James Lee Burke: Glut und Asche

  • James Lee Burke: Glut und Asche
    Heyne Verlag 2015. 704 Seiten
    ISBN-13: 978-3453676800. 17,99€
    Originaltitel: Feast Day of Fools
    Übersetzer: Daniel Müller


    Verlagstext
    »Vielleicht würde er eines Tages die Angst vergessen, die in jenen fünfzehn Minuten einen anderen Menschen aus ihm gemacht hatte.« Danny Boy Lorca ist das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, als er sich ins Büro von Sheriff Hackberry Holland schleppt. In der Wüste nahe der texanisch-mexikanischen Grenze wurde er Zeuge eines brutalen Mordes. Von einem zweiten Gefangenen fehlt jede Spur. Hackberry Holland hat erneut alle Hände voll zu tun, um für Gerechtigkeit zu sorgen.


    Der Autor
    James Lee Burke, 1936 in Louisiana geboren, wurde bereits Ende der Sechzigerjahre von der Literaturkritik als neue Stimme aus dem Süden gefeiert. Nach drei erfolgreichen Romanen wandte er sich Mitte der Achtzigerjahre dem Kriminalroman zu, in dem er die unvergleichliche Atmosphäre von New Orleans mit packenden Storys verband. Burke, der als einer der wenigen Autoren sogar zweimal mit dem Edgar-Allan-Poe-Preis für den besten Kriminalroman des Jahres ausgezeichnet wurde, lebt abwechselnd in Missoula/Montana und New Orleans.


    Inhalt
    Danny Boy Lorca ist ein Mann mit exzentrischem Weltbild, der von anderen Menschen mit einer Mischung aus Belustigung und Verachtung betrachtet wird. Als junger Mann im Gefängnis erniedrigt und vergewaltigt, lebt Danny Boy heute im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet u. a. vom Verkauf von Dinosaurier-Eiern, die er auf seinem Grund ausgräbt. Danny-Boy wird Zeuge eines Zusammentreffens zwischen mehreren bewaffneten Männern und einem an einen Gefangenen geketteten Polizisten. Ein Teil des gefesselten Duos wird getötet, der andere Mann kann flüchten. Schauplatz des Vorfalls ist das County von Sheriff Hackberry Holland, Durchgangsstation für illegale Flüchtlinge aus Mexico, in dem diverse Behörden und Grüppchen (z. B. kriminelle Schlepper, die ihre Kunden ausrauben) ihren Geschäften nachgehen. Anschließend an den Vorfall, der Danny Boy in Angst und Schrecken versetzte, fahndet das FBI nach einem verschleppten Beamten der Drogenfahndung und verärgert damit Holland, der einen Fall aus seinem Hoheitsgebiet unter keinen Umständen an die Bundesbehörde abgeben will. Holland ist über 70, hat in den 50ern drei Jahre Kriegsgefangenschaft in Nordkorea überlebt und ähnelt mit seiner traumatischen Vergangenheit anderen Beteiligten verblüffend. In seinem Alter verschwimmen die Flashbacks aus der Gefangenschaft mit der auch für nicht traumatisierte alte Menschen nicht ungewöhnlichen Dominanz der Vergangenheit. Gefolterte, erniedrigte, körperlich und seelisch gezeichnete Männer treffen hier aufeinander.


    Der einmal geschiedene und einmal verwitwete Holland lebt allein auf einer Farm; sein Tagesablauf unterscheidet sich nur wenig von dem seines Großvaters. Pam Tibbs, weiblich und einer seiner Deputy Sheriffs, schwärmt rührend für ihren Boss, wirft mit ihrem Beschützerinstinkt für Holland aber auch die Frage auf, ob der alte Mann den Kriminellen in seinem Revier noch gewachsen sein wird. Eine weitere Beteiligte ist eine Asiatin mit dem verwirrenden Namen Anton Ling, von der berichtet wird, dass sie in Form einer Underground Railroad Flüchtlinge aus Mexico unterstützt und ihnen auf ihrem Grund Unterschlupf gewährt. Den Antagonisten der Geschichte stellt ein fanatischer selbsternannter Messias dar, der sich Reverend Cody Daniels nennt, zahlreiche Morde begangen hat und sich offenbar immer dort breit macht, wo die Polizei schwach besetzt ist oder Schwäche zeigt. Dass Cody in Hollands Revier auftaucht, ist kein gutes Zeichen und lässt einen darüber grübeln, wieso ein Mann wie er noch auf freiem Fuß sein kann. Die Beteiligten belauern und beobachten sich nun im gnadenlosen Wüstenklima gegenseitig, wer von ihnen standhält, wer zuerst weicht oder Schwäche zeigt.


    Fazit
    James Lee Burke zeigt sich im dritten Band um Sheriff Holland als geduldiger, oft ausschweifender Erzähler, der in unvergesslicher Weise jeden Farbton eines Regenbogens über der Wüste vermitteln kann, sich aber auch alle Zeit der Welt nimmt, seine Figuren zu beschreiben. Nicht immer kommen die Beschreibungen der knorrigen, vom Wind ausgetrockneten Figuren ohne Pathos aus.


    ^^^^
    Zitat
    "Kurze Zeit später saßen alle drei im Dienstfahrzeug des Sheriffbüros, einem Jeep Cherokee. Pam Tibbs steuerte den Wagen auf die Hauptstraße der Stadt über eine Kreuzung, deren Ampel an ihrem Kabel im Wind baumelte. Die neueren Gebäude der Stadt bestanden aus Hohlblocksteinen, bei den älteren hatte man einfache Feldsteine benutzt und die Wände später mit Mörtel und Putz versehen, der im Laufe der Jahre aber abgebröckelt war und nun an eine ansteckende Hautkrankheit erinnerte. Als sie die Stadt hinter sich gelassen hatte, folgte Pam dem kurvigen State Highway Richtung Süden. Die zweispurige Straße führte sie durch die Berge, die wie riesige, braune Ameisenhaufen aussahen, hinein in eine Landschaft, die einer sepiafarbenen Fotografie der Marsoberfläche ähnelte. Als sie Danny Boys Grundstück erreichten, fuhren sie an seinem schlichten Wohnhaus vorbei, passierten die dazugehörige Scheune, deren Außenwände von oben bis unten mit alten Radkappen bedeckt waren, und steuerten dann in Richtung der tektonischen Verwerfung, die sich ins Gebiet des alten Mexico ergoss. Vor ihnen erstreckte sich ein Terrain, in dem auf ewig das Echo von weit entfernten Signalhörnern widerzuhallen schien - ein Klang, der in Hackberrys Ohren allerdings wenig Glorreiches verhieß, sondern in ihm lediglich die Erinnerungen an die Schützengräben in Nordkorea wachrief." (S.22/23)


    8 von 10 Punkten

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Fazit
    James Lee Burke zeigt sich im dritten Band um Sheriff Holland als geduldiger, oft ausschweifender Erzähler, der in unvergesslicher Weise jeden Farbton eines Regenbogens über der Wüste vermitteln kann, sich aber auch alle Zeit der Welt nimmt, seine Figuren zu beschreiben. Nicht immer kommen die Beschreibungen der knorrigen, vom Wind ausgetrockneten Figuren ohne Pathos aus.


    Hallo Buchdoktor,
    ich meine bei "Glut und Asche" handelt es sich um den 2. und nicht 3. Teil der Reihe, oder täusche ich mich da?
    - Regengötter (Band 1)
    - Gut und Asche (Band 2)

  • Krimicouch habe ich so verstanden, dass es einen älteren, noch nicht ins Deutsche übersetzten, ersten Teil gibt. Auch Wikipedia listet die Bände so auf.


    Hackberry-Holland-Reihe:
    (1971) Lay down my sword and shield
    (2009) Regengötter, Rain Gods
    (2011) Glut und Asche, Feast day of fools



    Hackberry Holland, cousin of beloved James Lee Burke hero Billy Bob Holland, made his debut in Lay Down My Sword and Shield, originally published in 1971. Now, fans can learn about Hack’s colorful history, forged against the backdrop of the civil rights era.


    In hot and sultry Texas, Hack, an attorney and Korean War POW, is being pushed by his wife, his brother, and his so-called friends in the oil business to run for political office. But Hack would prefer to drink, look after his beloved horses, and represent the occasional long-shot pro bono case at his law firm. When Hack attempts to overturn a conviction for an old army buddy, he finds himself embroiled in the seamy underbelly of the Texas patronage system—and in the earliest beginnings of the United Farm Workers movement, led by a beautiful woman who speaks to his heart in a way no one else has. As Hack begins to bring justice to the underserved, he finds both a new love and a new purpose.


    [edit: ISBN und Klappentext ergänzt]

  • Als passionierter Leser tut es mir in der Seele weh, wenn ich ein Buch von James Lee Burke nur mit sechs Eulenpunkten bewerten kann. Kultautor hin, Kultautor her, nüchtern betrachtet liegt meiner Meinung nach diesmal leider keine höhere Wertung drin. Ich mag die spezielle Genreliteratur der Hardboiled Krimis ungemein und wenn sie dann noch Versatzstücke eines Westerns enthalten umso besser. Vieles an diesem deftigen Thriller, der knapp 700 Seiten lang ist, ist gut, teilweise sogar sehr gut gelungen aber die Handlung gibt niemals diese fast epische Seitenzahl her. Der Autor erreicht diese beachtliche Dimension in dem er die Protagonisten in einem überschaubaren Ballungsraum immer wieder aufeinanderprallen lässt. Wie im Planetensystem kreisen die Figuren schier endlos umeinander und regelmässig knallt es gewaltig und man verletzt sich gegenseitig mit Wortgefechten und brutalen Taten. Ab einem gewissen Punkt entwickelt sich die Handlung leider kaum mehr vorwärts und auch in der Breite und in Sachen Tiefgang tut sich nur wenig. Die Geschichte wabert etwas vor sich hin, wird ermüdend und was im ersten Drittel des Romans noch zu begeistern vermochte nutzt sich mehr und mehr ab und wandelt sich sogar in leichten Überdruss.


    Burkes Stärke ist es, mit wenigen Sätzen starke und stimmungsvolle virtuelle Landschaftsbilder zu malen die vor dem inneren Auge farbenprächtig erscheinen. Auch mit dem unwirtlichen texanischen Trockengebiet nahe der mexikanischen Grenze gelingt ihm dies mit seiner alltagssprachlicher Prägnanz ganz gut. Die atmosphärische Geschichte an sich ist, wenn man die wiederholenden Rotationen der Geschehnisse mal ausblendet, insgesamt recht einfach strukturiert und lässt sich mühelos lesen. Die handelnden Personen kriegen mit der Zeit immer schärfere Konturen wobei einer der Antagonisten, der Prediger Jack Collins, die unberechenbarste Figur und vielleicht deswegen die interessanteste Erscheinung der Geschichte ist. Er verkörpert Eitelkeit und Bösartigkeit wie Grauschimmel der eine Rose befällt. Der charismatische Hackberry Holland, der als alternder Sheriff die gute Seite vertritt, ist natürlich auch zu erwähnen.


    Auch wenn ich mit diesem Buch als Nachfolger von "Regengötter" nicht ganz glücklich wurde werde ich dem Schriftsteller James Lee Burke treu bleiben und das nächste auf Deutsch erscheinende Buch kaufen und lesen. Sein klassischer, urwüchsiger Erzählstil wird mich wieder in seinen Bann ziehen. Da bin ich mir ganz sicher.


    Edit: kleine Anpassungen vorgenommen und Fehler korrigiert

  • Als der Alkoholiker Danny Boy beim Sheriffbüro auftaucht und von einem beobachteten Mord erzählt, ahnt Sheriff Hackberry Holland noch nicht, dass einige anstrengende und sehr blutige Tage vor ihm liegen werden. Mehrere skrupellose russische Gangster sind auf der Suche nach einem flüchtigen Mann mit Militärplänen und zögern nicht, für ihre Ziele über Leichen zu gehen. Als wäre das nicht übel genug, gerät der Flüchtige ausgerechnet an den tot geglaubten religiösen Massenmörder Jack Collins. Gemeinsam pilgern die beiden durch Texas und Mexiko und hinterlassen ebenfalls eine blutige Spur.

    Der dritte Hackberry-Holland-Band setzt nicht lang nach dem Ende von Band Zwei („Regengötter“) ein und ist sowohl vom Stil als auch dem Aufbau her diesem recht ähnlich: Jede Menge brutale Ganoven, ein verzwickter Fall und ein störrischer alter Sheriff, den so schnell nichts aus der Fassung bringt.

    Obwohl sie vom Schreibstil ähnlich sind, mag ich Burkes zweiten Helden Dave Robicheaux irgendwie mehr. Die Geschichten über ihn sind zwar ebenfalls düster und brutal, dennoch von der Story her eine Spur linearer. Auch bei „Glut und Asche“ gab es mir ein bisschen zu viel hin und her innerhalb der einzelnen Parteien und Handlungsstränge.