'Der Engel mit der Posaune' - Prolog - Kapitel 02

  • Da ich später vermutlich keine Zeit habe, will ich, obgleich ich erst den Prolog gelesen habe, dennoch beginnen.


    Schon in den ersten Zeilen habe ich bemerkt, daß dieses Buch stilistisch doch sehr verschieden von denen ist, welche ich die letzte Zeit gelesen habe. Ich empfinde es als anspruchsvoll und muß relativ langsam lesen, vor allem, da die Verhältnisse im Haus doch eher verwirrend sind - sowohl was das Haus selbst als auch die darin wohnenden Familien, die ja alle eine Familie sind, betrifft. Gegen Ende des Prologs und vor allem durch die Chronik des Baus und der daran Beteiligten lichtete sich der Nebel etwas. Es wurde verständlicher, setzte sich langsam zu einem Bild zusammen und ergab ein Muster. Aufmerksam lesen muß ich allerdings immer noch, was jedoch nicht unbedingt schlecht ist.


    Die ganze Zeit hatte ich immer wieder Mühe, mir zu vergegenwärtigen, daß es sich um einen Roman handelt, und nicht um die Schilderung tatsächlich stattgefundener Ereignisse. Entgegen meiner Gewohnheit habe ich das Nachwort noch nicht gelesen, ob sich dort etwas anderes ergibt?


    Relativ bald wurde mir bewußt, daß der Text doch aus einer anderen Zeit stammt. Oder ist es einfach der Tatsache geschuldet, daß der Autor Österreicher ist (bzw. war) und sich daraus Unterschiede ergeben? So hatte ich etwa das Wort „Mezzanin“ noch nie gehört. Da beim Lesen mein PC nicht „greifbar“ war, habe ich zu einem Band aus einer Bücherserie gegriffen, die früher in Haushalten weit verbreitet war. So eine „Serie“ nannte sich „Lexikon“ und ist heute vermutlich nur noch wenig anzutreffen. Jedenfalls habe ich daraus gelernt, daß das Mezzanin ein Zwischengeschoß mit niedrigerer Höhe als üblich im Haus ist, (Wikipedia sagt dieses), wobei die Zeichnung in meinem Lexikon aufschlußreicher war als die Abbildung in Wikipedia.


    Immer wieder schmunzeln mußte ich über die alten Akten zum Bau des Hauses. Daraus erfahren wir dann auch, daß Sophie zum Einen 84 Jahre alt ist und können zum Anderen schließen, daß die Handlung 1888 beginnt.


    Am Ende des Prologs waren mir zwar weder Haus noch Familie vollständig geläufig, jedoch so vertraut, daß ich gespannt bin, was im Weiteren auf mich zukommen wird.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich bin schon etwas weiter ...


    Ich empfinde es als anspruchsvoll und muß relativ langsam lesen, vor allem, da die Verhältnisse im Haus doch eher verwirrend sind - sowohl was das Haus selbst als auch die darin wohnenden Familien, die ja alle eine Familie sind, betrifft. Gegen Ende des Prologs und vor allem durch die Chronik des Baus und der daran Beteiligten lichtete sich der Nebel etwas. Es wurde verständlicher, setzte sich langsam zu einem Bild zusammen und ergab ein Muster. Aufmerksam lesen muß ich allerdings immer noch, was jedoch nicht unbedingt schlecht ist.

    Da kann ich Dich beruhigen, SiCollier. Ich habe nur die ersten Kapitel so empfunden. Danach wird es deutlich einfacher.


    Relativ bald wurde mir bewußt, daß der Text doch aus einer anderen Zeit stammt. Oder ist es einfach der Tatsache geschuldet, daß der Autor Österreicher ist (bzw. war) und sich daraus Unterschiede ergeben?

    Ich denke, das Ungewohnte ist auch teilweise der wienerischen Ausdrucksweise geschuldet. Aber gerade im Dialekt liegt für mich die Stärke des Buches. Dadurch wirkt es so lebendig und authentisch. Da ich wieder einmal laut lese, fallen mir diese Passagen gar nicht so leicht. :grin

  • Vielleicht ist es auch nicht uninteressant zu berücksichtigen, dass der Autor 1890, also zwei Jahre, nach Beginn seines Buches geboren ist. Es handelt sich also nicht um einen historischen Roman, auch wenn wir das als heutige Leserschaft so empfinden dürften, sondern aus seiner Sicht um einen Zeitroman oder einen zeitgeschichtlichen Roman.


    Was den Mezzanin betrifft, es handelt sich dabei um die sogenannte Beletage (bel etage, das so genannte schöne Stockwerk). Es ist ein Merkmal der Gründerzeithäuser, eine Art Zwischengeschoss oder Zwischenstock, zwischen Erdgeschoss (Parterre) (dem Geschäftsbereich, der zugänglich ist) und dem 1. Stock (bereits Wohnbereich, der auch vermietet wurde). Es befand sich also zwischen dem Wohnbereich und dem Geschäftsbereich.


    Der Mezzanin war gewöhnlich jener Teil eines Gründerzeithauses mit der Hausbesitzerwohnung, also der vornehmste Teil eines Bürgerhauses. In Wien gibt es noch sehr viele Häuser aus der Gründerzeit (nicht nur im 1. Bezirk), und beim Studium von der Hausfassade, wenn erhalten, ist auffallend, dass das Erdgeschoss oft anders gestaltet ist als der Rest des Hauses, oft aber auch der angeblich erste Stock eine besonders schöne und auffällige Gestaltung hat und sich vom Rest der Fassade abhebt. Das betrifft gewöhnlich jene Häuser, die einen Mezzanin haben, dessen herausragende Rolle auch in der Außenfassade berücksichtigt wird.


    Aus heutiger Sicht sind diese Mezzanine allerdings durchaus ein Nachteil, da sie nicht als Stockwerke gezählt werden. In Österreich ist es nämlich gesetzliche Vorgabe, dass Häuser ab einem 5. Stockwerk einen Lift haben müssen. Hat ein Haus nun fünf Stöcke und einer ist eigentlich ein Mezzanin bedeutet das aber, dass ein Lifteinbau nicht nötig ist. Der wäre erst notwendig, wenn dem Haus noch ein 6. Stockwerk draufgesetzt wird. Hat das Haus insgesamt 6. Stöcke und darunter befindet sich ein zweigeteilter Mezzanin (was hin und wieder auch vorkommt), ist ein Lift ebenfalls nicht nötig, dieser müsste erst eingebaut werden, wenn das Haus noch ein 7. Stockwerk bekommt.

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    Im Buch wird natürlich den Mezzanin kein Zweifel gelassen, welchen gesellschaftlichen Status die Familie Alt hat, zudem die Seilerstätte, obwohl ihr Name daran erinnert, dass hier früher einmal eine Hinrichtungsstätte, war, im 19. Jahrhundert zu den vornehmeren Straßen in Wien zählte.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Vielleicht ist es auch nicht uninteressant zu berücksichtigen, dass der Autor 1890, also zwei Jahre, nach Beginn seines Buches geboren ist. Es handelt sich also nicht um einen historischen Roman, auch wenn wir das als heutige Leserschaft so empfinden dürften, sondern aus seiner Sicht um einen Zeitroman oder einen zeitgeschichtlichen Roman.

    Das finde ich auch wichtig, Teresa. Das Buch ist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschrieben worden. Das spielt sicher eine ebenso große Rolle wie der unterschiedliche Sprachgebrauch in Österreich.

    Ich bin auch gespannt, wie deutlich noch der himmelweite Unterschied zu unserer heutigen Gesellschaft wird. Die kuk Monarchie Österreich ist ein stockkatholischer Ständestaat gewesen.


    Danke für die Erläuterungen zum Mezzanin.


    Ich kannte auch den Begriff "Réticule" nicht, auch Pompadour genannt. Eine Art edler Stoffbeutel, der als Handtäschchen genutzt wurde.

  • Die kuk Monarchie Österreich hatte sicher ihre Mängel (wie andere Staaten übrigens auch), aber die Dinge lassen sich nicht einfach auf ein Pauschal(vor-)urteil reduzieren. Dass mit dem stockkatholischen Ständestaat ist eindeutig ein unzulässiges Vorurteil, und aus meiner Sicht zudem sehr verletzend für die Menschen, die dort gelebt haben.


    Daneben wäre auch die Frage zu stellen, ob dieser himmelweite Unterschied zu unserer heutigen Gesellschaft tatsächlich existiert und wenn ja, ob unsere heutige Gesellschaft wirklich so viel besser ist.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Charakteristisch für das Buch scheint mir ein langsamer Erzählton der sich sehr viel Zeit nimmt und sozusagen zunächst erst einmal, wie im Theater, die "Bühne" seiner Geschichte aufbaut. Im Unterschied zu den heutigen Romanen werden wir, mein Eindruck, nicht sofort im Geschehen geworfen, sondern erst langsam an diese Geschichte herangeführt. Auffällig ist, dass wir zunächst das Haus und die Anfänge der Familie kennenlernen, also sozusagen die Fundament und das Umfeld, erst dann sind die Figuren, von denen diese Geschichte erzählt dran. Es wird daher wohl für das weitere Lesen, mein persönlicher Eindruck, notwendig sein, darauf zu achten, inwieweit das Haus ebenfalls als eine "handelnde Figur" zu verstehen sein wird.


    Was mir sehr gut gefällt, ist die Sprache, die jedenfalls dem Meisten aus dem 21. Jahrhundert, was ich am Buchmarkt bisher gelesen habe, haushoch überlegen ist. Das ist allerdings etwas, was mir schon oft aufgefallen ist. Offensichtlich war die Unterhaltungsliteratur im 20. Jahrhundert sprachlich auf einem höheren Level als in der Gegenwart.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Ich bin auch gut ins Buch gestartet und habe heute den ersten Abschnitt gelesen.

    Den Prolog fand ich auch erst ein wenig anstrengend. Es werden in kurzer Zeit sehr viele Personen eingeführt. Ich habe mir dazu auch mal ein Personenverzeichnis angelegt, damit ich nicht durcheinander komme.

    Interessant ist ja die Idee, die Familie und die Personen anhand des Hauses und der Zimmerverteilung vorzustellen.


    Auch mir ging es so, dass ich einige Begriffe nicht kannte, z.B. Mezzanin oder Herzbräune. Ich habe das auch erst mal nachschauen müssen. Ich denke mal, dass sind eher altmodische Begriffe. Mein Mann kannte sie zumindest auch nicht und er hat österreichische Wurzeln und Verwandtschaft in Österreich. Der Begriff "Réticule" war mir schon geläufig.


    Henriette scheint die Hochzeit mit Franz vor allem aus praktischer Sicht zu sehen. Im Gegensatz dazu ist Franz ja richtig verliebt in sie und würde wohl alles für sie tun. Ich befürchte, dass er da noch etwas enttäuscht von ihr wird wenn er merkt, dass sie in ihm nicht die große Liebe sieht.


    . Da ich wieder einmal laut lese, fallen mir diese Passagen gar nicht so leicht.

    Das ist ja eine lustige Idee!

    Ich sollte mir diese Passagen von meinem Mann vorlesen lassen, dass wäre dann sehr authentisch.:grin

  • Rouge, das stelle ich mir interessant vor, wenn du dir diese Passagen vorlesen lässt. Mich erinnert die Sprache in vieler Hinsicht an meine Großmutter, die zwar in Niederbayern lebte, aber aus Österreich stammte.


    Mir tun beide leid, Franz und Henriette. Was das wohl für eine Ehe werden mag?


    Ergänzung:


    Ganz angerührt war ich von der detailreichen Schilderung des "Blasengels" am Hauseingang. Diese Engel gibt es ja in vielen Kirchen und alle, die ich je gesehen habe, sind pausbäckig (kein Wunder, sie blasen ja meist in die Posaune).

    Außerdem mag ich es sehr, wenn der Buchtitel dann auch etwas mit dem Inhalt des Buches zu tun hat.

  • Ich bin auch gut gestartet und habe mir die Grundlagen zu Gemüte geführt. Gleich zu Beginn wird klar, warum das Buch ziemlich dick ist, denn der Erzählstil ist langsam, äußerst gründlich, aber sehr angenehm. Ich bin gespannt darauf, wie es weitergeht. Das ist wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Vielleicht werde ich versuchen, die alte Verfilmung aufzutreiben und ihn mir nach dem Lesen anschauen.

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Ersten Abschnitt gelesen. Bevor ich auf die bisherigen Kommentare eingehe (vermutlich erst heute Nachmittag), erst mal meinen.


    Beim Lesen fiel mir auf, daß ich diesen Abschnitt eigentlich ein Kapitel länger hätte einteilen sollen, dann wären der erste und zweite ähnlich lang gewesen. Andererseits empfinde ich diese Einteilung als (inhaltlich) sinnvoll, denn mit dem Ende der „Verlobungsvorstellungstour“ durch das Haus scheint mir die Einführung der wesentlichen Personen abgeschlossen und die eigentliche Handlung kann beginnen.


    Nochmals zum Stil (auch im Hinblick auf Brigittes Hinweise): ich meinte das nicht negativ, sondern als Feststellung. Bis zum Ende des Abschnitts habe ich mich auch stilistisch „eingelesen“, was aber nicht bedeutet, daß ich deswegen schneller lesen kann. Oder anders: die Sprache des Romans erfordert bei mir ein „Lesetempo“, wie ich es sonst eher von Sachbüchern (oder leichteren englischen Texten) her gewohnt bin. Das spricht aber eher für den Autor und seine Beherrschung der Sprache, die sich eben nicht „einfach weglesen läßt“, sondern Konzentration erfordert. Eine solche Diskussion gab es, wenn ich mich recht entsinne, mal in einer Leserunde zu einem Buch von Benjamin Monferat, wo bemängelt wurde, daß man das eben gerade nicht so „einfach weglesen“ könnte und der Autor - zurecht - auf eine entsprechend „ausgefeilte“ Sprache verwies. Ähnlich empfinde ich es hier.


    Auch habe ich das Gefühl, daß das Buch „aus einer anderen Zeit“ stammt. Ohne daß ich es rational festmachen kann, vermittelt mir der Autor das Gefühl, daß ich mich im 19. Jahrhundert befinde, in einer anderen Zeit, in einer anderen Gesellschaft. Ob das möglicherweise dadurch verstärkt wird, daß das direkt zuvor gelesene Buch (Unterhaltungsroman) zu fast der gleichen Zeit in der ebenfalls höheren Gesellschaft, wenngleich in New York, angesiedelt und in recht moderner Sprache geschrieben war, sei dahingestellt. Jedenfalls hat mich der Autor bereits jetzt tief in sein Buch hineingezogen, was ich - wenn es auf das Ende zugeht - möglicherweise noch bereuen werde.


    Diese „andere Zeit“ wird für mich alleine aus der Art, wie die „Vergangenheit“ der Henriette Stein geschildert - oder eben nicht geschildert - wird, mehr als deutlich. Interessant für mich übrigens der latent vorhandene Antisemitismus, der im Buch angesprochen wird. Wobei dem Autor da nichts vorzuwerfen ist - er hat selbst jüdische Vorfahren und mußte seinerzeit ins Exil gehen, wo auch dieser Roman entstanden ist.


    „Die anderen, gut, die besaßen Titel und Orden. Aber was blieb davon, was sie leisteten?“ (S. 53)

    Ein Satz - auch heute noch - zum Nachdenken. Ich entsinne mich, wie ich vor Jahren in Fulda durch einen Park lief, der vor Jahrzehnten ein Friedhof war. Einige der Grabsteine stehen noch. Da ruhen „Fabrikbesitzer“, „Direktoren“, „Dr.“. Aber am Ende halfen weder Titel noch Orden. Geblieben ist, wie auf einem Grabmal zu lesen war, „Wir sehen uns im Jenseits wieder.“


    „Merkwürdig,“ sagte Henriette. Nach der Bewegung, mit der sie nach ihrem riesigen Hut griff, hätte man meinen können, er falle. Doch er saß fest. „Und alles im selben Haus.“ (S. 55)

    Damit dürfte wohl einer der Kerngedanken des Buches ausgedrückt worden sein. Und ich mußte unwillkürlich an ein anderes Buch denken, in dem ebenfalls ein Haus (und seine Bewohner im Laufe der Zeiten) eine wesentliche Rolle spielte, nämlich „Moskau, Bel Étage“ von Grigori Rjaschski.


    Bisher bin ich froh, durch die Verfilmung auf das Buch aufmerksam geworden zu sein. Ich habe den Film (immer) noch nicht vollständig gesehen, nur einzelne Szenen, und werde mit dem Ansehen auch bis nach der Lektüre warten. Wenn sich meine Meinung nicht ändert, gibt das für mich eine der großen Leseentdeckungen dieses Jahres, zum Glück habe ich das zweite Buch des Autors auch schon im Regal stehen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Brigitte H. H.

    Laut lesen tue ich sicherlich nicht, da ich einen Text leise lesen muß, will ich ihn aufnehmen (weswegen ein Vortrag für mich eher ungünstig ist, weil das Gesagte - selbst wenn es mich interessiert - leicht durch das eine Ohr hinein und das andere hinaus geht. :rolleyes ).


    Ich kannte auch den Begriff "Réticule" nicht, auch Pompadour genannt. Eine Art edler Stoffbeutel, der als Handtäschchen genutzt wurde.

    Die Begriffe kannte ich zwar, aber sie sind längst aus meinem aktiven (und leider auch passiven) Wortschatz verschwunden.


    Mit dem Begriff "stockkatholisch" habe ich nun eher weniger Probleme; es mag Zeitgenossen geben, die mich als solchen bezeichnen würden, wenngleich ich das für mich überhaupt nicht behaupten würde. Immerhin, und diese Spitze kann ich mir nun nicht verkneifen, gab es damals - im Gegensatz zu heute - überhaupt ein Wertesystem. Ich weiß, ich weiß, heute gibt es angeblich auch eines. Das heißt "alles ist gleich gültig". Für mich ist das aber eher ein Unwert denn ein Wert.



    Daneben wäre auch die Frage zu stellen, ob dieser himmelweite Unterschied zu unserer heutigen Gesellschaft tatsächlich existiert und wenn ja, ob unsere heutige Gesellschaft wirklich so viel besser ist.

    :write



    Charakteristisch für das Buch scheint mir ein langsamer Erzählton der sich sehr viel Zeit nimmt und sozusagen zunächst erst einmal, wie im Theater, die "Bühne" seiner Geschichte aufbaut.

    Sehr schön ausgedrückt. Genau so habe ich das bisher Gelesene empfunden, quasi als Ouvertüre, bevor die eigentliche Handlung einsetzt.




    Was mir sehr gut gefällt, ist die Sprache, die jedenfalls dem Meisten aus dem 21. Jahrhundert, was ich am Buchmarkt bisher gelesen habe, haushoch überlegen ist.

    :write :write :write



    Suzann

    Die alte Verfilmung ist ganz leicht "aufzutreiben". Ich habe den Film vor einigen Monaten von 3SAT aufgenommen (dadurch bin ich ja überhaupt erst auf das Buch aufmerksam geworden). Es gibt ihn jedoch auch auf DVD, wenngleich nicht ganz billig:


    Die Inhaltsangabe dazu verrät zwar mE nicht viel mehr, als bisher gelesen wurde, aber da ein Aspekt im Buch noch nicht genannt wurde, spoilere ich lieber. Obwohl auch der sich eigentlich aus dem bisher Gelesenen, dem Werbetext des Verlages sowie dem Gedanken daran, welche Zeitspanne der Roman umfaßt, ableiten läßt.

    Hier der Amazon-Link zur DVD

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Mir tun beide leid, Franz und Henriette. Was das wohl für eine Ehe werden mag?

    Ich habe schon ein wenig weiter gelesen und jetzt tun mir auch beide leid.:(

    Hernriette sogar noch ein wenig mehr als Franz.


    Den Film kenne ich auch noch nicht, den möchte ich mir auch noch gerne besorgen.


    Mir gefällt dieses Buch bis jetzt richtig gut. Ich habe gerade mal geschaut, ob es von dem Autor noch etwas gibt und habe zur meiner Freude noch ein Buch entdeckt, was sehr gut klingt:

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    Seit dem Ende des Krieges fiebert er darauf hin, jetzt, Ende Mai 1946, ist es so weit: Felix von Geldern besteigt ein Schiff Richtung Europa, Richtung Wien. Acht Jahre vorher, unmittelbar nach dem „Anschluss“, flüchtete die altösterreichische Familie vor dem Nationalsozialismus ins Exil nach New York. Und nun, wie steht es jetzt um Österreich, nach der Niederlage, nach der Befreiung? Rasch muss er erkennen, dass der Jubel auf dem Heldenplatz nicht durch Manipulation zustande gekommen ist, dass sich seine ehemalige Freundin zuerst Goebbels an den Hals geworfen hat und nun einem US-Oberst … Nach dem internationalen Erfolg der Neuauflage von Ernst Lothars „Engel mit der Posaune“ ist nun sein nächster großer Roman zu entdecken.


  • Zitat

    Immerhin, und diese Spitze kann ich mir nun nicht verkneifen, gab es damals - im Gegensatz zu heute - überhaupt ein Wertesystem. Ich weiß, ich weiß, heute gibt es angeblich auch eines. Das heißt "alles ist gleich gültig". Für mich ist das aber eher ein Unwert denn ein Wert.


    Sicollier, du hast diesen Satz sicher nicht so gemeint, ich halte ihn trotzdem für missverständlich.

    Es kommt sehr wohl darauf an, welche Werte eine Gesellschaft hat und für wen sie gelten.

    Werte haben so ziemlich alle - nur gelten die oft genug für die eigenen Anhänger, alle anderen


    Nochmal zu "stockkatholisch" - es war nicht im geringsten meine Absicht, religiöse Gefühle zu verletzen oder mich über Religion als solche zu auszulassen.


    Es geht mir darum, die damals bestehende Gesellschaft zu beschreiben, die Ende des 19. Jahrhunderts weder eine Trennung von Kirche und Staat, noch eine allgemeine Gleichheit kannte. Zwar gab es in Österreich, wie in Deutschland, eine Revolution von 1848, die "Märzverfassung" wurde jedoch 1851 im sogenannten "Silvesterpatent" aufgehoben.


    Den letzten Absatz habe ich ins nächste Kapitel verschoben, hatte ich versehentlich hier hingeschrieben.

  • Wie habt ihr die "Einbestellung" Henriettes durch den Kronprinzen (3 -Audienz am hellen Tag) und das eigenartige "Gespräch" empfunden? Mir graust es noch immer, wie er versucht, Henriette unter Druck zu setzen.


    Die Anspannung und die innere Zerrissenheit Rudolfs, fand ich, kam sehr gut zum Ausdruck. Ich war erleichtert, wie unbeirrt Henriette sich ihm widersetzte.

  • Ich habe es nun auch endlich geschafft, den ersten Abschnitt zu lesen (bei mir ist es privat momentan ziemlich turbulent).


    Mit Schmunzeln musste ich die Kommentare zur Sprache lesen. Für mich ist die Sprache wie "Heimkommen". Ich fühle mich richtig wohl und geborgen dabei.

    Vielleicht weil ich die Romane dieser Zeit mag. Ich liebe die Werke von Ödön von Horváth, Arthur Schnitzler und Joseph Roth, die sich literarisch ja auch in dieser Zeitspanne bewegen. Vielleicht auch, weil meine Mutter Wienerin ist und ich die Schauplätze und den wienerischen Slang und die Mentalität gut kenne.


    Wie auch immer: ich habe es sehr genossen, diesen Abschnitt zu lesen. Lothars sehr bildhafte Sprache ist einfach, klar und sehr schön. Zu den Charakteren mag ich noch nichts sagen.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Rouge

    Genau diess Buch steht schon in meinem Bücherregal! :-] Und ich bin froh darum, denn bisher gefällt mir der "Engel mit der Posaune" so gut (bin am Ende des 2. Abschnitts), daß ich auf jeden Fall noch mehr von dem Autor lesen möchte.



    Sicollier, du hast diesen Satz sicher nicht so gemeint, ich halte ihn trotzdem für missverständlich.


    Es kommt sehr wohl darauf an, welche Werte eine Gesellschaft hat und für wen sie gelten.

    Werte haben so ziemlich alle - nur gelten die oft genug für die eigenen Anhänger, alle anderen

    Nun ja, was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben. Es ist möglicherweise auch davon abhängig, was man als "Wert" definiert. Führt hier auf Dauer aber zu sehr ins OT.



    Wie auch immer: ich habe es sehr genossen, diesen Abschnitt zu lesen. Lothars sehr bildhafte Sprache ist einfach, klar und sehr schön.

    Wie genau ich Lothars Sprache bezeichnen würde, weiß ich nicht so recht; als "einfach" sicherlich nicht. Auf jeden Fall ist es ausnehmend wohltuend, ein Buch in wirklich gutem Deutsch (ein Lob der Übersetzung!) und wohlgesetzter Sprache zu lesen. :anbet

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")