110 - Ein Bulle hört zu - Cid Jonas Gutenrath

  • Kurzbeschreibung:
    Ein Freigänger erschlägt seine Frau mit einer Axt, eine verzweifelte Mutter sucht Rat in Erziehungsfragen, ein Yacht-Besitzer empört sich, weil er auf dem Landwehrkanal geblitzt wurde: Wenn Cid Jonas Gutenrath Notrufe entgegennimmt, kommt er den Menschen sehr nahe. Ob er eine Frau zum Weiterleben überredet oder einen kleinen Jungen tröstet, dessen Mutter gerade gestorben ist: Gutenrath begegnet ihnen allen auf seine ganz persönliche Art. Beim Hören dieser authentischen Geschichten lacht man Tränen oder es stockt einem der Atem.


    Über den Autor:
    Cid Jonas Gutenrath, geboren 1966, war Heimkind, Türsteher, Marine-Taucher, Bundesgrenzschützer, Streifenpolizist und Zivilfahnder, bevor er ein Jahrzehnt lang Notrufe in der Berliner Einsatzzentrale entgegennahm. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern vor den Toren Berlins.


    Über den Sprecher:
    Peter Jordan ist erfolgreicher Theater-, Film- und Fernsehschauspieler und war zuletzt im Ensemble des Hamburger Thalia Theaters. Dem TV-Publikum ist er unter anderem durch die Rolle des Kommissars Uwe Kohnau im Hamburger "Tatort" bekannt.


    Meine Rezension:
    Wenn ein Unfall oder Unglück passiert ist, eine Straftat begangen wurde oder man sich selbst in Gefahr befindet, soll man die 110 wählen - das weiß jedes Kind. Doch kaum jemand macht sich Gedanken darüber, wer am anderen Ende der Leitung sitzt und dass dieser Jemand einen ausgesprochen wichtigen Job macht. Das ändert sich mit dem vorliegenden Hörbuch. Cid Jonas Gutenrath gibt in "110 - Ein Bulle hört zu" einen ebenso eindringlichen und menschlichen wie tragischen und komischen Einblick in seine Arbeit als Polizist in der Notrufzentrale der Berliner Polizei. Die Anrufe, die hier landen, kommen von den unterschiedlichsten Menschen und werden aus den unterschiedlichsten Gründen getätigt. Vom kleinen Jungen, der seine verstorbene Mutter vermisst über eine junge Frau, die sich aus Liebeskummer das Leben nehmen will, bis hin zu dem durch Stichwunden lebensgefährlich verletzten Homosexuellen und Mann, der auf Freigang seine Frau mit einer Axt erschlägt - sie alle landen am Telefon von Gutenrath, der stets die richtigen Entscheidungen treffen und während des schwierigen Gesprächs entsprechende Maßnahmen einleiten muss. Gutenrath gibt die Gespräche direkt wieder, beschönigt nichts und vermittelt dem Hörer nicht nur ein breites Bild von seiner Arbeit, sondern durch die immer wieder eingestreuten, themenrelevanten persönlichen Erlebnisse und Anekdoten aus seiner Vergangenheit auch einen guten Eindruck von ihm selbst. Nicht jeder Anruf ist gleichermaßen tragisch, mancher sogar eher amüsant, doch Gutenrath nimmt jeden von ihnen wichtig und bemüht sich um jeden Anrufer, solange der nicht so unverbesserlich ist, dass selbst der Autor selbst mit seiner Meinung nicht mehr hinterm Berg halten kann.
    "110 - Ein Bulle hört zu" ist mitten aus dem Leben gegriffen und erzählt die große Bandbreite des Lebens so menschlich und auf so spannende, sympathische und teilweise auch humorvolle Art und Weise, dass man gerne noch viel mehr gehört hätte und bedauert, dass es sich bei dem Hörbuch um eine gekürzte Version handelt und viel zu schnell (und auch etwas abrupt) zu Ende ist.*
    Cid Jonas Gutenrath hat mein Bewusstsein geweckt für die Menschen, die in der Notrufzentrale der Polizei arbeiten und Tag für Tag mit solchen Anrufern und ihren Schicksalen konfrontiert werden. Hut ab und großen Respekt vor dieser Arbeit!


    Peter Jordan ist die perfekte Besetzung als Sprecher, mit seiner warmherzigen Stimme verleiht er dem Erzähler und allen Anrufern eine Persönlichkeit, die man so schnell nicht mehr vergisst.


    Sehr gute 8 Punkte von mir!


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    * Deshalb werde ich mir auf jeden Fall auch die ungekürzte Buchversion ansehen!

  • Ich hatte mich wirklich richtig auf dieses Hörbuch gefreut, auch im Vorfeld den Autor bei Frank Elstner im Interview, als Gast gesehen und dachte das Hörbuch wäre etwas für mich.


    Leider war ich total enttäuscht, weil mich die Art und Weise wie der Autor mit der Thematik umgeht, die Sprach und Ausdrucksweise überhaupt nicht angesprochen und überzeugt hat. Eine Notrufzentrale und die dort eingehenden Anrufe sind doch eine ernste und schlimme Angelegenheit und der Autor zieht zu 99 % jeden der vorgestellten Fälle durch den Kakao, ins Lächerliche und er selbst ist natürlich der Held schlechthin.
    Die dargestellte, coole und überhebliche Art war gar nicht nach meinem Geschmack und nur dem Schlusswort kann ich etwas abgewinnen. Aus meiner Sicht war das Alarm für Cobra 11 in Worte und Sprüche gefasst für das Ohr.....schade!

  • Zitat

    Original von Mercymelli
    Eine Notrufzentrale und die dort eingehenden Anrufe sind doch eine ernste und schlimme Angelegenheit und der Autor zieht zu 99 % jeden der vorgestellten Fälle durch den Kakao, ins Lächerliche und er selbst ist natürlich der Held schlechthin.


    :wow Ui, da bin ich aber baff! Ich fand gerade nicht, dass der Autor irgendjemanden durch den Kako gezogen hat, sondern im Gegenteil, sehr respektvoll mit den Anrufern umgegangen ist. Kannst du vielleicht Beispiel- Episoden nennen, die du meinst?


    LG, milla

  • Ich versuche es milla und es ist natürlich nur ein ganz persönlicher Eindruck.
    Die Einleitung fand ich schon unpassend. Interessiert es mich tatsächlich (bei dem Titel) ob er ein Verkaufstalent am Telefon ist, er gerne quatscht, seine Mutter einen illustren Freundeskreis hatte und er vor seinem 10. Lebensjahr schon wusste, wie es nachts um halb eins auf der Reeperbahn aussieht, er seine Chefin nicht mag usw.? Auch an vielen Kollegen lässt er kein gutes Haar und meint, sie erzählen haarsträubenden Unsinn am Telefon und bekommt dann zwischendurch wieder die Kurve als Gutmensch und Held. Dann die ersten Anrufe:
    Geplänkel um einen Herrn Bulthaupt mit Dr. Titel mit dem er um seine Dienstnummer feilscht ihn selber auf den Arm nimmt und dafür anschließend vorm Chef und eben diesem Dr. im „vollgepfurzten“ Sofa sitzt und an Schwarzbier denkt. Auch die Einschübe von Eddie Murphy, erinnern doch sehr stark an einen Möchtegern Beverly Hills Cop und so cool will er wohl die ganze Zeit im Hörbuch rüberkommen. Er verfehlt meiner Ansicht nach damit neben der Unterhaltung und dem Witz, den Anspruch an dieses Thema. Auch wenn er einen Homosexuellen am Telefon hat, genau weiß ob er mit einem Mann oder einer Frau spricht und dann meint, ist es nun ein er, sie oder es und das die herbeigerufenen „strammen“ Kollegen sicher sehr gefallen werden, denke ich an Ironie pur. Der Anruf von Heini mit Hansen Pils und das er in diesem Moment während des Anrufs an „Flitzkacke“ leidet, muss ich nicht wirklich wissen, das sind Pausenfüller und Comedy. So zieht sich das durch das ganze Hörbuch und ob Kind, Freigänger, ältere Dame, Ausländer etc. jeder bekommt von ihm sein Fett weg und alle Gedankengänge die ich dabei von ihm aufgezählt bekomme, machen nicht wirklich Mut bei der Polizei anzurufen und um Hilfe zu bitten. Vor allem nicht, wenn er den Freigänger, der gerade die Axt in den Schädel einer Frau geschlagen hat weil er sie umbringen will, den Ernst der Lage erkennt noch darauf bringt, nachzusehen ob er sie auch wirklich umgebracht hat und dann den weiteren Tötungsdelikt direkt am Telefon mithören muss.
    Natürlich sind einige Gespräche sehr eindringlich, wenn man einen Mord am Telefon miterlebt oder Selbstmörder am Telefon hat und vielleicht muss er zwischendurch einfach Klamauk machen, um die ganzen Situationen aufzulockern, aber mich hat es damit einfach nicht angesprochen und hatte es irgendwie anders erwartet. Ich möchte auch damit die Arbeit der Polizei keineswegs beleidigen oder runter spielen, sicher kommt auch vieles in der Realität so vor, dann hätte man aber bei der Auswahl der dargestellten Geschichten ein wenig mehr Feingefühl walten lassen können, ein paar Sprüche, Aussagen streichen, aber der Welt wäre es dann sicher zu langweilig und sachlich. Mag sein das ich mit meiner Meinung auch ganz falsch liege, wenn ich mir die Amazon Bewertungen so anschaue, ist das Hörbuch/ Buch ist sicher für ganz viele lustig und gute Unterhaltung und dann ist das auch in Ordnung und soll jeder selber entscheiden, meint er ja ganz zu Anfang selber auch dazu.


    Edit: Es lag auch ganz sicher nicht am Sprecher, den mag ich ansonsten auch recht gerne.

  • Ich finde es spannend, wie unterschiedlich die Eindrücke sind und es macht mich neugierig, deshalb DANKE für deine Beispiele! Vielleicht ein paar - natürlich ebenfalls subjektive - Anmerkungen zu den genannten Stellen:


    Zitat

    Original von Mercymelli
    Die Einleitung fand ich schon unpassend. Interessiert es mich tatsächlich (bei dem Titel) ob er ein Verkaufstalent am Telefon ist, er gerne quatscht, seine Mutter einen illustren Freundeskreis hatte und er vor seinem 10. Lebensjahr schon wusste, wie es nachts um halb eins auf der Reeperbahn aussieht, er seine Chefin nicht mag usw.?


    Das ist glaube ich Geschmackssache - denn mich hat es tatsächlich interessiert, wer mir hier überhaupt etwas erzählen will (insbesondere und gerade weil es keine Fiktion ist). Vor seinem persönlichen Hintergrund habe ich vielleicht auch manche Sprüche nicht ganz so flapsig empfunden wie ohne dieses Wissen. Allerdings muss ich auch gestehen, dass mir das Ausmaß der persönlichen Infos in der Buch-Version auch etwas zu viel waren.


    Zitat

    Original von Mercymelli
    Auch die Einschübe von Eddie Murphy, erinnern doch sehr stark an einen Möchtegern Beverly Hills Cop und so cool will er wohl die ganze Zeit im Hörbuch rüberkommen. Er verfehlt meiner Ansicht nach damit neben der Unterhaltung und dem Witz, den Anspruch an dieses Thema. Auch wenn er einen Homosexuellen am Telefon hat, genau weiß ob er mit einem Mann oder einer Frau spricht und dann meint, ist es nun ein er, sie oder es und das die herbeigerufenen „strammen“ Kollegen sicher sehr gefallen werden, denke ich an Ironie pur. Der Anruf von Heini mit Hansen Pils und das er in diesem Moment während des Anrufs an „Flitzkacke“ leidet, muss ich nicht wirklich wissen, das sind Pausenfüller und Comedy.


    Hmmm, also ich habe das eher so empfunden, dass man da ziemlich viel Elend mitbekommt und dass man vielleicht automatisch etwas zynischer wird in diesem Job, aber ich finde, dass er das ziemlich gut balanciert hat und selten total genervt reagiert hat. Also bei so manchen Episoden wäre ich persönlich schon viel früher geplatzt und hätte aufgelegt... :lache


    Zitat

    Original von Mercymelli
    Vor allem nicht, wenn er den Freigänger, der gerade die Axt in den Schädel einer Frau geschlagen hat weil er sie umbringen will, den Ernst der Lage erkennt noch darauf bringt, nachzusehen ob er sie auch wirklich umgebracht hat und dann den weiteren Tötungsdelikt direkt am Telefon mithören muss.


    Ich glaube nicht, dass das in irgendeiner Form gewollt war, sondern nur aufzeigen sollte, wie sensibel diese Arbeit ist und welche Verantwortung man als Angerufener hat und vor allem welche weitreichenden Konsequenzen es haben kann, wenn man unabsichtlich die möglicherweise falschen Antworten gibt.


    Zitat

    Original von Mercymelli
    Mag sein das ich mit meiner Meinung auch ganz falsch liege, wenn ich mir die Amazon Bewertungen so anschaue, ist das Hörbuch/ Buch ist sicher für ganz viele lustig und gute Unterhaltung und dann ist das auch in Ordnung und soll jeder selber entscheiden, meint er ja ganz zu Anfang selber auch dazu.


    Absolut - abgesehen davon, dass Meinungen eigentlich nicht falsch sein können, sondern nur anders ;-) Aber vielleicht nochmal zur Klarstellung: Auch wenn ich einige Episoden (wie z.B. die mit dem betrunkenen Hanseaten) durchaus amüsant fand, LUSTIG fand ich das Hörbuch/Buch keineswegs....


    LG, milla :wave

  • Danke für die Mühe mit dem Zitieren und die Darstellung deiner Sichtweise milla.
    Es ist wirklich interessant, wie unterschiedlich ein Hörbuch wirken und welch verschiedene Ansichten man über die einzelnen Kapitel oder Beschreibungen haben kann. Wie gesagt, mich hat es eben nicht so angesprochen und tatsächlich empfinde ich sehr viele Ausführungen als lustig und damit unpassend, soll nicht heißen, bei der Polizei darf nicht gelacht werden. Du hast auch recht, wenn es kein richtig oder falsch gibt, sondern nur eine Meinung dazu und vielleicht wirkt es auf andere Hörer und Wiggli nochmal ganz anders.
    LG :wave

  • Ich lese das Buch gerade und bin sehr gespannt, wie ich abschließend zu den genannten Kritikpunkten stehe.


    Die Einleitung fand ich eigentlich sogar ganz interessant, um zu wissen, welchen Background der Autor mit in seinen Job einbringt...

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)