Joe R. Lansdale - Dunkle Gewässer

  • Englischer Originaltitel: Edge of Dark Water



    Klappentext



    May Lynn ist das schönste Mädchen der Gegend. Aus der schlimmsten Familie am ganzen Fluss. Als ihre Leiche aus dem Sabine River gezogen wird, interessiert sich niemand dafür, wer sie ermordet hat – alle sind nur hinter dem Geld her, das ihr Bruder bei einem Banküberfall erbeutet haben soll.


    Sue Ellen findet, dass ihre tote Freundin May Lynn etwas Besseres verdient hat. Wenn schon kein Filmstar aus ihr wird, wie sie sich immer erträumte, soll wenigstens ihre Asche in Hollywood verstreut werden. Beim Durchsuchen von May Lynns Habseligkeiten stößt sie mit ihren Freunden Terry und Jinx auf einen Hinweis, der sie zur Beute eines Banküberfalls führt. Zusammen mit Sue Ellens labiler Mutter flüchten die drei Freunde Hals über Kopf mit dem Floß in Richtung Süden. Habgierige Verwandte und der wenig gesetzestreue Constable hängen sich sofort an ihre Fersen. In Panik geraten die Flüchtenden jedoch erst, als sie merken, dass der sagenumwobene Killer Skunk ebenfalls hinter ihnen her ist. Dem wahnsinnigen Fährtenleser ist angeblich noch nie jemand entkommen.



    Der Autor
    Joe Lansdale, geboren 1951 in Gladewater in Texas, hat mehr als ein Dutzend Romane geschrieben, für die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt, u. a. den American Mystery Award, den Edgar Award und sieben Bram StokerAwards. Seine Werke sind in zahlreicheSprachen übersetzt. Er lebt mit seiner Familie in Nacogdoches, Texas.




    Ein wenig erinnert die Geschichte an Tom Sawyer und Huckelberry Finn. Hier sind es 3 Jugendliche, Sue Ellen, die Ich-Erzählerin, JInx, eine Farbige und Terry, der noch mit seiner sexuellen Gesinnung kämpft, die eine wilde und abenteuerliche Geschichte erleben.


    Joe R. Lansdale lässt seine Geschichte mal wieder tief in Amerikas Süden spielen. Rassenfeindlichkeit ist ganz normal, Männer trinken und schlagen ihre Frauen, manchmal näheren sie sich auch in zweifelhafter Absicht ihren Töchtern. Polizisten sind käuflich, das Gesetzt Auslegungssache. Für Sue Ellen ist das die Normalität. May Linn wollte ausbrechen, wollte nach Hollywood, ihre Schönheit sollte ihr dabei helfen. Doch nun ist sie tot und keinen scheint es zu interessieren. Jedenfalss keinen ausser ihren Freunden. Die schmieden den Plan, Sue Ellen wieder auszubuddeln, sie zu verbrennen und ihre Asche nach Hollywood zu bringen umd sie dort zu verstreuen. Da ist es natürlich hilfreich, das sie unter ihren Sachen eine Schatzkarte finden und daraufhin auch Geld. Zusammen mit Sue Ellen labiler und alkohlabhängigen Mutter machen sie sich schließlich auf den Weg. Dabei werden sie nicht nur von May Linns Vater verfolgt, der das Geld will sondern auch von einem geheimnisvollen Kerl namens Skunk.


    Mit Skunk, dessen Name wörtlich gemeint ist, bringt Lansdale eine etwas mysthische Figur mit ein. Niemand weiss so recht, ob es ihn wirklich gibt. In ihm bündel sich alles dunkle, alles gewalttätige, das rund um die 3 jungen Leute so stattfindet. Dem Autor gelingt es sehr anschaulich, alleine durch Sue Ellens Erzählung, die Lebenssituationen der Protagonisten zu beschreiben. Die Atmosphäre ist sehr dicht, die Figuren sehr klar und lebensecht, auch wenn Sue Ellen, Jinx und Terry fast ein wenig zu modern wirken, eher wie aus der heutigen Zeit. Sie müssen sich durch die Wildniss schlagen, treffen auf Leute, die ihnen mal mehr mal weniger freiwillig helfen. Und schließlich kämpfen sie auch gegen den sagenumwobenen Skunk. Dabei machen alle Beteiligten einen Reifeprozess durch, werden erwachsen bzw im Falle von Sue Ellens Mutter, bringen sie endlich die Kraft auf, sich ihrem Leben zu stellen. Das Buch ist wie aus einem Guss und lässt sich zügig weglesen. Und warum May Linn zu Tode kam erfahren wir auch.


    Zwar ist dieses Buch nicht unbedingt ein Krimi, mehr ist es eine Abenteuergeschichte. Aber unterhaltsam und durchaus spannend ist es trotzdem.

  • Ich kann mich Darcy nur anschließen. Dunkle Gewässer ist weniger ein Krimi/Thriller als vielmehr eine Abenteuergeschichte. Tatsächlich fühle ich mich sehr an die Abenteuer von Huckleberry Finn erinnert, die sich der Autor wohl ein wenig zum Vorbild genommen hat. Jedoch hat er seinen ganz eigenen Stil. Erzählt wird aus der Sicht von Sue Ellen, die als Kind armer Leute, mit einem despotischen Vater und einer resignierten, alkoholkranken Mutter, aufwächst. Gekonnt fängt Lansdale die Sprache von ungebildeten Teenagern im Amerika zur Zeit der großen Depression ein, so wirkt das ganze Setting sehr authentisch. Die drei Jugendlichen sind als Figuren schön beschrieben und man kann sich in sie hineinversetzen, naturgemäß liegt einem Sue Ellen am meisten am Herzen, da man in sie richtig hineinblicken kann. Die erwachsenen Handelnden bleiben leider etwas flach und nicht immer ganz nachvollziehbar in ihren Handlungen. Das Buch selbst würde ich Jugendlichen im Alter von 10-16 Jahren empfehlen, es ist gut und durchaus spannend geschrieben, für mich selbst war die eine oder andere Wendung nicht hundertprozentig glaubwürdig, ich konnte aber durchaus darüber hinwegsehen, da ich mich von der ersten bis zur letzten Seite unterhalten gefühlt habe.
    Ich vergebe 4 Sterne/7 Eulenpunkte

    Ich lese grade:


    Der Herr des Turms - Anthony Ryan
    ________
    Save the earth - it's the only planet with chocolate!

  • Und wieder führt uns Joe Lansdale nach Texas, und wieder sind es die Jahre der großen Depression und wieder – wie schon in „Wälder Am Fluss“ und „Der Teufelskeiler“ wird aus der Sicht eines Heranwachsenden erzählt.
    Dieses mal ein Mädchen, welches aber ihren Brüdern und deren „Vorbild“ – Huck Finn – in nichts nachsteht.
    Die muntere Truppe schippert nun also den Fluss hinunter, erlebt diverse Abenteuer und dann ist das Buch auch schon zu ende.


    Als Erstlingswerk von „Allan Smithee“ hätte mich dieses Buch durchaus beeindruckt, ein Debut, welches Großes hoffen lässt.


    Lansdale schrieb dieses Buch vermutlich zwischen seinem ersten Morgenkaffe und dem Mittagessen….


    Es ist ein Lansdale, unzweifelhaft, was aber fehlt sind die wirklich großen Szenen, wie die Kino-Szene in „Kahlschlag“, Passagen die uns bewegen und mitreißen, die uns als Leser keine Wahl lassen als mit glühenden Ohren weiterzulesen, Szenen, die sich in unser Gedächtnis eingraben, von denen wir berichten wenn wir uns über dieses Buch unterhalten.


    Lansdale erzählt sicherlich spannend und routiniert, aber er überrascht nicht, er fordert nicht.


    Als erstes Hardcover in Deutschland hätte ich mir ein besseres Buch von Lansdale gewünscht!

  • Dunkle Gewässer - Joe R. Lansdale


    Mein Eindruck:
    Im Laufe der Jahre habe ich schon viele Romane von Joe R. Lansdale gelesen und kann kritische Anmerkungen erfahrener Lansdale-Leser daher sehr gut nachvollziehen, teilweise sogar teilen.


    Auffällig ist, dass der Roman inhaltlich und strukturell anderen Romanen von Lansdale sehr ähnelt, das wurde selbst von amerikanischen Kritiken bemerkt. Dennoch wurde der Roman auch sehr gelobt und für Joe R. Lansdale-Einsteiger gibt es schon in diesem Werk die sozialkritische thematische Substanz des Autors zu entdecken: Alltägliche Gewalt bei den Randgruppen der amerikanischen Unterschicht, abwertend als White Trash bezeichnet.
    Latente Aggressivität, Rassismus und unsoziale Lebensumstände als ein Stück der amerikanischen Realität.
    Wobei Lansdale wie schon so oft den Schauplatz am Rande des Sabine River in die Vergangenheit zurückgelegt. Vermutlich ist es die Zeit der Weltwirtschaftskrise in den USA der 1930ziger Jahre mit all seiner Perspektivlosigkeit die schnell zur Aggressivität führen kann.


    Streckenweise liest es sich durch die Erzählperspektive wie ein Jugendroman im Stile des Fänger des Roggen oder Wer die Nachtigall stört.
    Die junge Protagonistin Sue Ellen hofft ihrem hoffnungslosen Umfeld entfliehen zu können. Mit ihren Freunden Jinx und Terry beschließt sie, die Asche ihrer toten Freundin nach Hollywood zu bringen. Die Abenteuer der Reise sind genremäßig aufbereitet inklusive der dramatischen Verfolgung durch einen Psychopathen. Atmosphärisch ist es stimmig und erzeugt eine wahre Bilderflut beim Lesen, doch die Young Adult-Komponente begrenzt auch. Deswegen ist Dunkle Gewässer auch für mich nicht gerade der beste Lansdale-Roman. Doch er fügt sich ins Gesamtwerk Lansdales ein.
    Aufgrund der thematischen Vielfalt ist für meine Lesart der Roman kein Krimi, eher ein literarischer Thriller. In der Summe gibt das 7 bis 8 Punkte von mir!

  • "Den Fluss hinunter trieben sie. All die Träume, die je geträumt über mondlosem, dunklem Gewässer"


    Ein Buch von Joe R. Lansdale musste mehr als ein Jahr im Stapel ungelesener Bücher warten bevor ich es gelesen habe... Schande über mein Haupt. Nun habe ich diese rasante Erzählung in zwei Tagen gelesen und ich bin von der düsteren Stimmung bis hin zum kleinen glimmenden Funken Hoffnung und Menschlichkeit die von dieser Geschichte ausgeht begeistert. Rein vom handwerklichen Schreiben betrachtet mag es ganz gewiss nicht zur Oberklasse gehören aber der starke Sog den der Inhalt entwickelt find ich grandios. Gewiss kein Buch für Stilisten aber für solche die eine packende Abenteuergeschichte mögen.


    Wie immer bei Lansdale spielt die Handlung in Osttexas. Der ungezähmte Sabine River durfte mit seiner wilden Schönheit wie schon beim ein oder anderen seiner Romane die heimliche Hauptrolle übernehmen. Die Handlung ist wieder mal in der leidvollen Zeit der Grossen Depression in den Dreissiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts angesiedelt. Die Menschen auf dem Land sind bettelarm, hausen in heruntergekommen Hütten in der Nähe des Flusses und ernähren sich was die Natur bietet. Fischen, wildern im Wald und dazu Wurzeln und Beeren bilden die eintönige Lebensgrundlage. Ist ein kleines bisschen Geld vorhanden wird es in hochprozentigen Whiskey umgesetzt, am ehesten in Schwarzgebrannten. Die Männer desillusioniert von der Hoffnungslosigkeit und besoffen vom Alkohol werden gewalttätig gegen Frau und Kind. Das Gesetz ist zwar auf dem Papier vorhanden, Sheriffs und Constables sind im Amt üben es aber ohne jegliche Würde aus und so ziemlich alles kümmert sie einen Dreck. Kurz gesagt, die Welt der Rednecks, wie man sie in ihrem stereotypen Verhalten vorstellt, sind die Hauptpersonen in diesem Roman.


    May Lynn Baxter wird tot aus dem Fluss gefischt. Jemand hat die junge Schönheit getötet und mit einer klobigen Nähmaschine um ihre Füsse im Sabine River versenkt. Dem Constable scheint dieses Verbrechen egal zu sein und May Lynn wird beerdigt. Ihre Freundin Sue Ellen findet ihr Tagebuch, liest von May Lynns einziger Hoffnung nach Hollywood zu gehen und von verstecktem Geld das aus einem Banküberfall stammt. Zusammen mit der farbigen Jinx und dem homosexuellen Terry finden sie das Geld und die drei Jugendlichen beschliessen die Asche von May Lynn nach Hollywood zu bringen und dort zu verstreuen. Das Problem ist das das plötzlich vorhandene Geld nicht verborgen bleibt sondern tödliche Gier weckt und der Beginn eines krachenden Sturms wird der über die jungen Protagonisten hinwegfegt ...


    Niemand ist in Osttexas wirklich glücklich. Alle möchten weg, aber irgendwie scheinen die Menschen festzustecken wie tiefverwurzelte Bäume. Sie können sich nicht vorstellen was jenseits der Sümpfe und Wälder liegt. Das Gefühl eine Heimat zu brauchen, und sei sie noch so trist, ist offensichtlich viel tiefer im menschlichen Unterbewusstsein verankert als wir glauben. Eine Geschichte die mich übrigens an Stephen Kings Novelle "Stand by me – Das Geheimnis eines Sommers" erinnert nur viel rasanter und brutaler ebenso wie auch an James Dickeys "Flussfahrt". (Beides übrigens sehr empfehlenswerte Bücher) Die schwarzen Vorsatzblätter die die Buchseiten einfassen dürften bewusst gewählt sein und sie stehen Sinnbildlich für die düstere Geschichte die die Leserschaft im inneren erwartet. Ein gutes bis sehr gutes Buch von Lansdale das aber objektiv gesehen ein klitzekleines bisschen hinter seinen besten Romanen zurückbleibt. Wertung: 8 Eulenpunkte