Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Oberbayern 1843: Als sich die junge Waise Rosalie in den Bauern Romar verliebt, scheint sie ihr Glück gefunden zu haben. Doch die Waisenhausvorsteherin warnt Rosalie vor dieser Ehe und macht sonderbare Andeutungen. Rosalie heiratet Romar dennoch und folgt ihm in sein Heimatdorf, das tief im Wald verborgen liegt. Eines Nachts hört Rosalie ein Neugeborenes weinen, das am nächsten Tag als angebliche Totgeburt begraben wird. Dann kommt eine junge Frau, mit der Rosalie sich angefreundet hat, auf mysteriöse Weise zu Tode. Rosalie wird bald bewusst, dass in Romars Dorf nichts ist, wie es scheint – und dass auch sie selbst in tödlicher Gefahr schwebt ...
Autorin (Quelle: Verlagsseite)
Stefanie Kasper ist Ende zwanzig. Sie stammt aus Peiting im Bayerischen Oberland und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen im Ostallgäu. Gleich mit ihrem ersten Roman, »Die Tochter der Seherin«, gelang ihr ein großer Erfolg.
Allgemeines
Erschienen im Goldmann Verlag am 20.04.2015 als Taschenbuch mit 384 Seiten
35 Kapitel - Epilog - Autorennachwort
Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive der Hauptfigur Rosalie
Handlungsorte: Augsburg, Schongau, Haberatshofen (Ostallgäu)
Handlungszeit: 1830er Jahre, hauptsächlich 1844/1845 mit kursiv gedruckten Einschüben aus der Gegenwart
Zum Inhalt
Rosalie ist vom Schicksal doppelt geschlagen: Sie ist nicht nur ein elternloses Kind im üblichen Sinne, sondern sie wurde von ihren Eltern ausgesetzt, da sie ein Albino ist - ein Phänomen, das den Mitmenschen im bäuerlichen Umfeld des 19. Jahrhunderts unheimlich ist. Auch im Augsburger Waisenhaus bleibt sie eine Außenseiterin, zumal sie die Erzieherinnen und die anderen Kinder durch das Anfertigen ebenso kunstvoller wie düsterer Zeichnungen von Toten verstört. Als junge Erwachsene geht sie nach Schongau, um in der Küche des dortigen Waisenhauses der Köchin als Hilfe zur Hand zu gehen. Hier geschieht etwas, das der einsamen jungen Frau wie ein Wunder erscheint: Romar, ein Bauer aus dem kleinen Dorf Haberatshofen, verliebt sich in sie und macht ihr einen Heiratsantrag. Obwohl man Rosalie davor warnt, Romar in sein isoliertes, mitten im Wald gelegenes Dorf zu folgen, lässt sie sich nicht von ihrem Entschluss abbringen.
Rosalie wird herzlich empfangen, dennoch kann sie nicht umhin, seltsame Eigenheiten der Dorfbewohner zu bemerken. Weshalb unterwerfen die wenigen Einwohner sich blind dem Diktat der Dorfältesten Willem und Ava, die keinen Kontakt zur Außenwelt wünschen und weder Besucher noch Ausflüge der Haberatshofener dulden? Und warum dürfen Rosalie und zwei andere Frauen, die kürzlich nach Haberatshofen geheiratet haben, nicht an den Dorfversammlungen teilnehmen? Was hat es mit dem Fluch auf sich, der über den Schwangeren und Gebärenden schwebt...?
Beurteilung
Schon das stimmungsvolle Cover und das düstere, dem Roman vorangestellte Gedicht "Zwielicht" von Joseph von Eichendorff weisen darauf hin, dass der Leser es hier mit einem außergewöhnlichen Roman zu tun hat, der einerseits ein historischer Roman mit Krimi-Elementen, andererseits ein Mystery-Roman ist.
Als Aufhänger für ihre Geschichte hat die Autorin die Legende der Weißen Frau vom Sachsenrieder Forst gewählt. In kursiv gedruckten Einschüben zwischen den nummerierten Kapiteln der Haupthandlung spricht ein zunächst Unbekannter den Leser direkt an und berichtet von schrecklichen Unfällen, die sich aufgrund von Geistererscheinungen im Sachsenrieder Forst in der jüngsten Vergangenheit (21.Jahrhundert) zugetragen haben. Doch auch die fortlaufende Romanhandlung hat einen wahren Kern, es hat das winzige Dorf Haberatshofen seit dem 12.Jahrhundert bis zu seiner Auflösung im Jahre 1845 tatsächlich gegeben. Der Roman enthält Fotos eines Gedenksteins und des alten Dorfbrunnens, der bis heute erhalten ist.
Rund um diesen historischen Sachverhalt spinnt die Autorin gekonnt eine fiktive Geschichte, die ebenso fesselnd wie auch beklemmend ist. Der Leser ahnt schon bald, was in der isolierten Gesellschaft vor sich geht und bangt um die Protagonistin Rosalie, die - glücklich, endlich ihrer Einsamkeit entronnen zu sein und trotz ihres ungewöhnlichen Äußeren akzeptiert zu werden - mit Scheuklappen durch das Leben geht. Obwohl sich auch ihr Mann sehr rätselhaft verhält, dauert es lange, bis Rosalie gewillt ist, sich ihrem eigenen unterdrückten Unbehagen zu stellen.
Rosalies Verhalten mutet ein wenig unglaubwürdig an und auch die Vorgänge im Dorf mit seiner ungewöhnlichen Hierarchie wirken eher märchenhaft als realistisch, dies tut dem Vergnügen an der Lektüre aber keinen Abbruch, sondern erzeugt beim Leser eine anhaltende, sich langsam aufbauende Spannung, die in einem bemerkenswerten und durchaus noch überraschenden Finale gipfelt.
Der verhaltene, mit Andeutungen gespickte Erzählstil passt gut zum beklemmenden Inhalt des Romans.
Fazit
Ein außergewöhnlicher Roman, der den Leser in die unheilvolle Atmosphäre eines isolierten Dorfes entführt und spannende Unterhaltung bietet!
8 Punkte