Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens - Oliver Bottini

  • Oliver Bottini: Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens

    DuMont Buchverlag 2017. 414 Seiten

    ISBN-10: 3832197761

    ISBN-13: 978-3832197766. 22€


    Verlagstext

    Banat/Rumänien 2014: Ioan Cozma hat abgeschlossen mit der Welt. Der Kripo-Kommissar lebt allein, es sind nur noch ein paar Jahre bis zu seiner Pensionierung; wenn er nicht groß auffällt, wird auch niemand in seiner Vergangenheit wühlen. Es ist besser so. Doch die Welt will ihn nicht in Ruhe lassen. Ausgerechnet Cozma wird die Ermittlungsleitung in einem brutalen Mordfall übertragen: Die junge Lisa Marthen, eine Deutsche, wurde erstochen aufgefunden. Ihrem Vater gehört ein landwirtschaftlicher Großbetrieb, und der Verdacht fällt auf einen seiner jungen Feldarbeiter, der in Lisa verliebt war und seit ihrem Tod verschwunden ist. Als eine Spur nach Mecklenburg führt, macht Cozma sich auf den Weg – und muss feststellen, dass er dort nicht der Einzige ist, der für Gerechtigkeit sorgen will …


    Oliver Bottini zeigt, wie sich die radikale Einsamkeit des Menschen durch Gier und Machthunger noch verstärkt. Doch eines bricht sich immer wieder Bahn – der Glaube an etwas Gutes und an Menschlichkeit. Die Spannung zwischen diesen Polen ist es, durch die ›Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens‹ eine existenzielle Wucht entfaltet.


    Inhalt

    Kommissar Ioan Cozma gehört noch zur alten Garde der rumänischen Polizei und steht kurz vor der Pensionierung. Den größten Teil seines Lebens hat er in einer Diktatur verbracht. Seine jungen Kollegen dagegen lernen Fremdsprachen und hospitieren bei der Polizei der Nachbarländer. Dass Cozmas Kollege Cippo wegen angeblicher Sparmaßnahmen nach Jahrzehnten im Polizeidienst gekündigt werden soll, motiviert ihn nicht gerade. Doch weil Cozma Deutsch spricht und als besonders diplomatisch bekannt ist, bekommt er den Mordfall Lisa Marthen übertragen. Die Ermittlungen sind heikel, weil die junge Frau Tochter eines deutschen Großbauern im Ort ist - und weil in der Landwirtschaft mancher Dreck am Stecken hat. Cozmas smarter Chef wusste zu genau, warum er gerade ihm den Fall angehängt hat.


    Jörg Marthen kam aus Ostdeutschland nach Liebling ins Banat, in genau die Region, aus der ganze Jahrgänge Deutschstämmiger in den 80ern in die Bundesrepublik aussiedelten. Die Region sieht sich einer gigantischen Spekulation mit Ackerland gegenüber. Ausländische Immobiliengesellschaften spekulieren auf weiter steigende Preise, die Saudis investieren märchenhafte Summen, um weniger abhängig von Nahrungsmittelimporten zu sein. Verlierer sind am Ende mehrere Millionen einheimischer Kleinbauern, die um ihr Land betrogen und als Arbeitskräfte nicht mehr gebraucht werden. Die Konzentration der Landwirtschaft in Marthens ostdeutscher Heimat nach 1989 zu wenigen EU-subventionierten Agrarkonzernen wirkt dabei wie eine Blaupause für die Entwicklung im Banat. Noch ehe Cozma Beweismittel gesichert und Zeugen befragt hat, erhält man aus verschiedenen Perspektiven Einblick in die Lebensbedingungen südlich von Timisoara. Cozmas Ermittlungen führen ihn schließlich bis nach Prenzlin, den Heimatort von Jörg Martens, und er muss sich mit den Gespenstern seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzen.


    Fazit

    Der größte Reiz an Bottinis neuestem Krimi war für mich zunächst der Schauplatz, weil er schlicht der Heimatort einiger Zuwanderer bei uns ist. Die sorgfältig recherchierten Verhältnisse in Rumäniens Banat mit ihrer in die Ceausescu-Zeit zurückreichenden Vorgeschichte wirken anfangs recht spröde, die Zusammenhänge, wer gegen wen warum etwas in der Hand hat, entwickeln jedoch bald ihren eigenen Reiz. Auch wenn der Hintergrund vom Mord an Lisa Marthen zunächst wegzuführen scheint, vermittelt er genau die düstere Atmosphäre, für die Oliver Bottinis Krimis bekannt sind.


    10 von 10 Punkten

  • Buchmeinung zu Oliver Bottini – Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens


    „Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens“ ist ein Kriminalroman von Oliver Bottini, der 2017 bei DuMont Buchverlag als Hardcover erschienen ist.


    Zum Autor:

    Oliver Bottini, 1965 in Nürnberg geboren, in München aufgewachsen, familiärer Hintergrund mathematisch/pastoral. Nach dem Abitur Zivildienst, anschließend sechs Monate Neuseeland und Australien als Wanderer, Aprikosenpflücker und lästiger Tür-zu-Tür-Verkäufer von großformatigen Air-Brush-Gemälden. Zurück in München Jobs als Hotelrezeptionist und Hausmeister im Mädchenpensionat, parallel dazu Studium der Neueren deutschen Literatur, Italianistik und Markt- und Werbepsychologie sowie, schweißtreibender, von Kung Fu und Qi Gong. Seit 1995 Autor und freier Lektor. Berufsbegleitend von 2001 bis 2003 Ausbildung zum Familien- und Wirtschaftsmediator. Mehrere Kriminalromane, Sachbücher, Kurzgeschichten. 2008 den Weg nach Berlin gefunden, hängengeblieben, aber der Süden ... ruft ...


    Klappentext:

    Banat/Rumänien 2014: Ioan Cozma hat abgeschlossen mit der Welt. Der Kripo-Kommissar lebt allein, es sind nur noch ein paar Jahre bis zu seiner Pensionierung; wenn er nicht groß auffällt, wird auch niemand in seiner Vergangenheit wühlen. Es ist besser so. Doch die Welt will ihn nicht in Ruhe lassen. Ausgerechnet Cozma wird die Ermittlungsleitung in einem brutalen Mordfall übertragen: Die junge Lisa Marthen, eine Deutsche, wurde erstochen aufgefunden. Ihrem Vater gehört ein landwirtschaftlicher Großbetrieb, und der Verdacht fällt auf einen seiner jungen Feldarbeiter, der in Lisa verliebt war und seit ihrem Tod verschwunden ist. Als eine Spur nach Mecklenburg führt, macht Cozma sich auf den Weg – und muss feststellen, dass er dort nicht der Einzige ist, der für Gerechtigkeit sorgen will …

    Meine Meinung:

    Dieses Buch ist nicht leicht zu lesen, denn sowohl Sprache als auch Handlung sind fordernd. Die Hauptfigur Ioan Cozma ist ein erfahrener Ermittler mit dunkler Vergangenheit, der nur mit seinem Kollegen Ciprian Ruzu die Zeit bis zur Rente absitzen will. Doch dann wird er mit der Leitung der Ermittlungen in einem Mordfall an einer jungen Deutschen beauftragt. Bald merkt er, dass er den Fall schnell und mit einem gewünschten Ergebnis abschliessen soll.

    Cozma ist wie sein Kollege Ruzu kein ausgesprochener Sympathieträger und doch fiebert man mit ihm mit, weil er den Kampf gegen die Strippenzieher im Hintergrund aufnimmt. Im Laufe der Geschichte erfährt man viel über die Vergangenheit der beiden Ermittler und versteht, warum sie so geworden sind wie sie sind. Diese Vergangenheit droht sie einzuholen und doch lassen sie sich nicht abhalten, weiter zu ermitteln. Der Roman schildert ein dunkles Bild Rumäniens nach der totalitären Zeit unter Ceausescu. Es gibt fast nur Verlierer und die Gewinner haben es nicht verdient. Der Autor sieht Gemeinsamkeiten mit den Zuständen in Ostdeutschland nach der Wende. Cozma folgt dem Tatverdächtigen nach Deutschland und trifft dort auf Menschen, die ihren Weg gefunden haben, mit den Zuständen zu leben. Dieser Roman enthält Stellen großer Grausamkeit und Brutalität, die dennoch angemessen wirken. Cozma will den Fall lösen und lässt sich nicht einschüchtern. Das Gefühl, eine Marionette in der Hand der mächtigen Hintermänner zu sein, will er unbedingt los werden. Es gibt den kleinen Kriminalfall mit dem Mord und den großen Kriminalfall mit Wirtschaftskriminalität, in dem es um unglaublich viel Geld geht. Der kleine Fall ist spannend, auch wenn der Täter bald bekannt ist. Die spannende Frage danach ist, ob die Hintermänner ermittelt und überführt werden können.

    Das düstere Bild Rumäniens und auch Ostdeutschlands wird durch die angeschlagenen Figuren verstärkt. Alle tragen zusätzlich noch eine Last aus vergangener Zeit mit sich, die ihr Leben weiter erschwert. Aber auch einige der Gewinner sind unglücklich und suchen nach Wegen, ihre Schuld abzutragen. Ganz sicher ist dies ein starker Roman mit einer klaren politischen Aussage.


    Fazit:

    Ein starker Roman in präziser Sprache mit akkurat gezeichneten Figuren. Die Handlung ist komplex und läuft auf mehreren Ebenen ab. Dieser Roman hat mich trotz einiger sehr brutalen Stellen überzeugt. Gerne vergebe ich fünf von fünf Sternen (10 von 10 Eulenpunkten). Ich empfehle das Buch gerne an Leser, die bereit sind, sich intensiv mit dem Buch zu befassen.

    :lesend James Lee Burke - Die Tote im Eisblock

    hörend: Hanna von Feilitzsch - Bittersüße Mandeln