Anna Fuchs - Das gelbe Hurentuch

  • Handlung:
    Wien im späten Mittelalter. Schnepfen, Dirnen, Hübschlerinnen, alle tragen es als Erkennungszeichen: das gelbe Achseltuch. Doch Johanna Maipelt, eine in die Jahre gekommene freie Tochter Wiens hat genug von den Männern und möchte ihren Lebensabend im Büßerinnenkloster St. Hieronymus verbringen. Sie staunt nicht schlecht, als ihr die Stadtwachen ein verschrecktes Mädchen bringen und behaupten, es handle sich um eine Hure. Doch „Hannerl“ weiß es besser und versucht das Geheimnis auf ihre grantige Art und Weise zu lüften.


    Autorin:
    Die österreichische Autorin Anna Fuchs wurde 1965 in St. Pölten geboren und verbrachte ihre Jugendzeit in Wien. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaft und Romanistik und war gleichzeitig im Tourismus tätig. Derzeit arbeitet sie als Bibliothekarin und weiterhin nebenher als Fremdenführerin. Ihre Heimatstadt Wien inspirierte sie auch zu ihrem ersten historischen Roman. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Wien.



    Das Erstlingswerk von Anna Fuchs hat mich von Anfang bis Ende gefesselt.
    Da ich den Wiener Dialekt sowieso sehr mag hat mir in diesem Buch gefallen,dass es eben gerade damit immer wieder gespickt war. In Fußnoten sind die hochdeutschen Erklärungen eingefügt.
    Das Leben in Wien ist ansehnlich geschildert und auch die Kunst die Johanna betreibt, das Einlegen von Gemüse, Früchten etc. in Essig ist so beschrieben, dass ich mehrmals die guten Gerüchte in der Nase hatte.
    Die Hauptpersonen Hannerl und die anderen Büßerinnen schloss ich gleich in mein Herz. Hannerls etwas derbe Art ist oft amüsant und doch merkt man immer wieder wie gut sie im Herzen ist. Der Knecht Barthel bringt sie immer wieder zur Weißglut und ihre kleinen Zusammenstöße sind köstlich. Als man ihr und ihren Schwestern das Mädchen Gretlin bringt, die man zusammengekauert, auf einer Leiche findet steht schnell fest, dass man sie und den verlotterten Hund, der nicht von ihrer Seite weicht, nicht wegschicken kann. Doch ist Gretlin wirklich eine Dirne so wie die ermorderte Frau?


    Verschiedene, aber nicht zu viele, Erzählstränge laufen bald zusammen und zum Ende steigert sich die Spannung immer mehr.
    Einerseits sind da die Bewohnerinnen des Klosters und dann ist da die umfangreiche Geschichte um die höhere Gesellschaft und deren Machenschaften die sich dann wiederum mit Johanna und ihrer Umgebung überschneidet. Dazu liest man immer wieder die dunklen Gedanken des Mörders der sein Unwesen treibt und somit alle zusammenführt.


    Ich hoffe auf weitere Bücher dieser Autorin.

  • Nach der vorzüglichen Beschreibung von Miss Kazumi, der ich vollkommen zustimmen kann, noch ergänzend einige eigene Eindrücke zu diesem historischen Roman.


    "Unterm Strich ist Das gelbe Hurentuch ein unterhaltsamer Roman mit sympathischen Hauptfiguren und viel Lokalkolorit. Die Krimihandlung fällt kleiner aus als erwartet und ist eher Beigabe als Hauptaspekt", heißt es diesbezüglich auf der Histo-Couch. Dieses Fazit ist mehr als zutreffend: "Das gelbe Hurentuch" ist eindeutig ein historischer Roman und als solcher sogar sehr gelungen.


    Der eine oder andere historische Faktenfehler, der mir aufgefallen ist, hat mich nicht weitergestört, handelt es sich dabei um wirklich unwichtige Kleinigkeiten, die den gelungenen Gesamteindruck absolut nicht beeinträchtigen. So war z. B. die Jakobskirche in Innsbruck, die in einem Satz Erwähnung findet, im 14. Jahrhundert noch kein Dom, und die irisch-schottischen Mönche, denen das Wiener Schottenstift seinen Namen verdankt, längst durch Benediktinermönche ersetzt und Geschichte. Doch die spannende Schilderung einer Reise von Lucca nach Wien oder des Hochzeitszuges wird dadurch nicht wirklich beeinträchtigt.


    Einige weitere kleinere Ungenauigkeiten (um Gräfin Margarete Maultasch, das Interdikt und ihre "bairische" Familie) dürften von der Autorin im Rahmen einer "glaubwürdigen" Figurencharakteristik und "historischer Alltagsschilderung" beabsichtigt sein, werden sie doch als Aussage von Figuren rübergebracht. Für mich ist es gut vorstellbar, dass die damaligen Menschen über tatsächlichen Verhältnisse gar nicht so genau Bescheid wissen konnten bzw. hier tatsächlich nicht selbst differenziert haben. (Faktenfreaks werden zwar daran Anstoß nehmen, und wohl auch der Autorin zum Vorwurf machen, dass es kein Nachwort gibt, aber für mich war es durchaus im Rahmen dessen, was ich bei einem historischen Roman akzeptieren kann.)


    Da ich selbst nicht viel von Nachwörtern halte, die in erster Linie ohnehin dem Marketing dienen, hat mich das Fehlen eines Nachwortes nicht weiter gestört. Hinzu kommt, dass solche Extras vom Verlag abhängig sind. Anna Fuchs dürfte wahrscheinlich ganz glücklich gewesen sein, dass ein Verlag ihr Buch zu publizieren bereit war, und als Debütantin wohl kaum in der Position eines Autoren/innen-Stars, dem/der noch Extra-Zuckerl wie Nachwort, Zeittabelle etc. fordern durfte. Insofern ist wohl auch die unglückliche Vermarktung des Romans als historischen Kriminalroman bzw. Whodunit nicht ihr, sondern den Marketing des Verlages anzulasten.


    Insgesamt handelt es sich bei dem "Gelben Hurentuch" um einen historischen Unterhaltungsroman, der mit viel Lokalkolorit, einer abwechslungsreichen Handlungen und gelungenen Figuren punktet. Gerade einige fiktive Nebenfiguren wie z. B. Yrmel, Ewald (bei dem wohl der Dichter und Adelige Oswald von Wolkenstein als Vorbild anzunehmen ist) oder auch historische Figuren wie die Herzogin Beatrix oder die Äbtissin Katharina sind sehr gelungen, ebenso die meisten Hauptfiguren. Einzige Ausnahmen sind wohl das fiktive Liebespaar, aber als Prototyp einer Verfolgten Unschuld und eines "braven" Helden, der allerdings noch einiges zu lernen hat (was die Figur dann doch wieder als solche rettet), fügen sich beide doch in das Figurenrepertoire des Romans bestens ein.


    Die heimliche Heldin bzw. der heimliche Held des Romans ist ohnehin der Schauplatz, die Stadt Wien des 14. Jahrhunderts (die im Wesentlichem vom Areal damals dem entsprach, was wir heute als 1. Bezirk kennen). Diese ist mit viel historischen Lokalkolorit und Alltagsdetails liebevoll in Szene gesetzt. Sehr gelungen sind auch jene Teile, wenn Figuren von auswärts nach Wien reisen und dabei ihren persönlichen Eindruck von der Stadt Wien vermitteln. (Die Autorin hat sich offensichtlich auch die Mühe gemacht, historische Stadtansichten anzusehen.) Dass sie dabei auch sehr geschickt, Fachwissen auf unterhaltsame Art eingebaut hat, ist ein weiteres Schmankerl. So z. B. in der Szene, als der (historisch belegte) Patriarch von Aquileja mit seinem Neffen und dessen Begleiter (beide fiktive Figuren) sich der Stadt nähert und den jungen Leuten genau erläutert, welche Bauwerke da gerade sichtbar sind. Diese Beschreibung, die viel Fachwissen enthält, wirkt dennoch nicht aufgesetzt oder oberlehrerhaft, da der lehrerhafte Aspekt in den Roman integriert ist. Der Patriarch liefert die Fakten, seine beiden Zuhörer sind davon verwirrt oder auch gelangweilt.


    Die Historizität ist insgesamt ausgezeichnet, sehr schön ist auch, dass auf viele (unhistorische) Mittelalterklischees hier dankenswerterweise einmal verzichtet wurde, offensichtlich hat die Autorin eine Vorstellung von den tatsächlichen gesellschaftlichen Gegebenheiten einer Ständegesellschaft, und auch den Mut, diese in ihrem Buch zu zeigen.


    Wer sich auf das Buch einlässt, der bekommt einen vorzüglichen und sehr unterhaltsamen historischen Roman geboten. Neben ein wenig fiktiven Abenteuer- und Hintertreppentouch, der aber den Unterhaltungswert zugute kommt, vermittelt der Roman ein lebhaftes Bild vom Alltagsleben im mittelalterlichen Wien, von dem ich gerne zu glauben bereit bin, dass es so tatsächlich gewesen sein könnte. Das Wien-Bild ist tatsächlich einmal eine gelungene Umsetzung dessen, was in einschlägiger Fachliteratur, die auf historischen Zeitquellen aufbaut und die gewöhnlich ohnehin niemand liest, beschrieben wird. (Wer also Historisches auf unterhaltsamen Weg kennen lernen möchte, wird hier gut bedient, und vielleicht sogar als Folge zum Lesen von Fachbüchern ermutigt.)


    Fazit: kein historischer Krimi oder Whodunit, aber dafür ein wirklich unterhaltsamer und gelungener historischer Roman.


    Hoffentlich findet das Buch trotz der etwas unglücklichen Vermarktung als Whodunit und des irreführenden Untertitels "Hannerl ermittelt" seine Leserschaft.


    PS:
    Die Kritik am Titel, die mir in manchen Rezensionen untergekommen ist, kann ich nicht nachvollziehen. Sicher ist "Das gelbe Hurentuch" nicht der perfekte Titel, aber vollkommen unpassend ist er nicht. Zudem spielt das gelbe Requisit im Geschehen sehr wohl eine wichtige Rolle. Assoziationen mit der "Wanderhure" und ihren Nachfolgeromanen sind zwar vielleicht beabsichtigt, aber in dem Buch spielen nun einmal Huren eine wichtige Rolle, und insgesamt werden ihre Lebensumstände und Möglichkeiten hier auch wesentlich realistischer gezeichnet, als dies in "Der Wanderhure" der Fall ist.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

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