Ingo Bott - "Das Recht zu strafen"

  • Spannend unkonventionell


    Brütend heißer Sommer in Berlin. Der „Philosophenmörder“, wie die Boulevardpresse den Serienkiller nennt, der jede Woche eine Frau umbringt, führt Faber, den smarten jungen Staranwalt und Anna Sánchez-Amann, „die heißeste Staatsanwältin Berlins“, zusammen – Faber als Rechtsbeistand des vermeintlichen „Philosophenmörders“, die attraktive junge Staatsanwältin in ihrer ersten Bewährungsprobe als Leiterin der Sonderkommission zur Aufklärung der Mordserie.


    Der dicke Schmöker (444 Seiten) – Erstlingswerk des promovierten jungen Düsseldorfer Strafverteidigers Ingo Bott – ist ein Kriminalroman (der Verlag nennt ihn „Thriller“), der nicht recht in die bekannten Schubladen passen will. Und das ist gut so. Schauplatz ist die deutsche Hauptstadt, deren hochsommerliche Atmosphäre der Autor trefflich beschreibt – dennoch ist dies alles andere als ein Regionalkrimi. Zudem nimmt die zähe und fast bis zum Ende frustrierend ergebnislose Ermittlungsarbeit der Mordkommission breiten Raum ein (manchmal übrigens etwas zu breiten) – dennoch ist dies auch kein klassischer „Whodunit“-Krimi.


    Vielmehr sind es drei Besonderheiten, die dieses Buch so außergewöhnlich – und außergewöhnlich spannend – machen. Da ist zum einen Botts harter, geradezu spartanisch knapper Erzählstil, sein vorwärtsdrängender Duktus, der sich mit großer stilistischer Sicherheit durch das ganze Buch zieht, den Leser vollkommen einfängt und fesselt – und das, obwohl der Autor mehrmals Zeit- und Perspektivwechsel vornimmt. Zum Zweiten besticht das Buch durch die schillernde Farbigkeit der Figuren, die allesamt plastisch, jedoch ohne jede erzählerische Aufdringlichkeit daherkommen. Hauptsächlich aber überzeugt der originelle Plot, die überraschende Idee, eine Mordserie mit Philosophie in Verbindung zu bringen – vom antiken Sokrates bis zum neuzeitlichen Albert Camus. Da muss man erstmal draufkommen. Und das dann auch noch schlüssig, fast spielerisch und ohne jeden Krampf zu einem in sich logischen und nachvollziehbaren Spannungsbogen verarbeiten.


    Autor und Verlag können mit der zweiten Auflage noch kleine Ungereimtheiten ausräumen, die jedoch den Genuss an diesem ungewöhnlichen Thriller nicht beeinträchtigen. Mit einem erfrischend unkonventionellen und wirklich spannenden Buch ist Ingo Bott hier ein großer Wurf gelungen.

  • Ingo Bott: Das Recht zu strafen
    Verlag: Grafit 2017. 416 Seiten
    ISBN-10: 3894254955
    ISBN-13: 978-3894254957. 13€


    Verlagstext
    Strafverteidiger Max Faber ist ein Supertyp - findet zumindest er selbst. Er leitet eine gut gehende Kanzlei in Berlin, kommt bei Frauen an und die Presse liebt den smarten Juristen. Dass er vor allem finanzkräftige Klienten verteidigt, die in fragwürdige Aktivitäten verwickelt sind, stört ihn nicht. Jeder Mensch hat ein Recht auf Verteidigung, und wenn die Kanzlei dabei mediale Aufmerksamkeit bekommt, umso besser. Deswegen nimmt Faber ohne Zögern das Mandat des Hauptverdächtigen im Fall der sogenannten Philosophenmorde an. Die Presse berichtet in Dauerschleife über jenen Serienmörder, der seit Wochen sein Unwesen in der Stadt treibt und sich an den Toden berühmter Philosophen orientiert. Faber wittert kostenlose Werbung. Dass ausgerechnet die ehrgeizige Anna Sánchez-Amann den Fall verantwortet, die eine Klatschgazette jüngst zur "heißesten Staatsanwältin Berlins" gekürt hat, kommt dem Juristen sehr zupass. Doch als er und Anna sich auch außerhalb des Gerichtssaals näherkommen, bricht ein medialer Shitstorm über Faber herein. Während er feststellen muss, dass keineswegs jede Presse gute Presse ist, plant der Serienmörder bereits den nächsten spektakulären "Philosophenmord" …


    Der Autor
    Ingo Bott, geboren 1983, hat Jura in Freiburg, Sevilla, Montevideo und Passau studiert und arbeitete zunächst mehrere Jahre am Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht. Heute ist er als promovierter Strafverteidiger in der ganzen Bundesrepublik sowie im englisch- und spanischsprachigen Ausland tätig und berät außerdem ein Strafrechtsprogramm des Europarats. Das Recht zu strafen ist sein erster Roman.


    Inhalt
    Mitten im Sommerloch geschehen in Berlin Morde an Frauen, die die Handschrift eines Serienmörders tragen. Eine Sonderkommission unter Leitung der jungen Staatsanwältin Anna Sánchez-Amann sucht fieberhaft nach Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern und nach einem Motiv. Die Frauen wurden vergewaltigt und ihre Leichen jeweils wie ein Tableau aus der Philosophiegeschichte arrangiert. Verwertbare Tatortspuren sind rar und die Soko ist offenbar so gut besetzt, dass sie jeden Stein umdrehen kann. Um die Botschaften des Täters lesen zu können, muss die Soko Philosophenmorde sich notgedrungen mit Philosophie befassen. Die Verteidigung eines Tatverdächtigen übernimmt ausgerechnet Max Faber, mit seinem fragwürdigen Lebenswandel ein gefundenes Fressen für die ausgehungerte Klatschpresse. Als hätte Berlins Justiz keine anderen Probleme - oder gerade deswegen? Als der Serienmörder mit seinen raffiniert inszenierten Taten Anna direkt anzusprechen scheint, läuft den Ermittlern der Soko die Zeit davon; denn bisher hat der Verdächtige jede Woche gemordet. Wege zur Lösung deuten sich zwar an, die endgültige Aufklärung des Falls kommt - zusammen mit dem verstörenden Prolog - knüppelhart.


    Eine Staatsanwältin als Leiterin einer Sonderkommission ist im Kriminalroman ein erfreulich frisches Setting. Staatsanwälte zeigten sich im Krimi bisher eher als Klotz am Bein, indem sie anders reagierten als von den Ermittlern gewünscht. Anna Sánchez-Amann wirkte anfangs sehr unsicher in ihrer Rolle; ihr Ausbilder und Mentor war erst kurz zuvor aus dem Dienst ausgeschieden. Das sollte die Leiterin einer Soko sein? Mir fehlte zu Beginn eine genauere Vorstellung davon, wo sie im Team steht und wie Kollegen auf der Sachebene auf sie reagieren. Das von der Boulevardpresse inszenierte Busenwunder als Anknüpfungspunkt schien mir etwas zu klischeehaft, da ja bereits Talkshow-Tourist Faber auf das Klischee leichtfertiger Typ festgelegt war mit einem unterhalb des Gürtels angesiedelten Hirn. Bott konzentriert sich beim Äußeren seiner Personen auf Busen, Hintern und Speckrollen. Mein Rätseln, wohin die Frauen des Teams starren könnten und wie sich Anna Männern gegenüber verhält, hat deshalb beim Lesen einige Male die Spannungskurve abstürzen lassen. Ich war oft unsicher, ob die Wirkung einer Szene wirklich so beabsichtigt war. Überlieferte Definitionen, an denen alle zu hängen scheinen, sollten vorsichtshalber überprüft werden (Krav Maga), wenn man für Krimileser schreibt, die jedes Detail aufsaugen, um den Serienmörder bald hinter Gittern zu sehen.


    Fazit
    Mit schnellen Szenenwechseln und in knackig knapper Sprache gibt Ingo Bott Einblick in unterschiedliche Berliner Milieus. Seine markante Sprache könnte er konsequenter durchhalten, indem er Füllwörter und Wiederholungen ausmerzt. Der Text wirkt inhaltlich und stilistisch unvollständig lektoriert; darunter leidet der Gesamteindruck des ausgezeichneten Krimi-Plots.


    7 von 10 Punkten

  • Zitat

    Original von Tom
    Mmh. Ist der Titel wirklich so gemeint, wie er verwendet (geschrieben) wurde? Oder gehört da nicht doch ein Komma hinter "Recht"? :gruebel


    Auf dem Vorsatzblatt steht auch keins (das könnte vom Cover abweichen), hier ist mit Sicherheit nicht gemeint, dass das Recht gestraft wird ...