Beiträge von MelanieM

    Ich habe irgendwie auch das Gefühl, dass es nur wenige Nationalsozialisten gab, die sich nach dem Krieg wirklich Gedanken darüber gemacht haben, was sie da getan haben. Besonders unter denen, die die Befehle gegeben haben. Dass jemand seine Befehle befolgt hat, obwohl er falsch fand was ihm angeordnet wurde, kann ich noch nachvollziehen, da ging es ja auch ums eigene (über)Leben.

    Das ist auch ein Thema im nächsten Band - wenn es im Jahr 1957 weiter geht.

    Ich war ja ganz froh, dass das Gespräch mit Gustav so glimpflich abgelaufen ist, das hätte ziemlich in die Hose gehen können. Wenn er gewalttätig geworden wäre, wäre dann Herr Müller Friederike zur Hilfe gekommen?

    Gustav hatte ja keinen Grund, gewalttätig zu werden, weil er ja nicht wusste, dass Friederike ihn enttarnt hatte. Er warb ja noch immer um sie. Deshalb war Friederike recht sicher. Das war eben das Duell "Psychiaterin gegen Psychiater" - jeder mit Hintergedanken, aber da Friederike am Ende einen Wissensvorsprung hatte, hat sie es gewonnen. Müller hätte das dann alles schön aufgezeichnet und wäre im Hintergrund geblieben.

    Aber es ist ja zu mindestens für Friederike gut ausgegangen. Für Gustav eher weniger. Gut dass er dem Gut und Friederike nicht mehr schaden kann. Ob sein späteres Schicksal verdient war? Ich weiß es nicht. Noch hatte er nur Intrigen gesponnen und nicht wirklich etwas angerichtet. Andererseits möchte ich nicht wissen, was er getan hätte, wenn er das Gut in die Finger bekommen hätte.

    Gustav erntet, was er gesät hat. Letztlich ist sein Schicksal nicht durch Friederike, sondern durch die Menschen, zu denen er selbst gehört, besiegelt worden. Und Hermann Stroebel ist natürlich besonders abgebrüht und wollte Karriere machen - mit Hilfe seines Vaters.

    Ich denke Ingrids Familie wird gut durch den Krieg kommen und Friederike wird dann dafür sorgen müssen, dass sie gegenüber den Alliierten als Mitläufer dargestellt werden. Ob Ingrid ihren Mann noch los wird? Vielleicht erfahren wir das ja im nächsten Band.

    Die drei Stroebels tauchen alle im nächsten Band wieder auf und man erfährt, was dann aus ihnen geworden ist.

    Wenn der Geschichtslehrer dem verzeihen konnte, weil der reuig und geläutert war, wer bin ich den zu verurteilen. Auch wenn heute jeder bei Wikipedia nur das Schlimmste über den Kollegen nachlesen kann. Ich fand seine Art uns zu erzählen welch kostbares Gut die Demokratie ist und uns offen als ehemaliger Nationalsozialist, der aus Überzeugung schwerste Verbrechen begangen hat genauso wichtig für mich wie die Erzählungen des Opfers und dessen Selbstzeifel, dass er nicht bei der weißen Rose dabei war. Dabei war es doch so wichtig, dass es Zeitzeugen gab, die ins beide Seiten erzählen konnten. Und- dass es einige, leider viel zu wenige- gab die das auch taten.

    Da hast du völlig recht. Im Gegensatz dazu steht Günther Grass, der jahrzehntelang verschwieg, dass er als junger Mann bei der Waffen-SS war und sich als moralisches linkes Gewissen etablierte, aber zugleich Angst hatte, seine Vergangenheit geläutert zu benennen. Es ist doch viel interessanter zu erfahren, warum anständige Menschen verführbar waren.


    Mir ist es in meinen Romanen immer wichtig, dass man die Motivation verstehen kann, warum jemand NICHT auf die Propaganda der NSDAP reinfiel. Das waren jene, die von Anfang an erkannten, dass Menschen ausgegrenzt und diffamiert wurden. Aber es waren eben vor allem auch jene, die mit diesen diffamierten Menschen zu tun hatten. Wie hier im Roman Friederike mit psychiatrischen Patienten oder Annemarie und Adnan, die Rassismus erleben.


    Wer jüdische Freunde hatte, wusste auch bald, dass das keine gute Partei war. Aber wer in Vierteln lebte, wo die kleinen Leute unter sich waren und unter Hyperinflation und Wirtschaftskrise litten, ebenso wie unter den Krawallen auf den Straßen in der Weimarer Republik, die sehnten sich danach, dass jemand für Ruhe und Ordnung sorgte. Die hatten von der SA auch nichts zu befürchten, weil sie ja "Volksgenossen" mit der richtigen Meinung waren. Und dann drücken Menschen gern mal beide Augen zu.


    Man kann und muss das kritisieren, aber man muss es sich auch erst mal klar machen, um denen, die geläutert wurden, zu vergeben, und auch, um sich klar zu machen, welche Ursachen so etwas hat und dass es natürlich jederzeit wieder geschehen kann. Ehrlich gesagt erschreckt mich die Kriegsrhetorik auf Twitter im Rahmen des Ukrainekrieges sehr, weil da z.T. die gleichen Propagandaschlachten gefahren werden wie im 2. WK und jeder, der zur Besonnenheit aufruft, als zögerlicher Feigling tituliert wird.

    Irgendwie habe ich mehrere Theorien wegen Gustav, ich bin mal gespannt, ob eine davon stimmt. Die eine ist, dass der Prolog mit Dr. Weiß etwas mit ihm zu tun hat... auf jeden Fall ist er mir nicht ganz koscher.

    Ich finde es als Autorin immer sehr spannend, euch beim Miträtseln über die Schulter sehen zu dürfen, dann weiß ich, ob ich meinen Job mit verschiedenen Fährten gut gemacht habe :-)

    Ich hab ja alle drei Bücher der Reihe hier, von daher könnte ich auch alle drei bis dahin noch lesen.

    Wenn du alle 3 hast, kannst du auch mit "Die verstummte Liebe" anfangen, das habe ich zwar erst danach geschrieben, aber es erzählt die Vorgeschichte eines der Protagonisten mit seiner Mutter. Und dann "Im Lautlosen" und danach "Die Stimmlosen" - und ein wenig passt Mohlenberg 4 dann auch für die Bücher als Anschluss.

    Aber ich meine, bei den drei Bänden ("Im Lautlosen", "Die Stimmlosen" und eben die "Verstummte Liebe") sind Familienfotos auf dem Cover, oder?

    Ja, auf Im Lautlosen ist meine Oma mit meinem Vater 1938 auf einem Waldspaziergang, in "DIe Stimmlosen" vor der Schreberbude meiner Urgroßmutter Martha Studt im Jahr 1938 und "Die Verstummte Liebe" ist Weihnachten 1941. Zwei Jahre später war die Wohnung auf dem Foto durch den Hamburger Feuersturm zerstört. Mein Vater war mit seiner kleinen Schwester im Schrebergarten, meine Großeltern sind in die Elbe gesprungen, denn die Wohnung lang in der Reginenstraße 39 in Hamburg, das ist im Stadtteil Rothenburgsort. Der war früher mal sehr schön, wurde dann nach dem 2. WK, wo er total zerstört wurde, total vergessen, auch die U-Bahn Rothenburgsort wurde nie mehr aufgebaut, dafür gibt es jetzt eine S-Bahn. Aber ich vermute, in 10 Jahren wird das alles wieder gentrifiziert, denn man plant jetzt viele Neubauten und eine neue Stadtarchitektur und will den Stadtteil auch mit der Hafencity mit einer Brücke verbinden.

    Der Ausflug nach Hamburg war ja mal sehr interessant. Fräulein Wermut hat echt bewundernswerte Fähigkeiten in der Befragung von Menschen entwickelt.

    Der hat mir auch Spaß gemacht, vor allem mit dem Beschreiben der damaligen Gegebenheiten. Zu der Zeit hat mein Vater dort ja als Kind gelebt. Übrigens ist das Cover meines Romans "Die verstummte Liebe" ein Familienfoto aus Hamburg 1941 - zu Weihnachten, als draußen schon Verdunkelung angesagt war.

    ich seh schon, ich sollte die Stimmlosen jetzt vielleicht zwischenschieben, damit ich dann bei Band 4 das volle Vergnügen habe.

    Hast du Die verstumme Liebe schon gelesen? Die passt auch noch rein ;-) . Man muss das alles nicht lesen, es steht für sich allein, aber es macht dann mehr Spaß :-)

    Dass in der SS auch ehemalige Polizeibeamte waren, die das als Karriereschritt sahen, war mir gar nicht so bewusst.

    Dass jemand bei der SS war, besagt erst einmal noch gar nichts, weil es eben so viele unterschiedliche "Fraktionen" gab. Dort konnte man alles sein - vom Mitläufer bis zum Massenmörder. Deshalb ist es wichtig, zu differenzieren, um die Vergangenheit besser zu verstehen. Und auch, um zu verstehen, warum sich 900.000 SS-Leute in der jungen Bundesrepublik so unauffällig integrieren konnten. Aber das ist dann ein Unterthema im nächsten Band.

    Na ja, da gibt es auch das Gerücht der GröFAZ selbst sei homosexuell gewesen und wollte Mitwisser aus unvorsichtigen Jugendtagen vernichten. ( Es soll da einen Bericht aus dem 1.Weltkrieg geben, warum der Gefreite Hitler zwar das Eiserne Kreuz erhält, aber nicht zum Obergefreiten befördert wird.)

    Ja, da gab es viele Gerüchte, auch von einem seiner Jugendfreunde, der "schmutzige" Memoiren geschrieben hat. Hitler wusste auch, dass Röhm homosexuell war, das störte ihn auch nicht, er meinte, die SA sei schließlich kein Mädchenpensionat. Unabhängig davon hat die NSDAP den §175 dann noch mal verschärft und Homosexuelle ins KZ gesteckt. Da wurde überall mit zweierlei Maß gemessen.

    Ich stimme vollkommen mit Dir überein, dass es noch viel zu viele Vorurteile gegenüber Menschen mit Einschränkungen (ach, und mir fällt gerade das "offizielle" Wort nicht ein...) gibt, dass ihnen wissentlich und manchmal vielleicht auch aus Unwissenheit Steine in den Weg gelegt werden, dass notwendige Betreuung nicht bezahlt wird usw., usw. - aber das HOFFE ich von ganzen Herzen: dass der Gedanke an Vernichtung lebensunwerten Lebens aus den allermeisten Köpfen verschwunden ist!!!! Wahrscheinlich nicht aus allen Köpfen, aber ich glaube, wir sind auf einem guten Weg... Manchmal braucht es eben einen langen Atem, um die Gesellschaft zu verändern....

    Das offizielle Wort für Menschen mit Handicap lautet immer noch Behinderung, denn das bildet sich im Schwerbehindertenrecht ab. Ich halte es auch für überflüssig, ständig Wortkosmetik zu betreiben, da Taten viel wichtiger sind. Dazu ist das Bundesteilhabegesetz ein wichtiger Beitrag. Man muss Behinderungen natürlich benennen, damit man auch begründen kann, inwieweit eine Einschränkung Menschen an der Teilhabe am normalen Leben "behindert", damit man eben das ausgleichen kann.


    Wer sich dafür interessiert, kann hier näheres dazu lesen. Aber man sieht auch, wie lange dieser Prozess schon dauert und bis heute nicht abgeschlossen ist. https://www.bmas.de/DE/Soziale…bundesteilhabegesetz.html

    Schön das es nur fiktive Figuren sind, denn ich habe mich echt bei dem Gedanken erwischt, hoffentlich ist die Ostfront die finale Lösung für Brehm. Denn wenn der Überlebt hat Frederike einen Feind fürs Leben. Wir wissen ja schon, das Frau von Aalen den Krieg überlebt und das Rentenalter erreicht, aber in den kommenden vier Jahren. kann viel passieren und auch die Zeit unmittelbar nach dem Krieg war eher an Pferden zum Essen, als an Reitsport interessiert.

    Ich kann schon mal verraten, dass Brehm tatsächlich an der Ostfront ums Leben gekommen ist. Wer in einem Strafbataillon war, hatte kaum eine Chance, das zu überleben. Im Jahr 1957 treffen wir aber u.a. Familie Ströbel wieder.


    Erschien dir das Ende denn so passend? Letztlich wollte ich zeigen, wie Friederike die eigenen SS-Machtstrukturen nutzt, um den karrieregeilen Hermann - Ingrids Mann - über seinen Vater zu instrumentalisieren, damit er die Gelegenheit beim Schopfe packt, selbst eine Karrierestufe höher zu klettern.


    Mir war es auch wichtig, mit diesem Mythos der SS zu brechen, dass es eine große, verschworene "Verbrecherbande" war, wie man heute so gern kolportiert. Die SS war sehr vielschichtig und die einzelnen Bereiche sich auch nicht immer wohlgesinnt. Es gab die Totenkopf-SS, die überwiegend die Bewachung von KZs übernahm. Es gab die Waffen-SS, die damals so gehypt wurde, wie heute die Navy-Seals, und deshalb auch junge Männer von unter 20 anzog, die stolz waren, wenn man sie dort aufnahm und die freiwillig an den gefährlichsten Einsätzen teilnahmen. Es gab in der Waffen-SS auch Mitglieder, die an Gräueltaten beteiligt waren und an Massenerschießungen. Es gab die Reiter-SS, die als einzige SS-Organisation später nicht in den "SS-Topf" geworfen wurde, sondern eher als Reitverein betrachtet wurde, weil dort viele Gestütsbesitzer Mitglied wurden, um bessere Kontakte zu pflegen. Es gab unter der Reiter-SS aber auch Einheiten, z.B. unter Fegelein, die KZs bewacht haben. Und dann gab es die Dienstrangangleichung der Polizei, wo jene, die der SS beitraten, schneller Karriere machten als ihre Kollegen, die das ablehnten.


    Da es so viele unterschiedliche Beweggründe für Männer gab - vom puren, karrieregetriebenen Sadismus bis hin zum jugendlichen Idealismus eines Jugendlichen, der einer Elitetruppe angehören will, über den Mitläufer, der einfach seinen Job bei der Polizei karrieremäßig vorantreiben will, gab es auch entsprechende Feindschaften. Und deshalb ist Friederikes Plan durchaus realistisch. Die Brutalität der SS auch gegen eigene Leute, wenn die anderen im Wege stehen, hat ihr geholfen. Wenn man alles offiziell mit Gewalt lösen darf, dann sinkt die Hemmschwelle. Das wurde ja schon beim "Röhm-Putsch" spürbar, als die SA zu mächtig wurde und Himmler mit Hilfe seiner SS Röhm als SA-Führer ermorden ließ und man das ganze begründete, er sei homosexuell und habe außerdem gegen Hitler putschen wollen.

    Ja, Friederike setzt auf die Karrieregeilheit der SS- Mitgliedern. Aber sie macht sich dadurch auch abhängig von Ingrids Schwiegervater. Das ist in der Zukunft sicher noch ein Thema.

    Soviel kann ich ja schon mal verraten - in Band 4 - Mehr als die Gerechtigkeit - begegnen wir Ingrid und ihrer Familie im Jahr 1957 wieder.

    Ich kann Gustavs Beweggründe nicht verstehen. Es gibt so viele, die eine schwere, oft traumatische Kindheit hatten und deswegen nicht gleich anderen ihr Hab und Gut weg schwindeln oder gar Menschenversuche als völlig normal ansehen.

    Ich denke, man muss immer unterscheiden, ob man Beweggründe versteht oder ob man sie gutheißt. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Gustav war durch seine Kindheit mit der schizophrenen Mutter traumatisiert. Sein Vater und Großvater haben ihn damit im Grunde allein gelassen. Er musste das mit sich selbst abmachen. Und dann hatte er da diese Ambivalenz in sich. Er hat seine Mutter gefürchtet und verabscheut wegen des Traumas. Aber sie war auch seine Mutter und natürlich hat er sie deshalb geliebt. Also hat er es innerlich getrennt. Seine Mutter war gut, aber die Krankheit war schlimm, die hat das mit ihr gemacht. Nur so konnte er den Zwiespalt ertragen, beides in einer Person vereinen. Und dann unternahm er den ersten Versuch, sein Grundproblem zu lösen. Er studierte Medizin und wollte als Psychiater alles besser machen. Da sind auch Parallelen zu Richard Hellmer aus "Im Lautlosen", der ja auch Medizin studierte und Psychiater werden wollte, um alles besser zu machen als die Ärzte zuvor. Richard war aber ein gefestigter Mensch, der ja eine stabile Familienbindung zu seinen Eltern hatte und die Person, die er verloren hatte, war sein geliebter großer Bruder. Gustav war jedoch viel tiefer verunsichert. Und als er dann im 1. Weltkrieg von einem Mann, der vor Angst den Verstand verloren hatte, dem er nur helfen wollte, attackiert wurde, brach das alte Kindheitstrauma vollends hervor. Nun erinnerte er sich an seine Erleichterung über den Suizid seiner Mutter, was er sich zuvor niemals hatte eingestehen dürfen. Er hatte sich geschämt, denn ein gutes Kind darf nicht erleichtert sein, wenn die Mutter tot ist. Dieses Schuldgefühl trug er ja auch noch mit sich herum. Nun aber wandelte sich seine Vorstellung. Der Wunsch, zu helfen und damit im Nachhinein auch das Schuldgefühl gegenüber der Mutter zu bekämpfen, wandelte sich. Diese Menschen waren gefährlich, sie griffen ihn an, obwohl er ihnen helfen wollte. Wer von dieser Krankheit befallen war, war für sich und seine Familie nur eine Last. Und damit kein Kind mehr ein Schuldgefühl wie er und ein Leiden wie er erfahren musste - so redete er es sich ein - musste man jene, die unheilbar waren, eben erlösen. Dadurch, dass er sich der Euthanasie als Lösung zuwandte, hatte er seine Grundkonflikte gelöst. Er musste keine Angst mehr vor der Unberechenbarkeit haben und seine Erleichterung beim Tod seiner Mutter war nun kein verachtenswertes Gefühl mehr, weil der Tod für solche Menschen und ihre Umwelt gut ist. Und nachdem er diese moralische Hemmung abgelegt hatte und sich voll und ganz dafür einsetzte, konnte er auch egoistische Wünsche unter diesem Deckmantel befriedigen. So konnte er sich selbst einreden, warum er ein Recht hatte, Gut Mohlenberg zu übernehmen und das Gestüt zu bekommen. Die würden ja gegen den Staat und das Wohl der Menschheit arbeiten, indem sie solche gefährlichen Kreaturen unterstützten. Da Gustav vor sich selbst eine eigene Moral behielt, konnte er wieder alles abspalten. Vom Herzen her konnte er auch ein charmanter, netter Mann sein. Das, was Friederike zunächst gefühlt hatte, war echt, weil er alles andere abspalten konnte. Deshalb ist sie auf ihn reingefallen. Wie Friederike sich auch denkt - hätte man Gustavs Mutter damals nach Mohlenberg gebracht und hätte er sie als Kind dort besucht und mit der kleinen gleichaltrigen Friederike gespielt, dann wäre er vielleicht auch Psychiater geworden, aber einer von der Sorte wie Friederike. Nicht jemand, der sich in eine abstrakte Ideenwelt flüchten musste, die mit Gewalt den Konflikt zu lösen versucht, der nur schwer lösbar ist. Es ist seine Konfliktbewältigung und in unserer Gesellschaft ist sie moralisch falsch. Sein "Pech" war, dass er dann in eine Zeit geriet, die nach Männern mit so pathologischer Konfliktbewältigung gierte und das ausnutzte. So konnte er Karriere machen. Vor dem Hintergrund habe ich durchaus Mitleid mit dem Kind und dem jungen Mann und ich kann verstehen, wie er so wurde, aber ich verachte und verabscheue seine Taten als erwachsener Mann und es gibt dafür keine Entschuldigung, sondern nur Erklärungen. Erklärungen zu suchen ist übrigens nicht dazu da, um Täter zu entschuldigen, sondern um zu analysieren, warum Menschen zu Tätern werden und durch gezieltes frühes Eingreifen zu verhindern, dass aus verstörten Kindern überhaupt Täter werden können. Es geht dann nicht mehr um den Täter, sondern um andere Menschen am Scheideweg, denen man helfen muss.

    Ich habe jahrelang Kinder mit Trisomie 21 als Mandanten betreut, wenn die Krankenkasse den neuen Rollstuhl oder andere Hilfsmittel oder Behandlungen nicht bezahlen wollten. Bildet ihr euch wirklich ein der Gedanke über die Vernichtung lebensunwerten Lebens sei aus unserer Gesellschaft verschwunden?

    Viele der damaligen Ärzte haben bis weit in die 1970er Jahre praktiziert. Wie durchsetzt alles vom NS-Gedankengut noch war, ist dann in Mohlenberg 4 Thema.

    Dann ist Sturmbannführer Dr. Gustav Brehm also der Arzt aus dem Prolog? Und wollte sich in Friederikes Herz einschleichen, um Gut Mohlenberg von den "Verrückten zu säubern" (und so ganz nebenbei ein gut florierendes Gestüt zu übernahmen?) - ja, genau so stelle ich mir die "bösen" SS-Männer vor... Pfui Teufel, was für ein A...

    Ja, Gustav ist der Arzt aus dem Prolog. Ganz praktisch veranlagt, aber seiner Frau sagt er natürlich nicht, was er sonst noch so treibt.

    Denn immerhin herrscht der Nationalsozialismus, "wird eine Krähe der anderen ein Auge ausstechen"? Reicht der Einfluss von Ingrids Schwiegervater aus, um Zweifel zu säen? (By the way: richtig niedlich fand ich, dass Ingrid Joachim Markmann mit Karla verkuppeln wollte...).

    Abwarten, das wird sich zeigen ;-) . Und was Markmann angeht - er ist ja leider nun mal bei der SS.

    Wie gefällt dir denn Karla? Hätte sie, wenn Markmann normaler Beamter geblieben wäre, zu ihm gepasst?

    Die Neugier und die Spannung des Buches zwangen mich dazu, diesen Abschnitt auch noch zu lesen. Die nacht war also dementsprechend kurz.

    Das freut das Autorinnenherz :-)



    Meine Befürchtungen Gustav gegenüber haben sich also bewahrheitet.

    Die Heterogenität der SS, die alles andere als eine nette, sich immer einige Kameradschaft war, wie es immer so gern kolportiert wird, ist das, worauf Friederike setzt.


    Was denkst du über Gustav? Kannst du ihn auch ein bisschen verstehen, warum er so geworden ist, oder ist da nur Abscheu?