Joyce Carol Oates: Unter Verdacht. Die Geschichte von Big Mouth und Ugly Girl [ab 12]

  • Joyce Carol Oates: Unter Verdacht. Die Geschichte von Big Mouth und Ugly Girl
    dtv 2005. 304 Seite
    ISBN-13: 978-3423622165. 8,95€
    Vom Verlag empfohlen ab 12 Jahre
    Originaltitel: Big Mouth & Ugly Girl
    Übersetzerin: Birgitt Kollmann


    Verlagstext
    Niemals wäre Matt auf die absurde Idee gekommen, ein Attentat auf seine Schule zu verüben. Und doch soll es Zeugen geben, die schwören, er habe damit gedroht. Matt steht unter Verdacht. Und wie es scheint, gibt es nur einen Menschen an der Schule, der ihm glaubt: Ursula Riggs, die Unnahbare, die Jungen sonst aus dem Weg geht, so gut sie kann. Sind denn alle verrückt geworden?


    Die Autorin
    Joyce Carol Oates wurde 1938 in Lockport /New York geboren. Sie studierte Englisch und Philosophie, lehrt heute englische Literatur an der Princeton University. Für ihre Romane, Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke erhielt sie zahlreiche Preise, u.a. den National Book Award, den O'Henry-Preis sowie den Lotus Club Award of Merit. Sie gehört zu den bedeutendsten Autorinnen der amerikanischen Gegenwartsliteratur.


    Inhalt
    Matthew wird direkt aus dem Unterricht von der Polizei zur Vernehmung abgeholt. Er soll eine Bombendrohung gegen seine Schule abgegeben haben. Matt ist das, was man früher einmal als Klassenkasper bezeichnet hätte. Er will andere zum Lachen bringen. Matts Art zeigt mit Sicherheit nicht den Respekt, den ein amerikanischer Polizist von einem Verdächtigen erwartet. Obwohl der Schüler der Rocky River Highschool überzeugt davon ist, dass sich seine Unschuld schon bald herausstellen wird, ahnt man als Leser, dass die Sache für Matt böse ausgehen könnte. Zwar nennt die Presse keinen Namen, aber in kurzer Zeit weiß jeder im Ort über die Sache Bescheid. Eine Mitschülerin, die Matt nur flüchtig kennt, ist Ursula, erfolgreiche Basketballspielerin in der Schulmannschaft. Ursula ist gerade auf Distanz zu ihrem kräftigen Sportlerkörper gegangen und spricht von sich in der dritten Person als "Ugly Girl". Einem Ugly Girl ist es egal, welche Träume ihre Mutter für ihre Tochter hat und was andere Schüler über sie denken. Ugly Girl hat mit einem weiteren Mädchen das Geblödel in der Schul-Mensa damals gehört. Jeder Idiot hätte in der Situation merken müssen, dass Matt gerade nicht der Typ ist, der eine Bombendrohung gegen seine Schule absetzen würde. Ursula geht es um die Wahrheit. Sie will beim Direktor für Matt aussagen und das Missverständnis aus der Welt schaffen. Ugly Girl ahnt nicht, welche Dynamik Matts Geblödel inzwischen in Gang gesetzt hat. Zunächst gibt es Ärger mit Ursulas Mutter, die den guten Namen der Familie ins Spiel bringt. Als wäre es eine Laune, die Wahrheit zu sagen! Alle Eltern aus den besseren Wohnvierteln haben allein die Empfehlungsschreiben für ihre Kinder im Kopf, mit denen die sich für ein Studium bewerben werden. Die Wahrheit hat in dieser Situation keinen Raum mehr.


    Fazit
    Joyce Carol Oates' erster Jugendroman folgt einem Gerücht, das sich unter dem Einfluss eines religösen Eiferers über die Schule hinaus zur Mobbing-Kampagne gegen einen Schüler entwickelt. Beeindruckt hat mich in diesem Jugendroman, wie die Autorin völlig normale Figuren in diesen Schlamassel geraten lässt. Normaler als Ursula und Matt könnte kaum ein Schüler sein. Ursula mit ironischer Distanz zu ihrem nicht für eine Ballerina-Laufbahn tauglichen Körpergröße, die verletzende Reaktion ihrer Mutter auf ihre sportliche Tochter, Matt, der Komiker, und nicht zuletzt die gestressten, mit sich beschäftigten Eltern finde ich außergewöhnlich treffend nachempfunden.


    8 von 10 Punkten

  • Danke für die sehr schöne und treffende Rezension, Buchdoktor.


    Meine Meinung


    Mir hat dieser Roman, der ein halbes Jahr auf meinem SuB geschmort hatte, sehr gut gefallen. Ich mag Joyce Carol Oates Romane, allerdings sind nicht alle gleichermaßen spannend. Dieser hier war so spannend, dass ich ihn nicht mehr aus der Hand legen konnte.
    Wie weit ein Gerücht führen kann, wie sehr es einen Menschen, seine Familie und das gesamte Umfeld verändern kann und wie schwer es ist, einen Ausweg zu finden, ist in diesem Roman sehr weitgehend durchgespielt und wird hautnah spürbar.
    Dazu kommt, dass die beiden Protagonisten so gut gezeichnet sind, dass es trotz des deprimierenden Themas einfach Spaß macht, diese kennenzulernen und den Fortgang des Geschehens zu verfolgen. Gut gefallen haben mir auch die Stimmungsbilder, die im Naturschutzgebiet entlang des Flusses beim Joggen entstanden sind. So kann das nur jemand beschreiben, der wie J.C. Oates selbst gern und ausdauernd läuft.


    Ich gebe 10 Eulenpunkte