'Die geschützten Männer' - Seiten 213 - 279

  • Im vorigen Abschnitt habe ich es schon geschrieben: Ich habe meine Probleme mit Hild Helsingforth und ihrem leiblichen Auftreten im Roman. Ich finde sie, ihr Aussehen und ihr Verhalten etwas zu viel, zu überzeichnet. Meinetwegen hätte sie die unsichtbare, aber allgegenwärtige Stimme im Hintergrund bleiben können. Sogar Martinelli bemerkt, dass sie falsch wirkt und unecht, und der deutet ja mehr als genügend falsch...


    Wie wohl in jeder Diktatur hat sich auch hier eine Widerstandsbewegung herausgebildet, ein Untergrund. Sie wollen nicht den Ausgangszustand wieder herstellen, sondern lehnen nur den Männerhass ab.


    Mag man die Möglichkeit einer solchen sich entwickelnden extremen und diktatorischen Frauengesellschaft realistisch finden oder nicht - mich erstaunt Merles Darstellung, in der sich die Frauen scheinbar sehr schnell angepasst haben und die neue Rolle und Ideologie, die Verhaltensnormen und Standesunterschiede verinnerlicht haben, während es den Männern ungleich schwerer fällt. Weil sie diejenigen sind, denen so viel genommen wurde? Oder sehen wir halt nur Martinellis Sicht und Wesen? :gruebel

  • Hm, da es ja - wie es scheint - ein Bericht von Mattinelli ist schreibt der vielleicht einfach seine sehr überzeichnete Sicht von Helsingforth. Ich musste bei der Beschreibung echt irgendwie grinsen, einerseits beschreibt er sie irgendwo zwischen Kampflesbe und dem Klischeebild einer weisrussischen Kugelstoßerin (sry, ;-) ;-)), aber andererseits ist er total rallig auf sie...


    Das "Wir" finde ich interessant. Manchmal hab ich das Gefühl das halb Blueville zum "Wir" gehört. Am Ende noch Frau Helsinforth selber...

  • Zitat

    Original von Maharet
    Hm, da es ja - wie es scheint - ein Bericht von Mattinelli ist schreibt der vielleicht einfach seine sehr überzeichnete Sicht von Helsingforth. Ich musste bei der Beschreibung echt irgendwie grinsen, einerseits beschreibt er sie irgendwo zwischen Kampflesbe und dem Klischeebild einer weisrussischen Kugelstoßerin (sry, ;-) ;-)), aber andererseits ist er total rallig auf sie...


    Ich lese das Buch dieses Mal ein Bisschen anders als früher, weil hier in der LR am Anfang die Sexismus-Vorwürfe an den Autor kamen.
    Nun, er hat zumindest alles getan, damit Martinelli sich diesen Vorwurf machen lassen muss. Schon die Art, wie er die Frauen, besonders im Falle Helsingforth, beschreibt, macht in in dieser Richtung angreifbar. Er ist ein Liebhaber schöner Frauen, schon vor der Epidemie gewesen, und man gewinnt den Eindruck, dass er, je länger er sich in der sexuellen Abstinenz befindet und sich mit gesenktem Blick den Frauen nicht mal nähern darf, nur noch an das Eine denkt und seine Fantasien ins Uferlose schießen...


    Zitat

    Das "Wir" finde ich interessant. Manchmal hab ich das Gefühl das halb Blueville zum "Wir" gehört. Am Ende noch Frau Helsinforth selber...


    Es kommt immer wieder jemand neu dazu, von dem man es nicht erwartet hätte. Ich denke, dass auch immer wieder jemand angeworben wurde, der in irgendeiner Weise nützlich sein konnte.
    Martinelli ist wirklich nicht dazu geboren, in einer Diktatur zu leben, denn er verhält sich sehr "blauäugig" und unvorsichtig und gefährdet sich und Andere.

  • Zitat

    Original von Clare
    Ich lese das Buch dieses Mal ein Bisschen anders als früher, weil hier in der LR am Anfang die Sexismus-Vorwürfe an den Autor kamen.
    Nun, er hat zumindest alles getan, damit Martinelli sich diesen Vorwurf machen lassen muss. Schon die Art, wie er die Frauen, besonders im Falle Helsingforth, beschreibt, macht in in dieser Richtung angreifbar. Er ist ein Liebhaber schöner Frauen, schon vor der Epidemie gewesen, und man gewinnt den Eindruck, dass er, je länger er sich in der sexuellen Abstinenz befindet und sich mit gesenktem Blick den Frauen nicht mal nähern darf, nur noch an das Eine denkt und seine Fantasien ins Uferlose schießen...


    Der gute Ralph ist ein selbstverliebter Egomane, für mich als Wissenschaftler eher fragwürdig und ziemlich untypisch. Und so jemanden lässt man an einer so wichtigen Sache forschen, wie die Rettung der männlichen Spezies? Sieht eher so aus, als wäre das ganze von Anfang an ein halbherziges Projekt gewesen. Und sobald sich herausgestellt hat, dass man zur Zeugung keine Männer braucht, ist ihr Aussterben beschlossene Sache? Gruselige Vorstellung. Soll man die Restexemplare demnächst in Zoos bewundern?


    Allerdings vergisst Merle dabei die Evolution, läßt sie außen vor. Die Natur ist doch nicht dumm und hätte sich längst in diese Richtung entwickelt, wenn es wirklich sinnvoll wäre, auf ein Geschlecht zu verzichten. Bei den Schnecken gibt es das ja, aber bei Säugetieren? Also dürfte es auch bei dieser Pandemie wie bei anderen hochansteckenden Krankheiten sein: ein gewisser Prozentsatz (ich weiß es nicht mehr genau, es sind um die 5 - 10 %) werden sich gar nicht anstecken, besitzen eine natürliche Immunität.


    Worauf zielt diese Geschichte wirklich ab? :gruebel Amerika in einer Diktatur? Das ist für mich schwer vorstellbar.

  • Keine Ahnung, ob Amerika davor gefeit ist. Ich kann es mir halt nicht vorstellen, dass alle Bundesstaaten auf einmal auf eine Diktatur umschwenken würden. Die Verfassung läßt sich ja auch nicht so von heute auf morgen außer Kraft setzen.

  • Ich fürchte, die Vereinigten Staaten sind von allen westlichen Zivilisationen mit am empfänglichsten für eine Diktatur. Eine Gesellschaft in der ein Zweiparteiensystem dominiert, dessen Pole sich ideologisch kaum unterscheiden, in der unglaubliche Machtfülle in die Hand einer einzelnen Person gelegt wird - es gehört nicht allzuviel Phantasie dazu, sich eine ähnliche Entwicklung vorzustellen, wie es Merle beschreibt.


    Ich denke man sollte Merles Szenario nicht zu sehr unter die Glaubwürdigkeitslupe legen. Es geht ihm in erster Linie um ein Was-Wäre-Wenn-Spiel. Und gleichzeitig werde ich das Gefühl nicht los, dass Merles Motivation für das alles noch aus ganz anderen Antrieben gespeist wird. ;-) Er zeigt mir einfach zu viel schriftstellerische Freude bei der Schilderung der dominanten Frauenfiguren. Vielleicht bietet er auch seinem insgeheimen Fetisch eine unverängliche Bühne.


    Seit ich mich von dem Zwang gelöst habe, auch nur die Spur von Glaubhaftigkeit zu erwarten, unterhalte ich mich ganz gut. Obwohl die ständig gegenwärtige latente Jammerei des Berichterstattenden gelegentlich gehörig nervt.

  • Zitat

    Original von arter
    ...
    Ich denke man sollte Merles Szenario nicht zu sehr unter die Glaubwürdigkeitslupe legen. Es geht ihm in erster Linie um ein Was-Wäre-Wenn-Spiel. Und gleichzeitig werde ich das Gefühl nicht los, dass Merles Motivation für das alles noch aus ganz anderen Antrieben gespeist wird. ;-) Er zeigt mir einfach zu viel schriftstellerische Freude bei der Schilderung der dominanten Frauenfiguren. Vielleicht bietet er auch seinem insgeheimen Fetisch eine unverängliche Bühne.


    Interessante Idee :gruebel
    Wenn man bedenkt, dass gerade die Zusammentreffen mit HH besonders detailliert ausgeschmückt werden.

  • Zitat

    Original von arter
    Ich fürchte, die Vereinigten Staaten sind von allen westlichen Zivilisationen mit am empfänglichsten für eine Diktatur. Eine Gesellschaft in der ein Zweiparteiensystem dominiert, dessen Pole sich ideologisch kaum unterscheiden, in der unglaubliche Machtfülle in die Hand einer einzelnen Person gelegt wird - es gehört nicht allzuviel Phantasie dazu, sich eine ähnliche Entwicklung vorzustellen, wie es Merle beschreibt.


    Die USA mit vom Sockel gestoßener Freiheitsstatue? Das erinnert mich gleich an "Planet der Affen" (die Endszene in der Originalversion) :grin

  • Zitat

    Original von Clare
    mich erstaunt Merles Darstellung, in der sich die Frauen scheinbar sehr schnell angepasst haben und die neue Rolle und Ideologie, die Verhaltensnormen und Standesunterschiede verinnerlicht haben, während es den Männern ungleich schwerer fällt. Weil sie diejenigen sind, denen so viel genommen wurde? Oder sehen wir halt nur Martinellis Sicht und Wesen? :gruebel


    Ich denke, dass gerade diese Flexibilität und Anpassungsfähigkeit eine herausragende Fähigkeit der Frauen ist. Seit Jahrhunderten sind sie schon damit beschäftigt, es den Männern recht zu machen und gegen weibliche Konkurrenz zu kämpfen. Da muss man schnell agieren können, sich anpassen und Chancen nutzen. In einer patriarchalischen Gesellschaftsstruktur ist immer schon die Frau in der unterlegenen Rolle gewesen, mit begrenztem Handlungsspielraum und oft genug zum Opfer auserkoren. Wenn man in dieser Konstellation überleben will, konzentriert sich der Fokus nicht ausschließlich auf das eigene Selbst. Ständig müssen die Umgebungsfaktoren beobachtet werden.


    Dieses ständige sich Umsehen, Kontrollieren, Hinterfragen und misstrauisch sein hatten/haben Männer einfach nicht nötig. Sie wurden von dieser Epidemie regelrecht überrollt und standen mehr oder weniger in beleidigter Entrüstung da, denn so etwas kann nicht passieren, weil es nicht passieren darf. Die über Jahrhunderte angewöhnte Machtposition wurde in Nullkommanix umgeworfen und gleich einem Wagen, der mit Schwung den Berg hinunter rollt, haben die Männer weder eine Kurve noch einen Bremsvorgang hinbekommen und sind am Fuße des Berges mit Karacho an die Wand gefahren.


    Ich glaube sehr wohl, dass Frauen, sofern man sie lässt, sich sehr schnell in allen möglichen Bereichen des Lebens zurecht finden können und gute Arbeit leisten. Ebenso kann ich mir das Entstehen einer fanatischen Diktatur vorstellen. (Stutenbissigkeit kann man ja auch nicht wegdiskutieren.) Allerdings nicht in dem zeitlichen Rahmen, wie der Autor ihn vorgibt. Lässt man den Zeitfaktor weg, könnte ich mir ein derartiges Szenario vorstellen.


    Im weiteren Verlauf der Geschichte hat es sich ja gezeigt, dass durchaus jede Menge Frauen existieren, die gegen das Bedford-Imperium angehen. Das hat die Story stimmiger gemacht. Allerdings hätte das der Autor von Anfang an mit einbeziehen sollen, der Plot wäre dadurch runder und schlüssiger geworden.

  • Zitat

    Original von arter
    Ich fürchte, die Vereinigten Staaten sind von allen westlichen Zivilisationen mit am empfänglichsten für eine Diktatur. Eine Gesellschaft in der ein Zweiparteiensystem dominiert, dessen Pole sich ideologisch kaum unterscheiden, in der unglaubliche Machtfülle in die Hand einer einzelnen Person gelegt wird - es gehört nicht allzuviel Phantasie dazu, sich eine ähnliche Entwicklung vorzustellen, wie es Merle beschreibt.


    Das denke ich auch, zumal die breite Bevölkerung doch recht unpolitisch und gleichgültig dem gegenüber ist. Wenn man sich anschaut, wie in den USA die Wahlen bestritten und gewonnen werden (über Fernsehshows und dicke Werbeetats), braucht man sich eigentlich nicht wundern.

  • Zitat

    Original von JaneDoe
    Ich bin noch in Kapitel 11, aber langsam wird es mir zu albern. Als wäre allen die Intelligenz abhanden gekommen, Männlein wie Weiblein :rolleyes


    Ja, das Gefühl habe ich leider auch. Ob Martinelli, Helsingford oder Burage (ach, eigentlich fast alle Figuren) - es ist eine Ansammlung von Idioten. :fetch


    Der schwadronierende Erzählton des Autors macht es nicht besser. Ein Grund mehr, warum ich mit dem Buch immer noch nicht fertig bin. Ich lese es nur, weil ich mich aufgrund der LR dazu verpflichtet fühle und irgendwie immer noch darauf hoffe, dass das große AHA kommt und meine Begeisterung entfacht.

  • Zitat

    Original von arter
    Und gleichzeitig werde ich das Gefühl nicht los, dass Merles Motivation für das alles noch aus ganz anderen Antrieben gespeist wird. ;-) Er zeigt mir einfach zu viel schriftstellerische Freude bei der Schilderung der dominanten Frauenfiguren. Vielleicht bietet er auch seinem insgeheimen Fetisch eine unverängliche Bühne.


    :rofl Köstlich! Ich glaube, lieber arter, damit hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Ist fast so eine SM-Geschichte. "Komm Frau, demütige mich!" Insbesondere Martinelli kriegt seinen Schniepi langezogen. Im übertragenen Sinne... :grin