Sarah Waters - Solange du lügst

  • Originaltitel: Fingersmith


    ISBN der Taschenbuchausgabe: 3-7466-2121-6
    (erscheint lt. Verlagsangabe im Februar 2005)


    Homepage der Autorin: http://www.sarahwaters.com


    Inhalt (lt. Amazon):


    Susan Trinder ist eine Waise. Ihre Mutter starb am Galgen - so jedenfalls hat es ihr Mrs. Sucksby erzählt, die Frau, bei der Sue Unterschlupf fand. Mrs. Sucksby steht einem Haus von Dieben vor. Ihre Schützlinge betteln und stehlen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nur Sue behandelt sie mit ausgesuchter Höflichkeit, als sei das Mädchen etwas Besonderes. Eines Tages taucht ein Mann auf, den alle "Gentleman" nennen. Als Zofe soll Sue ihm helfen, die unbedarfte Adelige Maud Lilly zu heiraten und so an ihr Vermögen zu gelangen. Ist die Heirat vollzogen, will er die junge Frau in ein Irrenhaus einweisen lassen. Ein angeblich narrensicherer Plan, doch Sue muß bald erkennen, daß ihr in diesem Stück nicht nur die Rolle der skrupellosen Betrügerin zukommt. Bald verwischen sich die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Liebe und Haß ...


    Meine Meinung:


    Eine Mischung aus Dickens und Du Maurier - so preist uns der Verlag dieses Buch an. Bei solch hochtrabenden Vergleichen sind meist Zweifel angebracht. Die wenigsten Bücher halten, was der Covertext uns verspricht. Aber auch wenn Sarah Waters sicherlich einem Charles Dickens nicht das Wasser reichen kann (wer kann das schon?), gelingt es ihr, eine Atmosphäre zu schaffen, die durchaus einem seiner Roman entnommen sein könnte. Taschendiebe, Betrüger und Strolche aller Art bevölkern die Seiten. Gouvernanten, Zofen, Diener, Ladies & Gentleman des viktorianschen England erwachen hier zum Leben.


    Was zunächst wie ein ganz "normaler" historischer Roman erscheint, wird aber nach und nach zu einem regelrechten Kriminal- und Rätselstück. Der vermeintlich vorhersehbare Handlungsverlauf wird durch unerwartete Wendungen immer wieder in vollkommen neue Bahnen gelenkt. Und durch der Wechsel der Erzählperspektiven gelangt der Leser oft zu den erstaunlichsten Erkenntnissen.


    In diesem Buch treffen wir auf Hauptfiguren, bei denen der (deutsche) Titel Programm ist: es wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Wahrheit und Lüge liegen eng beieinander und kehren sich so manches Mal in das genaue Gegenteil um. Die Protagonisten verweigern sich einer eindeutigen Klassifizierung in das gängige Gut/Böse-Schema. Und gerade diese vielschichtigen Charaktere sind es, die dieses Buch zu einem meiner Lesehighlights des letzten Jahres gemacht haben. Für mich auf jeden Fall ein Buch, dass ich kaum aus der Hand legen konnte. Ein toller, aber außergewöhnlicher historischer Roman.


    (Hinweis: Meine Meinung bezieht sich auf die englische Originalausgabe)

    Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler. (Philippe Dijan)

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  • Ich bin ein ganz grosser Fan von Sarah Waters, muss aber gestehen, dass mir "Fingersmith" am wenigsten gefallen hat. Der erste Teil war fantastisch, aber danach fiel die Geschichte für mich sehr ab. Ich kann nicht mehr wirklich erklären, warum, aber irgendwann war es mir zu viel mit den Irrungen und Wirrungen bzw. ich fand, sie waren nicht mehr plausibel dargestellt.


    Trotzdem immer noch eine solide Empfehlung.


    Noch empfehlenswerter aber aus meiner Sicht sind Sarah Waters' ersten beiden Bücher, "Tipping the velvet" (inzwischen auch fantastisch verfilmt!) und "Affinity", zu Deutsch "Die Muschelöffnerin" bzw. "Selinas Geister".

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

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  • Zitat

    Original von J.M.Lovecraft
    Der Film ist absolut großartig


    :write


    Dem schliess ich mich an. Sehr gut gemacht, und gerade der Wechsel der Erzählperspektiven kommt im Film besonders gut heraus. :anbet

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Oh mein Gott, dieses Buch ist so toll. Hab es jetzt so gut wie durch, und bin total begeistert. An den letzten 100 Seiten lese ich jetzt seid einer Woche, weil ich es einfacht nicht zu ende haben möchte.
    Die Geschichte ist so toll, ich könnte echt heulen, wenn ich daran denke, das jedes Buch (auch dieses) ein Ende hat.
    Hab ja vorher den Film gesehen (der ja auch super ist) aber das Buch ist noch um längen besser. Wobei ich beim lesen jetzt auch immer die Gesichter der Darstellerinnen aus dem Film im Kopf habe (was nicht unbedingt schlecht ist :grin).
    Ich kann euch allen (auch den Heten :lache) nur empfehlen diese Buch zu lesen, es ist großartig.


    P.S. Als nächstes ist Tipping the velvet dran (auch von S. Waters) Hoffentlich ist das ähnlich gut.

  • Für mich war das Buch nicht so recht geeignet. Zwar fing es gut an, und ich fand den Twist zum Schluß des ersten Teils wirklich gelungen. Auch gefiel mir, das ganze nochmal aus anderer Sicht zu sehen.
    Aber trotzdem hätte dem ganzen ein bißchen Straffung gutgetan. Es war z.T. etwas sehr ausschweifend erzählt, wirklich haarklein eingehend in die Gedanken der Protagonisten.
    Erschwerend für mich war, das ich keinen der Charaktere mochte. Ich habe mit keinem mitfühlen können.


    Ich weiß nicht, ob ich es nochmal mit der Autorin versuchen werde. Ich bin aber froh, das Buch gelesen zu haben, da ich ziemlich neugierig auf die Autorin war.

  • Also ich bin ja total begeistert von Figersmith. Ich habe auch Tipping the Velvet und Affinity von Sarah Waters gelesen, aber Fingersmith ist eindeutig mein absoluter Favorit. Ich glaube, ich habe noch nie ein Buch mit so vielen rasanten Wendungen gelesen - zwischendurch habe ich immer wieder gedacht, "Nee, halt, das kann jetzt irgendwie nicht sein. Das passt doch wirklich überhaupt nicht mehr zusammen ..." - und am Ende ist doch alles wunderbar aufgegangen, nix ist unlogisch, mensch nimmt allen Beteiligten ihre Motivationen ab. Krass! Und der Perspektivwechsel ist wirklich unglaublich gut gemacht - so gut, dass ich ernsthaft angefangen habe, die Szenen, die zweimal beschrieben werden, parallel zueinander zu lesen (das Rumgeblättere ist, ähem, ganz schön umständlich ....). Durch die unterschiedlichen Sichtweisen kam es mir fast so vor, als würde ich in 3-D lesen. Definitiv volle Punktzahl und nix zu meckern!