Beiträge von KarinS

    Dieser Tage habe ich mir die beiden Filme über den Gotthard angesehen - nein, nicht den 2-Teiler von 3SAT sondern die beiden Eisenbahn-Romantik Sendungen über den „alten“ und den „neuen“ Gotthardtunnel.


    Die Sendung über den alten war insofern interessant, als da viel von der Landschaft zu sehen war und ich so eine bessere Vorstellung davon bekam. Als ich die Bilder sah, ist meine Bewunderung für die Ingeniere, die sich imstande gesehen haben, da eine Strecke zu trassieren, ins schier unermeßliche gewachsen. Und das mit den damaligen Mitteln!

    Die Sendung über den alten Tunnel habe ich vor einiger Zeit auch gesehen. Vor allem die Kehrtunnel bei Wassen sind eine großartige Leistung. Aber auch auf der Südseite gibt es spektakuläre Strecken. Es gibt Bestrebungen, die Gotthard-Bergstrecke ins Weltkulturerbe der Unesco aufzunehmen, aber bisher sind sie (leider) nicht erfolgreich.


    Zitat

    Auch wenn ich mir vor Jahren vorgenommen haben, den Schengen-Raum nicht mehr zu verlassen, haben diese Berichte doch Lust gemacht, einmal in die Schweiz zu fahren - nur um die beiden Tunnels
    zu sehen und zu durchfahren. Hinzu durch den alten Tunnel (der müßte noch in Betrieb sein), zurück durch den neuen. Aber reisefaul, wie ich bin, wird es wohl bei dem Gedanken bleiben.


    Noch wird der alte Tunnel befahren. Es gibt den Gotthard-Panorama Express, der ist aber teuer. Man kann aber auch noch mit "normalen" Zügen nach Airolo fahren.

    Dieser zweite Teil hat mir besser gefallen.


    Leider hat sich die Idee der Völkerverbindung nicht in jeder Hinsicht bewährt - wenn ich an die beiden schrecklichen Weltkriege und die Verbreitung des Faschismus denke :(

    Ja, leider. :-( - Das war auch der Teil der Rede, der mir gut gefallen hat.

    Wir haben uns gestern auch den 2. Teil angeguckt, und ich muss sagen, ich war jetzt doch überrascht, wie sehr sie die Geschichte für den Film geändert haben. Nachdem ich im Herbst 2021 den Vertrag für "Bergleuchten" unterschrieben habe, habe ich mir den Film nicht mehr angeschaut, weil ich mich nicht beeinflussen lassen wollte. Ich hatte noch in Erinnerung, dass sie den Streik viel später als in Wirklichkeit stattfinden lassen, aber dass Max eine Wundertüte ist, der die Druckluftlokomotive erfunden hat. (gab es von Anfang an, Erfinder war Colladon). Auf die Idee mit den Favre- Franken kam( die gab es auchvon Anfang an, wurden nach dem Streik abgeschafft, waren immer nur eine Übergangslösung zwischen den Zahltagen und wurden nur in Favres eigener "Kantine" angenommen) und dann noch treibende Kraft bei der Entdeckung des Tunnelwurms ist, hatte ich nicht mehr im Kopf. Ich könnte mir vorstellen, dass es bei den Schweizern nicht so gut angekommen ist, dass ein Deutscher den Tunnelbau so vorangetrieben hat.

    Im Film fand ich das einfach zu früh und ohne Provokation - schließlich war dieser Italiener eben erst angekommen.

    Da gebe ich dir recht. Die Szene ist übrigens einer Szene aus dem Buch "Der Weg durch den Berg" von Oskar Maurus Fontana von 1936 nachempfunden, das ich für die Recherche gelesen habe, das ich ich aber ziemlich "schwierig" fand, weil es Favre sehr idealisiert und die Arbeiter als dümmlich darstellt. Da kommt ein Streit zwischen Fuhrhaltern und Mineuren in einer "Beiz" (Kneipe) vor. Da kommt es allerdings nicht zu Prügelei, und der Wortführer zieht auch nicht blank, sondern klopft sich nur auf den Hintern.


    Auch im zweiten Teil des Film werden Szenen aus diesem Buch aufgegriffen.

    * ="Röll" meint: „Enzyklopädie des Eisenbahnwesens in 10 Bänden“ von Dr. Freiherr von Röll

    2. neu bearbeitete Auflage, Urban & Schwarzenberg Berlin/Wien 1914-1923; Nachdruck Archiv Verlag, Braunschweig 2000

    Ui, da hast du ja genug Lektüre. :-)

    Vielleicht hatte er Hoffnung, dass mehr daraus wird als Achtung und eine gewisse Zuneigung,

    Die hatte er sicher.


    Zitat

    Ich weiß, dass du mich nicht liebst, aber ich liebe dich, und vielleicht reicht das für den Anfang.


    ... für den Anfang ist hier das Schlüsselwort. Und damals sagte man ja, dass bei Frauen die Liebe oft erst in der Ehe kommt.


    Das hier ist ein Ausschnitt aus Johanna Spyris "Was soll denn aus ihr werden". Es ist 1887 erschienen und handelt von einer jungen Frau, die wohlbehütet im italienischen Südtirol aufwächst. Nach dem Tod ihres Vaters ziehen Dori und ihre Mutter zu Verwandten. Als der wohlhabende Vetter Niki Sami um ihre Hand anhält, muss Dori eine Entscheidung treffen.

    Sie will nicht, weil sie ihn nicht liebt und bekommt von der Großmutter folgende Strafpredigt gehalten:


    Zitat

    »Sprich nicht so unbesonnen«, sagte die Nonna tadelnd, »du zeigst damit nur, wie wenig du weißt, was die Sache ist, die wir zu besprechen haben, und wie wenig ernsthaft du darüber nachgedacht hast, wie gut es darum ist, wenn andere es für dich tun. Du bist auch noch so jung, daß man es dir nicht verargen kann, aber darum mußt du auf die Worte derer hören, die es besser wissen. Siehst du, Dori, die ungleichen Meinungen, von denen du da sagst, werden im Zusammenleben sich immer gleicher, das erfährt man jeden Tag, und je mehr man miteinander erlebt, je mehr kommt dann auch die Freude, immer noch Weiteres miteinander zu erleben. So wird man dann in jeder Weise immer befriedigter und auch immer reifer miteinander, so daß das Ungleiche der frühen Jugend abfällt. Man hat ja miteinander einerlei Leid und einerlei Freud', das kommt dann unwillkürlich. Wenn nur keine Sorgen und schwere Lasten zu tragen sind, sowie Armut und allerlei Mangel, das stört die Eintracht mehr als alles andere.

    Jetzt, wo ihr es sagt, die Prügelei hatte wirklich was von Western. :-)

    Und dass Anna sich mit den beiden betrinkt - naja. Mein Mann meinte nur: Komisch am Anfang ist das Bett so schmal, dass sie kaum zu zweit Platz haben und jetzt passen sie zu dritt rein.


    Ich fand den Darsteller von Favre sehr überzeugend. Er bringt beides rüber, das Charisma und den unbedingten Willen, den Tunnel zu bauen, egal was es kostet (an Geld und Menschenleben).

    Du hast viel recherchiert, doch gewisse Anhaltspunkte wie Temp. von Dynamit beim Transport, der Knebelvertrag für Favre etc. waren und sind Details, die Du natürlich auch in Deinem Buch integrieren musstest.

    Das sind einfach Tatsachen, die so passiert sind (oder fast, es ist nie ein Wagen beim Transport explodiert)

    und die man nachlesen kann. Ähnlich wie beim Untergang der Titanic die Eckpunkte immer gleich sind, die Geschichten, die darum gesponnen werden, dann doch alle unterschiedlich.


    Tatsächlich war ich bei der Recherche überrascht, weil viel im Film anders dargestellt wird, als es in in Wirklichkeit war. Das betrifft vor allem den zweiten Teil.

    Bisschen stört mich, dass beide Frauen Töchter von Fuhrunternehmern sind, beide einen Italiener beherbergen und sich in diesen verlieben. Die Johanna im Film finde ich beeindruckend und sie ist eine sehr starke Frau (ist ja auch erwachsener als Helene). Immerhin, die Beweggründe zur Hochzeit unterscheiden sich. Ich bin gespannt auf den zweiten Teil.

    Du meinst Anna? Die ist doch aber gar nicht in Tommaso verliebt, sondern in Max. Sie macht ihm ja quasi einen Heiratsantrag. Nur er geht nicht darauf ein und deshalb heiratet sie Tommaso.

    Außer Fuhrhaltern, Bauern, einem Hotel und einer Kneipe gab es ja vor dem Bau in Göschenen nichts. Und die Fuhrhaltertochter hat sich angeboten, weil es mit den Fuhrhaltern den Konflikt mit der Gotthardbahngesellschaft gab und halt auch die Möglichkeit, ein bisschen über die Grenzen von Göschenen hinauszugehen. Eine Bauerntochter hat dann doch ein anderes Leben.

    Und, wer hat den 1. Teil gesehen und wenn ja, wie fandet ihr ihn?

    Ich gucke ihn jetzt ganz anders als vor meinem Gotthard-Projekt. Die Eröffnungsszene ist eine gute Idee, Eisenbahn und Fuhrwerk so nebeneinander zu inszenieren und damit schon auf den Konflikt hinzuweisen.

    Nur gab es 1873 noch keine Bahnstrecke in Uri, die wurde erst Jahre später gebaut.

    Die Szenen im Tunnel gefallen mir immer noch sehr gut, auch die Musik dazu.

    Ansonsten habe ich versucht, herauszufinden, wer die wirklichen Personen hinter den Filmfiguren sind.

    Das Vorbild für den Herrn Knecht ( Joachim Krol) ist eindeutig der Bauleiter Robert Gerwig, der nach Unstimmigkeiten mit der Gotthardbahngesellschaft, bei denen es auch um die Sicherheit ging, seinen Rücktritt eingereicht hat (1875).

    Bachmann ( der arrogante Dunkelhaarige) ist teilweise Ernest von Stockalper nachempfunden, nur dass Stockalper als Bauleiter Nord wirklich was zu sagen hatte, anders als der im Film.

    Wer wirklich toll getroffen ist, ist der Dorfpolizist Augustin Walker ( im Film "Wagner".) Der ist genauso, wie er auch in den Quellen beschrieben wird.


    Vorbild für Tommaso war Luigi Dissune. :-)

    Übrigens mussten die Arbeiter für die Krankenversicherung und den Unterhalt der beiden Spitäler bezahlen. Es gab einen Lohnabzug von 3 %.

    Es gab Krankengeld:

    Im Spital

    Ledige 0,30 Franken,

    Verheiratete 1,30 F


    Zu Hause:

    Ledige 1,25 F

    Verheiratete 2,25 F


    Und es gab auch Entschädigung bei Unfällen, siehe Bild 1.

    Bild 2 ist eine Liste der Arbeitsunfälle von April bis Juni 1875. Man sieht, die Hauptunfallursache waren Explosionen, gefolgt von Unfällen mit Rollwagen.

    Lese-rina schrieb:

    Erschrocken bin ich über die Passivität des Arztes. In den vorherigen Threads wurde der Bau des Hospitals durchaus positiv gesehen - nach dieser Behandlung von Pietro, der nur durch die traditionellen Heilmittel durchgekommen ist, frage ich mich schon, welchen Sinn ein studierter Arzt macht, der nur Verbände wechseln lässt. Es gab doch zu dieser Zeit schon wirksame Medikamente - wieso setzt er sie nicht ein?




    Die Frage ist berechtigt!

    Ich könnte mir vorstellen, dass der Arzt und das Hospital - wie alle Einrichtungen der Tunnelbaugesellschaft - nur mit dem allernötigsten ausgestattet war. Die guten Medikamente waren damals wohl auch zu teuer :/


    Beide Hospitäler, in Göschenen und in Airolo waren in miserablem Zustand. Warum, darüber kann ich auch nur rätseln. Personalmangel, uninteressierte Ärzte?

    Hier ein Ausschnitt aus dem Bericht des Arztes Jakob Sonderegger, der mit Hans Hold im September nach dem Streik in Göschenen war:


    Zitat

    Zum Spital:

    Die Betten sind grossenteils nicht aufgestellte, und wenn einmal mehrere Verwundete zugleich ankämen, müssten sie warten, bis die Anstalt zu ihrer Aufnahme wirklich bereit wäre.

    Das Badecabinet schein noch gar nie gebraucht zu sein und ist auch nicht dienstfähig, und in der Küche herrscht ein unfreundliches Durcheinandern, ein beliebiger Junge besorgt sie und der Krankenwärter ist ein Arbeiter. Abgesehen von der Abneigung, welche vieles Landvolk gegen jeden Spital zeigt, mang auch die unanmuthige Verwaltung dazu beitragen, dass sehr viele Arbeiter lieber in ihren allerschlechtesten Quartieren krank liegen, als dass sie in den Spital gehen.