Lelord, François, Die kleine Souvenirverkäuferin, Orig.titel „La Petite Marchande de Souvenirs“, Übersetz. Ralf Pannowitsch, Piper Verlag, München 2012, ISBN 978-3-492-05490-4
Zum Autor (lt. Klappentext):
François Lelord, geboren 1953 in Paris, studierte Medizin und Psychologie und wurde Psychiater. 1996 schloss er jedoch seine Praxis in Frankreich, um sich und seinen Lesern die wirklich großen Fragen des Lebens zu beantworten. Er ist viel auf Reisen, besonders gerne in Asien, und lebt heute in Paris und Hanoi, wo er seit 2004 Psychiater an der französischen Klinik ist. Durch seine Hector-Romane ist er mittlerweile einem Millionenpublikum bekannt.
Meine Meinung:
François Lelord war mir bisher lediglich von seinem Sachbuch „Der ganz normale Wahnsinn: vom Umgang mit schwierigen Menschen“ bekannt, insofern hatte ich keine besonderen Erwartungen an den Romanautor François Lelord. Die im Klappentext angedeutete Handlung klang für mich durchaus vielversprechend.
Vietnam in den 90er-Jahren: Julien, ein Arzt aus Paris, Ende 20, beginnt sich in Vietnam einzuleben, die Landessprache zu lernen und ein Gefühl für Land und Leute zu entwickeln. Er lernt Eigenheiten des Landes und seiner Bewohner kennen und verstehen, und knüpft Kontakte zu seiner Lehrerin und einer Souvenirverkäuferin. Als eine aus dem Norden des Landes kommende Schwester an einem unbekannten Virus stirbt und weitere Personen erkranken, reist er, um Hinweise auf den Ursprung des Erregers zu finden, mit denen sich ein Ausbruch einer Epidemie verhindern lässt, mit seiner britischen Kollegin und Ex-Freundin Clea unter einem Vorwand in die entlegene Bergregion im Norden, aus der das Opfer kam. Eine Unterstützung durch die Behörden erfahren weder die betroffenen Opfer noch die Ärzte und das Klinikpersonal, die sich um Versorgung der Opfer oder Eindämmung der drohenden Epidemie kümmern. Obwohl sich Clea und Julien immer noch gut verstehen, erwidert Julien Cleas Gefühle nicht mehr und Julien muss feststellen, dass er immer wieder an die Souvenirverkäuferin vom See denken muss, obwohl er nur wenig Kontakt mit ihr hatte. Während Juliens Abwesenheit wird die Souvenirverkäuferin verhaftet. Der Staat lässt den Souvenirverkauf von Einheimischen an Ausländer nicht zu, der für die Souvenirverkäuferin die einzige Basis war, um ihre Familie auf dem Land finanziell zu unterstützen. Clea und Julien gehen im Kampf gegen die Erkrankung ein hohes persönliches Risiko ein, aber auch die Souvenirverkäuferin kommt in Gefahr…
François Lelord erzählt auf 319 Seiten eine Abenteuergeschichte, eine Liebesgeschichte, fast einen Wissenschaftsthriller, einen Politkrimi und einen Gesellschaftsroman – und das ist auch schon die Krux daran. All das, was der Autor zu vereinen versucht, kann auf so wenigen Seiten lediglich oberflächlich angerissen sein und so wirkt sein Roman in vielen Passagen nüchtern, blutleer und leidenschaftslos, obwohl durchaus erkennbar wird, dass ihm Vietnam, seine Einwohner und sein Thema am Herzen liegen. Sowohl Protagonisten als auch interessante Nebenfiguren werden nicht in der Tiefe ausgestaltet, die sie verdient hätten, und die auch durchaus für die Leser interessant gewesen wäre. Bei allen wesentlichen männlichen Figuren des Romans hinterlässt Lelord den Eindruck, dass sie, weitestgehend von ihrem Sexualtrieb gesteuert, handeln. Die Beschreibungen von Vietnam, des dortigen Lebens und die Erläuterungen zu Historie und aktueller politischer und gesellschaftlicher Situation sind knapp ausgeführt, und wirken teilweise wie wahllos eingestreut. Sie ermöglichen dem Leser damit zwar Einblicke in die vietnamesische Kultur aber kein größeres Bild und Verständnis. Angedeutete Gesellschaftskritik wird nicht so ausgeführt, dass sie für die Leserschaft wirklich greifbar wird. Da „Die kleine Souvenirverkäuferin“ auch etliche gut reflektierte, gelegentlich sogar poetische Szenen beinhaltet, empfand ich es als sehr schade, dass François Lelord das Gefühl, das er offensichtlich für Vietnam, seine Historie und seine Einwohner hat, nicht stringent zum Ausdruck bringen konnte. Sprachlich ist der Roman sachlich, flüssig, locker und leicht lesbar gehalten.
Trotz seiner Mängel habe ich den Roman „Die kleine Souvenirverkäuferin“ von François Lelord zwar nicht gespannt, aber interessiert und gerne gelesen, auch wenn ich nach der Lektüre mit zwiespältigem Eindruck zurück bleibe und mich der Roman zu wenig berührt hat, um, wie im Klappentext beschrieben, als „zauberhafter Roman über eine unmögliche Liebe“ in Erinnerung zu bleiben.
7 von 10 Punkten