Beiträge von rumble-bee

    Zitat

    Original von DraperDoyle
    Hm, ist das wirklich eine Übersetzung?
    Zumindest bei amazon habe ich weder eine andere als die deutsche Originalsprache, noch einen Übersetzer gefunden.
    Mir scheint, da will eine deutsche Autorin (oder der Verlag) auf diesen neuen Trend aufspringen: frankophile Deutsche legen sich ein französisches Pseudonym zu und schreiben einen Regionalkrimi, der nicht in Ostwestfalen, sondern in der Bretagne/Cotes d'Azur/Provence spielt. Passenderweise sind das beliebe Urlaubsregionen der Deutschen, Lothringen, Pas de Calais oder Ile der France scheinen eher unattraktive Schauplätze zu sein (aber in diesen Regionen siedelt ja schon Manotti ihre übrigens hervorragenden Krimis an).
    Ein Schelm, der Böses dabei denkt :gruebel




    Meine Güte, darauf bin ich noch gar nicht gekommen...! Das erklärt natürlich so manches! Vielen, vielen Dank für den Hinweis!


    (Jetzt bin ich mir noch sicherer, dass ich bei meiner eher schlechten Bewertung bleibe...)

    "Ein feiner dunkler Riss": selten habe ich einen Buchtitel erlebt, der besser zum Inhalt gepasst hätte. Wir befinden uns im Texas der späten 50er Jahre, und der 13jährige Stan ist bislang sehr behütet herangewachsen. Doch in diesem überaus heißen Sommer soll sich das ändern: durch einen "feinen dunklen Riss" verändert sich sein Horizont, sickert so langsam die Wirklichkeit in seine Wahrnehmung durch. In diesem Sommer wird Stan ein Stück weit erwachsen. Und einen 20 Jahre alten Kriminalfall löst er nebenbei auch noch.


    Dabei wird er unterstützt von seiner älteren Schwester Callie, aber auch von dem über 70jährigen Farbigen Buster. Es sind keine konsequenten Ermittlungen wie in einem neuzeitlichen Detektivroman - es ist eher ein Erkunden der gar nicht so idyllischen Fassade einer Kleinstadt. Die Ermittlungen im "Fall" der beiden ermordeten Mädchen sind für Stan mindestens ebenso sehr eine Reise in die Welt der Erwachsenen.


    Und genau das hat mir an diesem Buch so grandios gefallen: dass es nämlich auf mehr als einer Ebene funktioniert! Selbst jetzt, wo ich nun die Auflösung des Falles kenne, könnte ich das Buch mit Genuss erneut lesen. Denn es ist nicht nur Krimi, sondern auch "coming-of-age"-Geschichte, Initiation und Verlust der Unschuld. Stan weiß am Ende, warum und wie die Verhältnisse zwischen Schwarzen und Weißen so sind, wie sie sind. Warum manche Eltern ihre Kinder prügeln. Und was zwischen Mann und Frau so alles passieren kann...!


    Ich habe mich förmlich nach Texas versetzt gefühlt, atmete den Staub der Straßen, sah die pomadigen Haare der Teenager, hörte die Jukeboxen, roch die Milchshakes aus den Drugstores. Und ein Stück weit konnte ich alle, ausnahmslos alle, Protagonisten verstehen: selbst den reichen Industriellen, selbst den prügelnden Vater, selbst die farbige Haushaltshilfe, die an ihrem versoffenen Geliebten hängt. Joe R. Lansdale gelingt hier ein ziemliches Kunststück: obwohl sein Stil sicher nicht an den Rang und die Gesellschaftskritik eines Mark Twain oder einer Harper Lee heranreicht, ist dies für mich weit mehr als ein Unterhaltungsroman. Es ist ein Zeitporträt, das sehr lebendig gelungen ist.


    Das Allerbeste für mich: die ständig vorhandene unterschwellige Komik! Kaum zu glauben, aber die teilweise doch knochentrocken-ironischen Gespräche zwischen Stan und Buster haben mir mehr als nur einen Schmunzler entlockt. Überhaupt hat die Sprache für mich sehr viel Atmosphäre aufgebaut, insbesondere die Sprache der Farbigen! Eine großartige Leistung der Übersetzerin! (Es würde sicherlich lohnend sein, sich auch noch die Originalversion zu gönnen...!)


    Insgesamt kann ich dieses Buch mehreren Gruppen von Lesern wärmstens empfehlen: sowohl Krimi-Liebhabern, als auch Fans der "klassischen" amerikanischen Literatur, die sich in die 50er Jahre versetzen lassen wollen.

    Dieses Buch ist sicherlich gute, routiniert geschriebene Kriminalunterhaltung. Immerhin ist es der 8. Band rund um den Ermittler Patrik Hedström und seine Ehefrau Erica Falck, die Schriftstellerin. Hier liegt auch die große Stärke der Autorin: sie begleitet ihre Figuren wieder mit viel Herz, und langjährige Fans der Reihe werden eine wahre Freude an so mancher Weiterentwicklung haben. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Frau Läckberg hier inhaltlich ein klein wenig "zu viel" gewollt hat. Von der Handlung her bin ich nicht restlos überzeugt.


    Oder habe ich nur zu viel von ihr in zu kurzer Zeit hintereinander weg gelesen? Sie wendet jedenfalls ihr bewährtes Rezept an: Ein aktuelles, mysteriöses Geschehen in der Gegenwart, das offensichtlich Gründe weit in der Vergangenheit hat. Eine kriselnde Ehe, eine kaputte Familie. Tod und Verlust. Und ständige Rückblenden in so eine Art "Tagebuch", die sich mit den wiederum zahlreichen Perspektiven der Gegenwart abwechseln.


    Es fängt schon damit an zu kriseln, dass man zu Beginn als Leser nicht genau weiß, um welches Verbrechen es eigentlich geht. Um den Brandanschlag auf das Ehepaar Marten und Ebba? Oder doch um das nie geklärte Verschwinden von Ebbas Familie vor 30 Jahren? Das Buch kommt relativ langsam in die Gänge, und es dauert sicherlich mehr als ein Drittel, bis dem Leser klar wird, dass doch eine Verbindung zwischen diesen Fällen bestehen könnte.


    Zweiter Stolperstein: an jenem mysteriösen Ostersamstag vor 30 Jahren wurde auch eine "Bande" von 5 Jungen verhört, 5 Freunde, denen man nie nachweisen konnte, dass sie etwas mit dem Verschwinden der Familie zu tun hatten. Die Autorin verlegt tatsächlich für jeden Einzelnen von ihnen einen Erzählstrang in die Gegenwart! Das kann man sicherlich dramaturgisch begründen - mir hat es aber den Einstieg in das Buch zusätzlich erschwert, weil ich so viele Namen und Lebensgeschichten im Auge behalten musste. Ich persönlich hätte hier auf manches verzichten können.


    Und drittens fühlte sich Frau Läckberg bemüßigt, neben dem Auslöschen einer ganzen Familie auch noch politische Themen in das Buch einzuflechten. Denn einer der fünf Jungs von damals ist rechtsextremer Politiker geworden. Ob das nun wirklich sein musste...? Sicher ergeben sich dadurch (teils ungewollte) Parallelen zu aktuellen Geschehnissen, und ich will auch nicht bestreiten, dass Rechtsextremismus nach wie vor existiert. Aber was Krimis betrifft, bin ich eigentlich Purist - weniger ist oft mehr. Mir hätte die Familiengeschichte gereicht!


    Noch so ein Punkt - die Rückblenden in die Geschehnisse ab 1908. Hier wurde doch manches extrem dick aufgetragen. Ich fand vor allem die psychischen Spätfolgen eher unglaubwürdig. Sicher hatten auch in Schweden so manche einfachen Mädchen Verhältnisse mit deutschen Soldaten. Aber mit diesen Auswirkungen...? Ich weiß einfach nicht.


    Dennoch verleihe ich letzten Endes acht sehr wohlwollende Punkte. Das liegt einfach daran, dass der Spannungsbogen im letzten Drittel noch einmal gehörig anzieht, und das Buch endlich seinem Status als "Krimi" gerecht wird. Außerdem bin ich der Meinung, dass es von Band zu Band immer mehr um Patrik, Erica und ihre Familie geht. Hier ist die Autorin einfach unübertroffen; sie schildert ein chaotisches Familienleben mit kleinen Kindern und zwei berufstätigen Eltern wirklich mit Herzblut, sehr authentisch und lebensnah.


    Camilla Läckberg ist eben Camilla Läckberg! Ihren Fans kann man diesen Band getrost empfehlen. Neulingen auch, sofern sie sich auf eine verzwickte Erzählweise einstellen können.

    Frau Cazon, Sie haben sich verhoben


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    Nach der Leseprobe war ich schon skeptisch, bzw. nur mäßig interessiert. Ich hoffte darauf, dass das Buch als Ganzes noch etwas herausreißen könnte. Ich möchte der Autorin nun keineswegs zu nahe treten, und auch nichts unbegründet "verreißen". Tatsache bleibt aber, dass ich mich bei diesem Buch, so leid es mir tut, größtenteils einfach nur gelangweilt habe.


    Mein erster Kritikpunkt: ich finde, die Personen werden durch die Bank ein wenig lieblos beschrieben. Jeder bekommt hübsch brav eine Macke angedichtet, und das war's dann. Und - natürlich! - hat der Kommissar ein privates Familienleben, das man nur als desaströs bezeichnen kann. Manchmal habe ich mir die Haare gerauft, etliche Sätze waren das reinste Klischee! Überhaupt hat mich insbesondere die Schilderung der Männer oft gestört, ja sogar verärgert. Es muss doch wohl mehr über französische Männer zu sagen geben, als dass sie anzügliche Witze über Frauen reißen, ständig "oh là là" sagen und hemmungslos flirten...?!


    Der Fall an sich plätschert so dahin, und strotzt wieder nur so vor Klischees, die man allenthalben in Krimis schon gelesen hat. Der Vorgesetzte, der Druck macht. Der Bürgermeister, der wichtig tut. Die Akte, die "rein zufällig" verschwindet. Die Richterin, die verärgert ist. Gäääähn... Und der entscheidende Hinweis zur Lösung des Falles kommt nicht mal vom Kommissar, sondern von einer Journalistin. Eigentlich hat sie die wichtige Arbeit getan.


    Über die Sprache habe ich mich auch oft gewundert. Aber das kann ja ein Problem der Übersetzung sein. Ich fand befremdlich, wie auf Teufel komm raus "französisiert" wurde. "Monsieur le commissaire", das geht ja noch. Aber "Commissaire Duval"? Und ständig diese französischen Begriffe in Kursivschrift, das sollte dem Ganzen wohl Flair verleihen. Flic, fric, oh là là, merde... wirkte alles sehr gewollt auf mich. Das hätte man "eindeutschen" können. Und dann auch noch diese ständigen Konjunktive! Im Französischen ist der Konjunktiv viel häufiger, ja, das stimmt. Aber im Deutschen wirkt das sperrig, vor allem, wenn gleich im nächsten Absatz Ausdrücke wie "sich verdünnisieren" oder "Dampf ablassen" vorkommen... nein, das hat alles nicht gepasst.


    Halbwegs gefallen hat mir die Schilderung von Cannes, und dem ganzen Drumherum des Festivals. Das war fast schon interessanter als das Verbrechen! Ich habe ja einen Verdacht: die Autorin hat eigentlich "nur" ein Buch über ihre Heimatstadt verfassen wollen, und da ist dann mehr oder weniger zufällig ein Krimi draus geworden. Und auch noch einer mit einem - letztendlich - eher abgeschmackten Tatmotiv.


    Nun gut - man kann dieses Buch wohl lesen, wenn man unbedingt möchte. Aber in der Liga wirklich guter Krimi-Autoren wird Frau Cazon, pardonnez-moi, noch länger nicht mitspielen.


    ASIN/ISBN: 346204642X

    Damit keine Missverständnisse aufkommen: meine drei Sterne sind nicht als "Aburteilung" gemeint, sondern als Hinweis, dass da meiner Meinung nach "noch mehr geht". Ich habe das Buch zwar recht flott "heruntergelesen", und es als reinen Thriller als durchaus befriedigend empfunden. Dennoch hat es Schönheitsfehler.


    Zunächst einmal ist das Buch ein recht konventioneller Thriller. Wie es so Mode ist, gibt es einen Prolog, in dem ein Opfer gerade stirbt, und sich fragt, warum. Daraufhin geht erst die Haupthandlung um die beiden Ermittlerinnen los. Diese Handlung hat einen recht guten Spannungsbogen, der sich stetig steigert, und in einem nahezu filmreifen Finale endet.


    Warum bzw. wofür dann meine Kritik? Das Buch wird ja u.a. damit beworben, dass es einen Konflikt zwischen den beiden Ermittlerinnen gibt, die sehr unterschiedlich sind. Emilia Capelli, genannt Em, ehrgeizige deutsche Jung-Ermittlerin mit italienischen Wurzeln, und Mai Zhou, Halbchinesin, die sogar in Quantico studiert hat. Doch diese Konstellation ist für mich viel zu sehr im Hintergrund geblieben. Sie ist nicht viel mehr als ein "Aufhänger" für das Buch. Ganz klar im Vordergrund steht der Fall, und die reine Ermittlungsarbeit.


    Für mich hat es fast keinen Konflikt gegeben - die bei weitem meiste Erzählzeit wurde auf das Ermitteln verwendet, und das fand ich schade! Jeweils nur eine jämmerliche Szene, in dem die jeweilige Ermittlerin mit ihrem privaten Umfeld vorgestellt wird. Und gefühlte zwei Szenen, in denen sich die beiden tatsächlich angiften. Das ist mir zu wenig! Und es werden so viele interessante Erzählansätze einfach fallen gelassen! Mai Zhou ist - peinlicherweise - gerade auf dem Damenklo, als sich genau dort Em mit ihrem Ex streitet. Und was passiert? Nie wieder ist davon im Buch die Rede! Oder Tom Ahrens, Ems Lieblingskollege und Kumpel, der eigentlich Mais Posten hätte bekommen sollen. Er kommt im weiteren Verlauf des Buches einfach nicht mehr vor! Enttäuschend! Und so geht das eben weiter.


    Ich vermute beinahe, dass da ein Lektor im Spiel war, der das Buch auf seine jetzige Länge heruntergekürzt hat. Aus irgendwelchen verkaufstechnischen Gründen. Ich persönlich hätte jedoch gerne 50 oder von mir aus auch 100 Seiten mehr in Kauf genommen, und dafür mehr Privates und tatsächliche Konflikte gelesen.


    Ferner hat sich für mein Empfinden die Autorin unterschiedlich gründlich mit ihren beiden Hauptfiguren befasst (oder auch hier ist wieder gekürzt worden...) Ich finde Mai Zhou einfach viel gelungener als Emilia Capelli. Ich habe eine ebenfalls halbchinesische Kollegin, und die hat mir bestätigt, dass Mai Zhou gut getroffen ist, besonders in ihrer kulturellen Zwiespältigkeit. Emilia ist hingegen für mich das reinste Klischee von "karrieregeiler, privat blockierter, ehrgeiziger Ermittlerin". In sie konnte ich mich wesentlich schlechter hinein versetzen.


    Mein letzter Kritikpunkt betrifft die Tatsache, dass es etliche Rechtschreib- und Grammatikfehler im Buch gibt. Mich persönlich stört so etwas immens! Das hätte einfach nicht sein dürfen. So hat Mai Zhou beispielsweise von ihrem chinesischen Vater 36 berühmte Weisheiten mit auf den Weg bekommen. Im ganzen (!) Buch werden sie falsch geschrieben - es heißt "Stratageme" mit "a" und nicht "Strategeme"!! Um nur ein Beispiel zu nennen. (Ganz nebenbei bemerkt: die chinesischen Zitate zu Beginn der Kapitel waren mir auch ein wenig willkürlich gewählt, sie hatten nicht viel mit dem Buch zu tun, waren teilweise auch sinnentstellt. Wiederum mit Rückfrage bei meiner chinesischen Kollegin.)


    Welches Fazit ziehe ich also? Sicherlich gibt es Thriller-Fans, die das Buch lieben werden. Dagegen ist auch weiter nichts zu sagen. Einem kritischen Leser wie mir wird aber auffallen, dass die Autorin eigentlich hinter ihren Möglichkeiten zurück bleibt.

    Stille Wasser sind tief...


    ***


    Zugegeben, einem Fan von rasanten, spannenden Handlungen oder komplizierten, atemberaubenden "Whodunits" würde ich dieses Buch nicht empfehlen. Es ist ein sehr beschaulicher Krimi, sozusagen ein "stilles Wasser". Und dessen Tiefen offenbaren sich erst, wenn man von der üblichen Erwartungshaltung an Krimis Abstand genommen hat.


    Ich persönlich finde, die Krimis um Agatha Raisin lesen sich am besten als Teile einer Reihe. Man sollte sie wirklich hintereinander lesen, denn es geht in ihnen viel mehr um die Charaktere und deren Entwicklungen, als um den aktuellen "Fall". Bei diesem Buch lag z. B. der Reiz für mich darin zu sehen, wie gut sich Agatha in dem Dorf eingelebt hat, und wie sehr sie - leider - immer noch in manchem aneckt...


    Sobald ich begriffen hatte, dass das Ganze eher eine Komödie ist, konnte ich mich zurücklehnen und einfach gut unterhalten lassen. Manche Szenen waren der reinste Slapstick! Agatha ist nämlich immer noch in ihren Nachbarn verschossen, und wie die Beiden sich ständig verpassen oder missverstehen, ist teilweise zum Brüllen...


    Auch das Lokalkolorit hat mir ausnehmend gut gefallen. Die Treffen der Frauengesellschaft, Einladungen in teilweise schmierige Pubs, skurrile Charaktere, ältere Damen und ihre Haustiere... ich fühlte mich oft wie in einem "Inspector-Barnaby-Krimi".


    Der Fall an sich...? Den kann man beinahe vernachlässigen. Mehr durch Zufall tun sich Agatha und ihr attraktiver Nachbar James zusammen, um den verdächtigen Tod des Tierarztes aufzuklären. Er, weil er eigentlich eine Schreibhemmung hat; sie, weil sie so mehr Zeit mit ihm verbringen kann. Die Handlung ist dabei ziemlich "klassisch"; die Beiden streunen herum und stecken ihre Nasen in fremde Angelegenheiten. Die Auflösung ist folgerichtig, und ohne große Überraschungen.


    Schön ist allerdings, dass am Ende das Verhältnis der beiden Detektive immer noch ungeklärt ist... ich glaube, hier dürfen wir in weiteren Bänden noch so manches erwarten! Und - auch - deshalb werde ich weitere Bände mit Interesse lesen.

    Originell und herzerfrischend!


    ***


    Was soll man davon halten, wenn - wieder einmal - ein klassisches Grimmsches Märchen literarisch neu aufgelegt oder als Vorlage benutzt wird? Wenn die Autorin gar Engländerin und nicht Deutsche ist? Und wenn zu allem Überfluss aus dem Märchen ein Krimi gestrickt wird? Nun, das wird von der Nonsens-Toleranz des Lesers abhängen. Und auch von seinem Sinn für Humor.


    Weltliteratur darf man bei diesem Buch sicherlich nicht erwarten - dafür aber viele, herzerfrischende Überraschungen, einen Sinn für schräge Szenen, bissige Dialoge, und schwarzen Humor. Es geht tatsächlich um Gretel (ja, die Gretel!) und ihren Bruder Hänsel, die im 18. Jahrhundert in Bayern leben. Ihre allseits bekannte traumatische Kindheit haben sie unterschiedlich verarbeitet: Gretel wurde Privatdetektivin, und ist dem Luxus anheimgefallen; Hänsel der Trunksucht und dem Müßiggang. Und beide sind sie, nun ja, nicht mehr so unterernährt wie früher...


    Man merkt schon an diesen wenigen Worten: mit dem alten Märchen hat das nicht mehr viel zu tun. Die Autorin ist sicherlich ziemlich respektlos mit dem Ausgangsmaterial umgegangen. Mir hat das Ergebnis jedoch ziemlich gut gefallen. Ich habe wirklich oft schmunzeln und lachen müssen. Gretel ist eine richtige Matrone geworden, die alles und jeden mit bissigen Kommentaren bedenkt. Und Hänsel nutzt jede nur erdenkliche Gelegenheit zu einem, ähem, Wirtschaftsstudium der hochprozentigen Art. Auf ihre ganz eigene Weise ergänzen sich die Beiden jedoch hervorragend!


    Der "Fall" ist für mich ein wenig in den Hintergrund geraten. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass einer Nachbarin, Frau Hapsburg, drei Katzen (!) gestohlen werden. Gretel macht sich auf die Socken, pardon, die Seidenstrümpfe. Und was sich daraus entwickelt, ist schon fast wieder ein Märchen für sich: sie begegnet Trollen und Riesen, wird gefangen genommen und beinahe exekutiert (hatten wir das nicht schon mal?), muss sich mehrmals auf ihren Wagemut verlassen - und am Ende ist man um drei Leichen und etliche Erkenntnisse reicher...


    Ich würde dieses Buch nur halb als Krimi bezeichnen. Mindestens ebenso sehr ist es eine Parodie und Umarbeitung klassischer Märchen, deren Vorzug einfach in der Originalität und dem herrlichen Witz liegt. Besonders genau hat es die Autorin dabei nicht mit dem historischen Kontext genommen - ich wage einfach zu bezweifeln, ob es im 18. Jahrhundert in Bayern schon Zoos, Schulausflüge und Schönheitssalons gegeben hat...


    Man sollte das alles einfach nicht zu ernst nehmen. Tut die Autorin schließlich auch nicht! Mit einem Augenzwinkern und viel Gelassenheit kann man mit diesem Buch ein paar herrlich unbeschwerte Stunden verbringen. Und das ist doch auch schon mal was!

    Da schnurrt auch das Leserherz vor Wohlbefinden
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    Große Hoffnungen hatte ich mir, ehrlich gesagt, bei diesem Buch nicht gemacht. Schon damals konnte ich diesen ganzen Hype um "Felidae" nicht verstehen, den seinerzeit so erfolgreichen Katzenkrimi, der eine ganze Welle auslöste. Irgendwie war es die Mischung aus Titel und Klappentext, die es mich dann doch versuchen ließ. Und ich wurde nicht enttäuscht!


    Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass ich den Schreibstil einer Fred Vargas nicht unähnlich empfinde. Denn auch in diesem Krimi gibt es einen zeitweise ziemlich begriffsstutzigen Kommissar, der in alle möglichen Fettnäpfchen tritt - und den trotzdem alle mögen. Es gibt schräge Dialoge, und noch schrägere Szenen. Wie oft ich gelacht habe, kann ich schon gar nicht mehr zählen! Und doch hatte das Ganze Niveau und Spannung, sowie ein überraschendes Ende.


    Besonders schön fand ich, dass es eben nicht nur die Katzen sind, die den Fall lösen. Insofern sind der Klappentext und der Untertitel natürlich gemogelt. Es ist vielmehr so, dass Kater Serrano die Hinweise seiner Katzenfreunde zusammenträgt, und dann versucht, Kommissar Liebermann (unseren tölpelhaften Fettnäpfchensucher und -finder) auf die richtige Fährte zu bringen. Es war herzallerliebst: man las immer eine Szene aus der Sicht der Katzen, dann wieder dieselbe Situation aus der Sicht der Menschen. Und jeder hat den jeweils anderen für verrückt gehalten... köstlich!


    Sehr genossen habe ich auch die Eifersüchteleien unter den Katzen. Da geht es genauso um Beziehungsgerangel und Neurosenpflege wie bei uns Menschen! Nachfolger, Revierpräsidenten, Geliebte, und sogar übersinnlich begabte Katzen - wer hat sowas schon gehört? Ich nicht...!


    Der Fall an sich hat alles, was ein guter Krimi braucht. Eine zunächst identitätslose Leiche. Verwirrende Spuren. Einen Tischler mit privaten Problemen, dessen Bruder verschwunden ist. Und auch noch einen Frauenmörder, der gleichzeitig die Gegend unsicher macht...


    Die Autorin schafft das Kunststück, alle diese Stränge gleichmäßig im Auge zu behalten. Dem Leser wird wirklich keine Sekunde langweilig! Und sie lässt auch keinen Faden wieder fallen, wie es leider so oft geschieht. Alles wird am Ende schlüssig gelöst - aber auch so, dass ein wenig Überraschungseffekt bleibt.


    Ich habe dieses Buch wirklich unglaublich genossen, sozusagen "weggeschnurrt". Ich werde ganz sicher auch die ersten zwei Bände dieser Reihe lesen - und Werbung für Kater Serrano & Co. machen! Dies ist nämlich kein Krimi, der nur der Werbewirksamkeit wegen von Katzen handelt. Die Autorin mag die Vierbeiner wirklich!

    Zugegeben, ganz "umgehauen" hat mich dieser Krimi nicht. Aber immerhin für zwei Tage ziemlich gut unterhalten! Es ist solide Krimi-Kost, die allerdings am Ende viele Fragen offen lässt. So etwas muss man schon mögen!


    Ich halte nichts davon, Inhaltsangaben wiederzukäuen. Das kann jeder leicht nachlesen. Ohnehin hat das ja mit der Qualität eines Buches wenig zu tun. Ich möchte lieber beschreiben, was für mich das Besondere an diesem Buch war.


    Hector Salgado, ein Argentinier in Spanien. Auch deswegen hatte ich mich für das Buch interessiert, weil hier ja verschiedene Kulturen aufeinanderprallen. Nicht alles, was Spanisch spricht, ist auch gleich! Tja, Hector ist ruppig, trinkfest, raucht viel, und neigt zu Aggressionen. Auch Hector leidet unter dem spurlosen Verschwinden seiner Frau - eine (bewusste?) Parallele zu den Büchern um Roy Grace von Peter James...? Hector hat allerdings einen anderen Charakter. Er benimmt sich manchmal ein wenig wie der berühmte Elefant im Porzellanladen, und neigt zu Zynismus - wenn er etwa sagt, dass Argentinier Erfahrung haben mit dem spurlosen Verschwinden von Leuten... ein bitterböser Satz! Insgesamt war mir Hector jedoch sympathisch.


    Das Buch war insgesamt schon gut aufgebaut. Immer wieder wird klar, dass es in der Vergangenheit zu einem ungeheuren Vorfall gekommen sein muss - als nämlich 8 Mitarbeiter der Firma "Alemany Kosmetik" an einem Motivations-Wochenende teilgenommen haben. Alle diese damaligen Teilnehmer bekommen eigene Kapitel mit eigenen Sichtweisen. Das hat das Buch belebt und aufgelockert. Sehr gut!


    Es ging also gar nicht so sehr um Hector im Vordergrund. Denn ein weiterer Kunstgriff des Autors lenkt den Leser von Hector ab: in einem zweiten Handlungsstrang ermittelt die hochschwangere Leire Castro heimlich weiter, was das Verschwinden von Salgados Frau angeht. Sie ist dabei pfiffig und hartnäckig. Mir hat sehr gefallen, dass man hier als Leser letztlich seine eigenen Schlüsse ziehen muss... die allerdings in eine bestimmte Richtung deuten.


    Der Tonfall des Buches war auch ziemlich eigen. Die Schreibweise hat mich an gewisse "hard-boiled" Krimis der amerikanischen Tradition erinnert. Immer wieder fallen Ausdrücke wie "am Arsch sein" oder "dafür muss man Eier haben"... Auch die Offenheit des Buches gegenüber Abweichungen vom sexuellen Mainstream war erstaunlich. Es gibt hier eine offen geführte Homo-Ehe, ebenso wie eine S/M- Beziehung.


    Was mir weniger gefallen hat, war die Tatsache, dass doch weniger Barcelona-Flair aufkam, als ich dachte. Manchmal joggt Hector am Strand, oder er bewegt sich zwischen diversen U-Bahn-Stationen oder Straßennamen. Aber an und für sich hätte dieser Krimi in jeder anderen Stadt spielen können. Ein wenig schade! Allerdings gibt es diverse Anspielungen auf aktuelle Probleme in Spanien: wie z.B. die zahlreichen Latinos, oder die nordafrikanischen Einwanderer. Sowie die Beziehung Spanier / Katalanen.


    Ich vermute, dass es sich bei Hector Salgado um eine Figur handelt, die man über längere Zeit begleiten müsste, um sie richtig ins Herz zu schließen. Es gibt bereits einen ersten Band, den ich zu 90 % geneigt bin, zu lesen. Als Fazit zum "Einzigen Ausweg" sage ich: wer Krimis mit einer etwas härteren Gangart mag, die routiniert geschrieben sind - der bediene sich bitte!

    Ich möchte mich der Meinung von SchwarzesSchaf anschließen. Genau diesen Frust hatte ich auch! Hier nun meine Rezension.


    ***


    Diesmal habe ich absolut keine Lust, eine lange Rezension zu schreiben. Und zwar aus dem Grund, weil das Buch vor allem eines bei mir zurücklässt: Ratlosigkeit. Ich weiß weder genau, ob es mir gefallen hat, noch, was das Ganze eigentlich sollte. Wessen "Schuld" das nun ist, vermag ich nicht recht zu beurteilen. Vielleicht war es der vielbeschworene falsche Zeitpunkt für mich und das Buch? Oder meine Erwartungen waren einfach zu hoch?


    Die Leseprobe hatte ich geradezu verschlungen, und hatte den Eindruck, es handle sich um ein postmodernes Kabinettstückchen, ein Verwirrspiel und literarisches Rätsel - in etwa vergleichbar mit "Wenn ein Reisender in einer Winternacht" von Italo Calvino, das zu meinen absoluten Lieblingsbüchern zählt. Vermutlich war diese Erwartung einfach zu hoch gegriffen. Ich würde das Buch allerhöchstens als Jugendbuch, als Schnitzeljagd, als unentschlossenen Rahmen für diverse Schnipsel bezeichnen - so leid es mir auch tut.


    Ich will gerne zugeben, dass das Buch in der Tat für Verwirrung sorgt - allerdings auf eine für mich unbefriedigende Weise. Eine scheinbar tote junge Frau schickt ihren Freund durch Briefe und E-Mails auf eine Schnitzeljagd quer durch Paris und New York, die ihn dazu bringen soll, mehr über sie zu erfahren, und ihre Lieblingsplätze und -dinge zu erkunden. Das wäre an sich ja noch nett gewesen - aber für mich war die Geschichte schon damit überfrachtet, dass auch noch völlig haarsträubende Mordgeschichten in diese Briefe und Mails eingeflochten wurden. Anfangs dachte ich noch, hier gäbe es literarische Anspielungen zu entdecken - eine der ersten versteckten Mails von Tomomi las sich ein wenig wie eine Geschichte von Paul Auster. Aber das war es dann auch schon. Alle weiteren Briefe und Mails waren nur noch langatmig, kamen nicht zum Punkt, und ließen teilweise keinerlei Zweck erkennen.


    Gefrustet haben mich noch weitere Aspekte; z. B. dass man so gut wie nichts über die Protagonisten erfährt. Nur in gut versteckten Nebensätzen erfährt man das Alter von Tomomi und ihrem Freund Ben. Bens Beruf, den ich nicht einmal als solchen bezeichnen würde, findet man auch eher per Zufall heraus. Ansonsten scheinen beide eher ziellos in die Welt hinein gelebt zu haben. Und das mit 33 Jahren (Tomomi) und 38 Jahren (Ben)? Wovon haben sie eigentlich gelebt?? Und wieso kann Ben auf einmal auf eine halbe Weltreise gehen, einfach so, ohne seinen Job zu gefährden?? Sie rauchen, gehen spazieren, sitzen in Bars. Und reden doch meist aneinander vorbei. Sehr verquere Situation!


    Das Ende war für mich verdreht und übers Knie gebrochen. Und auch sprachlich hatte ich an sehr vielen Dialogen etwas auszusetzen - gegen Ende hin waren die Gespräche einfach nur noch mühsam zu lesen, es gab viel zu viele "Tut mir leid" und "Ich dachte, dass du dachtest, dass..." - gäääähn. Was ich dem Buch noch zugute halten möchte, ist die an sich gute Grundidee, die netten Ortsbeschreibungen, und ein paar (wenige) gelungene Nebencharaktere. Ansonsten weiß ich, wie gesagt, nicht so recht etwas mit dem Buch anzufangen.

    [quote]Original von maikaefer
    @ rumblebee: Bei den Eulen gibt es keine drei Sterne - hier können bis zu 10 Eulenpunkte vergeben werden.


    Ja, weiß ich! Meine "drei Sterne" würden in etwa 6 Punkten entsprechen.


    Und nochmals ja - ich finde es auch immer wieder interessant, wie unterschiedlich Meinungen ausfallen können. Aha, "Vom Winde verweht" handelt also auch von Scarletts Vater...? Das Buch habe ich nie gelesen, obwohl es hier im Regal steht.


    Hm, dann sollte ich das mal nachholen...!


    Da es ein amerikanischer Klassiker ist, und Liz Gilbert ja auch Amerikanerin ist... hm, würdest Du sagen, sie hat sich hier vielleicht ein Vorbild gesucht?


    Besten Gruß!

    Ich bin auch begeistert, hasewue! Hier meine Rezi.


    ***
    Nichts ist, wie es scheint - und das ist auch gut so!



    Selten habe ich einen Krimi oder Thriller gelesen, der mich so sprachlos zurückgelassen hat - und zwar im positiven Sinne! Fast möchte ich gar keine Rezension schreiben, weil ich das Gefühl habe, dem Buch niemals mit Worten gerecht werden zu können. Aber anderen Lesern nicht von diesem grandiosen Lese-Erlebnis zu erzählen, wäre ein ebensolches schändliches Versäumnis.


    Dies war mein erster Harry Hole, aber sicher nicht mein Letzter! Das Buch enthielt alles für mich, was ich erwartet hätte, und noch viel mehr. Starke Charaktere, großzügig dosierte Spannung, atmosphärische Beschreibungen, und eine unglaubliche Anzahl an überraschenden Wendungen. Den Inhalt möchte ich gar nicht weiter zerreden, sondern lieber auf die positiven Seiten eingehen.


    Sehr gut war zum Beispiel, dass das Buch eigenständig ist, und ich die vorigen Bände nicht vermisst habe. Allerdings wurde dem Hole-Neuling auch nicht alles "vorgekaut", es blieb genug Raum, um neugierig auf die anderen Bände zu werden. Es wurde deutlich, dass Harry Hole ein Getriebener ist - und dass er trotzdem, oder auch gerade deswegen (?), der beste Ermittler ist.


    Ein sehr findiger Kniff des Autors war natürlich, im ersten Drittel völlig offen zu lassen, ob Harry überhaupt auftaucht. Er wird erst durch dramatische Ereignisse dazu gezwungen, doch wieder zu ermitteln. Angesichts von Harrys sehr eigenem Charakter war das logisch, und fühlte sich überzeugend an. Überhaupt: der Autor hat ein wirklich unglaubliches Händchen für unerwartete Wendungen! Derart raffinierte Cliffhanger, und auch noch in dieser Anzahl, habe ich noch nicht erlebt! Oft saß ich da und rieb mir die Augen vor Verblüffung. wie bitte?! Hatte ich da jetzt etwas falsch verstanden?! Schnell zurück geblättert. Doch nein, beim genauen Lesen stellte ich fest - es war vieles interpretierbar. Der Autor spielt in einem hohen Grad mit den Erwartungen des Lesers, und das kann ich nur meisterhaft nennen!


    Dann wieder war ich überaus positiv überrascht von der rein literarischen Qualität des Buches. Doch, ich würde es sogar ein zweites Mal lesen wollen, "obwohl" ich jetzt den Fortgang und die Auflösung kenne. Es gab so viele tolle sprachliche Bilder, Vergleiche, dichte Stimmungen. Oslo im abendlichen Sonnenuntergang. Leere Krankenhausflure, die von Geistern bevölkert sind. Die professionellen Verstrickungen eines Psychiaters. Eine Beinahe-Vergewaltigung. Verführung, Schuld und Zweifel. Und und und. Einfach genial!


    Das Buch ist auch kein reiner Thriller. Ich würde sagen, dass es zu gleichen Teilen Krimi UND Thriller ist. Denn eigentlich werden im Buch zwei (!) Verbrecher gejagt und zwei Absichten verfolgt. Der eine wird enttarnt und gestellt. Der Handlungsfaden um den anderen jedoch bleibt völlig offen, und erfährt noch auf der allerletzten Seite eine beklemmende Wendung...garstig gut! Mir ist außerdem aufgefallen, dass - sei es bewusst oder unbewusst - besonders im ersten Drittel des Buches Anklänge an berühmte Vorgänger des Genres vorhanden sind. Vor allem an "Das Schweigen der Lämmer". Für mich hat das den Reiz der Lektüre noch gesteigert.


    Nur der deutsche Titel hat mich irritiert. Koma? Um den Koma-Patienten geht es eigentlich nur am Rande. Den Originaltitel finde ich da viel aufschlussreicher: "politi", in der englischen Fassung "police". Genau das ist es. Es geht um einen Killer, der sich an der Polizei rächt. Und um diverse moralische Verirrungen von Polizeibeamten. Was man sich bei der Übersetzung gedacht hat, erschließt sich mir nicht völlig.


    Ich kann das Buch nur wärmstens empfehlen. Zum Beispiel solchen Lesern, denen Wallander immer eine Spur zu zahm war. Oder die offene Enden und lose Fäden mögen. Die sich völlig in den Bann eines Buches begeben wollen, weil sie überhaupt keine Chance haben, selber auf die Lösung zu kommen. Die gehobene Kriminalliteratur schätzen. Harry Hole ist für mich der beste Beweis, dass Thriller kein Schund sein müssen.

    Zitat

    Original von Herr Palomar


    Sorry, da ich nicht in der Buchbranche bin, verstehe ich nicht ganz.
    Was ist denn mit dem Verlag?


    Das Buch habe ich auch noch daliegen und werde es bald lesen.



    Der Verlag Zabert-Sandmann steht - für mich zumindest - eher für "bebilderte Sachbücher", vor allem Kochbücher (!). Also eher in die Do-it-yourself-Schiene. Eine Autobiographie hätte ich in diesem Verlag am allerwenigsten vermutet!

    Ohne Moos nix los...



    Zugegeben, mein Titel mag etwas flapsig erscheinen. Doch das liegt daran, dass ich dieses Buch so schwer fassen kann. Auch nach der Lektüre! Ich war vorher skeptisch, weil Elizabeth Gilbert bisher noch keinen "richtigen" Roman geschrieben hatte, sondern "nur" über sich selbst. ( "Eat, Pray, Love" kenne ich. ) Und dann auch noch ein Historischer Roman - und gleich 700 Seiten...! Meine Skepsis ist indessen geblieben. Ich habe den Eindruck, die Autorin versucht, durch schiere Fabulierfreude und Seitenzahl so manchen inhaltlichen und stilistischen Mangel wettzumachen. Ob man das nun mag, bleibt jedem Leser selber überlassen. Bei mir reicht es für 3 relativ ratlose Sterne.


    Ist es wirklich ein Historischer Roman? Hier fangen schon meine Schwierigkeiten an. Meine Antwort ist ein sehr gedehntes "Jein". Ein Historischer Roman sollte eine Epoche ganz und gar widerspiegeln, er sollte zeigen, dass die Geschichte so und nicht anders erzählt werden musste. Er sollte um der ganzen Zeit willen erzählt werden. Bei Liz Gilbert habe ich so meine Zweifel, was dies betrifft. Im Wesentlichen hat sie die Geschichte einer starken Frau geschrieben, die aber genauso in jeder anderen Zeit hätte spielen können. Sie hat sich meiner Ansicht nach sehr in ihre Hauptfigur Alma Whittaker verbissen (und sich selbst auch ein wenig in ihr gespiegelt). Das 19. Jahrhundert und seine Umstände scheinen nur eine recht willfährige Hintergrundfolie zu sein. Besonders in den Dialogen und persönlichen Verwicklungen zwischen den Figuren gibt es ungeheure Längen, die mich oft haben ungeduldig werden lassen. Und es erschien mir sehr "gewollt", dass dann zeittypische Umwälzungen wie die Abschaffung der Sklaverei und die Darwinsche Evolutionstheorie eingebaut wurden - es schien fast, als sollte dies dem Buch seine Rechtfertigung verleihen.


    Alma ist Wissenschaftlerin, Botanikerin, Moosforscherin. Hm! Die Begründung hierfür erscheint mir dünn. Sicher, sie wuchs in einem stark an Wissen orientierten Haushalt auf, und ihr Vater handelte mit Pflanzen. Aber wie sie zu den Moosen kam, wird auf einer einzigen gefühlten Seite abgehandelt. Und auch später reichen mir die wissenschaftlichen Hintergründe nicht wirklich aus. Alle Schilderungen diesbezüglich schwanken zwischen netter Plauderei und Lexikoneintrag. Mir ist außerdem schleierhaft, was die Illustrationen in dem Buch sollten. Sicher, es sind nette Zeichnungen von Pflanzen. Aber sie stehen in keinerlei (!) inhaltlichem Zusammenhang mit dem jeweiligen Kapitel, sind also - schön, aber nutzlos. Sehr schade. Das grenzt für mich an Augenwischerei.


    Und auch der Verlauf des Handlungsfadens hat mich oft nicht überzeugt. "Spannungsbogen" möchte ich es nicht nennen! Die ersten zwei großen Abschnitte hätte man, meiner Ansicht nach, weglassen können. Im ersten geht es um die Lebensgeschichte von Almas Vater. Nett, aber - zuviel. Ich brauchte das nicht, um Alma zu verstehen. Und im zweiten geht es auch nicht um eine "Handlung" im eigentlichen Sinne, sondern um Almas Kindheit in diversen, ausgedehnten Schnappschüssen. Hier etabliert sich ein Schreibstil, der sich auch in den späteren Kapiteln mit Handlung leider nicht mehr verliert: Der Handlungsfaden mäandert oft vor sich hin, kommt vom sprichwörtlichen Hölzchen aufs Stöckchen. Immer, wenn man denkt, "nun ginge es aber endlich los", springt die Autorin zu einem weiteren - oft unwichtigen - Detail, und walzt es aus. Recht frustrierend! Recht oft gibt es auch Zeitsprünge, die sich mir logisch nicht erschlossen haben. Mitten im Buch fehlen zum Beispiel 26 (!) Jahre. Und am Ende von Almas Leben wird ebenfalls gerafft, was das Zeug hält. Sorry, für mich ist das ein zu billiges Mittel.


    Der ganze Tonfall der Erzählweise von Elizabeth Gilbert hat mir Rätsel aufgegeben. Eigentlich müsste ich in die Originalfassung schauen, um das abschließend zu beurteilen. Auf Deutsch jedenfalls kommt ein eigenartiger Mischmasch aus historisierender Sprache und auktorialen Einschüben heraus. Die Sprache schien oft sehr gestelzt ("indessen", " allein, sie hatte...."). Und oft mischte sich die Autorin in die Beschreibungen ein, und ich fragte mich, was das sollte. "Das ist nicht weiter von Interesse". "Alma wusste noch nicht, dass...". "Wollte sie nun dies, oder jenes? Wir wissen es nicht." Diese Einschübe passen in einen humoristischen Roman à la Laurence Sterne oder Henry Fielding, aber hier...? Mir ist im Ganzen einfach nicht klar, welche Haltung die Autorin zu ihren eigenen Figuren einnimmt. Sie schildert sie mit einer Mischung aus Naivität und Verirrungen, die ich oft nicht nachvollziehen konnte.


    Noch so ein Punkt - diese ganzen Schicksalsschläge in Almas Leben. Vieles wirkte sehr gewollt, und aus meiner Sicht allzu leicht durchschaubar. Natürlich stimmte etwas nicht mit dem Mann, den sie schließlich geheiratet hat. Als aufmerksamer Leser konnte man den "Grund" allerdings schon kilometerweit vorher erahnen! Die Entfremdung von der eigenen Adoptivschwester, die verrückte Freundin Retta Snow, der Aufenthalt auf Tahiti - das alles wirkte wie ein wenig ungelenk aus einem viktorianischen Schmöker adaptiert. Zu viel gewollt, zu wenig wirklich gekonnt. Nicht zuletzt hat mich auch die Rolle der Sexualität im Buch ein wenig befremdet. Die Beschreibungen waren oft sehr schlüpfrig-süßlich, was es für mich nicht gebraucht hätte.


    Tja, es werden drei Sterne, aber wie gesagt eher aus Ratlosigkeit. Ein "geschlossenes Ganzes" ergibt das Buch für mich jedoch nicht. Ich habe immer weiter gelesen, was allerdings eher daran lag, dass allein Alma als Figur das Ganze zusammengehalten hat. Das Buch ist für mich eine Versuchsanordnung, die sich um einen Charakter rankt, der vom Erzählstil her eher in die heutige Zeit passt. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt - wäre das Buch ebenso bejubelt (und überhaupt veröffentlicht) worden, wenn nicht der Name "Elizabeth Gilbert" auf dem Umschläge stünde? Das darf man wohl bezweifeln.

    Sachbuch? Wohl eher Klatsch-Kolumne...



    Auch nach dem Lesen des gesamten Buches bleibt mein größtes Problem genau dieses, wie schon nach der Leseprobe: was will mir dieses Buch eigentlich sagen? Gehöre ich zur Zielgruppe? Wer ist überhaupt die Zielgruppe? Und ist es wirklich ein Sachbuch? Lauter Fragen, die ich geneigt bin negativ zu beantworten.


    Als Sachbuch wird es beworben und offiziell eingeordnet. Gut, es ist sicherlich ansprechend und hochwertig aufgemacht: Es handelt von tatsächlichen Ereignissen. Es bietet eine Fülle (oft recht seltsamen) Bildmaterials. Sämtliche Quellen werden minutiös angegeben. Es gibt Hinweise auf weiterführende Literatur. Und im Vorwort wird angegeben, es wolle zum Träumen verführen.


    Doch halt, da sind wir schon beinahe beim zweiten Genre, in die dieses Buch unversehens hineinstolpert. Nämlich die Kategorie "Werbeprospekt" oder "Reisejournal". Der Tonfall des Autors, obschon sachlich gehalten, hat mich doch oft ein wenig verblüfft zurückgelassen. Er klingt oft so, als sei er der Inhaber bzw. Reiseführer an den beschriebenen Orten. Er erklärt und entschuldigt mancherlei Exzesse, die dort stattgefunden haben. Er spielt die Macken der dort ansässigen Schickeria herunter, macht sie zugänglich. Er beschreibt, wo man heute noch hinfahren kann, was sich lohnt, was heute noch existiert. Und im Anhang gibt es sogar die Adressen der berühmtesten Hotels!


    Es gibt noch eine dritte Schublade, in die ich dieses Buch stecken würde, und zwar die - wenig schmeichelhafte - der Klatsch-und-Tratsch-Kolumne. Ganz wie in einem Society-Magazin. Merkwürdig, im Kapitel über St. Moritz mokiert sich der Autor noch darüber, dass es früher üblich war, dass Luxus-Hotels ihre Gästelisten in den Zeitungen veröffentlichten - doch im Grunde macht er mit seinem Buch genau dasselbe. Er reiht oft Namen aneinander, wirft mit Titeln und Anekdoten nur so um sich. Das wäre ja kein Problem, wenn die Personen dem Leser wenigstens näher gebracht würden. Denn ich möchte mal schätzen, dass dem Durchschnittsleser, wenn es hoch kommt, gerade mal ein Drittel der Erwähnten bekannt sein dürfte...Oft habe ich gedacht, jetzt gibt er aber kräftig an. Das nennt man auch "name-dropping".


    Tja, was will dieses Buch? So wirklich hat sich mir dies nicht erschlossen. Sechs Orte, auf jeweils gefühlten 10 bis 20 Seiten beschrieben. Ja, nicht einmal beschrieben, oft nur überflogen. Um in die Geschichte eines Ortes wirklich einzutauchen, wäre es meiner Meinung nach besser gewesen, sich zu beschränken. Nur drei Orte, dafür mehr Seiten. Und weniger Aufzählungen. An manchen Stellen sagt der Autor es sogar wörtlich, es gäbe ja noch viel mehr zu erzählen, er wolle aber nur noch eine Reihe von Namen erwähnen, die dort gewesen seien. Aber was, um alles in der Welt, bringt mir eine Liste von Namen? Die ich eben teils nicht einmal kenne? Im ganzen Buch erinnere ich mich an nur eine einzige Stelle mit aktuellem Gegenwartsbezug, die ich sogar recht witzig fand. Als er nämlich erwähnt, dass die Balinesen vom Welterfolg des Buches "Eat, Pray, Love" mittlerweile ziemlich angenervt sind... gerne hätte ich mehr solcher Stellen gehabt. Und nicht den x-ten Exzess von Baron soundso.


    Dennoch verleihe ich dem Buch drei recht wohlwollende Sterne. Es wird auf meinem Lese-Radar den Platz einer literarischen Kuriosität einnehmen, die zwar erkennbar Anspruch hat, die jedoch ihre Ziele - zumindest für mich - nicht eindeutig definiert.

    Hallo DraperDoyle,


    da sagst Du etwas Wahres. Du setzt "Auto"biographie in Anführungszeichen. Genau das ist auch, was ich denke. Ich glaube, rein aus sich heraus hätte Sven Hannawald nie ein Buch geschrieben. Das Bild mit dem "Vors-Mikrofon-zerren" trifft es für mich ziemlich gut.


    Er scheint sich selber immer noch nicht wirklich hinterfragt, geschweige denn verstanden, zu haben. Oder es wird uns Lesern nicht mitgeteilt.


    Na ja, die Wahl des Verlages spricht da ja auch Bände... :-)

    Skisprung kommt vor dem Fall



    Nicht ganz einfach, diese Rezension. Man kann das Buch auf mehreren Ebenen bewerten, und nicht alle davon finden zum gleichen Ergebnis. Doch von vorn.


    Zunächst einmal hatte mich verwundert, dass das Buch im Zabert-Sandmann-Verlag erschienen ist - ein Verlag, der - zumindest bei mir - eher für bebilderte Sachbücher, insbesondere Kochbücher, steht. Und nicht für Autobiographien. Doch ich stelle fest, dass das Buch dem Verlagsprofil weitestmöglich angeglichen wurde: Hochglanzpapier, viele Fotos, Erklärungen zur Sportart Skispringen, Interviews, kleinschrittige Beschreibungen, gute Verständlichkeit. Sehr ansprechend aufgemacht, und insofern hohe Punktzahl von mir.


    Auf der nächsten Ebene punktet das Buch bei mir schon deutlich weniger. Ist es wirklich eine Autobiographie? Hier möchte ich mit einem sehr gedehnten "Jein" antworten. Wie ich schon nach der Leseprobe vermutet hatte - Sven Hannawald ist ein eher direkter, natürlicher Mensch, der es nicht gewohnt ist, über sich zu sprechen. Das merkt man dem ganzen Buch an. Das Buch wirkt auf mich wie ein schüchterner Mensch, der vor ein Mikrofon gezerrt wurde, und der nun aus lauter Verlegenheit anfängt, Banalitäten aneinander zu reihen. "Und dann machte ich...", "und dann folgte..." - und so weiter.


    Damit möchte ich, wohlgemerkt, weder Herrn Hannawald, noch seine Geschichte abqualifizieren! Aber das Buch wirkte auf mich eben, ehrlich gesagt, streckenweise oberflächlich und langweilig. Seitenweise Hintergründe über das Skispringen, die Geschichte des Sports, die Entwicklung des Sprungstils, die verwendeten Materialien, der Bau der Schanzen... hm, für Sportfans sicher ganz interessant. Ich hatte das Buch jedoch aus persönlichen, menschlichen Gründen lesen wollen. Zumal es ja im Wesentlichen um einen Burn-Out gehen sollte. Doch wirklich persönlich wird Sven Hannawald kaum.


    Es sei ihm natürlich gegönnt, seine Privatsphäre und seine Gefühle zu schützen. Dennoch, dann hätte man sich eindeutiger entscheiden können. Entweder ein reines Sportbuch, oder eine persönliche Geschichte. Besonders in den letzten zwei bis drei Kapiteln ist mir da einiges sauer aufgestoßen. Innerhalb von gefühlten zwei Seiten war er zunächst liiert, dann wieder getrennt, die Psychologin erzählte auf einmal von einer "komplizierten Beziehung", dann wieder hatte er einen Sohn (??), dessen Mutter nie genannt wird, und zum Schluss will er heiraten. Sorry, das war mir alles zu sehr verworren. Dann hätte man das Private lieber gleich ganz weggelassen.


    Man merkt allerdings sehr deutlich, dass die Zusammenarbeit mit einem Co-Autor eng war. Ulrich Pramann hat ganze Arbeit geleistet, hat verdichtet, hat das Interessante aus Svens Erzählungen herausgeholt. Und er hat auch angeregt, alte Wirkungsstätten und ehemalige Trainer zu besuchen. Das fand ich eine schöne Idee! Allerdings versandet diese Idee beinahe. Immer nur gefühlte ein bis zwei Zeilen zu Beginn jedes Kapitels über einen solchen Ausflug in die Vergangenheit, dann geht es wieder ellenlang um den Sport. Nun, es kann natürlich sein, dass genau das mir als Botschaft aus dem Buch überbracht werden sollte: dass es, neben dem Sportler Hannawald, den Privatmenschen Hannawald so gut wie nicht gegeben hat. Das erschüttert mich ein wenig...


    Noch eine Kleinigkeit fiel mir auf. Sven Hannawald meinte nämlich, dem Leser manche Begriffe "erklären" zu müssen. Das wirkte teils possierlich, teils auch peinlich. Gut, dass ein medizinisches Erstgespräch "Anamnese" heißt, mag nicht jeder wissen. Aber dass man einem Leser noch erklären zu müssen glaubt, dass die physikalische Krafteinheit "Newton" lautet, also bitte, da war ich ein wenig pikiert. Fragt sich natürlich, welche Leserschaft man im Auge hatte.


    Insgesamt siedelt sich meine Bewertung im mittleren Feld an. Das Buch ist nicht schlecht, schlicht anders, als ich erwartet hatte. Einem Hardcore-Fan von Biographien würde ich es unter Umständen eher nicht empfehlen. Einem Sportfan schon.

    Das Gegenteil von gut ist nicht schlecht, sondern "gut gemeint" - so sagte mir einmal ein guter Freund. Selten liess sich das so gut demonstrieren, wie an diesem Buch. Ich möchte vorab allerdings betonen, dass ich durchaus den Anspruch anerkenne, den der Autor verfolgt hat. Doch ich denke eben auch von der Perspektive der Leser her, die das Ganze dann verarbeiten müssen. Und in diesem Sinne, wenn es mir auch leid tut, möchte ich nicht mehr als einen Stern vergeben. Damit klar ist, dass mich dieses Buch enttäuscht hat.


    Das Ganze ist total "verkopft" geraten, und damit erreicht man einfach keine Leser. Jedenfalls keine Leser wie mich. Die Idee war schön - zum 25. Jahrestag des Gladbecker Geiseldramas einen Roman zu schreiben. Wobei allerdings der passgenaue Veröffentlichungstermin wieder für sich spricht. Jedoch - der Geist war willig, das Fleisch war schwach. Die Umsetzung konnte mich in vielerlei Hinsicht leider nicht überzeugen.


    Mich hat beispielsweise maßlos enttäuscht, dass die angeblichen vier Jahre Recherchezeit nicht deutlicher werden. Sprich, was den reinen Informationsgehalt über das Geiseldrama angeht, hat mir (als damaliger Zeitzeugin) das Buch so gut wie nichts gebracht, das ich nicht schon wusste - oder das sich nicht in ein oder zwei Stunden seriöser Recherche selber hätte herausfinden lassen. Vier Fünftel des Romans werden auf 7 erfundene Nebenfiguren verwendet, die teilweise nur lose, teilweise auch fast gar nicht mit dem Drama zu tun haben.


    Ich persönlich empfinde drei von diesen sieben Nebenhandlungen als komplett überflüssig. Die anderen vier sind halbwegs relevant, was eine mögliche "Moralisierung" des Dramas angeht. Aber auch hier wird ausgewalzt und überzeichnet, was das Zeug hält. Und das Schlimme daran: man verliert vor lauter Nebenfiguren die Geiselnehmer aus den Augen. Sie kommen vergleichsweise gut weg, erhalten fast so etwas wie Sympathiepunkte - im Gegensatz zu so manch einem Kotzbrocken, der als Nebenfigur durch das Buch torkelt. Und das finde ich derart grenzwertig, dass es mich gruselt. Das hat der Autor bestimmt so nicht beabsichtigt.


    Ein weiterer großer Kritikpunkt ist für mich die Sprache. In den ersten zwei Dritteln des Buches tummeln sich Unmengen von garstigen Schachtelsätzen, bei denen man vor lauter Kommata den Sinngehalt erstmal suchen muss. Und die gewählten Metaphern und weiteren sprachlichen Bilder sind - ich muss es leider so sagen - dermaßen unterirdisch, dass ich von meiner Deutschlehrerin dafür Haue bekommen hätte! Eine der Nebenfiguren ist Autorin von kitschigen Bahnhofskiosk-Liebesromanen. Es scheint, sie habe sich hier materialisiert, und sich austoben dürfen. Ein "Bizzeln im Anus"? "Wälzt sich in der Dusche wie ein räudiger Rüde"? Wo sind wir hier, bitte??


    Die "Krönung des Ganzen" war für mich die Tatsache, dass die Psychologie der meisten Figuren sehr banal bis ordinär auf Triebe wie Sex, Alkohol oder Gewalt reduziert wird. Sicher gibt es solche Menschen, und sicher treten in Extremsituationen manche ungeliebten Eigenheiten zutage. Aber hier wirkt es nun leider, durch die erwähnten Überzeichnungen, wie ein schlechter Witz seiner selbst, wie eine verspätete Entschuldigung des Dramas. Und über allem schwebte auch noch diese verdammte Gluthitze...


    Nein, das kann ich nicht akzeptieren. Bei einem Roman, der "wichtig" und gesellschaftlich relevant sein will, erwarte ich mehr als das. Mehr als Bildzeitungsniveau. Vor allem erwarte ich eine überzeugende Herleitung, Ursachenforschung und Aufarbeitung. All das fehlt hier nahezu gänzlich.


    Mein Fazit: Gut gemeinter Rohrkrepierer.

    kissy, ich kann Dir in allen Punkten zustimmen! Man sollte einfach nicht so sehr auf den Klappentext achten, dann wird man mit einem großartigen Buch belohnt. Überhaupt habe ich mir das mit den Klappentexten in der letzten Zeit weitestgehend abgewöhnt. Für dieses Buch hatte ich mich hauptsächlich aufgrund seines Autors interessiert. Der ist ja sattsam bekannt - spätestens seit den "Neun Pforten"...!


    Hier noch der Text meiner eigenen Rezension.


    Titel: "Mit Schirm, Charme, und Melone..."



    .. so könnte man dieses Buch überschreiben. Denn eine der Hauptpersonen ist Max Costa, seines Zeichens Gentleman, Gauner und Gigolo. Über Jahrzehnte hinweg und auf verschiedene Handlungsstränge verteilt, erfahren wir von seiner lebenslangen Faszination für Mecha Inzunza, die er eigentlich zufällig an Bord eines Ozeandampfers kennenlernt, in seiner Tätigkeit als "Eintänzer" dann anspricht und umgarnt, verführt, und dann doch ausraubt und aus den Augen verliert. Bis... 9 Jahre später in Nizza. Und danach bis... wiederum 29 Jahre später in Sorrent...


    Das Buch wird in der einschlägigen Werbung und im Klappentext zuvorderst als Liebesgeschichte angepriesen. Doch dem würde ich widersprechen wollen. Sicher, Mecha und Max kommen nie wirklich voneinander los. Aber erstens finde ich, dass es doch eine recht merkwürdige Definition von "Liebe" darstellt, zwar bei fast jeder Gelegenheit übereinander herzufallen, sich aber dennoch zu misstrauen, Forderungen zu stellen, und sich sogar zu verraten. Rein sachlich betrachtet, nimmt der Anteil an Spionagehandlung, Geheimnis und Verfolgung, ab der Mitte des Buches einen mindestens ebenso großen Teil ein - der mich persönlich deutlich mehr fasziniert hat.


    Eine dritte Ebene des Buches könnte man als einen "Abgesang" auf den Untergang einer Epoche bezeichnen - die Reichen, Schönen und Sorglosen, die jedoch von zwei Weltkriegen in ihrem Selbstverständnis erschüttert werden. Auch dieser Anteil des Buches hat mich ausgesprochen fasziniert, da er von minutiös recherchierten Details und einer überaus eleganten Sprache getragen wurde. Da geht es um Mode, Getränke, Bekleidungsmarken, Tänze, Autos, Salons und Möbel. Das ganze Buch hindurch bewegte ich mich in einer geradezu samtenen Sprache, in der man wie in einem Plüschsessel versinken konnte. Man fühlt sich mittendrin in diesen Salons und auf diesen Gesellschaften. Und am Ende weiß man, wie auch Max, dass diese goldenen Jahre im Grunde vorbei sind.


    Ich fand das Buch zudem in seiner Struktur großartig gemacht! Sicher musste man sich sehr konzentrieren. Innerhalb jedes Kapitels wird, präzise abgezirkelt und berechnet, zwischen der "Jetzt"-Handlung, also dem Wiedersehen in Sorrent, und den "zwei Vergangenheiten" von Max und Mecha hin- und hergesprungen. Durch diese Technik werden gewisse Verwicklungen, die sich immer wiederholen, besonders genau betont - wie zum Beispiel die Tatsache, dass Max zweimal in seinem Leben einen gefährlichen Einbruch überstehen muss, der jedesmal irgendwie mit Mecha zu tun hat. Oder die Motive von Eifersucht und Voyeurismus. Max' Fluchten und wechselnde Identitäten. Und natürlich der Tango! Besonders gut kommt dabei die Wahl des Präsens als Erzählzeit für das "Jetzt" in Sorrent zur Geltung - die Rückblicke sind jedesmal in der Vergangenheitsform beschrieben. So kommt man, trotz der teilweise abrupten Übergänge, nicht ins Schleudern.


    Ja, der Tango... ist für mich wie ein "heimlicher Held" des Romans. Ausführlich wird dessen Geschichte und Charakter beschrieben. Zumal ja Max in seinem "früheren Leben" professioneller Eintänzer für reiche Damen war. Sehr nett fand ich den Einfall des Autors, Mechas Ehemann einen Tango komponieren zu lassen, der angeblich auf einer Wette mit Maurice Ravel beruht - dessen weltberühmtes Stück "Bolero" es ja wirklich gibt... Ob es allerdings Armando de Troeye wirklich gegeben hat, oder gar dessen Tango, weiß ich derzeit nicht zu beurteilen. Ich weiß nur, dass das Buch mir ungeheure Lust auf diese Musik gemacht hat - deren Urwüchsigkeit, aber auch deren anrüchigen Anteile, und erotischen Untertöne.


    Ich war nahezu traurig, als sich das Buch seinem Ende zuneigte. Ich habe Max und Mecha gerne begleitet - wenngleich ich sie auch nicht immer verstanden habe. Aber das war nicht das Wichtigste an diesem Buch. Wichtig waren für mich die Atmosphäre, die unglaublich dicht und plastisch war. Die spannende, sich gegen Ende hin immer weiter verzwickende Handlung. Der Tango. Das Schachspiel. Und der Abschied von einer Welt des Glanzes und Reichtums, der mit Anbruch der neuen Zeit nach den zwei Weltkriegen unaufhaltsam wurde. Ich empfehle das Buch daher gerne weiter - allerdings nicht an Leser, die sich oberflächlich von einer "Liebesgeschichte" locken lassen! Das Buch hat wesentlich mehr zu bieten als das! Und es verdient eine aufmerksame, und gerne auch wiederholte, Lektüre.