Fest im Fest
von R. Bote
Das Sommerfest war immer ein Höhepunkt für die Beschäftigten von FH Feilke. Die Firma machte in Fertighäusern, 70 Angestellte sorgten dafür, dass der Laden brummte. Da ließ der Chef sich dann auch nicht lumpen, im Sommer und zu Weihnachten wurde groß gefeiert.
Für Bennet und Carla war es das erste Sommerfest. Sie hatten im letzten Sommer ihre Ausbildung begonnen, Carla im Vertrieb, Bennet in der Buchhaltung. Arbeitsmäßig hatten sie nicht so viel miteinander zu tun, verbrachten aber oft die Mittagspausen zusammen. Vielleicht musste sich das so ergeben, weil sie die einzigen Auszubildenden waren und auch sonst mit ihren siebzehn Jahren mit Abstand die Jüngsten. Außerdem kannten sie sich von früher, an der Realschule waren sie in Parallelklassen gewesen.
Bennet fühlte sich ganz wohl. Der Chef hatte ein Restaurant komplett gemietet für den Abend, es gab einen großen Saal drinnen und draußen eine Terrasse, die einen schönen Blick aufs Ruhrtal bot. Man saß dort recht gemütlich, die Tische waren so zusammengestellt worden, dass man sich gut in kleineren oder größeren Gruppen unterhalten konnte. Dienstbare Geister bewegten sich zwischen den Tischen und brachten Getränke, Essen musste man sich selbst holen. Ein Ein-Mann-Ensemble mit Keyboard sorgte für musikalische Untermalung, aber dezent, sodass man seinen Sitznachbarn noch verstand, ohne dass der den Stimmbändern eine Gewaltleistung abverlangen musste.
Carla neben ihm war nicht ganz so glücklich. Ihr gefiel das Restaurant, auch die ganze Atmosphäre, und einer der Statiker erzählte gerade lebhaft witzige Anekdoten. Doch beim Essen hätte der Chef sich mehr einfallen lassen dürfen, fand sie, auch wenn sie nicht undankbar sein wollte. Da hatte er sich an seinem persönlichen Geschmack orientiert, Carla wusste, dass ein ordentliches Spanferkel mit Kraut bei ihm immer ging. Vielleicht hatte ihm da die Unterstützung seines Assistenten gefehlt, der in der entscheidenden Phase der Planung in Elternzeit gewesen war.
Carla aß Fleisch, aber in Maßen. Mangels Alternativen hatte sie sich ein kleines Stück genommen und eine Portion Kraut dazu, aber echter Appetit wollte sich nicht einstellen. Eher lustlos schob sie sich gelegentlich eine Gabel voll in den Mund. „Nicht so deins, oder?“, stellte Bennet mitfühlend fest. Von den gemeinsam verbrachten Mittagspausen kannte er natürlich ihre Vorlieben. „Gar nicht“, gab Carla zu. „Du haust aber auch nicht gerade rein.“ Das stimmte, auch Bennet war kein Freund von fettigem, fleischlastigem Essen. „Lässt du mich mal kurz raus?“, bat er.
Ein paar Minuten später war er zurück. Wo er gewesen war, sagte er nicht, auf dem Klo, schätzte Carla. Ihr fiel auf, dass er immer wieder auf die Uhr schaute. „Was ist los?“, fragte sie. „Musst du schon weg?“ „Nein.“ Bennet schüttelte den Kopf und schaute schon wieder auf die Uhr. „Kommst du mit nach draußen?“
Carla nickte, das Essen hielt sie nicht am Tisch, und mal etwas frische Luft zu schnappen, konnte nicht schaden. Allerdings steuerte Bennet nicht die Terrasse an, sondern einen Seiteneingang, der zum Parkplatz führte. Dahinter schloss sich ein Park an, und Bennet führte sie einen der Wege entlang. Hoppla, darauf war sie nicht vorbereitet, aber okay.
Wenig später erreichten sie einen Spielplatz, Bennet setzte sich auf die Tischtennisplatte und klopfte einladend neben sich auf die Betonfläche. Während Carla sich noch fragte, was das sollte, wurde ein Knattern laut, und ein paar Augenblicke später hielt ein Moped mit einer ausladenden Box auf dem Gepäckträger vor ihnen: ein Pizzabote!
„Du bist verrückt!“, sagte Carla lachend, während der Pizzabote das Geld für die Pizzen einsteckte und davonknatterte. „Wenn das einer gesehen hat, sind wir Montag Tagesgespräch in der Firma. Aber egal, ich find’s schön.“ Sie beugte sich zu Bennet hinüber und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.