Norman MacLean: Aus der Mitte entspringt ein Fluss

  • Norman MacLean: Aus der Mitte entspringt ein Fluss

    Verlag: FISCHER 2018. 192 Seiten

    (engl. 1976, Text dieser Ausgabe von 1991)

    ISBN-10: 3596950325

    ISBN-13: 978-3596950324. 20€


    Verlagstext

    »Es ließen sich schwerlich drei Männer finden, die Seite an Seite saßen und besser wussten, was der Fluss sagte.«

    Für die drei Maclean-Männer ist das Fliegenfischen mehr als eine Leidenschaft. Pastor Maclean beginnt früh, seine Söhne in der Kunst des Fliegenfischens zu unterweisen. »In unserer Familie gab es keine klare Trennungslinie zwischen Religion und Fliegenfischen«, so beginnt die autobiographische Erzählung von Norman Maclean. Die Brüder sind verschieden - intellektuell und wild der eine, bodenständig und ruheliebend der andere. Das Fliegenfischen aber verbindet sie, gerade dann, wenn sie nicht die richtigen Worte finden. Der Sommer des Jahres 1937, den die Brüder in ihrer Heimat im Westen von Montana verbringen, nimmt ein tragisches Ende, als einer der beiden erschlagen aufgefunden wird.

    Die Summe von Norman Macleans Lebenserfahrung ist auch die Summe der amerikanischen Literatur, in der Tod und Vertreibung aus dem Paradies, spirituelle wie konkrete Erfahrungen, Versuchung und Versöhnung immer einen Platz hatten.


    Der Autor

    Norman Fitzroy Maclean (1902–1990) stammte aus Iowa. Von 1930 an lebte er bis zu seinem Tod in Chicago, wo er bis 1973 Professor für englische Literatur an der University of Chicago war.

    Die literarische Wiederentdeckung Macleans, ausgelöst durch die Verfilmung seines Romans ›Aus der Mitte entspringt ein Fluss‹ durch Robert Redford (1992), brachte in den USA und Frankreich sämtliche Titel des Autors auf die oberen Plätze der Bestsellerlisten.


    Inhalt

    Norman MacLeans Vater brauchte das Fliegenfischen zum Auftanken am Sonntagnachmittag. Am Sonntagvormittag predigte er als presbyterianischer Geistlicher. Gemeinsam mit seinen Söhnen waren der Gang zum Fluss, die Wahl des Köders und das Auswerfen der Leine ein unverrückbares - männliches - Ritual. „In unserer Familie gab es keine klare Trennungslinie zwischen Religion und Fliegenfischen.“ Dieser unvergessliche erste Satz eröffnet einen Klassiker, der in der deutschen Übersetzung ebenso denkwürdig endet: „Schließlich verschmelzen alle Dinge zu einem, und aus der Mitte entspringt ein Fluss.“ Die gemeinsamen Gänge an den Fluss waren zugleich Wegmarken im Leben der Familie. MacLeans autobiografischer Text (er spielt 1937 im ländlichen Montana) wird von einer Spur Wehmut begleitet, als hätte er schon als Jugendlicher die Endlichkeit von Lebensabschnitten gespürt, ohne davon zu wissen. Ein letzter Sommer, von dem Norman MacLean damals noch nicht ahnte, dass es der letzte mit Paul sein würde, wie auch das letzte Angeln mit dem Vater, als dessen Kräfte im Alter schwinden. Das Fischen im Fluss diente den MacLeans auch als Maßstab zur Beurteilung anderer Menschen. Schon früh bemerkten die Brüder z. B., dass ihr Vater kein guter Fliegenfischer war. Der Konflikt mit Schwager Neal entzündet sich am Fischen, als Paul Neal für unwürdig erklärt, um gemeinsam mit ihm die Leine in „ihrem“ Fluss auszuwerfen.


    Fazit

    Norman MacLean beobachtet die Ereignisse seiner Jugend mit fotografischer Exaktheit, als hätte er die Bilder im Alter in allen Details unverändert vor Augen. Diesen Text schrieb er im hohen Alter, das jedoch nur an wenigen Stellen spürbar wird. Beeindruckend finde ich sowohl MacLeans Liebe zum Detail, wie sich Paul z. B. die Streichhölzer unter den Hut steckt, während er den Fluss durchwatet, als auch die Kunstfertigkeit, mit der er den unausgesprochenen Konflikt zwischen Paul und seiner Familie spüren lässt.


    Ein zeitloser Klassiker, in unveränderter Übersetzung und eleganter Hardcoverausgabe.


    10 von 10 Punkten