Gebundene Ausgabe: 430 Seiten
Verlag: Insel Verlag; Auflage: 1 (6. Oktober 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 345817589X
ISBN-13: 978-3458175896
Originaltitel: The Novel Cure
Über die Autorinnen:
Susan Elderkin und Ella Berthoud empfahlen sich bereits beim Literaturstudium in Cambridge gegenseitig Romane. Ella widmete sich anschließend der Kunst, Susan dem Schreiben. Seit 2008 bieten sie an der Londoner School of Life Bibliotherapie-Sitzungen an. Wenn Susan das Gefühl hat, vor lauter Verpflichtungen zu ersticken, liest sie Halldór Laxness’ Am Gletscher. Um das wunderbare Chaos des Lebens in den Griff zu bekommen, liest Ella Georges Perecs Das Leben. Gebrauchsanweisung. Traudl Bünger ist Programmredakteurin der lit.COLOGNE, Literaturkritikerin und Autorin. Ihr literarisches Debüt Lieblingskinder erschien 2012. Gegen Schreibkrisen aller Art liest sie Loriot.
Meine Meinung:
Nina George hat es mit der Literarischen Apotheke von Jean Perdu in ihrem Erfolgsroman Das Lavendelzimmer bereits vorgemacht: es gibt Romane, die einem Leser in bestimmten Lebenslagen helfen können. Susan Elderkin und Ella Berthoud haben daraus ein quasi-Nachschlagewerk gemacht, Traudl Büngerl hat deutsche Ergänzungen vorgenommen.
Bibliotherapie nennen Berthoud und Elderkin ihre Methode, den therapeutischen Einsatz von Literatur zur Behandlung aller Leiden, die das Leben so mit sich bringt. Darunter fallen Leiden wie Alkoholsucht, Ehebruch, Beziehungsprobleme, Bindungsangst, Einsamkeit, Internetsucht aber auch das Bett nicht verlassen zu können oder eine Frau beharrlich umwerben, obwohl sie Nonne ist. Dazu kommen spezielle Leseleiden wie die Angst ein Buch zu beenden, angenervt von einem Hype oder überwältigt von der Menge der Bücher in der eigenen Wohnung zu sein. Für letzteres wird übrigens als Therapie kein Buch empfohlen, sondern das Aussortieren. Dazwischen eingestreut sind immer wieder Listen mit den zehn besten Romanen z.B für eine Auszeit nach der Schule oder für Zwanzig- bis Dreißigjährige.
Die Leiden und Lebenslagen sind alphabetisch sortiert und im Anhang auch nochmal aufgeführt, ebenso das Verzeichnis der Romane (leider nach Romantitel und nicht nach Autorenname sortiert) und die Quellennachweise. Wenn Sie also wissen wollen, für welche Lebenslage die Autorinnen Ihren Lieblingsautor empfehlen, müssen Sie sich durch das ganze Verzeichnis wühlen. Und wenn Ihr Lieblingsautor zufällig vor der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts geschrieben hat, besteht eine reelle Chance, dass Sie ihn gar nicht finden oder die Autorinnen sich abfällig darüber äußern, wie zum Beispiel über Charlotte Brontes Jane Eyre - obwohl sie es eigentlich empfehlen bei gebrochenem Herzen. Bei den Querverweisen in den einzelnen Empfehlungen fehlen die Seitenzahlen, in der Kindleversion sind hier immerhin Links hinterlegt.
Leider spoilern die Autorinnen immer mal wieder bei ihren Begründungen, warum man jenen Roman in dieser Lebenslage lesen sollte. Das ist ärgerlich, aber anscheinend geht man davon aus, dass jeder, der zur Romantherapie greift, sämtliche empfohlene Romane schon gelesen hat. Manchmal wird auch gegen das Leiden, zum Beispiel Hämorrhoiden ein Arztbesuch empfohlen und nur gegen das damit zusammenhängende Gefühl - Scham - ein Buch (in diesem Fall Feuchtgebiete von Charlotte Roche). Unter Scham selbst empfehlen sie aber ein anderes Buch - Gute Geister von Kathryn Stockett - man hat den Eindruck, hier wurde versucht, eine möglichst große Sammlung von Empfehlungen zusammenzubringen. Dabei offenbaren die Autorinnen manchmal eine etwas seltsame Denkweise:
Wir heißen Rache nicht grundsätzlich gut, aber wenn die Schuldigen sich für Ihre Vergehen nicht einmal schämen, ist ein "Wie du mir, so ich dir" gerechtfertigt.
Aha. Ein besseres Leben führt man also, wenn man einen nicht bereuenden Mörder umbringt. Der Rechtschreibfehler im Zitat stammt übrigens nicht von mir. Ich habe insgesamt den Eindruck, dass hier zwar Expertinnen in Sachen Romane geschrieben haben, aber keine Expertinnen in psychologischer Hinsicht, insofern sollte man sich von diesem Ratgeber zwar ein paar ganz nette Lesestunden versprechen, aber auf gar keinen Fall ein besseres Leben. Die Autorinnen, die von sich schreiben, dass sie Bibliotherapie-Kurse geben, haben zwar eine beachtliche Anzahl von Romanen zusammengetragen und ausführlich begründet, warum sie meinen, dass dieser und jener Roman zu dieser und jener Lebenslage passen würde, vergessen aber dabei, dass nicht jeder Leser gleich ist. So findet man hier letztlich subjektive Vorstellungen von Romanen statt konkreter Hilfe.