Christopher Morley - Das Haus der vergessenen Bücher

  • Zitat

    „Wenn es Sie einmal nach Brooklyn verschlägt, einen Ort, der prachtvolle Sonnenuntergänge und den erhebenden Anblick von Kinderwagen bietet, die von Ehemännern geschoben werden, hoffe ich um Ihretwillen, dass der Zufall Sie auch in jene ruhige Nebenstraße führt, in der sich eine höchst bemerkenswerte Buchhandlung befindet“. (S. 7)


    Diese bemerkenswerte Buchhandlung gehört Roger Mifflin, einem kleinen, glatzköpfigen Mann, der das Lesen und seine Leidenschaft für Bücher zum Beruf gemacht hat. Er hat die besondere Gabe, den Menschen anzusehen, welche Bücher sie gerade benötigen:


    Zitat

    “Ich brauche sie nur anzusehen, um zu erkennen, dass ihre Seele krank ist, weil sie der Lektüre entbehrt…” (S. 12) “Die Menschen brauchen Bücher, wissen es aber nicht. Meist wissen sie gar nicht, dass es die Bücher, die sie brauchen, überhaupt gibt.” (S. 13)


    … und die Zufriedenheit seiner Kunden sei die beste Werbung für ihn. Genau das ist auch der Grund, warum er den jungen, dynamischen Angestellten einer Werbefirma abblitzen lässt, der ihn besucht, um ihm Werbemaßnahmen zu verkaufen. Trotzdem freunden sich Roger Mifflin und Aubrey Gilbert an. Der Buchhändler vermittelt ihm eine andere Sichtweise auf die Literatur und als die überaus hübsche Titania Chapman als Auszubildende eingestellt wird, gibt es für den jungen Gilbert noch einen Grund mehr, der Buchhandlung samt seinen Bewohnern regelmäßig einen Besuch abzustatten.


    Eines Tages geschehen mysteriöse Dinge in dieser Buchhandlung: Roger Mifflin vermisst ein Buch: ein ganz besonders aussergewöhnliches Buch für ihn und er war sicher, es am Abend vorher noch gesehen und auch in den Händen gehalten zu haben. Wie durch Zauberhand taucht es genau so unvermittelt am nächsten Tag wieder auf. Dieser Vorfall, eine mysteriöse Anzeige und diverse Zusammentreffen mit undurchsichtigen Schurken bringen Audrey Gilbert dazu, sich als Detektiv zu versuchen – viel mehr kann an dieser Stelle nicht verraten werden.


    Nur so viel: “Das Haus der vergessenen Bücher” ist aufgemacht wie einer der alten, amerikanischen, schwarz-weißen Hollywood-Filme. Es beginnt sehr betulich; Christopher Morley nimmt sich Zeit, viel Zeit, um die rauchgeschwängerte, nur durch kleine, grünschirmige Lampen erhellte Buchhandlung zu beschreiben. Dann gibt es den etwas kauzigen Protagonisten, seine patente, bodenständige und humorvolle Ehefrau, die in vorbildlicher Weise das Haus blitzblank hält und leidenschaftlich gerne kocht, bäckt und handarbeitet. Selbstverständlich gehört auch ein kleiner, frecher, sehr cleverer Haushund dazu und nicht zuletzt das mit viel Liebreiz ausgestattete Lehrmädchen aus gutem Hause, das mit überschäumendem Enthusiasmus in seine Ausbildung startet und mit seinem Aussehen, seinem Fleiß und seinem Augenaufschlag alle für sich einnimmt. Dann noch der smarte junge Mann, der mehr als nur ein Auge auf die neue Mitarbeiterin geworfen hat und deswegen bereit ist, unter Einsatz seines Lebens um ihr Wohlergehen zu kämpfen.


    Alles zusammengenommen ist mir die Geschichte allerdings viel zu eindimensional gestrickt, um mich ernsthaft begeistern zu können. Die Handlung ist einfach zu vorhersehbar und die überaus reichlich verwendeten Klischees fanden dann ihren Höhepunkt beim Bösewicht, der nicht nur hässlicher deutscher Pharmazeut war, nein, er musste auch noch “Weintraub” heißen (vielleicht sollte man hier erwähnen, dass das Buch im Original bereits im Jahr 1919 erschienen ist)…


    Was für mich “Das Haus der vergessenen Bücher” aber trotzdem zu etwas Besonderen gemacht hat, sind die vielen leidenschaftlichen Textpassagen Roger Mifflins, bei denen jedes bibliophile Herz ein paar Takte schneller schlagen dürfte.


    Zitat

    “Bücher enthalten die Gedanken und Träume der Menschen, ihre Hoffnungen, ihr Streben, alles, was an ihnen unsterblich ist. Aus Büchern lernen die meisten von uns, wie lebenswert das Leben doch ist.” (S. 116)


    Amüsant auch seine Einschätzungen aus der Welt der Buchhändler:


    Zitat

    …einer ist ein fanatischer Gegner von Bibliotheken, er findet, dass alle öffentlichen Bibliotheken in die Luft gesprengt gehörten. Ein anderer glaubt, dass Lichtspiele den Buchhandel ruinieren werden.” (S. 26)


    Oder über die unterschiedlichen Ansprüche der Leser:


    Zitat

    “Die Leute zahlen verdammt viel mehr, um sich zu unterhalten, als sich beanspruchen zu lassen. Da blecht einer, ohne mit der Wimper zu zucken, fünf Dollar für zwei Theaterkarten oder zwei pro Woche für Zigarren. Aber zwei Dollar oder fünf Dollar für ein Buch verursachen ihm Seelenqualen.” (S. 42)


    Gewisse Tendenzen überdauern also auch Jahrhunderte… ;-)


    Ein Buch für einen entspannten Lesenachmittag.



    Über den Autor:


    Christopher Morley (1890–1957), Amerikaner mit englischem Humor und englischen Wurzeln, war Mitbegründer der Saturday Review of Literature, die er von 1924 bis 1940 leitete, und schrieb für die New York Evening Post. Er ist Autor von mehr als 50 teils belletristischen, teils Sachbüchern und zahlreichen Essays über Literatur.

    :lesend Die Sonnenposition - Marion Poschmann


    "Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen; Vorboten dessen, was wir zu leisten imstande sein werden." (Goethe)

  • Eine großartige Buchvorstellung - herzlichen Dank dafür. Und natürlich wird dieses Buch auch sofort auf meiner Wunschliste landen.


    Ich habe über dieses Buch irgendwo schon eine sehr positive Rezension gelesen. Keine Ahnung wo. Vielleicht im "Perlentaucher"?


    Aber egal. Zudem ist auf das Urteil von Incomperta eh Verlass. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Titel: Das Haus der vergessenen Bücher
    Autor: Christopher Morley
    Übersetzt aus dem Amerikanischen von: Renate Orth-Guttmann
    Verlag: Atlantik
    Erschienen: September 2014
    Seitenzahl: 253
    ISBN-10: 3455600123
    ISBN-13: 978-3455600124
    Preis: 18.00 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    New York, 1919. Roger Mifflin hat seine größte Leidenschaft, das Lesen, zum Beruf gemacht. In seinem Antiquariat in Brooklyn findet man ihn dort, wo der Tabakrauch am dichtesten ist. Unterstützt wird er von seiner ebenso patenten wie resoluten Ehefrau und seinem Hund Bock - Bock wie Boccacio. Bücher sind Mifflins Leben. Von Werbemaßnahmen für sein Geschäft will er allerdings nichts wissen, und so lässt er den jungen Aubrey Gilbert, angestellt bei der Grey Matter Agency, ziemlich abblitzen, als der ihm seine Dienste anbietet. Dennoch freunden sich die beiden an, und bald kommt Gilbert täglich ins Geschäft. Was auch an Mifflins neuer Hilfskraft liegen mag - der schönen Titania Chapman, deren Leben in Gefahr zu sein scheint. Und das gilt nicht nur für ihr Leben ...


    Der Autor:
    Christopher Morley (1890 - 1957), Amerikaner mit englischem Humor und englischen Wurzeln, war Mitbegründer der Saturday Review of Literature, die er von 1924 bis 1940 leitete, und schrieb für die New York Evening Post. Er ist Autor von mehr als 50 teils belletristischen, teils Sachbüchern und zahlreichen Essays.


    Meine Meinung:
    Dieser Roman begann sehr vielversprechend, flachte dann im weiteren Verlauf aber immer mehr ab. Anfangs schien es so als würde es ein „lesephilosophisches“ Buch sein, ein Buch über den Beruf des Buchhändlers und dessen Liebe zu den Büchern. Doch dann drängte sich immer mehr eine fade Liebes- und Spionagegeschichte in den Vordergrund und das „Gespräche über Bücher“ musste dafür Platz machen. Der Buchhändler Roger Mifflin ein wirklich liebenswerter Kauz mit wunderbaren An- und Einsichten zu Büchern und zum Lesen insgesamt. Da machte es richtig Freude ihm zuzuhören wenn es um Autoren ging, die heute fast vergessen sind und deren Bücher man selbst antiquarisch kaum noch kaufen kann.
    Die Liebes- und Spionagegeschichte war mehr als dünn, alles war vorhersehbar und Spannung wollte da dann auch kaum aufkommen.
    Und so wurde dieses Buch – was so verheißungsvoll begann – dann leider doch fast zu einer echten Enttäuschung. Dazu wurde jedes Klischee über das Deutschland bedient, welches man während und kurz nach dem ersten Weltkrieg so haben konnte. Da spielten bei dem Autor wohl offensichtlich eine Menge Ressentiments mit.
    Nichtsdestotrotz, es gibt schlechtere Bücher – aber eben auch eine unglaubliche Zahl von besseren Büchern. Für den Beginn des Buches gibt es 7 Punkte, für den weiteren Verlauf dann aber nur noch knappe 3 Punkte – so das sich insgesamt eine durchschnittliche Zahl von 5 Punkten errechnet.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.