'Nemesis' - Kapitel 1

  • Zitat

    Original von Zwergin
    Die Szene mit Horace war für mich eine der erschreckensten im Buch, wie schnell das doch geht, dass diesem Außenseiter der blanke Hass entgegen schlägt.


    Ich finde auch beeindruckend, wie wenig Raum Philip Roth benötigt, um so eindrucksvolle Szenen so zu zeigen, dass man sie sich gut vorstellen kann.


    Roth schreibt ökonomisch, deswegen erscheinen mir seine späten Romane besonders gelungen. Allerdings kenne ich viele seiner frühen Romane auch nicht, noch nicht!

  • Zitat

    Original von Herr Palomar


    Ich finde auch beeindruckend, wie wenig Raum Philip Roth benötigt, um so eindrucksvolle Szenen so zu zeigen, dass man sie sich gut vorstellen kann.


    Roth schreibt ökonomisch, deswegen erscheinen mir seine späten Romane besonders gelungen. Allerdings kenne ich viele seiner frühen Romane auch nicht, noch nicht!


    Kennst Du eine lesenswerte Biografie über Roth bzw. gibt es eine solche? Ich würde mich gerne ein wenig mit seinem Verständnis seines Glaubens resp. seines Gottes-Begriffs beschäftigen.

  • Ich habe mal gehört, dass Roth zwar nicht mehr schreibt, dafür aber seinen Biographen Blake Bailey bei der Erstellung seiner Biographie unterstützt.
    Wie weit das vorangeschritten ist, weiß ich leider nicht!


    edit:
    Bailey hat schon Biographien über Richard Yates und John Cheever geschrieben.
    Eigentlich vielversprechend.

  • Eure Beiträge habe ich noch nicht alle gelesen, da ich noch mitten im ersten Kapitel stecke. Ich hoffe, ich komme heute ein gutes Stück weiter, denn zurzeit hänge ich bei der Beerdigung Alans.


    Die Italiener fand ich echt widerlich!


    Im Übrigen scheint dies das Jahr der kurzgewachsenen Helden mit heller oder schriller Stimme zu sein; es ist mit Bucky nun schon der Dritte (im Bunde mit Owen Meany und Barthy aus den Seltsamen bzw. Wedernoch) :wow

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Ich habe jetzt vier Tage für diesen ersten Abschnitt gebraucht.
    Das ist wieder ein Buch, das ich nur ganz langsam lesen möchte und trotzdem habe ich das Gefühl, seine Symbolkraft nur gestreift zu haben.
    Ich hangel mich jetzt an euren Beiträgen durch und schaue, ob noch etwas hinzuzufügen ist. :wave

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Lipperin
    ...
    Stemmt man sich dagegen wie Bucky Cantor, der Lehrer, wohl die personale Hauptfigur (der aber auch jemanden braucht, dem er diese Schuld zuweisen kann, und weil er das Menschen nicht zubilligen will, muss halt sein ganz persönlicher Gott herhalten), bekommt man irgendwann auch eine Ladung Hysterie ab, ganz bestimmt aber merkt man, wie das Nervenkostüm mehr und mehr angespannt wird, wie es zu reißen droht, wie die Fragen, die man nicht beantworten kann, weder er selbst noch irgendwer sonst, Wut und Zorn hervorrufen, aufkochen lassen. Die Gedanken kreisen und kreisen und es scheint fast, als gebe es keinen Raum mehr für anderes als die Frage nach dem „Warum“ und dem „Wer“. Misstrauen bahnt sich seinen Weg, gegen alles und jeden. Nährboden für „Hexenjagden“. Das klingt schon an in Roths Text, ebenso wie der Antisemitismus, der auch und auch zu der Zeit in Amerika nicht zu leugnen war.
    ...


    Die berühmte "Theodizee-Frage" schimmert hier durch, eine Frage, die immer unbeantwortet bleiben wird und mit der auch ich mich schon oft herumgeplagt habe. Die Frage nach dem "Warum?" blockiert das Weiterleben, das Zusammneleben, die Lebensfreude, so ist zumindest meine Erfahrung.
    Dicht gefolgt von dieser Anklage ist das Misstrauen, das sich breit macht. Dem so sehr geliebten Lehrer schlagen Vorwürfe entgegen, was aus Elternsicht nur allzu menschlich ist.
    Das hast du gut beschrieben.


    Zitat

    Original von Lipperin
    ...
    Es gibt bisher viele Stellen, die mich sehr berühren (und nicht nur in positivem Sinn), beispielsweise, wenn das Kind Bucky die Ratte erschlägt (Seite 24) – da kommt nicht nur so etwas wie Ekel in mir auf, sondern in allererster Linie Mitleid mit dem Kind -, die Schilderung des einsamen Sterbens von Alan (Seite 40), die Ansprache des Onkels von Alan bei der Trauerfeier – hat man da nicht den Eindruck eines „Frühvollendeten“ (mit dem fast schon ketzerischen Gedanken daran, was aus ihm als Erwachsener geworden wäre)? -, oder die mir wunderschön erscheinende Beschreibung der Großmutter, ihres Gesichts (Seite 98, 99).
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    Das geht mir auch so. Bis jetzt scheint es mir Roths gefühlvollstes Buch, das ich gelesen habe.


    Zitat

    Original von Lipperin
    ...
    „Und wenn du den Preis bezahlen musst, … dann bezahlst du ihn eben“ (Seite 25), sagte der Großvater zu Bucky und ich werde den Verdacht nicht los, dass das einer der Schlüsselsätze, vielleicht der Schlüsselsatz in diesem Roman ist. Bucky wird ja eigentlich positiv gezeichnet, jemand, der seine Pflicht nicht nur kennt, sondern sie auch tut, der den Schwachen beisteht, zu trösten vermag, der die Kinder ernst nimmt (sh. auch das Gespräch mit Bobby Seite 91, 92) – trotzdem fehlt mir etwas an ihm, bei ihm. Vielleicht ist es sein überaus großes Pflichtbewusstsein, das in mir manchmal den Anschein erweckt, er tröste beispielsweise, weil das „sein Job“ ist, weil man Kinder zu schützen habe, weil man dieses oder jenes zu tun habe in seiner Situation. Vielleicht weckt das in mir den Anschein, es fehle ihm etwas, und sei es ein letzter Funke Empathie. Bemerkenswert finde ich übrigens die Gegenüberstellung der Stärke Buckys mit der Schwäche Kennys (der ja das Potential hätte, ein zweiter Bucky zu werden). Die Tränen des Jungen wirken auf mich ehrlicher als mancher Aktionismus von Bucky. Auf die Begegnung mit Marcia bin ich gespannt, ich glaube jedenfalls aus dem wenigen, was man bisher über sie lesen konnte, dass die Ehe interessant zu werden verspricht.
    ...


    Über die Figur Bucky habe ich viel nachgedacht. Du hast schon einige Eigenschaften zusammengetragen. Als sein muskulöser Körper geschildert wird, dazu noch sein Talent im Speerwerfen, musste ich an eine griechische Statue denken. Ziemlich glatt, der Typ und perfekt, wären da nicht seine Brille und die Plattfüße.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Sonnschein


    Sehe ich genauso! Allgemein ist Rache ist nicht gleich Gerechtigkeit! Das ist sie so wie Findus schon schrieb höchstens für denjenigen, der Rache nimmt.


    :write
    Ich habe noch bei wiki gefunden, dass sie die "Göttin des gerechten Zorns" ist. Ihre Begleiterin ist übrigens die Göttin "Aidos", die Scham. Das finde ich interessant.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Regenfisch
    Über die Figur Bucky habe ich viel nachgedacht. Du hast schon einige Eigenschaften zusammengetragen. Als sein muskulöser Körper geschildert wird, dazu noch sein Talent im Speerwerfen, musste ich an eine griechische Statue denken. Ziemlich glatt, der Typ und perfekt, wären da nicht seine Brille und die Plattfüße.


    Stimmt, als griechische Statue könnte man Bucky aufgrund seiner Beschreibung schon sehen. Wenn man dann noch den Titel des Buches *Nemesis" und seine Beschreibung bei Wiki dazu nimmt passt das sogar noch mehr. Denn die griechischen Gottheiten kennt man ja nur zu gut als solche Statuen.