Ian Mc Ewan, Honig

  • Autor: Ian McEwan
    Titel: Honig
    Verlag: Diogenes
    Seiten: 464



    Über den Autor:


    Ian McEwan, geboren 1948 in Aldershot (Hampshire), lebt in London. 1998 erhielt er für ›Amsterdam‹ den Booker-Preis und 1999 den Shakespeare-Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung für das Gesamtwerk. Sein Roman ›Abbitte‹ wurde zum Weltbestseller und mit Keira Knightley verfilmt. Er ist Mitglied der Royal Society of Literature, der Royal Society of Arts und der American Academy of Arts and Sciences.



    Über den Inhalt:


    Wir blicken auf das Jahr 1972, und auch in England sind die Auswikungen des kalten Krieges deutlich spürbar. Das Geld und die Rohstoffe sind knapp, Arbeitslosigkeit und Streiks sind an der Tatgesordung.
    Serena Frome aus gutem Elternhaus stammend, beendet gerade ihr Mathematikstudium in Camebringe, zu dem sie mehr oder minder gedrängt wurde. Ihre Interessen liegen viel mehr bei der Literatur. Durch einige Umwege bekommt sie einen niederen, schlechtbezazhlten Posten im riesigen Verwaltungsapparats des M15. Glücklich ist sie mit der Entscheidung nicht, doch die Chance auf eine Beförderung ist möglich und daher hält sie die zumeist stupide Arbeit durch.
    Der Kultursektor ist politisch hart umkämpftes Gebiet, der Geheimdienst möchte Autoren und Wissenschaftsjournalisten fördern die wiederum die politsche Gesinnung der Staatsmacht nach außen spiegeln sollen, die Operation zur Anwerbung , Unterstüzung und Gängelung trägt den Decknamen „Honig“.
    Als leidenschaftliche Leserin wird Serena dazu bestimmt, einen jungen Literaten für das Programm zu infiltrieren, denn selbstverständlich sollen die Betroffenen nicht ahnen, woher ihre Fördergelder stammen.
    Als Serena den jungen Tom kennenlernt, hat sie sich ein wenig in seine Geschichten verliebt und nicht viel später wird klar, dass es nicht länger nur um einen Auftrag geht, denn sie und Tom werden ein Paar. Doch die Lüge zwischen Ihnen wird nicht nur immer gewaltiger, sondern auch verstrickter, denn nicht nur Serena sagt nicht die Wahrheit.



    Meine Meinung:


    Ich habe Honig sehr gern gelesen, es ist gibt nicht nur einen guten Überblick über die politische Situation Anfang der siebziger in Europa und die Machenschaften der jeweiligen Geheimdienste und Parteien, sondern es hat mir einen Einblick verschafft, über die Lebensweise junger Menschen und Frauen in einer Welt, die das Wort Emanzipation zwar vernommen hat, aber weit davon entfernt ist, es zu leben. Abrisse über die Literaturlandschaft und die Informationspolitik der Zeit, es ist aber auch eine Geschichte über die Macht von Worten und die Schönheit von Literatur.
    Es ist die Geschichte von Serena die, enttäuscht von einer Liebe zu einem älteren Mann in einem eintönigen Job und einer kargen Lebensweise die Chance sieht, zu einer geheimen Mission ihren Beitrag zu leisten, schon aber bald vollkommen die Kontrolle über die Situation, die betroffenen Personen und vor allem ihre Gefühle verliert.
    Mich hat das Ende überrascht, steuerte diesen mit Lügen vollgeladene Schiff der Beziehung zwischen mehreren Menschen eindeutig auf den Abgrund zu.
    Einen einzigen Kritikpunkt habe ich zu äußern, mir war die Figur der Serena an einigen Stellen nicht überzeugend genug, ich glaube ihre innere Zerissenheit zwar, aber manchmal ertränkt ihr eigener Pathos (nicht zu verwechseln mit dem schriftstellerischen Pathos) ihren wahren Kern und vor allem ihre Leidenschaft.
    Ansonsten ein großartiges Buch und eine klare Leseempfehlung



    zufriedene Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Sehr schöne Rezi. Ich habe mir das Buch gerade gestern gekauft und es wird nun wohl aufgrund des positiven Leseeindrucks von Elbereth auch sehr schnell gelesen werden. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Eigentümlicher Agentenroman


    Die hübsche und clevere Serena Frome ist eine literaturbegeisterte Schnellleserin, aber die konservativen Eltern zwingen sie in ein Mathematikstudium in Cambridge. Nach dem mittelmäßigen Abschluss landet sie - ebenfalls nicht ganz freiwillig - beim britischen Inlandsgeheimdienst MI5, wo sie zunächst im Archiv tätig ist. Doch man wird auf die Frau aufmerksam und schickt sie im Rahmen der Mission "Honig" nach Brighton, wo sie mit dem Nachwuchsschriftsteller Tom Haley Kontakt aufnehmen soll, den man indirekt finanziell unterstützen will, um die "rechte" Kultur zu fördern, wie es die amerikanische CIA seit Jahrzehnten im großen Stil vormacht. Serena und Tom verlieben sich ineinander, ohne dass der junge Schriftsteller ahnt, wer hinter der attraktiven Frau und vermeintlichen Stiftungsmitarbeiterin steht. Und tatsächlich wird Haley mit seinem ersten Roman erfolgreich, allerdings auf ganz andere Weise, als man beim MI5 gehofft hatte.


    Wir schreiben die Siebziger, das Jahrzehnt des sexuellen und kulturellen Aufbruchs. Energie- und Wirtschaftskrisen haben das britische Königreich fest im Griff, zugleich konkurrieren die Geheimdienste im Kalten Krieg um die beste Waffe gegen die kommunistische Bedrohung. Populäre Kunst und vor allem Literatur, denkt man beim MI5, wären ein probates Mittel, um das Volk auf dem richtigen Weg zu halten. Das hat schließlich schon vor und seit Jahrtausenden funktioniert.


    McEwans neuer Roman wirkt seltsam spröde, oft berichtshaft - und bezogen auf seine Hauptfigur, die Ich-Erzählerin Serena, nicht selten unglaubwürdig, wofür es am Ende immerhin eine Erklärung gibt. Das ganze Buch lebt von diesem Ende, das, ohne etwas vorwegzunehmen, alles umkrempelt. Die Geschichte ist in sich wie auch nach außen ein Täuschungsspiel, also selbst der Leser wird getäuscht, glaubt er doch fälschlicherweise bis fast zum Ende, Serena würde ihre Geschichte erzählen. Damit entsteht der unangenehme Eindruck, auf etwas hereingefallen zu sein, was McEwan zweifelsohne beabsichtigt hat. Das etwas merkwürdige Leseerlebnis und die eigenartige Konturierung der Hauptfigur lassen sich jedoch durch die nachfolgende Erklärung nicht ganz beiseite wischen. Ein Gefühl der Unstimmigkeit bleibt. Und die Frage, ob das so hätte sein müssen, worin also der Nutzen der Trickserei besteht.


    In diesem Buch geht es um Liebe, hauptsächlich aber um Politik und Kultur, zuvorderst Literatur - und die Rolle der Kulturschaffenden in der politischen Landschaft, vor allem jener, die sich unter der Oberfläche befindet. Deshalb gehört das gelegentlich ermüdende literarische Namedropping wohl auch zum Konzept, dessen Ziel sich mir allerdings nicht ganz erschlossen hat. Unterm Strich ist "Honig" ein Vexierspiel vor historischem Hintergrund, der aber etwas diffus und angedeutet bleibt, wodurch sich der Roman letztlich wie eine postmoderne Liebesgeschichte mit Rätselanteil liest, ohne je übermäßig spannend oder über den direkten Kontext hinaus besonders interessant zu sein. Dieser eigentümliche und, wie so oft bei McEwan, motivüberfrachtete Agentenroman will viel - zum Beispiel zeigen, wie relevant die Perspektive beim Erzählen einer Geschichte ist -, erreicht aber wenig. Und leider langweilt er hin und wieder auch, was besonders schade ist. McEwan war schon besser.