Beiträge von KarinS

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    Als "Amish-Film" habe ich bessere Erinnerungen an "Wie auch wir vergeben" ("Amish Grace"), der das Massaker in einer Amish-Schule von 2006 thematisiert (also nicht das Massaker, sondern in der Folge den Umgang damit, wie man damit zurecht kommt).

    Den habe ich im Zuge der Recherche gesehen und fand ihn sehr beeindruckend. Vergebung ist ja ein ganz großes Thema bei den Amisch. Ich habe auch die Biografie der Frau des Attentäters hier ( Gottes Liebe trägt ) habe sie bisher aber nur angelesen.

    Zum Thema Rumspringa:


    Die wenigsten Eltern werden ihre Kinder dazu ermutigen. Ich habe meine auch nicht dazu ermutigt, über die Stränge zu schlagen ;-) Sie haben es einfach getan.

    Sicher gibt es auch Amisch Eltern, die versuchen, ihre Teenager zu kontrollieren, aber im Allgemeinen ist es wohl so, dass die Teenies alles ausprobieren dürfen.

    Ich habe schon mal Bernd Längins sehr schönes Buch über die Amisch erwähnt, er beschreibt das ganz gut.

    Da fahren dann Buggys durch die Straßen, aus denen laute Rockmusik schallt. Die Mädels steigen mit der Kapp auf den Haaren in den Buggy und ziehen sich irgendwo um (Und ich , Jahrgang 1959, erinnere mich daran, wie ich mich mit 13 heimlich vor der Schule geschminkt habe und meine Freundin ihre Hose gegen den Minirock getauscht hat.

    Die meisten Amisch entscheiden sich nach ihrer Rumspringe für die Taufe – und da wird es tricky: Die Amisch haben eigene Schulen. Die Schulzeit dauert nur acht Jahre ( 6 – 14), es wird lesen, schreiben (Deutsch und Englisch ) und rechnen gelehrt. Das wars. Alles andere lernen die Kinder auf den Höfen, in den Betrieben ihrer Eltern. Sie wissen von klein auf alles über Landwirtschaft, Tiere, sie helfen von Anfang an bei allen Arbeiten. Nur hilft das nicht, eine Arbeit oder eine Ausbildungsstelle zu finden. Und dazu kommt, dass der gesamte Rückhalt der Familie und der Gemeinde wegfälllt. Denn wer sich gegen die Amisch entscheidet, verliert sein soziales Netzwerk aus Familie und Freunden und das starke Gefühl der Zugehörigkeit.

    Ist das dann wirklich eine Wahl?

    Caleb gehört zu meinen Lieblingsfiguren. Er ist stark im Glauben, hat aber großes Verständnis für menschliche Schwächen und er liebt seine Gemeinde.

    Die Trauerriten fand ich auch sehr tröstlich.


    Die Ursache für das "Jahr ohne Sommer" war der Ausbruch des Tambora auf Sumatra 1815. Aber das wusste damals niemand. Der Canstatter Wasen wurde wegen dieser beide Hungejahre 1816/1817 das erste Mal veranstaltet. Über die Entstehung gibt es eine sehr sehenswerte Spiel/Doku, in der auch die Not der einfachen Leute geschildert wird. Ist 1,5 Stunden lang. Lohnt sich. :

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    stelle ich mir immer besonders im "Teenager-Alter" besonders schwer vor...........

    Bei den Amisch gibt es eine Zeit, die "Rumspringa" oder "Rumschpringe" genannt wird, in der die amischen Teenager genau das machen dürfen, was der Name sagt. In dieser Zeit ( ab 14 oder 15 Jahren bis ca 18) dürfen sie alles ausprobieren. Autofahren, sich "weltlich" kleiden, tanzen gehen, Alkhol trinken - alles, was andere Teenager auch tun. Danach müssen sie sich entscheiden, in welcher Welt sie leben wollen. Wenn sie sich für die Amisch entscheiden, was die meisten tun, werden sie getauft.

    Genau, so muss eine Leserunde sein, SiCollier Mach Dir keine Sorgen, wir diskutieren nur eifrig. Und wenn weitere dazu kommen werden wir sicher noch mehr diskutieren. Es ist einfach eine sehr lebhafte Leserunde, was mir viel Spaß macht!

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    Genau, so muss eine Leserunde sein,

    Ich finde das ganz großartig!

    Es haben ja noch mehr ihr Buch erst heute bekommen SiCollier .


    Ich freue mich, dass dir der Einstieg gefallen hat. Amisch gab es sogar bis 1937 in Deutschland. Die letzte Gemeinde war in Ixheim.

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    Und ich könnte mir vorstellen, dass er selber auf seine große Lieben verzichten musste und seine Ehe mit Sarah nicht ganz unfreiwillig war. Das könnte eventuell das letzte Quentchen gewesen sein, um ihn dann doch noch umzustimmen. So hatte ich jedenfalls die Andeutungen und kleinen Hinweise interpretiert.

    Richtig interpretiert. Das hatte ich als seine Geschichte im Hinterkopf.

    Mir scheint, dass sie damals wohl eher fortschrittlich waren, was sich aber jetzt in der heutigen Zeit ins Gegenteil gewendet hat. :/

    Sie sind nicht per se gegen Fortschritt. Sie haben eigentlich alles ausprobiert und dann wurde geprüft, ob es sich mit ihrem Glauben vereinbaren lässt. Als Anfang des 20.Jahrhunderts Traktoren auf den Markt kamen, hatte die Amisch als erste welche. Ich vermute, sie haben sie dann abgeschafft, weil sie mit ihnen nicht autark waren. Sie waren abhängig vom Diesel und den konnten sie nicht selbst herstellen. Also sind sie zu den Arbeitspferden zurückgekehrt ( wie gesagt, nur meine Vermutung) Mit Autos was es ähnlich. Interessant ist, dass die heutigen Old Order Autos benutzen. Sie lassen sich von "Englischen" zum Einkaufen fahren. Sie besitzen nur selbst keine und fahren nicht selber. In einem amerikanischen Amisch_Histo habe ich gelesen, dass sie auch Flugzeuge nicht sofort abgelehnt haben. Dafür finde ich aber leider keine Quelle.

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    Naja, in den Dörfern wurde sicherlich schon genau geschaut, wer regelmässig zur Kirche ging und wer mit wem was gemacht hat. Und ob die Mädchen sich auch gottgefällig verhalten haben. Der Pfarrer hatte da ja schon sehr großen Einfluß.

    Oh ja. Und wenn jemand aus der Reihe tanzte, wurde er von der Dorfgemeinschaft geschnitten. Im Grunde nichts anderes, als das "Meiden" der Amisch.

    Interessante Diskussion. :-)

    Die Täufer wurden in ihren Anfängen erbittert verfolgt, weil sie die Autorität der Obrigkeit nicht anerkannt haben. Das 16./ 17. jahrhundert war ja eine Zeit, in der man glaubte, dass nicht alle Menschen gleich sind.

    Da die Täufer Eide ablehnten verweigerten sie die damals üblichen Lehen- bzw. Gehorsamseide gegenüber der Obrigkeit. Außerdem verweigerten sie den Kriegsdienst,

    Und dann waren sie auch noch sehr erfolgreichen Bauern und Viehzüchter. Sie nutzten "moderne" Anbaumethoden, düngten anders, bewässerten ihr Felder. Ihre Tiere gedeihen meistens besser als die ihrer Nachbarn. Das macht neidisch und oft war die Zugehörigkeit zu den Mennoniten oder amisch nur ein Vorwand, um sie zu enteignen.


    Die Verfolgung hat diese Gemeinschaften sehr zusammengeschweißt. Sie wurden gefoltert, als sklaven auf die Galeeren verkauft, verbrannt und besonders gerne ertränkt ( eine grausame Verhöhnung der Erwachsenentaufe.) Das war alles vor Rebekkas Zeit, aber es hat die sie geprägt. Es gibt den "Märtyrerspiegel" in dem die Geschichten erzählt werden und den fast jeder Amisch Haushalt hatte. Das Liede "ElisabthE, dass sie im Gottesdienst singen, erzählt die Geschichte von

    Elisabeth Dirks (* unbekannt; † 27. Mai[1] 1549 in Leeuwarden; im Todesurteil wurde sie Lysbeth Dircxdochter genannt) war eine mennonitische Märtyrerin. Die Friesin wurde wegen ihres Glaubens verhaftet, einem Verhör unter schwerer Folter unterzogen und anschließend durch Ertränken in Leeuwarden hingerichtet. ( Auszug Wiki)

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    Dass die Körperlichkeit des Menschen und der Sex doch eher etwas Negatives sind, was man verhüllen muss.

    Dass Körperlichkeit und Sex negativ sind, trifft auf die Amisch nicht zu. Sie legen zwar Wert auf Keuschheit vor der Ehe, und das gilt für beide Geschlechter (!), aber sie haben kein Problem mit Sexuatlität. In dem großartigen Buch von Bernd Längin über die Amisch, zitiert er den Spruch "Gsundes Fleisch hat Wünsch'." Die Amisch genießen auch gutes Essen und sie haben teilweise einen recht deftigen Humor. Das kommt auch in "Der einzige Zeuge" gaz gut rüber: als Harrison Ford melken soll und es nicht schafft, fragte ihn Rachels Vater, ober er noch nie seine Hand an einer Titte gehabt hätte. Ford antowrtet" Doch, aber noch nicht an einer so großen."- und der alte Amisch kriegt sich schier nicht mehr ein vor Lachen. Die extrem schlichte Kleidung wird auch von beiden Geschlechtern getragen. Sie soll Stolz und Eitelkeit verhindern - und halt auch alle gleich machen. Keiner soll sich durch Kleider oder Schmuck hervorheben. Dass die Frauen ihr Haar bedecken müssen, ist aus irgendeinem Paulus Brief hergeleitet.

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    Das mit den Beinamen gab es ja früher in den Dörfern auch. Wie hat sich das denn bei den Amishen so entwickelt? Vor allem mit den strengeren Regeln, meistens ist es ja eher andersrum, also dass die Regeln aufgeweicht und gelockert werden.

    Spitznamen gab es schon immer, warum sollten die Amischen keine haben. Das widerspricht ja nicht der "Ordnung".

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    Um ein Ideal zu leben, welches zwar im Ansatz gut ist aber für mich doch ausgeufert in etwas typisch Menschliches. Wir haben so tolle Ideen für eine bessere Welt - immer wieder - aber immer wieder wird daraus eine Doktrin, eine Zwangsjacke.


    Das trifft es gut. Die Täufer sind aus der Idee entstanden, ein Leben nach dem Vorbild Jesu zu führen, geprägt von Nächsteniebe. Aber schon als Jakob Ammann sich von den Mennoniten getrennt hat und die Amisch gegründet hat, wurde vieles zur Doktrin. In dem Forum über Amische, in dem ich bin, wird auch genau das immer kritisiert, dass von der Liebe nicht mehr viel da ist, dafür strenge Regeln.

    Ab 1860 hat sich bei den Amisch eine Gegenbewegung gebildet. Viele traten dafür ein, die strengen Regeln zu lockern. Heute gibt es in USA viele unterschiedliche Amisch Gemeinden. Manche kleiden sich modern, haben Elektrizität, Autos usw. Das, was wir heute als "typisch Amisch" ansehen, sind die "Old Order Amish", die machen ca. 1/3 der Amischen in USA aus.

    Ja die Familiennamen meinte ich. Die Vornamen sind ja alle eher biblisch.

    Und bei den Vornamen ist es so, dass die innerhalb der Familie weitergegen werden. Der erst Sohn heißt wie der Großvater väterlicherseits, der zweite wie der mütterlicherseits, danach kommen die Onkel und Tanten dran. Ebenso bei den Töchtern. Da gibt es dann schon mal mehrere Rachels oder Josephs in der Familie. Die Amisch helfen sich mit Spitznamen, köperlichen Merkmalen ( Skinny Joe, Black Sam, Rotfuchs Elias) oder Tätigkeiten ( Butter Jakob verkauft Butter, Jockey Mike züchtet Pferde, Cherrie Annie verkauft Kirschen)

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    Was mir auffällt, sind die Namen. Die sind immer gleich. Fast immer kann man an den Namen erkennen, dass es Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft sind.

    Woran liegt das?

    Du meinst die Familiennamen? Das liegt daran, dass die Amisch unter sich bleiben und auch nur untereinander heiraten. Deshalb wiederholen sich die Familiennamen, die es schon im 17, Jahrhundert gab.

    Lapp, Stoltzfuß (da muss ich immer an Hobbits denken), Gerber, Krebüll, Shrock usw.

    bis vor hundert Jahren war das auch in anderen Dörfern so, dass man eher unter sich blieb. In Eppstein, wo ich wohne, gibt es sehr viele Beckers und Ickstadts. In dem Ort, aus dem die Familie meines Mannes stammt, hieß vor dem 2. Weltkrieg die Hälfte der Einwohner Seemayer.

    Bei den Amisch gibt es ein Problem: Dadurch, dass sie unter sich bleiben, oft auch immer im gleichen Ort ist der Genpool mittlerweile sehr limitiert. Es gibt ein paar seltene Erbkrankheiten, die fast nur die Amisch betreffen.

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    Es ist nun Mal einiges dabei, was ich aus heutiger Sicht nur schwer nachvollziehen kann. Dann gibt es wiederum Punkte, die ich sehr positiv finde, wie z.B. das „Liebesmahl“ oder ganz allgemein das Miteinander, dasss jeder für jeden da ist.

    Das ging mir während der Recherche genauso. Es war sehr spannend, über die Wurzeln der Täufer zu lesen. In ihren "Aufbruchszeiten" im 16. Jahrhundert waren Frauen bei ihnen gleichberechtigt, sie haben sogar gepredigt. Erst in den folgenden Jahrhunderten hat sich das geändert, die Frauen hatten den Männern zu gehorchen. Auch die strengen Kleidungsregeln gab es bis Mitte des 18. Jahrhunderts nicht. Frauen durfte farbige, gemusterte Kleider tragen, sogar Haarspangen . Ich habe auch noch Fotos von 1850 gefunden, auf denen die Frauen keine Haube trugen. Für heutige "Old Order Amish" unvorstellbar.

    Ui, du bist ja schnell. Freut mich, dass dir der Einstieg so gut gelungen ist.


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    Man hätte Barbara bestimmt unterstellt, sich an den Mann rangemacht zu haben und eh als Hure zu arbeiten.

    Klar, im Zweifelsfall war die Frau diejenige, die den Kerl verlockt hat. Dazu kommt, dass Müller auch einen schlechten Ruf hatten. Man unterstellte ihnen, sich an dem Mahlgut zu bereichern. Und es gab auch "Mühlenprostitution" in manchen Mühlen.