Delphinensommer – Katherine Allfrey (ab ca. 9 J.)

  • Ill. Von Ingrid Schneider


    Dieses Buch und ich fanden erst beim zweiten Anlauf zusammen, ab da war es aber echte Liebe. Es erschien 1963 zum ersten Mal und erzählt eine seltsame Geschichte aus einem fremden Land.


    Die kleine Andrula lebt auf einer Insel in der Ägäis. Ihr Vater war Schwammfischer, er ist ertrunken, ihre Mutter Evangelia hat ihre Trauerkleider seither nicht abgelegt. Sie bringt sich und ihre kleine Tochter mit Mühe und Not mit Weberei durch, ihr einziger Besitz ist ihre alte Ziege. Andrula spielt gern mit den anderen Kindern des Orts, doch sind nicht immer nett zu ihr, sondern verspotten sie wegen ihrer Armut. Deswegen hat Andrula auch gar nichts dagegen, als ihre Mutter sie eines Tages bittet, die Ziege irgendwohin zu führen, wo sie frisches Grün knabbern kann. Einen ganzen Tag für sich allein sein, niemanden der spottet und streitet um sich, das Essen - sogar Trauben spendiert ihre Mutter - mitnehmen und selber entscheiden, wann man es verzehren möchte, klingt nach einem Abenteuer. Es wird auch eines, so eigenartig, wie es sich Andrula nie hätte ausdenken können.


    Es sind die Trauben, die Andrula eine Bekanntschaft ganz besonderer Art machen lassen, mit einem Delphin nämlich. Es ist kein gewöhnlicher Delphin, er kann sprechen. Damit beginnt ein magisch-fantastisches Sommerabenteuer. Bald sprechen die zwei nicht nur miteinander, sondern der Delphin bringt Andrula zu einer verzauberten Insel, wo sie Wesen trifft, die direkt aus antiken Sagen zu stammen scheinen. Panskinder, einen Zentauren, Nymphen und im Meer Nereiden. Den ganzen Sommer spielt Andrula mit den neuen Freunden. Zuhause allerdings wird sie immer unglücklicher. Sie zieht sich zurück, als die Schule wieder anfängt, kümmert sie sich kaum um den Unterricht. Der Alltag ist zu armselig und eintönig, sie verachtet ihn.
    Die Lösung ist ebenso eigen, wie die Handlung und eben so magisch. Eine andere göttliche Macht greift ein und holt Andrula zurück, ehe sie völlig in der alten Welt verloren geht. Andrulas Trauer über den Verlust schwindet, als sie feststellt, daß auch Evangelia ihre Trauer überwunden hat, spätestens im Frühling wird es eine Hochzeit geben.


    So ist diese originelle Geschichte nicht nur ein magisches Sommerabenteuer, sondern tatsächlich eine Geschichte über Verlust und Finden, übers Verlorengehen und Zurückkommen, aber auch über Rettungen, die mit Fantasie bewältigt werden können.


    Geschrieben ist es detailfreudig, ohne sich aber in Beschreibungen zu verlieren. Allfrey versteht es, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Andrulas Heimatinsel, das Städtchen, in dem sie lebt, und die Zauberinsel werden gleichermaßen lebendig, die Armut, der ewige Ernst der Mutter kontrastiert mit der Fröhlichkeit und den wunderlichen Abenteuern, die Andrula erlebt, sobald sie die Mutter verlassen hat.
    Das Buch ist ausgiebigst illustriert, schwarz-weiß, in einem Stil, der ebenso eigen ist wie die Geschichte, Konkretes fast kantig, außer den Figuren selbst, die Hintergründe eine Mischung aus Struktur und Wischtechnik von Buntstiften und Wasserfarben. Der Einband meiner Ausgabe von 1963, so alt, daß das Buch nicht einmal eine ISBN hat, leuchtet immer noch strahlend blau, der Delfin lila, auf seinem Rücken eine glückliche Andrula in gelbem Kleidchen und rotem Kopftuch. Ein Cover, das man auch heute sofort bemerken würde.


    Verlinkt habe ich die alte Ausgaben aus dem Cecilie Dressler-Verlag von 1963, die auch die meine ist.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Als ich ein Kind war, war dieses Buch einer meiner absoluten Lieblinge. Ich habe es mir immer in unserer Bücherei ausgeliehen.
    Vor ein oder zwei Jahren wollte ich es mir dann selbst kaufen, konnte mich aber nicht mehr an den Titel erinnern. Dank den Eulen konnte ich es wiederfinden. :-]

    Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat. - Marie von Ebner-Eschenbach