Die Verlassenen
Tom Perrotta
Heyne Verlag
ISBN: 978-3453269583
448 Seiten, 19,99 Euro
Über den Autor: Tom Perrotta ist der Autor von sechs fiktionalen Werken, angefangen mit Bad Haircut: Stories of the Seventies und einschließlich The Abstinence Teacher und Joe College. Seine Romane Election und Little Children waren die Vorlage für gefeierte und preisgekrönte Kinofilme. Für die von ihm verfasste Drehbuchadaption von Little Children wurde Perrotta für den Oscar nominiert. Er lebt in der Nähe von Boston, Massachusetts.
Amazon Kurzbeschreibung: Wo sind all die Menschen hin?
Was passiert, wenn die Apokalypse plötzlich eintritt und Millionen von Menschen von der Erde verschwinden? Wie gehen die Zurückgelassenen mit der veränderten Welt um, in der plötzlich Nachbarn, Freunde, Verwandte und Geliebte fehlen, ihr Leben aber gnadenlos weitergeht?
Der Bestseller von Tom Perrotta ist die Romanvorlage zur HBO-TV-Serie The Leftovers, die von Damon Lindelof (Lost) verfilmt wurde.
Was wäre, wenn einige von uns – einfach so, ohne Erklärung – verschwinden würden? Würden wir Zurückgebliebenen an das Jüngste Gericht, an die Entrückung glauben? Würden wir den Verstand verlieren? Oder würden wir einfach so weitermachen, als wäre nichts geschehen?
Diese Fragen müssen sich die ratlosen Einwohner des beschaulichen Vororts Mapleton stellen. Kevin Garvey will wieder Ordnung in sein Leben bringen, obwohl das Phänomen, das inzwischen als »Plötzlicher Fortgang« bezeichnet wird, seine Familie zerstört hat: Seine Frau Laurie hat sich einem Kult angeschlossen, der sich »Der Schuldige Rest« nennt, sein Sohn hat das College abgebrochen, um einem zwielichtigen »Propheten« namens Holy Wayne und seiner Bewegung der »Heilenden Umarmung« nachzufolgen. Nur Kevins Tochter ist bei ihm geblieben, doch der Teenager kapselt sich seit jenem 14. Oktober zunehmend ab und verliert den Bezug zur Realität.
Meine Meinung: Die Apokalypse ist eingetreten – zumindest vermutet das ein großer Teil der Menschheit, nachdem an einem Oktobertag ein beachtlicher Teil Menschen auf der ganzen Welt „entrückt“ worden sind. Es gibt kaum eine Familie, die nicht direkt oder indirekt von dem plötzlichen Verlust eines Familienmitglieds, Freundes oder Bekannten betroffen ist. Manche haben sogar alle verloren, die sie geliebt haben und müssen nun verwaist ein neues Leben beginnen.
Wer nun düstere Mystery und Endzeitstimmung erwartet, der dürfte schon nach kurzer Zeit das Buch enttäuscht wieder beiseitelegen, denn im Mittelpunkt stehen nicht die „Entrückten“, sondern die Verlassenen. Menschen, die nun versuchen, ein neues Leben aufzubauen, die sich bemühen, das Geschehene mehr oder weniger zu verarbeiten und Erklärungen suchen. Während ein Teil der Gesellschaft bereits nach relativ kurzer Zeit wieder aus seiner Schockstarre erwacht und versucht, die Normalität wieder herzustellen, die vor dem Weggang geherrscht hat, so schließt sich der andere Teil der Verlassenen merkwürdigen Sekten an, die überall gegründet werden, oder versinkt in Depressionen.
Anhand einer Kleinstadt und hier insbesondere der Familie des Bürgermeisters Kevin hat der Autor versucht aufzuzeigen, wie unterschiedlich Menschen auf das Verlassenwerden reagieren. Letztlich rückt der Anlass, aus dem das geschieht - die Apokalypse – komplett in den Hintergrund, und es entsteht ein interessantes Psychogramm der einzelnen Familienmitglieder und Bewohner des Ortes, die stellvertretend für alle Gemeinschaften der Welt stehen, in denen Menschen verschwunden sind.
Kevin gelingt es nicht, die Familie zusammenzuhalten, obwohl sie nur indirekt einen Verlust zu beklagen hat. Seinen Sohn wirft es aus der Bahn und er verlässt seine Universität, um einen Sektenführer zu unterstützen, seine Frau tritt einem Kult bei und legt ein Schweigegelübde ab und seine Tochter rebelliert gegen alles und jeden und ist dabei, den Halt zu verlieren.
Der Autor zeigt auf, wie unterschiedlich mit einem Verlust umgegangen wird, wie sehr manche Menschen sich in Trauer verlieren, wie schnell manche Trauernde leichte Beute für Sekten werden, die mit absolut unsinnigen Philosophien werben, und wie stark wiederum andere im Laufe der Zeit gerade durch die Beschäftigung mit sich und ihrem Verlust werden. Düstere Endzeitstimmung kommt nicht auf – letztlich wird sogar die Apokalypse unwichtig, da auf sie nicht näher eingegangen wird und scheinbar nur dafür herhalten muss, damit sich der Autor der Thema Verlust auf eine etwas ungewöhnliche Weise widmen kann.
Lesenswert – wenn man mit den richtigen Erwartungen an das Buch herangeht.