Das Schweigen meiner Mutter - Lizzie Doron

  • Taschenbuch: 220 Seiten
    Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag (1. Oktober 2011)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3423248955
    ISBN-13: 978-3423248952
    Originaltitel: Ve jom echad od nipagesch



    Kurzbeschreibung


    Ein Photo. Ein Garten, Tel Aviv, 50er-Jahre. Im Vordergrund ein kräftiges kleines Mädchen, den Blick in die Kamera gerichtet, einen zweifelnden oder auch verzweifelten Blick, vielleicht blendet aber auch nur die Sonne. Im Hintergrund ein Gebüsch, und dort, eingerahmt von einem kleinen weißen Kreis, ein weiteres Gesicht. Fast unkenntlich, winzig und fern.


    Ist das der Vater, den das Mädchen nicht kannte? Nach dem es wieder und wieder vergeblich fragte und dann – längst erwachsen – zu forschen begann? Eine Suche nach Sinn und Begründung eines, wie sich zeigen wird, wahnwitzigen Geheimnisses.


    Autorin


    Lizzie Doron, geboren 1953 in Tel Aviv, studierte Linguistik, bevor sie Schriftstellerin wurde.
    2003 wurde ihr Roman Ruhige Zeiten mit dem von Yad Vashem vergebenen Buchman-Preis ausgezeichnet.


    Meine Meinung


    Ich habe mich oft gefragt, wie das Leben der Juden, die das Lager überlebt haben, weiter gehen konnte. Das stelle ich mir furchtbar vor. Die Erinnerungen bleiben und die Trauer um die Angehörigen.


    Lizzie Doron erzählt wie es bei Alisa als Tochter einer Überlebenen war. Von ihrem Vater weiß sie nichts, warum verschweigt die Mutter ihn ihr. Jede Familie in dem Viertel Tel Avis hat fast keine Verwandten.


    Als Erwachsene trifft sich Alisa mit ihren Freundinnen bei Beerdigungen, auch in dieser Generation wird viel verschwiegen. Alisa fragt immer noch nach dem Vater, sie denkt, ihr ging es als Kind am schlechtesten. Jetzt erfährt sie, das es auch bei ihrer beste Freundin Dorit Probleme gab, deren Mutter bekam immer wieder Angstzustände und verbarikarierte sich im Badezimmer.
    Bei der 2. Freundin gab es 2 Väter, Alisa war neidisch, die hat 2 Väter und ich keinen. Aber warum, die beiden sind Brüder, als der eine verschollen war, dachte seine Frau er wäre tot und heiratet seinen Bruder. Er hatte aber überlebt und lebt jetzt bei den beiden, aber was für ein Leben für alle Beteiligten.


    Langsam erfährt Alisa mehr über ihren Vater, die Mutter wollte sie nur schützen.


    Dieser Roman hat mich erschüttert, aber gleichzeitig ist er wunderbar.
    Sehr zu empfehlen
    :lesend

  • Das Buch liegt auf meinem SUB und ich muss es bald lesen. Ich habe alle vorangegangenen Bücher von Lizzie Doron gelesen und habe sie im letzten Jahr bei einer Lesung erlebt. Eine wunderbare Frau und Autorin.

  • Das Schweigen meiner Mutter - Lizzie Doron


    Mein Eindruck:
    Nach “Es war einmal eine Familie” ist “Das Schweigen meiner Mutter” der zweite Roman, den ich von Lizzie Doron gelesen habe und wieder bin ich sehr beeindruckt.


    Sprachlich ist der Roman sorgfältig gestaltet und durch die gute Lesbarkeit erreicht man Nähe zur Erzählerin, die schon als Kind immer viel Fragen stellte, die ein eindrucksvolles Portrait der Mutter formt und der auch manchmal ein leicht grimmiger Humor und Ironie nicht fehlt.


    Es sind Bücher von Relevanz, die Lizzie Doron schreibt. Hier kann man erfahren oder zumindest erahnen, mit welchen Lasten die Überlebenden des Holocaust in Israel lebten. Über die Verluste und die Qualen der Vergangenheit wurde überwiegend geschwiegen, da es galt, sich ein neues Leben und eine neue Heimat aufzubauen.


    Die Kinder der Überlebenden erfahren daher nicht alles über die Vergangenheit. Zu diesen Kindern gehört auch die Ich-Erzählerin Alisa. Nur bruchstückweise und oft erst nach langer Zeit erfährt sie mehr, z.B. das ihrer Mutter anscheinend schon einmal verheiratet war und Kinder hatte, die alle umgekommen sind, wie auch die meisten anderen Verwandten.
    Zudem weiß Alisa nichts über ihren Vater, den sie nicht kennen gelernt hat. Die Mutter schweigt über ihn. Erst allmählich erfährt Alisa auf ihrer lebenslangen Suche nach Informationen etwas über ihn, z.B. dass er Tuberkulose hatte und nicht im Kibbuz aufgenommen wurde.


    Es sind die Leerstellen, die sehr schwer zu füllen sind, die dieses Buch ausmachen.


    Abschließend möchte ich noch aus der Laudatio zum Jeanette Schocken Preis, den Lizzie Doron gewann, zitieren, die ich so vollkommen zutreffend finde:


    Zitat

    Lizzie Doron ist eine israelische Schriftstellerin, die jenen eine Stimme gibt, die sie selber nicht erheben, die jenen Raum verschafft, den sie sich selber nicht nehmen könnten. Sie schreibt über Menschen, die von ‚dort’ kommen, die den Holocaust überlebten und nun zu leben versuchen. In Israel. Fremd, schweigend, versehrt – und stets ihre Würde wahrend. Mit großer Behutsamkeit nähert die Autorin sich ihren Figuren und mit großem Respekt wahrt sie Distanz.
    Lizzie Doron, selber Kind einer Überlebenden, erzählt leise, knapp, genau, und gänzlich ohne Pathos. Kein Lamento. Keine Bitterkeit. Es gelingen eindringliche Szenen, in denen Komik und Trauer sich verbünden, Schrecken und Zärtlichkeit gemeinsam balancieren. Das ist so meisterhaft wie berührend.