autor. ZWar ist der Schreibstil der selbe, aber irgendetwas ist anders. Das Lebensgefühl weicht einer unabdingbaren Traurigkeit, die auch Leo ergreift. Manchmal ertrinkt er in Selbstmitleid und Schmerzen, was auf die Dauer sehr anstrengend ist. Außerdem tauchen eine Vielzahl von neuen, wichtigen Charakteren auf, die es sich schnell gilt zu merken, denn es geht rasant weiter. Trotzdem habe ich diesen Anteil von 200 Seiten langsam und schleppend gelesen. Im Gegensatz zum ersten Teil, schwächelte dieser Mittelteil zusehends.


    Nun wartet man gespannt auf die Lösung. Wer ist Agent 6? Warum? Wieso? Und dann? Am Ende geht alles ganz schnell und ist von Zufällen nur so durchtränkt. Schade, denn ich wollte auch wissen wie es ausgeht. Aber dann finden wir zufällig den, und dann die, gehen die Straße entlang (Vorsicht überspitzt!) und schon wissen wir alles, was wir wissen wollten.


    Nur am Ende blitzt es noch einmal auf, dass Gefühl traurig zu sein mit Leo und den anderen. Ein Gefühl der Zugehörigkeit, der Machtlosigkeit gegenüber einem Regime und der Lesegenuss.


    6 von 10

  • Ich habe lange überlegt, ob ich hier überhaupt etwas schreiben soll (darf?), da ich mich doch geweigert habe, das Buch zu lesen. Diese Sätze jedoch:

    Zitat

    Original von verena
    Aber für jeden, der die beiden anderen Bücher kennt, kann ich nur eine klare Leseempfehlung aussprechen.
    (...)
    Für alle Leser der beiden Vorgängerromane absolut empfehlenswert und interessant.


    bringen mich zur Äußerung folgender Minderheitsmeinung:


    Ich hatte mich sehr auf dieses Buch gefreut, und in Vorbereitung der Testleserunde sowohl „Kind 44“ als auch „Kolyma“ gelesen. Als ich dann die ersten Rezensionen der englischen Ausgabe fand, wurde ich skeptisch, hatte aber noch einen Rest Hoffnung. Als das Buch hier eintraf, habe ich es quergelesen und fand meine schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen. So gut das Buch für sich sein mag, ich wünschte mir, ich hätte nach „Kolyma“ aufgehört - bzw. genauer, die ersten beiden erst gar nicht gelesen. Weil ...
    Achtung: zur Begründung muß ich wesentliche Teile bis hin zum Ende von „Agent 6“ spoilern!
    [sp]... weil Tom Rob Smith in „Kind 44“ und „Kolyma“ seinen Helden zwar auch mit seinen Fehlern und Untaten darstellt, am Ende von „Kolyma“ jedoch der Eindruck herrscht, daß Leo, Raisa und die beiden Mädchen nun eine - den Umständen entsprechende - glückliche Familie sind. Dieses wird hier in diesem Buch gnadenlos zerstört. Raisa tot, die beiden Mädchen und Leo getrennt, Leo am Ende wartend auf seinen Prozeß, von dem man sich denken kann, wie der in der UdSSR ausgeht. Ich habe die Leserunde weitgehend still mitgelesen und dieses bestätigt gefunden.[/sp] Auf mich persönlich hätte dieses Buch, hätte ich es gelesen, einen sehr depressiven und destruktiven Eindruck gemacht bzw. mich in einer solchen Stimmung zurückgelassen. Insofern kann man mE eine Leseempfehlung nur aussprechen, wenn man bereit ist, sich auf so etwas einzulassen. Ich bin es nicht, war darauf überhaupt nicht vorbereitet, und bin insofern durchaus sauer auf den Autor.


    Für mich war das Buch nichts, und ich kann mir nicht vorstellen, jemals wieder etwas von Tom Rob Smith zu lesen. So eine Ent-täuschung tue ich mir nur ein Mal pro Autor an. Die Liste „meiner“ No-Go Autoren ist wieder um einen Namen länger geworden.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Zitat

    Original von SiCollier
    ...
    Ich hatte mich sehr auf dieses Buch gefreut, und in Vorbereitung der Testleserunde sowohl „Kind 44“ als auch „Kolyma“ gelesen. Als ich dann die ersten Rezensionen der englischen Ausgabe fand, wurde ich skeptisch, hatte aber noch einen Rest Hoffnung. Als das Buch hier eintraf, habe ich es quergelesen und fand meine schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen. So gut das Buch für sich sein mag, ich wünschte mir, ich hätte nach „Kolyma“ aufgehört - bzw. genauer, die ersten beiden erst gar nicht gelesen. Weil ...
    Achtung: zur Begründung muß ich wesentliche Teile bis hin zum Ende von „Agent 6“ spoilern!
    [sp]... weil Tom Rob Smith in „Kind 44“ und „Kolyma“ seinen Helden zwar auch mit seinen Fehlern und Untaten darstellt, am Ende von „Kolyma“ jedoch der Eindruck herrscht, daß Leo, Raisa und die beiden Mädchen nun eine - den Umständen entsprechende - glückliche Familie sind. Dieses wird hier in diesem Buch gnadenlos zerstört. Raisa tot, die beiden Mädchen und Leo getrennt, Leo am Ende wartend auf seinen Prozeß, von dem man sich denken kann, wie der in der UdSSR ausgeht. Ich habe die Leserunde weitgehend still mitgelesen und dieses bestätigt gefunden.[/sp]


    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • @ verena


    Deine im Spoiler geäußerte Vermutung ist korrekt. Hätte ich "Agent 6" als einzelstehendes Buch (also nicht Schluß einer Trilogie) gelesen, hätte es mir möglicherweise bis zu einem gewissen Grade gefallen können. Aber nicht als Schlußband einer Trilogie.


    Wie gesagt, hätte ich gewußt, worauf der Autor hinaus will, hätte ich nie zu einem Buch von ihm gegriffen.


    N.B. Ich habe eine andere Trilogie hier, die vermutlich ähnlich "schlecht" ausgeht. Nur da ergibt sich ein solches aus den Berufen und Herkommen der Protagonisten, und war mir bei Kauf des ersten Bandes bewußt, insofern kann mich diese Trilogie nur positiv überraschen. Hier wurde ich negativ überrascht. Das ist - ich weiß das - sehr subjektiv, aber Bücher werden nunmal subjektiv wahrgenommen. Zumindest ich tue das.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Sorry, dazu kann ich nur sagen, wer davon ausgeht, dass Menschen, die in einem totalitärten Staat eigene Wege gehen, wie Raisa und Leo am Ende von Kolyma, glücklich und zufrieden leben können, hat dieses Staats-System nicht verstanden oder möglicherweise schlimmer, verniedlicht es unbewußt.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Sorry, dyke, ich wollte keinen historischen Roman mit historisch korrekter Darstellung eines Unrechtssystems lesen, sondern einen Thriller zur Unterhaltung. Daß ich dieses System verniedliche, das kann man mir wirklich nicht unterstellen.


    Offensichtlich haben wir unterschiedeliche Vorstellungen von „Unterhaltung“ und „Lesegenuß“. Denn beide Begriffe würde ich auf dieses Buch nicht anwenden.


    Es war ein Versuch, einmal abseits meiner „normalen“ Lesepfade zu lesen, er ist schief gegangen, wie schon einer dieses Jahr. (Sinnigerweise war dieses Jahr der einzige Versuch, ein anderes Genre zu lesen, der mit einer sehr positiven Überraschung aufwartete, Tom Liehrs „Sommerhit“.) Und die Lehre daraus für mich: ich werde auf meinen Pfaden bleiben und Ab- und Umwege sein lassen. Du brauchst Dich künftig also nicht mehr mit meinen Ansichten herumzuschlagen, da wir uns lesemäßig vermutlich nicht mehr in die Quere kommen werden. :wave

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Auch ich hatte die Möglichkeit dieses Buch im Rahmen der Testleserunde zu lesen, vielen Dank noch einmal an alle Beteiligten.


    Für mich war das Buch ein Ausflug in absolutes Neuland, ich habe mich noch nie auf einen Thriller in Richtung Agenten / Geheimdienst eingelassen, dementsprechend neugierig war ich auf das Buch. Ich habe also auch nicht die beiden Vorgänger gelesen und ich für mich muss sagen, man muss sie auch nicht gelesen haben, um das Buch zu verstehen. Sicherlich fehlt einem die eine oder andere Hintergrundinfo, aber ich konnte "Agent 6" auch als eigenständiges Buch lesen und verstehen.


    Es war für mich zum Teil sehr bedrückend zu lesen, wie Geheimdienste und Agenten arbeiten. Irgendwie sind sie alle in jedem System gleich und wenn es sein muss, arbeiten sie auch zusammen gegen den "Feind". Mir ist natürlich bewußt, das Geheimdienste keine Kuschelvereine sind, aber das dann so an speziellen Beispielen zu lesen, die Willkür teilweise wie die Menschen in deren Fänge geraten können, hat mich doch sehr betroffen gemacht.


    Das Buch selbst fand ich doch recht gut gelungen. Die ersten beiden Teile des Buches fand ich spannend und ich wollte unbedingt wissen, wie es mit Leo und seiner Familie weitergeht. Dann im Mittelteil folgt ein kompletter Bruch und man wechselt das Geschehen. Man ist Jahre später in Afghanistan und bis auf Leo und eventuell ein Geheimdienstler spielen komplett neue Personen eine Rolle. Das empfand ich beim Lesen im ersten Moment als sehr störend. Je weiter ich mich aber auf die Afghanistan-Geschichte eingelassen habe, umso mehr hat sie mir auch gefallen. Es war sehr spannend geschrieben und auch da fieberte ich mit Leo mit.
    Im letzten Teil kommt man wieder auf den Urpsrung der Geschichte zurück, der Suche nach Agent 6. Leider empfand ich den Teil als zu kurz und teilweise auch schnell abgehandelt, als wenn man jetzt mit Gewalt das Buch zu Ende bringen wollte. Schade eigentlich.


    Nach Beendigung des Buches, fand ich den Mittelteil aber auch wieder nicht so tragisch, weil der irgendwie bei der Entwicklung des weiteren Geschehens schon eine bedeutende Rolle spielt. Irgendwie paßte das am Ende doch zusammen, obwohl ich es beim Lesen als Bruch der Geschichte empfunden habe.


    Letztendlich fand ich das Buch doch ganz gut und sehr interessant, aber ich glaube nicht das es ein Buch ist, dass ich unbedingt noch einmal lesen muss. Aber nicht weil es so schlecht ist, sondern einfach weil man schon weiß was passiert.


    Ich vergebe
    8 von 10 Punkten

    Kein Buch ist so schlecht, dass es nicht auf irgendeine Weise nütze.
    (Gaius Plinius Secundus d.Ä., röm. Schriftsteller)

  • verena : ich habs geändert. Du hast recht, ich hoffe es passt jetzt besser.


    Das Buch ist natürlich kein Sonnenscheinbuch. Es ist traurig und zeitweise so niederschmetternd, aber ich hab schon andere Geschichten gelesen, die mich am Ende völlig entgeisterst und hoffnungslos zurückgelassen haben. So ist es mir hier nicht ergangen. Irgendwie konnte ich aus den letzten Seiten doch noch Hoffnung schöpfen, weil ich weiss, dass Leo alle Opfer auf sich nehmen wird, um zu überleben.

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  • Zitat

    Original von dyke


    Sorry, dazu kann ich nur sagen, wer davon ausgeht, dass Menschen, die in einem totalitärten Staat eigene Wege gehen, wie Raisa und Leo am Ende von Kolyma, glücklich und zufrieden leben können, hat dieses Staats-System nicht verstanden oder möglicherweise schlimmer, verniedlicht es unbewußt.


    Der Meinung bin ich auch - außerdem erscheint das doch nur realistisch. Es muss doch nicht immer so sein, dass jedem was schlechtes widerfährt nur einzig allein dem Hauptprotagonisten nicht - so etwas ist dann meiner Meinung nach unrealistisch und unglaubwürdig..
    Aber so hat halt jeder eine andere Meinung und das ist ja auch gut so..

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  • Ich habe das Buch auch in der Testleseraktion gelesen.
    Aber es war auch nicht so mein Fall.


    Die Schreibweise voll bedrückend, auch wenn sie dem Zeitgeist in Russland voll trifft. Die Zeitsprünge waren sehr groß und nicht gerade zusammenhängend.
    Besonders die Episode in Afghanistan hat ME nicht in den Plot gepasst. Für mich war es eher den Anschein, als wenn der Autor nur noch Seiten brauchte, um sein Buch zu fällen. Die Handlung um Leo und seine Familie war mir zu lückenhaft, und einfach in einer "Rohfassung", die mich nicht befriedigt hat.
    Auch hat mich Leo in seiner Wesensart einfach nicht überzeugt.


    Also für mich war dies definitiv das Letzte, das ich gelesen habe.

    Gruss Hoffis :taenzchen
    ----------------------
    :lesend Der fünfte Tag - Jake Woodhouse
    ----------------------

  • Moskau 1950. Leo Demidow, junger und vielversprechender Agent des KGBs, tut alles dafür um Stalins Feinde aufzuspüren und ihnen das Handwerk zu legen.
    Als dann der schwarze, amerikanische Sänger und bekennender Kommunist Jesse Austin als Gast nach Moskau kommt, bekommt Leo die Aufgabe ihm das idealistische Abbild eines Lebens in der Sowjetunion zu geben.
    Es scheint aber nicht wirklich nach Plan zu verlaufen....
    Als sich die beiden Mächte, U.S.A. und Sowjetunion, 15 Jahre später zu Zeiten des Kalten Krieges nach außen hin als versöhnlich gehen wollen, planen sie ein friedliches Zusammentreffen in New York, bei dem sowjetische Schüler mit amerikanischen Gleichaltrigen ein Konzert geben sollen.
    Leos Frau Raisa Demidowa und ihre Adoptivtöchter Soja und Elena sollen die Schüler begleiten.
    In New York aber entwickelt sich die zunächst friedliche Veranstaltung immer mehr zum Chaos mit weitreichenden Folgen.
    Leo Demidow, mittlerweile Ex-Agent des KGBs, will nun auf eigene Faust die Wahrheit herausfinden und startet so in seinen letzten Fall.
    Von „Kind 44“, dem ersten Teil der Trilogie um den Ex-KGBler Leo Demidow, war ich einfach nur begeistert. Ein wahnsinnig gutes und spannendes Buch mit einem unglaublichen Sog, das einen geflasht zurückließ. Natürlich freute ich mich dann schon sehr auf weitere Bücher des Autors und empfand große Vorfreude auf „Kolyma“, den zweiten Teil.
    Dann wurde ich allerdings enttäuscht. „Kolyma“ kam einfach nicht an den Vorgänger heran und ich fand es nur sehr zäh und konstruiert.
    Dennoch mochte ich Leo und seine Frau Raisa sehr und ihre Geschichte interessierte mich nach wie vor. Deswegen freute ich mich trotzdem auf einen weiteren Fall des Agenten, wenn auch ich mit geringerer Erwartung an „Agent 6“ heranging.
    Ich muss gestehen, dass ich zunächst nicht wusste, dass es sich um eine Trilogie handelt, ich mir aber nach „Agent 6“ auch keine Fortsetzung vorstellen könnte.
    Der Anfang des Buches war wieder sehr spannend und mitreißend, die Spannung flacht dann aber wieder deutlich ab.
    So ist die weitere Handlung eher zäh und langatmig und der eigentliche Fall wird mehr und mehr zum Randgeschehen, denn anstelle von Russland als Hauptschauplatz dominieren hier die U.S.A. und Afghanistan. Interessant war das durchaus und Abwechslung war dadurch auch genug vorhanden, dennoch fand ich gerade Russland zu dieser Zeit und unter diesem Regime als Handlungsort sehr „verlockend“, da es einmal etwas anderes war und so meine Neugier weckte.
    In „Kind 44“ und „Kolyma“ war also genug dieses „Flairs“ vorhanden, hier aber geht Russland als Schauplatz komplett unter.
    Die Geschichte der Sowjets in Afghanistan war dann aber dennoch interessant zu lesen, wenn auch dieser Handlungsabschnitt irrelevant für den eigentlichen Fall war und die Geschichte dadurch eher künstlich in die Länge gezogen wirkt, da vor allem die Aufklärung recht unspektakulär verläuft und ohne diesen Afghanistanpart die eigentliche Geschichte schnell erzählt gewesen wäre.
    „Agent 6“ war für mich besser als „Kolyma“ was Glaubwürdigkeit und Spannung betrifft, kann dem ersten Buch „Kind 44“ aber leider nicht das Wasser reichen.
    Dennoch war es für mich ein guter und gelungener Abschluss der Trilogie, da zum Einen eine Fortsetzung der Reihe nach den gravierenden Geschehnissen in „Agent 6“ unvorstellbar gewesen wäre und zum Anderen das Ende einfach perfekt passt und etwas anderes wäre auch unglaubwürdig oder nicht passend gewesen.
    So hat es etwas endgültiges und ist stimmig mit Leos Schicksal und dem sowjetischen Regime zu dieser Zeit.
    Den Titel „Agent 6“ empfinde ich aber was Handlung und Fall betrifft als eher irreführend, da hier Leos Geschichte zentral ist und der Bezug auf den Titel erst auf den ca. letzten 50 Seiten erwähnt wird.
    Wer also „Kind 44“ und „Kolyma“ gelesen hat, der sollte dieses Buch auf jeden Fall lesen, da es die Trilogie perfekt abschließt.
    Alle anderen sollten die Reihe chronologisch lesen, da man so Leos Werdegang und die Geschichte seiner Familie besser verstehen kann und dadurch werden auch Leos Handlungsweisen nachvollziehbarer und der Leser ist nicht von den vielen Namen und erwähnten Details aus der Vergangenheit verwirrt. Für das bessere Verständnis ist die Einhaltung der Reihenfolge also durchaus empfehlenswert.
    Ich fand „Agent 6“ gut und die ganze Reihe um Leo Demidow und seine Familie sehr lesenswert! Ich werde sie vermissen.


    4 von 5 Sternen!

  • Tom Rob Smith fiel mir mit Kind 44 zwischenzeitlich häufig auf, aber bis dato bin ich nicht dazu gekommen, dieses viel gelobte Buch zu lesen.


    Agent 6 habe ich in einer LR gewonnen und wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass es eine Trilogie zugehört. Sonst hätte ich wahrscheinlich auf dieses Buch erst einmal verzichtet.
    Aber im Nachhinein bin ich froh, dass ich an der LR teilgenommen habe. Und auch das fehlende Wissen der beiden Vorgängerbücher hat dem Lesevergnügen keinen Abbruch getan. Es war alles verständlich und nachvollziehbar.


    Das Buch Agent 6 baut im ersten Drittel einen Spannungsbogen auf, welcher im Höhepunkt dramatisch abfällt und in einem neuen Geschichtenaufbau wieder heran wächst.
    Während des Leseflusses empfand ich diesen Neuaufbau als störend und zu eingeschoben um es als einen roten Faden anzusehen.
    Es wirkte wie eine zusätzlich eingebrachte "Kurzgeschichte". Diese selbst war ebenfalls interessant geschrieben und entwickelte mit der Zeit einen spannenden Handlungsstrang. Als Leser fragt man sich, wie Tom Rob Smith die beiden Erzählstränge kombinieren wird.


    Heute kann ich sagen, dass Agent 6 ein Lesevergnügen ist und Kind 44 sicher bald ebenfalls gelesen wird.


    8 von 10 Punkten

  • „Agent 6“ ist nach „Kind 44“ und „Kolyma“ bereits der dritte Roman um Leo Demidow. Wieder stehen er und seine Entwicklung im Mittelpunkt des Geschehens und der Zuordnung zum Genre des Thrillers kann ich nur bedingt zustimmen. Das ist aber eine Nebensächlichkeit. Betrachte ich den Roman rückblickend, kann ich sagen, dass es Tom Rob Smith gut gelungen ist, die Arbeit der verschiedenen Geheimdienste, neben dem KGB spielen auch die CIA und das pakistanische Pendant ISI eine Rolle, darzustellen. Für mich, die ich nur über literarische Geheimdiensterfahrungen verfüge, stellten sich diese Sachverhalte so dar, als hätte es sie in der Realität so gegeben. Der gesamte Roman, egal ob der Handlungsort die damalige Sowjetunion, die USA oder auch Afghanistan war, wirkte von Beginn an sehr düster und bedrückend auf mich. Die persönliche Entwicklung, die Leo Demidow nahm, war zwar menschlich nachvollziehbar beschrieben, manche Abschnitte wirkten aber trotzdem überzogen auf mich. „Agent 6“ lebt von und mit vielen Zeitsprüngen, Was in diesen ausgesparten Jahren geschah, weiß der Leser teils aus den Vorgängerromanen, teil bleiben die Geschehnisse auch im Dunkeln. Das fand ich ein wenig schade. Aber die Zeit, die der Leser den Protagonisten durch die verschiedenen Schauplätze begleitet, sind großteils spannend, actiongeladen und mitunter schon fast hollywoodlike. Besonders die letzten 100 Seiten waren so geschrieben, als hätte der Autor bereits eine Verfilmung im Hinterkopf, sozusagen ein finale grande, um dann (zu) schnell und einfach einen Schlusspunkt zu setzen.
    Mein Fazit: „Agent 6“ ist ein schlüssig aufgebauter Roman, der auf den vorhergehenden Büchern aufbaut und mich trotz des etwas schwachen Endes gut lesen ließ.


    Auch ich habe das Buch in der Testleserunde gelesen und somit gewonnen, allen nochmals herzlichen Dank!


    edit: Bewertung nachgeholt: 7 von 10 Punkten

  • Nun kann ich endlich auch meine Rezi schreiben, ich musste etwas Zeit verstreichen lassen.


    Der Anfang von "Agent 6" hat mich sofort wieder gefesselt und auf eine ähnliche Sogwirkung wie bei "Kind 44" hoffen lassen.
    Dies ist dann aber nicht unbedingt so eingetreten.
    Zuerst war ich vom Afghanistan-Teil etwas enttäuscht, ich verstand den Zusammenhang nicht und fragte mich "was soll das"?
    Nach wenigen Kapiteln hat sich dies jedoch grundlegend geändert, ich war fasziniert von diesem Abschnitt und einige Szenen haben sich mir regelrecht eingebrannt ( ich denke da z.B. an den Überfall auf das Dorf ).
    Rückblickend finde ich den Aufbau von "Agent 6" gelungen, einen Punkt Abzug gibt es bei mir nur für den einen oder anderen leichten Durchhänger und das doch etwas kurz gehaltene Ende.


    Für mich hat Tom Rob Smith mit Leo Demidow einen Protagonisten geschaffen, den ich so schnell nicht vergessen werde. Mit dem Schreibstil des Autors komme ich bestens klar und ich freue mich schon auf sein nächstes Buch.


    Von mir gibt es also 9 von 10 Punkten.


    P.S. SiCollier, ich habe lange über deine Begründung, das Buch nicht zu lesen, nachgedacht und versucht, dich zu verstehen. Dies ist mir nur sehr bedingt gelungen. Ich finde deine Aussagen aber sehr interessant und bin trotzdem sehr froh, dass ich das Buch anders sehen und lesen konnte. ;-)