Beiträge von Brigitte H. H.

    Mich lässt Krieg und Frieden auch noch nicht los, weshalb ich mir gelegentlich Eure Diskussionen anschaue. :wave


    Genau. Jetzt, da ich Hauff und Bergengruen verglichen habe, erkenne ich auch, wie Hauff kürzte. (Die Übersetzung von Hauff ist eine gekürzte Version, falls ich das hier noch nicht erwähnt haben sollte.) Ich bildete mir immer ein, dass ganze unwichtig erscheinende Abschnitte weggelassen wurden, wie z.B. bei Hörbüchern, aber jetzt erkenne ich, wie ein Text auch durchweg abgespeckt werden kann, sodass er kürzer wird. Nur leider muss die Wirkung des Textes dafür einbüßen.


    Genau, genau. Dieses Sache mit dem Verstand kommt bei Bergengruen gut durch. Bei Hauff für mich eher weniger. Deshalb wirken die Personen bei Hauff auf mich, als seien sie gefühlsgeleitet. Wie soll ich das nur erklären. Hm... Peter ist von Napoleon begeistert. Bei Hauff denke ich im ersten Moment, weil Peter Napoleon als König, als starke Person hochjubelt. Im zweiten Moment erkenne ich erst, dass er ihn interssant findet aufgrund seiner Taten. Bei Bergengruen gibt es für mich den ersten Moment des Hochjubelns nicht. Der Fokus ist klar auf Gedankengänge gerichtet, nicht auf Gefühlsausbrüchen. Um es ganz krass zu sagen: Hauff hat mitreißende Gefühlsausbrüche, Bergengruen mitreißende Gedanken.


    Wie schwer es sein muss, einem solchen Werk in einer Übersetzung gerecht zu werden, darüber haben wir Leser, denke ich, keine Vorstellung. Es gibt eine neuere Übersetzung, die sehr dicht am Original sein soll. Das macht sie aber nicht unbedingt schöner. Tolstoi muss sehr schwer zu lesen sein, hat mir eine Übersetzerin für Russisch erklärt. Zudem gebrauchen die Russen doppelt so viele Adjektive wie wir Deutschen. Und die Bedeutungen selbiger können je nach Ausdrucksweise sehr verschieden sein. Dies allein bietet schon viel Raum für eigene Interpretationen des Übersetzers.

    Ich bin schon etwas weiter ...


    Ich empfinde es als anspruchsvoll und muß relativ langsam lesen, vor allem, da die Verhältnisse im Haus doch eher verwirrend sind - sowohl was das Haus selbst als auch die darin wohnenden Familien, die ja alle eine Familie sind, betrifft. Gegen Ende des Prologs und vor allem durch die Chronik des Baus und der daran Beteiligten lichtete sich der Nebel etwas. Es wurde verständlicher, setzte sich langsam zu einem Bild zusammen und ergab ein Muster. Aufmerksam lesen muß ich allerdings immer noch, was jedoch nicht unbedingt schlecht ist.

    Da kann ich Dich beruhigen, SiCollier. Ich habe nur die ersten Kapitel so empfunden. Danach wird es deutlich einfacher.


    Relativ bald wurde mir bewußt, daß der Text doch aus einer anderen Zeit stammt. Oder ist es einfach der Tatsache geschuldet, daß der Autor Österreicher ist (bzw. war) und sich daraus Unterschiede ergeben?

    Ich denke, das Ungewohnte ist auch teilweise der wienerischen Ausdrucksweise geschuldet. Aber gerade im Dialekt liegt für mich die Stärke des Buches. Dadurch wirkt es so lebendig und authentisch. Da ich wieder einmal laut lese, fallen mir diese Passagen gar nicht so leicht. :grin

    Ich habe überlegt, ob ich hier noch schreiben soll, da Ihr alle das Buch nun seit einiger Zeit zu Ende gelesen und damit abgeschlossen habt. Dann wurde mir bewusst, dass es gerade Eure Eindrücke waren, die mich an mancher Stelle länger verweilen ließ. :-] Besonders habe ich über die Äußerung nachgedacht, Leichen würden Margarets Weg pflastern. Erst sehr spät fiel mir ein, dass mir beim ersten Sehen der Miniserie die vielen Todesfälle (auch) zu viel wurden. Leider gehören solch gehäufte Schicksalsschläge zum Leben und sind daher (zumal für die damalige Zeit) nicht unrealistisch. Außerdem mussten diese Charaktere frühzeitig das Zeitliche segnen, damit Margaret in die Position der Verpächterin von Mr. Thornton kam. :lache Die Kapitel nach dem Tod von Mr. Hale kamen mir erfreulich ausführlich im Vergleich zum Film vor. Umso abrupter habe ich (wie ihr alle) das plötzliche Ende empfunden. :rolleyes Es fehlt ein Abschluss. :hmm


    Meine Erwartungen wurden auf jeden Fall übertroffen. Ich weiß jetzt schon, dass ich dieses Buch öfters hören werde. So möchte ich Dir, SiCollier, danken für die Anregung zu dieser Leserunde und nicht zuletzt für Deine ausführlichen Beiträge, in denen Du uns an den Kommentaren Deiner Ausgabe hast teilhaben lassen.


    Die konträren Ansichten zweier zeitgenössischer Rezensenten zeigen – wie ich finde – auf beruhigende Weise, dass es immer unterschiedliche Auffassungen zu einem Roman geben wird.

    :wippe  :wave

    Wie ich sehe, hinke ich nun hinterher. :staun


    Ich lasse mir mit dem Roman aber auch Zeit, weil ich die Geschichte sehr gut kenne und deshalb nicht den Drang verspüre, zu sehen, wie es weitergeht. Aktuell habe ich Kap. 35 beendet. Und dies zum zweiten Mal! Denn ich bin weit in der Geschichte zurückgegangen und habe sie noch einmal angehört. Der Grund dafür waren Eure Kommentare. Ihr habt mich ins Grübeln gebracht. :zwinker


    Einigen von Euch ist Margaret zu perfekt. Daher habe ich mir als Schriftstellerin die Frage gestellt, wie "perfekt" darf die Protagonistin in einem Roman sein? :gruebel


    Ich meine mich an eine Äußerung Jane Austens aus einem Brief zu erinnern: Nie wieder Elizabeth Bennet. Sie sorgte sich, SuV könne zu perfekt, zu "hell" sein. Ich mag Elizabeth Bennet sehr und finde, jene hat auch ihre Schwächen. Hingegen hatte ich lange Zeit Schwierigkeiten mit Jane Austens Romanheldin Emma. Ein Charakter, der alles andere als "perfekt" ist!


    So habe ich beim zweiten Hören von Norden und Süden darauf geachtet, ob Margaret zu perfekt ist. :zuhoer Nun, ich bin nicht dieser Ansicht! Um es gleich vorwegzusagen: Ich mag den Charakter sehr. :-] Obwohl Margaret diesen überlegenen (arroganten) Gesichtsausdruck besitzt, diese hochmütige Art, mit der sie ihr Gegenüber zu verunsichern weiß. Bei ihrem ersten Gespräch mit dem Kommissar rettet sie ja gerade diese Wirkung.


    Neben dieser (äußerlich) herablassenden Art gegenüber Fremden hat Margaret noch (weitere) Schwächen. Zum Beispiel hält sie nicht ihr Versprechen, Bessy Higgins zu besuchen. Erst als sie dieser wieder zufällig begegnet und die Enttäuschung von Bessy zu spüren bekommt, verändert sie ihr Verhalten. Zudem teilt sie (anfangs) die Vorurteile ihrer Klasse in Bezug auf Kaufleute/Händler/Fabrikanten. Als dann Frederick zu Besuch kommt, finde ich, wird Margarets Überforderung mit der familiären Situation offensichtlich. Und nun begeht sie einen sehr schwerwiegenden Fehler. Sie begleitet ihren Bruder in der Dämmerung allein zum Bahnhof! Daran zeigt sich, wie weltfremd Mr. Hale ist. Wie kann er seine Tochter abends mit ihrem Bruder allein zum Bahnhof schicken? In Helstone, wo sich ein jeder kannte, mag dies möglich gewesen sein, aber in Milton war das skandalös! Auch Frederick bedauert zu spät (die Sonne war schon untergegangen), dass er die Kutsche wegschickte.


    Erst als am nächsten Tag der Kommissar ihr erklärt, sie sei gestern Abend am Bahnhof allein mit einem jungen Herrn gesehen worden, begreift Margaret, welche Schande dieser Vorfall ungeachtet Leonards Tod über sie bringen kann. Ihre dortige Anwesenheit leugnet sie aber ausschließlich, um ihren Bruder zu schützen. Ist ihr Charakter deshalb zu gut? Oder dient ihr nicht vielmehr die Sorge um den Bruder als Rechtfertigung für ihre Lüge? :/ Später als sie die Nachricht von Frederick erhält, er sei in Sicherheit, glaubt sie, die Lüge nicht ausgesprochen zu haben, hätte sie vorher davon gewusst. Dabei wäre sie in der Gesellschaft verloren gewesen, wäre die Wahrheit ans Licht gekommen. Eine junge, unverheiratete Dame begleitet noch dazu abends allein einen jungen Mann! Für uns scheint daran nichts Ungewöhnliches. In jener Zeit hingegen war dies eine verwerfliche Tat! Margaret hätte zudem niemals erklären können, dass der junge Mann ihr Bruder war.


    Umso höher ist die großherzige Reaktion von Mr. Thornton zu beurteilen. Er wusste, dass Margaret dort gewesen war. Nach ihrer Abweisung hätte er nun die Gelegenheit gehabt, sie zu vernichten. Stattdessen rettet er sie vor der Schande und erspart ihr auch die Anklage. Dies zeigt meiner Meinung nach die Aufrichtigkeit seiner Liebe. :wave