In einer wunderbaren kleinen Buchhandlung in Paris bin ich über diesen wunderschönen Bildband von Boris Mikhailov gestolpert.
Ein wunderschöner Mikhailov? Ist das nicht der von „Tea coffee cappuccino“, oder, noch schlimmer, „Case History“, furchtbar drastische Fotos der Verlierer des postsowjetischen Kapitalismus? Faszinierend, aber nur schwer zu ertragen.
Und nun dieses Buch, „Dance“, ein Frühwerk von 1978.
Es enthält eine Serie von Schwarzweiß-Bildern einer sehr russischen Veranstaltung: Tanz im Park.
Ich selbst finde ja tanzen albern, ich gucke eigentlich auch nicht gerne anderen Menschen beim Tanzen zu. Aber dieser Bildband ist ein Augenschmaus!
Meist ältere Herrschaften, wild toupierte Damen und Herren mit Hut, Goldzähnen und Ordengebimmel an der Anzugjacke, gealterte Diven und dicke Matronen, korrekt gekleidete Herren und angetrunken wirkende Kerle. Sie alle treffen sich im Park, zur (wahrscheinlich sonntäglichen) Tanzveranstaltung. Zu welcher Musik sie da tanzen, ist vollkommen unklar, es ist nicht mal ersichtlich, ob da eine Kapelle spielt oder zu Konservenmusik geschwoft wird. Deutlich wird dagegen an den Gesichtern, der Körperhaltung, was der Tanz den Tänzern bedeutet.
Einige wirken ausgelassen und extrovertiert, die wollen Spaß und durchaus auch gesehen werden, andere scheinen eher in sich gekehrt, als sei das Tanzen eine Tätigkeit, der mit Ernst und Konzentration nachgegangen werden muss.
Auch die Beziehung der Tanzenden untereinander hat Mikhailov auf beeindruckende Art eingefangen. Das ist vielleicht reine Spekulation, aber irgendwie schien mir offensichtlich, welche sich lieben, wer genervt oder wer einsam ist.
Was allerdings nicht deutlich wird, ist der persönliche Hintergrund der Menschen. Auf der Tanzfläche jedenfalls scheinen alle gleich zu sein.
Über den Autor
Boris Mikhailov, geboren 1938 in der Ukraine, ist Fotograf und rückte in den letzten Jahren zusehends ins Rampenlicht der Kunstwelt. So hatte er Einzelausstellungen im Stedelijk Museum, Amsterdam, in der Photographer's Gallery, London, und in der DAAD Galerie, Berlin. Seit Herbst 2000 unterrichtet Mikhailov an der Harvard University. Im Jahr 2000 erhielt er den Fotobuchpreis des Internationalen Festivals für Fotografie in Arles und den Hasselblad-Preis.