Tiana - Robson, Lucia St. Clair

  • „Ach Kleiner.“ Jack schüttelte den Kopf. „Die sind doch alle gleich, diese Amerikaner. Gottes auserwähltes Volk. Sie hassen jeden, der nicht ihre Hautfarbe hat oder einer anderen Politik oder Religion zuneigt.“ (Seite 235)


    Verlag: Piper Verlag, München 20009783492260107_200.jpg

    727 Seiten, einige Landkarten, kartoniert

    Originaltitel: Walk In My Soul

    Aus dem Amerikanischen von Hans-Joachim Maass

    ISBN-10: 3-492-26010-1

    ISBN-13: 978-3-492-26010-7






    Zum Inhalt (eigene Angabe)


    Tiana, Tochter einer Cherokee und eines Schotten, wächst Ende 18. / Anfang 19. Jahrhundert behütet in einer Großfamilie auf. Doch immer mehr Weiße strömen ins Land, die Anzeichen stehen darauf, daß es auf Dauer nicht so friedlich bleiben wird.

    Da taucht eines Tages Sam Houston im Dorf auf. Er findet Gefallen am Leben der Cherokee, verbringt viel Zeit dort, und wird in den Clan aufgenommen. Doch er ist ein unsteter Mensch, den es immer wieder zurück in die Welt der Weißen zieht.

    Von eben jenen drängen immer mehr in die Wohngebiete der Cherokee und erheben Ansprüche auf das Land, das ihnen nicht gehört.

    Als die Jahre vergehen, wird das Leben für die Indianer immer schwieriger und riskanter. Eine Katastrophe bahnt sich an.



    Über die Autorin


    Lucia St. Clair Robson wurde um 1964 geboren und hat an der University of Florida studiert, später hat sie auch deine Ausbildung zur Bibliothekswissenschaftlerin absolviert. Sie arbeitete als Lehrerin sowie in einer Bibliothek, bevor sie 1982 ihren ersten Roman „Die mit dem Wind reitet“ veröffentlichte. Dieser wurde ein großer Erfolg, seither ist sie hauptberufliche als Schriftstellerin tätig.


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    Meine Meinung


    Wäre ich ein Cherokee, würde ich nun wohl mit den Worten „was mir die alten Männer erzählten, als ich jung war“ beginnen. Ich würde vielleicht in den Wind lauschen und verwundert feststellen, daß der Wind mit dem Lied von Oconeechee und Whipporwill* das von von vielen tausenden, die mit ihnen auf dem „Pfad der Tränen“ gewandert sind, herüberklingt. Anscheinend kann Donald Trump es nicht mal ertragen, daß die Geister der Cherokee in ihren Stammlanden den Frieden finden und hat sie, als Eindringlinge im „weißen Amerika“, vertrieben. So wie seine Vorfahren die Cherokee auf den den „Trail Of Tears“, den „Pfad der Tränen“, geschickt haben, den Tausende nicht überlebten.


    „Trail of Tears.“ Ich hätte es wissen müssen, als ich zu einem Roman griff, das bei den Cherokee spielt (auf dem Cover der amerikanischen Ausgabe taucht der Begriff „Trail of Tears“ auf). Ich dachte aber nicht daran - zum Glück, denn so wurde das Buch, das sich seit Jahren in meiner Bibliothek befindet, endlich gelesen. Es hat sich mehr als gelohnt. Trotz des oft nicht gerade schönen und „sonningen“ Inhalts.


    Kritikpunkte fallen mir nur wenige ein, die rasch abgehandelt sind. Da wären zum Einen das fehlende Personenverzeichnis. Zwar tauchen viele Personen über einen langen Zeitraum hinweg auf, doch es sind eben viele Personen - da geht der Überblick leicht verloren. Auch wäre es schon zu wissen, welche Personen historisch und welche fiktiv sind. Ein zweiter und letzter Kritikpunkt ist, daß mir die Erzählung an manchen Stellen episodenhaft vorkam. Es lagen zwischen zwei Absätzen Monate, ohne daß das auf den ersten Blick zu erkennen gewesen wäre. Oder eine, teils dramatische, Szene kam vor und später wurde nie mehr Bezug darauf genommen. Die Szenen waren teilweise wesentlich für die Entwicklung der Figuren, deshalb erscheint es mir um so unverständlicher, daß die nie mehr erwähnt wurden, waren es doch Schlüsselerlebnisse.


    Nicht bewußt war mir zu Beginn des Lesens, daß den Hauptfiguren historische Persönlichkeiten zugrunde liegen; auch die großen Linien ihres Lebens sind zutreffend im Roman verarbeitet. Die Autorin hat sie dermaßen gut zum Leben erweckt, daß ich am Ende das Gefühl hatte, sie wirklich zu kennen und an ihrem Leben intensiv teilgenommen zu haben. Entsprechend mitgenommen war ich am Ende, auch wenn lange zuvor klar war, wie das Buch ausgehen mußte.


    Direkt vor diesem Roman habe ich Aram Mattiolis „Verlorene Welten“ gelesen. Dort ist der Thematik auf der Sachbuchebene ein Kapitel gewidmet, hier in der Erzählung ist man als Leser quasi mittendrin dabei - sowohl an der Entwicklung in den Jahren zuvor als auch beim „Ereignis“ selbst. Was Mattioli sachlich darstellt, erwacht hier zur grausamen und brutalen Realität. Denn anders kann man das, was die weißen Amerikaner seinerzeit verbrachen, nicht bezeichnen. Vor allem die Bürger Georgias haben sich hier sehr unrühmlich hervorgetan. Das Außerkraftsetzen jeglicher rechtsstaatlicher Regeln, wenn es um die Indianer ging, der extreme Rassismus, die ungeheure Brutalität und Rücksichtslosigkeit, gewinnen hier eine ganz neue (Lese-)Dimension.


    Das Buch ist durchweg aus der Sicht der Cherokee geschrieben, so daß man den Fortgang der Ereignisse aus deren Blickwinkel kennen lernt. Dadurch bleibt es nicht aus, daß von der lichten Zeit, vom Leben im Einklang mit der Natur zu Beginn der Handlung am Ende nicht mehr viel übrig geblieben ist. Man erlebt den Niedergang des überkommenen Lebensstils über die Jahre, die verstreichen, quasi hautnah und direkt mit. Dabei hat die Autorin es geschafft, auch schlimme Stellen so zu beschreiben, daß man selbst nicht in Depressionen verfällt. Es ist ohnehin bewundernswert, mit welcher stoischen Ruhe die Indianer das, was über sie hereingebrochen ist, ertragen haben.


    Nach über siebenhundert, dennoch zu wenigen, Seiten am Ende angekommen, hatte ich in der Tat das Gefühl, daß einige Jahrzehnte verstrichen waren und nur noch Erinnerungen übrig sind. Erinnerungen an eine andere Zeit, in der das Leben noch friedlich und die Zukunft rosig war, eine wahrlich gute alte Zeit. Bis alles von „Leuten arm im Geist“ (vgl. S. 483) zerstört worden war. Gründlich. Und dennoch haben die Cherokee die Hoffnung und den Glauben an die Zukunft niemals aufgegeben. Ein überaus lesenswertes Buch.



    Mein Fazit


    Ein historischer Roman, der Leben und Leiden der Cherokee schildert und einen sehr guten Einblick in die Geschehnisse der damaligen Zeit gibt. Sehr lesenswert.




    Anm.: * = bezieht sich auf Robert J. Conley „Der Wind rief seinen Namen“

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Es ist schon eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich dieses Buch gelesen habe.

    Ich kann mich erinnern, dass es mich sehr beeindruckt hat. Aber vielleicht gerade, weil das Schicksal der Cherokee so authentisch geschildert wird, habe ich es auch als sehr traurig und bedrückend in Erinnerung.


    Die mit dem Wind reitet von der gleichen Autorin mochte ich lieber.

    Grausam ist es auch, doch (noch) nicht so hoffnungslos wie Tiana.

  • Als ich überlegte, welches Buch ich lesen wollte, habe ich bewußt nicht zu "Die mit dem Wind reitet" gegriffen, weil ich in etwa die Geschichte und das Ende von Cynthia Ann Parker kenne. Und das war nun wiederum mir zu depressiv. "Hoffnungslos" habe ich Tiana übrigens trotz allem überhaupt nicht empfunden. Aber das ist möglicherweise persönliches Empfinden.


    Bei Büchern, die bei den Native Americans dieser Zeit spielen, ist eine gewisse Tragik (und der bekannte Ausgang) nicht zu vermeiden. Ich bin gespannt, wie das in Büchern wird, die in früherer Zeit spielen. Etwa in der "Spanish Bit Saga" von Don Coldsmith, die um 1540 beginnt (und von der ich die ersten Bände schon gelesen habe) oder in der Serie "North America's Forgotten Past" von Kathleen und W. Michael Gear, die ich mir gerade zusammenkaufe und dann lesen will. Die ist noch weiter in der Vergangenheit angesiedelt, lange bevor ein Weißer seinen Fuß auf amerikanischen Boden setzte.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Als ich überlegte, welches Buch ich lesen wollte, habe ich bewußt nicht zu "Die mit dem Wind reitet" gegriffen, weil ich in etwa die Geschichte und das Ende von Cynthia Ann Parker kenne. Und das war nun wiederum mir zu depressiv. "Hoffnungslos" habe ich Tiana übrigens trotz allem überhaupt nicht empfunden. Aber das ist möglicherweise persönliches Empfinden.

    Das kann gut sein.

    Bei mir ist es, wie gesagt, schon sehr lange her, dass ich die Bücher gelesen habe. Damals hatte ich sicher einen anderen Blick darauf.

    Ich weiß nur noch ganz genau, dass ich damals sicher gewesen bin "Die mit dem Wind reitet" noch einmal lesen zu wollen, und "Tiana" nicht.;).


    Aus der Reihe über die ersten Nordamerikaner von Gear and Gear habe ich damals auch einige Teile gelesen. Das Leben der Indianer hat mich schon immer fasziniert, aber irgendwann habe ich das Thema ein wenig aus den Augen verloren.