Die letzten Tage von Hongkong - John Burdett

  • "Die letzten Tage von Hongkong" von John Burdett


    ISBN: 3890290973


    Verlag: Malik Verlag


    Erscheinungsjahr: 1997 (deutsches HC)


    Seitenzahl: 486


    Übersetzerin: Sonja Hauser


    Über den Schriftsteller:
    John Burdett wurde 1951 in Großbritannien geboren und arbeitete als Rechtsanwalt in Hongkong, bevor er mit dem Schreiben begann. Einem größeren Publikum dürfte er mit seinen Bangkok-Romanen um den buddhistischen Polizisten Sonchai bekannt geworden sein.


    Über den Inhalt:
    Hongkong 1997. Kurz bevor die britische Kronkolonie an China zurückgegeben werden soll, wird Inspector Charlie Chan mit der Aufklärung an einem Dreifachmord beauftragt. Anfänglich scheinen die drei nicht identifizierbaren Personen Opfer einer Bandenrivalität geworden zu sein. Nachdem Chan der Fall anfänglich entzogen und auf Intervention wieder zu geteilt wird, ergeben die Ermittlungen, dass es sich um eine politisch veranlasste Tat handeln kann. Inspector Chan sieht sich im Laufe seiner Nachforschungen mit den künftigen Machthabern konfrontiert.


    Meine Meinung:
    "The last six million seconds"- so lautet der Originaltitel des im Jahr 1997 erschienen Hongkong Romans von John Burdett, der Bezug auf die countdown clock nimmt und die in zwei Monaten bevorstehende Übergabe der Kronkolonie anmahnt.
    In diesen ungewissen Zeiten, in denen sich die Vermögenden bereits auf die künftigen politischen Veränderungen mit allen Eventualitäten vorbereitet haben, muss Inspector Charlie Chan den Tod an drei nicht zu identifizierenden Leichen aufklären.


    Chan, Sohn einer Chinesin und eines Iren, dessen Vater sich nach Zeugung einer Schwester für Chan aus dem Staub gemacht hat, wächst in ärmlichen Verhältnissen auf und schafft es, eine Ausbildung bei der Polizei zu machen. Die frühe Trennung der Eltern bewegt Chan dazu, seine Schwester, eine ehemalige Schönheitskönigin mit einem gut situierten Rechtsanwalt zu
    verheiraten, damit sie den elenden Lebensverhältnissen ihrer Jugend entkommt.
    So innig die Beziehung des Polizisten zu seiner Schwester ist, so komplizierter gestaltet sich sein Verhältnis zu Frauen im Allgemeinen. Seine einzige Ehe mit einer Engländerin ist gescheitert und im Verlaufe des Romans spekuliert er immer wieder über die Gründe für die Trennung, die er nicht nur in ihren unterschiedlichen Interessen, sondern auch in ihrer Herkunft sieht. Überhaupt spielen in Burdetts alleinstehendem Hongkong Roman Ungleichheiten eine Rolle. Wieder und wieder greift Burdett die Mentalitätsunterschiede zwischen Engländern und Chinesen auf, er vergleicht politische Ansichten und macht
    deutlich, dass an keinem anderen Ort der Welt wie in Hong Kong die Finanzen der eigentliche Machthaber sind. Dort, wo das Geld regiert, gibt es zwangsläufig Armut und Burdett nimmt den Leser mit nach Mongkok, in das Viertel, in dem man sich durchschlägt, auf engstem Raum wohnt und viele Festlandchinesen vor dem kommunistischen China Zuflucht gefunden haben.
    Chans Schwester dagegen hat es geschafft, ist sie doch mit ihrem Ehemann in ein 270 qm großes Appartment gezogen und gehört nun einer Klasse an, die von langer Hand geplant mit Immobilienspekulationen zu Wohlstand gekommen ist und beruhigt einer Zukunft unter einer chinesischen Regierung entgegensehen kann.


    Chan, der ursprünglich die Motive in seinem aktuellen Fall in Bandenrivalitäten um Drogen und Schmuggelgeschäfte sieht, muss erkennen, dass der Tötung der drei Opfer tieferliegende Motive vorausgehen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tod einer Geschäftsfrau und Freundin von Chans Schwager stehen.
    Er, der sich für diesen Todesfall verantwortlich fühlt, muss von vorne anfangen zu ermitteln.


    John Burdett führt vor dem Hintergrund der Immobilienspekulationen, die ungeahnte Ausmaße vor Rückgabe der Kronkolonie annehmen, vor Augen, dass jeder der 8 Millionen Einwohner Hongkongs auf irgendeine Art und Weise mit dem bevorstehenden Machtwechsel in Berührung kommt, so auch die sympathische und etwas schrullige Randfigur eines systemuntreuen Antiquars, dessen Nähe und Rat der einsilbige Chan immer wieder sucht.


    Mit "Die letzten Tage von Hongkong" hat John Burdett einen lesenswerten und ungeschönten Hongkong Roman mit viel Flair geschrieben, der ein nachvollziehbares Bild einer im Umbruch befindlichen Kronkolonie vor Rückgabe an das kommunistische Festland liefert und nur in zweiter Linie sein Versprechen hält, ein Thriller zu sein. Zu Enttäuschungen dürfte dieser
    Umstand bei der eingeschworenen Fangemeinde des Briten Burdett wohl kaum führen, denn bereits seine Romane um den in Bangkok ermittelnden Polizisten Sonchai leben weniger von den Kriminalelementen als von der schwülen Atmosphäre der thailändischen Hauptstadt, seinen einzigartigen Figuren und der Idee, dass Burdett ein außerordentliches Einfühlungsvermögen für eine Kultur beweist, der er nicht entstammt.
    Anders jedoch als bei der Serie um den Polizisten Sonchai ist der Stil, der weniger auf die anklagende Kommunikation mit dem Leser als auf eine erzählerische Darstellung der Ereignisse setzt.


    Im Ergebnis jedenfalls hat John Burdett mit dem vorliegenden Roman gezeigt, dass ein Stück Unterhaltungsliteratur mit einem historischen Schwerpunkt auch fünfzehn Jahren nach Erscheinen immer noch eine Leseempfehlung wert ist.

  • Sehr informative Rezi - herzlichen Dank dafür. Ich werde das Buch wohl in Bälde auf meine Wunschliste packen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich habe dieses Buch jetzt auch gelesen. Interessant fand ich v.a. den Einblick in HongKongs Kultur, wie die Menschen dort leben und was im Untergrund passiert. Sex & Drugs spielen in dem Buch eine große Rolle.


    Die Geschichte um den Mord dreier Menschen war gut aufgebaut, aber teilweise ganz schon heftig und für mich eher hintergründig.


    Mich hat es nicht gestört, dass das Buch bereits 1997 erschienen ist. Ich habe mich eher über die Begeisterung, Nachrichten per Mail zu verschicken, amüsiert. Gute , alte Zeit ;-)


    Ich werde mir die anderen Asien-Bücher des Autors auf jeden Fall auch noch einmal genauer ansehen.