Katzentisch - Michael Ondaatje

  • Originaltitel: The Cat's Table


    Inhalt:
    Der elfjährige Michael fährt mit zwei Gleichaltrigen auf einem Luxusdampfer von Sri Lanka nach England zu seiner Mutter, die er seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat.
    Drei Wochen auf See – eine einmalige Gelegenheit für die drei, die zusammengewürfelte Gruppe Erwachsener wie unter einem Brennglas zu beobachten. Den Pianisten, den todkranken Millionär, den Schiffsabwracker, den stehlenden Baron, den Botaniker, den geheimnisumwitterten Gefangenen – und nicht zuletzt die siebzehnjährige Emily, eine entfernte Cousine von Michael. Und wie ein Schatten ist für Michael auch die Mutter mit an Bord und vor allem die bange Frage: Wird sie am Hafen auf ihn warten?


    Der Autor:
    Michael Ondaatje, von holländisch-tamilisch-singhalesischer Abstammung, wurde am 10. September 1943 in Sri Lanka geboren. Nach seiner Schulausbildung in England übersiedelte er 1962 nach Kanada, wo er heute noch lebt. Internationalen Ruhm erlangte Ondaatje mit seinem Roman ›Der englische Patient‹, für den er 1992 den Booker Prize erhielt. (Amazon)


    Meine Meinung:
    Ein elfjähriger Junge wird auf einem Schiff auf eine Reise von Sri Lanka, dem damaligen Ceylon, nach England geschickt. Was er auf dieser dreiwöchigen Reise erlebt, wird ihn für sein ganzes Leben prägen...
    Das ist die Kurzfassung des Buches, das man lesen wird und nicht so leicht wieder vergessen.


    Es ist ein wunderbares Buch voller Abenteuer, voller Schicksale, voller Wunder. Ondaatje zaubert da einen Mikrokosmos: alle Schichten der Gesellschaft auf einem Schiff vereint, eine Welt im Kleinen als Spiegelbild der großen Welt.


    Es ist fast unglaublich, was Michael Ondaatje da vollbracht hat. Auf ca 300 Seiten so viele Geschichten unterzubringen, so viel zu erzählen und auch so viel an Gesellschaftskritik unterzubringen, das ist ein Kunststück. Mich beeindruckt es immer, wenn ein Autor ohne überflüssiges Blabla Geschichten erzählen kann.
    Auch der Humor hat seinen Platz, vor allem in den Notizen des Elfjährigen.


    Meiner Meinung nach ist dieser Roman ein sehr schönes Beispiel für gelungene Literatur: sprachlich hochstehend, voll wunderbarer Bilder und mitreißender Szenen. Ein Lesegenuss.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Zitat

    Original von Herr Palomar


    Im August wird es im Rahmen der Querbeet-Buechereulen eine Leserunde zu diesem Buch geben.


    Ja, das Buch eignet sich meiner Meinung nach hervorragend für eine Leserunde. Die möchte ich nicht verpassen :-)

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Für mich war "Katzentisch" ein schönes und bewegendes Buch, das ich gern gelesen habe. Es gab viele Momente, in denen ich innehalten musste, um Sätze und Szenen auf mich wirken zu lassen und sowohl die wundervolle Sprache als auch interessante Gedankengänge nachzuvollziehen und zu genießen. Das hat Spaß gemacht und hebt das Buch auch positiv von vielen schnell inhalierbaren Romanen ab.


    Ein wenig getrübt wurde das Lesevergnügen hinsichtlich der schönen Sprache allerdings durch mehrere Fälle von Schludrigkeit beim Übersetzen / Korrektorat - z.B. habe ich manche Zeitformen als nicht stimmig empfunden und auch das offenkundig bevorstehende Aussterben der n-Deklination sowie der Deklination von manchen Pronomen bedauert.


    Die Romankonstruktion hat mir nicht so gut gefallen. Das Buch war mir über weite Strecken zu anekdotenhaft; nur wenige Kapitel beschäftigen sich mal etwas länger mit einer Figur / einer bestimmten Gruppe von Figuren, und genau diese Abschnitte haben mir auch am besten gefallen. Der große erzählerische Bogen hat mir zwar nicht völlig gefehlt, aber die Anfangs- und Endpunkte der einzelnen Schicksale verlieren sich im Nebel der Geschichte. Natürlich ist klar, dass ein Roman, der sich an einer Schiffsreise entlanghangelt, nicht zu jeder Figur ein Woher und Wohin entwickelt. Viele Lebensspuren kommen scheinbar aus dem Nichts und verschwinden auch wieder dorthin. Es ist von der Konstruktion her in sich absolut stimmig, aber es gefällt mir eben nicht. Ich möchte gerne wissen, woher und wohin. Ich hätte mir gewünscht, dass die Schicksale der Figuren noch stärker miteinander verknüpft gewesen wären. Vor allem hätte ich mir gewünscht, dass am Ende nicht so viele Stränge offen bleiben.


    Hochinteressant fand ich die Einblicke in die Lebenswelten Ceylons in der Mitte des letzten Jahrhunderts sowie die Reflexionen zur singhalesischen Auswanderer-Community und zu der Problematik, was Migration generell mit den Menschen macht. Immer noch hochaktuell.


    Von mir gibt es 8 / 10 Punkten.