Nocona - Britta Strauss

  • Sara Merger ist Ethnologin und will einen Bildband über die Vergangenheit und die Gegenwart der Indianer in den Reservaten zusammenstellen. Zu diesem Zweck begutachtet sie die Ausstellungsstücke des letzten Comanchen-Häuptlings Quanah, der vor mehr als 100 Jahren in der Vergangenheit gelebt hat. Sie ist seltsam berührt von dem, was sie da sieht und fühlt sich in die damalige Zeit zurückversetzt. Da spricht sie plötzlich der Comanche Makah an. Beide scheinen von ihrem jeweiligen Gegenüber fasziniert und fühlen sich auf unerklärliche Weise voneinander angezogen. Makah begleitet Sara zurück zu ihrem Hotel und verabschiedet sich mit einem feurigen Kuss. Dann steigt er wieder in seinen Wagen und fährt fort, nicht ohne Sara ein Wiedersehen zu versprechen.


    In der nächsten Zeit werden die beiden immer wieder von Visionen der Vergangenheit heimgesucht. Dabei haben sie das Gefühl, die Leben von Nocona und seiner Frau Naduah, den Eltern von Quanah, selbst noch einmal hautnah mitzuerleben. Sie werden in das 19. Jahrhundert zurückversetzt, in eine Zeit, in der die Indianer noch in Freiheit und mit der Natur verbunden lebten und die weißen Siedler beginnen, ihren Lebensraum zu bedrohen. Dabei werden die Visionen von Tag zu Tag heftiger und Sara erkennt, dass es hier einen Zusammenhang zwischen der besuchten Ausstellung, Makah und ihr geben muss und macht sich auf die verzweifelte Suche nach ihm. Werden sie das Geheimnis der Visionen lüften können? Und werden sie zueinander finden?


    Das Buch ist ausgesprochen emotional und fesselnd. Britta Strauss hat einen außergewöhnlich ansprechenden Schreibstil, der mich gleich von Anfang an gefangengenommen hat. Die magische Anziehungskraft, die Sara für die Artefakte und anschließend für Makah empfindet, hat sich beim Lesen direkt auf mich übertragen. Die Geschichte und die Charktere waren so detailliert beschrieben, dass ich das Gefühl hatte, Teil des Geschehens zu sein. Alles erschien vor meinem geistigen Auge. Immer, wenn ich die Geschichte unterbrechen musste, fühlte ich mich unfreiwillig in die Gegenwart zurückkatapultiert, zurückgelassen mit dem Wunsch, noch mehr über Sara und Macah zu erfahren. Selten war ich so gefesselt von einem Buch.


    Britta Strauss erzählt die Geschichte, bei der man das Gefühl hat, dass darin sehr viel Herzblut von ihr steckt, mit Hilfe von diversen Erzählsträngen. Da gibt es einmal die der Vergangenheit von Nocona und Naduah und dann die der Gegenwart von Makah und Sara. Während der Geschichte nähern sich die einzelnen Stränge immer mehr einander an bis sie fast gänzlich miteinander verwoben zu sein scheinen.


    Auch die Situation der Indianer sowohl in der Vergangenheit, als auch in der heutigen Zeit wird in dieser Geschichte sehr schön geschildert. Die Auswirkungen der Ausbreitung der weißen Bevölkerung, ungeachtet der Rechte anderer Lebewesen und erfüllt mit der unsäglichen Arroganz, als einzige das Richtige zu tun, sind auch heute noch deutlich spürbar. Diejenigen, die an ihren Traditionen festhalten und die ursprüngliche Lebensweise bevorzugen, haben immer noch schwer ums Überleben zu kämpfen und befinden sich oftmals auf dem sozialen Abstellgleis.


    Der Roman ist inhaltlich sehr schön recherchiert, denn ein Teil der Charaktere haben tatsächlich einmal gelebt. Sie sind zusammen mit den anderen, fiktiven Personen wunderbar in die Geschichte miteingeflochten, von der ich mich nahezu in das Buch hereingesogen fühlte. Der Roman hatte beim Lesen eine Anziehungskraft auf mich, die ich kaum zuvor schon einmal verspürt habe und ich hoffe, noch sehr viele Geschichten von Britta Strauss lesen zu dürfen.

    Es wäre gut Bücher kaufen, wenn man die Zeit, sie zu lesen, mitkaufen könnte, aber man verwechselt meistens den Ankauf der Bücher mit dem Aneignen ihres Inhalts.
    Arthur Schopenhauer (1788-1860)


    :lesend

  • Das freut mich, ich wünsche dir eine schöne Zeitreise.


    Kann bitte mal jemand ein Gehirn-Verwurschtel-Blitzdings erfinden, das jede Erinnerung des Autors an sein Werk löscht? Ich will mein eigenes Zeug unbedingt mal lesen, als hätte es ein anderer geschrieben. So völlig unbeeinflusst von mir selbst *wirr red*


    Whatever, viel Spaß mit meinem Lieblingsdrama.

  • Kurzbeschreibung von Amazon:


    Die junge Fotografin Sara reist durch den mittleren Westen der USA, auf der Suche nach dem einen, besonderen Foto. Als ihr in einem Museum der Comanche Makah über den Weg läuft, ist sie hingerissen. Das perfekte Gesicht für das perfekte Foto. Doch wie erklärt sich die Vertrautheit zwischen ihnen? Was haben die intensiven Träume zu bedeuten, die sie seit ihrem ersten Zusammentreffen immer häufiger heimsuchen? Träume, die sie in die Vergangenheit reisen lassen, in eine Welt, die längst untergegangen ist. Immer mehr Fragen tauchen auf, die mit dem Verstand nicht zu beantworten sind. Als Pflichten Sara zurück nach New York zwingen, wird sie von Visionen überwältigt. Sie spürt, dass nur Makah ihr helfen kann. Verzweifelt versucht sie, ihn wiederzufinden, doch als es ihr endlich gelingt, bricht Unheil über die beiden Liebenden herein. Schatten aus ferner Vergangenheit drohen ihr Leben zu zerstören, auf Sara wird ein Mordanschlag verübt. Während Vision und Wirklichkeit zunehmend verschwimmen und eine tragische Liebe aus längst vergangenen Zeiten ihren Weg in die Gegenwart findet, kämpft Makah um das Leben der Frau, der sein Herz gehört.


    Meine Meinung


    Die Geschichte spielt sich auf zwei Zeitebenen ab. Diese Erzählform muss man natürlich mögen. Aber selbst wenn nicht, kann man sich kaum dem Zauber dieses Buches entziehen. Britta Strauß versteht es, ihre Leser in den Bann zu ziehen.


    2 Paare, die sich aus der Vergangenheit kennen, treffen sich in der Gegenwart wieder. Sie fühlen sich zueinander hingezogen und wissen nicht so recht warum. Der Leser ist schlauer, der erkennt die Zusammenhänge. Erlebt Kriege zwischen den Rothäuten und den Menschen mit den gelben Haaren mit. Leidet und zittert mit ihnen und sieht dank der tollen Sprache von Britta Strauss die Büffelherden an sich vorüberziehen.
    Wer etwas für Indianerromatik übrig hat, kommt hier voll auf seine Kosten. Und das alles ohne je kitschig zu wirken. Stellenweise wusste ich nicht, in welcher Zeit ich lieber weiterlesen wollte.
    Ich könnte mich stundenlang über die Handlung auslassen, möchte aber euch nicht den Lesespass nehmen.


    Für mich war es genau das richtige Buch zur rechten Zeit und es bekommt eine unbedingte Leseempfehlung und 10 Punkte von mir.
    Das nächste Buch dieser Autorin liegt auch bereits auf meinem Stapel und ich freue mich schon sehr darauf.

  • Sara ist Fotografin und bereist gerade den mittleren Westen auf der Suche nach den perfekten Bildern für ein geplantes Buch über die indianischen Ureinwohner Amerikas. Unerklärlicherweise fühlt sie den Drang, eine kleine Ausstellung über Quanah Parker, den berühmten letzten Anführer der Comanche, zu besuchen. Dort begegnet sie Makah. Abgesehen von einigen großartigen Fotos endet ihre Begegnung viel zu schnell, doch sie hinterlässt in Sara einen Nachhall. Zurück in New York, hat sie immer wieder intensive Träume, geradezu Flashbacks in eine Vergangenheit, die sie selber nie erlebt hat. Sie erlebt in diesen Träumen eine längst vergangene Zeit, taucht ein in die Vergangenheit Amerikas, als die Indianer noch über die Weiten der Prärie ritten, als die Büffel noch nicht ausgerottet waren und der Vormarsch der weißen Siedler und Soldaten erst begann.


    Makah geht es ebenso, er sieht die Vergangenheit durch die Augen von Comanchen-Krieger Nocona und so erleben die beiden die tragische Geschichte von Cynthia Ann Parker, die bei den Indianern Naduah genannt und Nocona. Seit der ersten Begegnung verbindet die beiden ein Band und sie erleben zusammen viele glückliche Jahre, aber auch schreckliche Erlebnisse bis hin zum bitteren Ende.


    Die beiden Zeitebenen verbinden sich in diesem Buch wunderbar. Oft habe ich bei Geschichten auf zwei Ebenen das Problem, dass mich der eine Handlungsstrang viel mehr interessiert und ich den anderen eher nur überblättere – hier ist nicht der eine der Rahmen für den anderen, sondern beide ergänzen sich zu einem großartigen Ganzen. Einen reinen "Indianer-Roman" hätte ich trotz der spannenden zugrundeliegenden wahren Geschichte wahrscheinlich nicht lesen wollen, durch die Verbindung mit der Gegenwartshandlung war für mich aber einfach alles gegeben. Der Autorin gelingt es, beide Handlungsstränge fesselnd und phantasiereich zu beschreiben. Über das wahre Leben von Cynthia Ann Parker bei den Comanchen und die Figur des Nocona an sich ist wenig bekannt, doch beim Lesen hat man das Gefühl, genauso hätte es gewesen sein können.


    Man merkt dem Buch an, dass der Autorin die Geschichte sehr am Herzen liegt, man spürt regelrecht das Herzblut, das da drin steckt.


    Auch als eher nüchterner Leser habe ich hier nicht nur am unvermeidlichen Ende dicke Tränen in den Augen gehabt. Doch ich habe auch viel gelacht, war wütend, traurig und hingerissen – als Leser wird man bei diesem emotionalen Buch durch ein breites Spektrum der Gefühle geschickt!


    Man muss die Geschichte von Cynthia Ann Parker nicht vorher kennen, man kann das Buch problemlos ohne Vorwissen lesen. Aber auch, wenn man ihr Schicksal schon kennt, fesselt das Buch trotzdem ungemein, nicht zuletzt durch die geschickt eingebundene Gegenwartshandlung.

  • „Durch die Nacht“, flüsterte es in meinem Kopf, „Durch die Dunkelheit. Durch die Zeit. Ihr geht nicht einen Weg. Sondern Tausende.“ (Seite 459)


    Meine Meinung


    Ein paar Tage, bevor ich dieses Buch begann, hatte ich „Die mit dem Wind reitet“ von Lucia St. Clair Robson beendet. Nach kurzer Überlegung, ob es denn sinnvoll ist, gleich als nächsten Roman einen zu lesen, der sich, wenngleich auf ganz andere Art, mit derselben Thematik beschäftigt und größtenteils die selben Hauptfiguren hat, bin ich dann trotz der Bedenken bei diesem Buch geblieben. Denn nach über achthundertfünfzig Seiten war ich noch so tief mit dem Schicksal von Nocona und Naduah beschäftigt, daß ich sie schlicht noch nicht „verlassen“ wollte. Um es gleich vorweg zu nehmen: es machte nichts, daß hier weitgehend die selbe Geschichte, wenngleich auf andere Art und mit anderen Schwerpunkten, erzählt wurde wie im erstgenannten Buch. Schreibstil und Inhalt sind ausreichend verschieden, so daß ich beide Bücher auch nach der Lektüre gut voneinander unterscheiden kann. Schwierig würde es allerdings, wenn ich beurteilen sollte, welches mir besser gefallen hat. Denn auf eine je eigene Weise beanspruchen beide Romane diesen Titel.


    Während „Die mit dem Wind reitet“ ein (reiner) historischer Roman ist, hat „Nocona - Der Wanderer“ Fantasyelemente, in dem er auf zwei Zeitebenen spielt. Es gibt die (fiktive) Rahmenhandlung mit Sara und Makah im Jahr 2018 und die (historischen) Geschehnisse um Cynthia Ann Parker/Naduah und Nocona aus dem 19. Jahrhundert. Beide sind verbunden, denn in einer Art Vision „er-leben“ (in des Wortes direkter Bedeutung) Sara und Makah die wesentlichen Stationen im Leben von Naduah und Nocona. Vom ersten Aufeinandertreffen bis hin zum bitteren Ende, das man in den Geschichtsbüchern nachlesen kann.


    Es war sehr interessant, die grundsätzlich selbe Geschichte innerhalb kurzer Zeit in zwei Romanen zu lesen, in denen die (soweit ich das beurteilen kann) historischen Geschehnisse weitgehend entsprechend den Überlieferungen dargestellt wurden, die Schwerpunkte jedoch anders gelegt waren und sich Unterschiede alleine schon daraus ergaben, daß etwa die Gedanken der Personen, deren Gefühlswelt oder gar Gespräche natürlich nicht überliefert sind, woraus sich ein großer Spielraum ergibt, die einzelnen historischen Ereignisse (wie zum Beispiel die Entführung Cynthia Ann Parkers, ihr Einleben bei den Comanchen, die Heirat mit Nocona usw.) auszugestalten. Zwar hat jede der beiden Autorinnen natürlich ihre eigene Art und ihre eigene Schwerpunktsetzung, im Großen und Ganzen erzählen sie jedoch dieselbe Geschichte.


    Das Besondere an diesem Buch hier ist allerdings, daß die Grenze zwischen Raum und Zeit verschwimmt, durchlässig wird und anscheinend aufgehoben wird. Das hat die Autorin äußerst geschickt angelegt, indem es in Form von Visionen geschieht. Geschickt (und damit überaus passend) insofern, als daß Visionen ein elementarer Bestandteil der indianischen Mythologie und Überlieferung sind und hier passen wie die berühmte Faust aufs Auge. Mehrfach mußte ich an die „Navajo Nights“ von Vella Munn denken, in denen die Grenze zwischen Realität und Mythos ebenso durchlässig wird wie hier die zwischen Realität und Vision. Weder Figuren noch Leser sind sich sicher, ob es sich „nur“ um Träume handelt oder Sara und Makah die Leben von Naduah und Nocona gleichsam „er-leben“. Dadurch wird die Erzählung ungemein intensiv und zieht den tief in die Handlung hinein, so daß ich am Ende das Gefühl hatte, alles selbst erlebt zu haben.


    Wie schon im früher erwähnten Roman „Die mit dem Wind reitet“ wird auch hier die Verschiedenheit der „weißen“ und „roten“ Lebensweise überdeutlich. Während die „rote Lebensweise“ mit und in der Natur ist, ist die „weiße Lebensweise“ eher gegen die Natur gerichtet. Die Folgen sind - damals wie vor allem auch heute - dramatisch. Unwillkürlich steht man vor der Frage, welche die bessere ist oder ob man nicht von der einen Elemente in die andere übernehmen könnte - besser sollte. Hierzu würde es jedoch einer großen Veränderungsbereitschaft bedürfen. Und da sehe ich eher schwarz.


    Eines Tages wird die Erde weinen. Sie wird um ihr Leben flehen. Sie wird Tränen aus Blut vergießen. Ihr werdet die Wahl haben, ihr zu helfen - oder sie sterben zu lassen. Und wenn sie stirbt, sterbt ihr auch.

    John Hollow Horn, Oglala Lakota (S. 523)



    Mein Fazit


    Ein großartiger Roman, der die Geschichte von Nocona und Naduah auf zwei Zeitebenen erzählt und so die Grenzen von Raum und Zeit verschwimmen läßt. Ein Buch, das nachhallt und lange im Gedächtnis bleiben wird. Unbedingt lesenswert.


    ASIN/ISBN: B08HGLPXW8

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")