Der eiserne Sommer - Angelika Felenda

  • Der eiserne Sommer
    Angelika Felenda
    Suhrkamp Taschenbuch
    ISBN: 978-3518465424
    435 Seiten, 14,99 Euro


    Über die Autorin: Angelika Felenda hat Geschichte und Germanistik studiert und arbeitet als literarische Übersetzerin in München. Der eiserne Sommer ist ihr erster Roman.


    Kurzbeschreibung: Juni 1914: Zwei Schüsse fallen in Sarajewo, und die Welt rückt an den Abgrund. Franz Ferdinand, der Thronfolger Österreich-Ungarns, ist tot. Zur gleichen Zeit steht Kommissär Reitmeyer in München vor einer schwierigen Entscheidung. Er hat es satt, die Marionette des Polizeipräsidenten zu sein. Die Leiche eines jungen Mannes führt ihn von den Arbeitervierteln bis in die Villen der Großbürger. Und in das berüchtigte Café Neptun, Vergnügungsort der Offiziere. Der Polizeipräsident drängt ihn, nicht noch tiefer zu schürfen, und gegen das Militär darf er per Gesetz nicht ermitteln. Da macht Reitmeyer eine ungeheuerliche Entdeckung, die nicht nur ihn selbst zum Abschuss freigibt, sondern die das ganze Land in den Untergang stürzen könnte.



    Meine Meinung: Ich muss sagen, ich habe nur sehr schwer in diesen Kriminalroman hineinfinden können und habe lange überlegt, woran das gelegen haben mag. Der Handlungsort München ist auch mir als Nordlicht sympathisch und die Sprache ist trotzdem nicht so von Dialekt geprägt, als das man sie nicht verstehen könnte. Daran liegt es also nicht – es sind vielmehr viele Kleinigkeiten, die mir nicht so gut gefallen haben.


    Da wäre zum Beispiel der drohende erste Weltkrieg - obwohl die politische Situation gerade so bedrückend und brisant ist, rückt sie doch sehr in den Hintergrund und scheint auch wenig Einfluss auf die Stimmung der einzelnen Personen zu haben.


    Sprachlich und „technisch“ wirkte das Ganze auf mich auch ein wenig zu modern. Wir schreiben 1914 und scheinbar jeder ist telefonisch erreichbar und die Telefone sind ein wichtiges Kommunikationsmittel. Zwar hatten Behörden und reiche Geschäftsleute tatsächlich damals schon ein Telefon, doch scheint es mir einfach zu präsent.


    Doch das ist nicht der Grund, der dazu geführt hat, dass mich das Buch nicht einfangen konnte. Es sind die Personen an sich, die alle ein wenig konstruiert und langweilig wirken. Kommissar Reitmeyer ist keine besonders interessante Persönlichkeit und wirkt in seinem Ärger auf den Polizeipräsidenten nicht überzeugend - die Ermittlungen ziehen sich ohne jeglichen Höhepunkt in die Länge und an vielen Stellen hätte etwas mehr "Action" dem Ganzen gut getan. So richtig Spannung kam bei mir nicht auf, zumal ich das Gefühl hatte, die Handlung schon aus vielen anderen Kriminalromanen zu kennen. Schnell war auch klar, in welche Richtung das Ganze geht und so ist es neben der Langatmigkeit auch die Vorhersehbarkeit gewesen, die mich nicht in Jubelrufe ausbrechen lassen, wenn ich an dieses Buch denke.


    Mein Fazit: Fünf Punkte für einen soliden aber etwas faden Krimi, der mich zwar unterhalten hat, aber dem etwas mehr Spannung durchaus gut getan hätte.

  • Kommissar Sebastian Reitmeyer gerät kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zwischen die Fronten aus dienstlicher Pflicht, dem Korpsgeist des Militärs und seiner bisher allein freundschaftlichen Beziehung zu der jungen Ärztin Caroline Dohmberg, deren Familie er seit seiner Kindheit kennt. Die Konzentration von Truppen prägte damals die Atmosphäre in München, speziell die Vergnügungs- und Kneipenszene. Der Ermittler wirkt zunächst beruflich und privat wie ein Einzelgänger, der bei einer Tante lebt und sich als gesellschaftlicher Aufsteiger auf dem gesellschaftlichen Parkett jener Zeit offenbar noch unsicher bewegt. Reitmeyer ermittelt im Milieu Homosexueller und stößt bei seinen Nachforschungen schon bald auf Verbindungen seines Falls zu Militärangehörigen, zu denen er als ziviler Kriminalbeamter keinen Zugang hat. Zur Zeit der Strafbarkeit von Homosexualität hätte schon der geringste Verdacht homosexueller Beziehungen von Offizieren fatale Folgen gehabt. Reitmeyer zur Seite gestellt ist der schlaue, ehrgeizige Polizeischüler Rattler, der seinen älteren Kollegen mit seiner Findigkeit unangenehm Nacken sitzt. Unter dem wachsamen Auge einer zunehmend kritischen Presse bewegt Reitmeyer sich auf heiklem Terrain, seine Ermittlungen gefährden nicht nur ihn allein.


    Ein historischer Kriminalroman, der in der aufgeheizten Stimmung vor Kriegsbeginn in der Münchener Homosexuellen-Szene spielt, schien eine spannende Lektüre zu versprechen, obwohl die Thematik im Krimi-Genre nicht gerade neu wirkt. Der historische Hintergrund und die Figuren haben mich angesprochen, die Figur des Sebastian Reitmeyer blieb jedoch zu blass, um mich fesseln zu können. Angelika Felenda lässt zwar außer Kriminalbeamten und Offizieren auch einfache Menschen auftreten, doch fehlte einigen ihrer Figuren die eigenständige Persönlichkeit. In einer Zeit festgefügter Klassenschranken lässt eloquentestes Schriftdeutsch eines bayrischen Polizeischülers oder einer Münchener Köchin in herrschaftlichen Diensten diese Figuren nicht gerade glaubwürdig wirken. Weder der Kriminalfall, seine Auflösung, noch die Hauptfigur konnten bei mir genug Zugkraft für einen Pageturner entwickeln.


    6 von 10 Punkten