Beiträge von SchreibwettbewerbOrg

    Der alte Mann, das Meer und das Schicksal

    Marlowe


    Omuha fuhr mal wieder mit seinem klapprigen Segelboot hinaus auf das Meer. Die Kinder am Strand winkten ihm nach und riefen freche Sprüche. Aber Omuha war stur, er glaubte an die alten Legenden, dort draußen war der versunkene Kontinent , Europa hatten die Alten ihn wohl genannt. Etliche seiner Funde bewiesen das doch.

    Aber seit das Meer soviel Land weltweit verschlungen hatte, munkelten die Menschen, das Wasser hätte die Menschen bestraft für ihre Sünden. Aberglaube, da war sich Omuha sicher. Jedes Jahr fuhr er hinaus und fischte mit Drahthaken an dicken Seilen Dinge vom Boden. Alte Dosen, viel weiches Zeug , zu nichts nutze, ein Wanderer von weit her erzählte, Plastik hätte man es genannt. Einmal hatte er ein seltsames Metallgestell gehoben, es war ganz leicht, ein rundes Metallrad war daran befestigt, aber niemand konnte was damit anfangen. Nutzloses Zeug sagten alle, alter Idiot schimpften sie ihn dann und und meinten, das Meer würde ihn schon strafen wenn er es bestehle.

    Omuha fuhr diesmal weiter hinaus und hatte Glück. Als erstes fischte er einen runden Gegenstand heraus, leicht und schwarz glänzend war er, nachdem er ihn gesäubert hatte. An einer Seite war ein durchsichtiges Teil befestigt, dass er rauf und runter klappen konnte. Es hatte Ähnlichkeit mit einem Helm, wie die Wächter des Dorfes sie nutzten. Wenn er die alten Zeichen richtig deutete, stand da "Suzuk", vielleicht war das Wort länger, aber das Meer hatte sich seinen Teil geholt. An beiden Seiten waren Flammen abgebildet, das sah einfach wundervoll aus.

    Er fischte weiter und kurz danach hatte er etwas wirklich Schweres am Haken. Er zog und zerrte, er fluchte und schrie, er band das Seil fest und ließ den Wind in die Segel blasen, er wendete und irgendwie gelang es ihm, das Schwere am Haken immer weiter landwärts zu ziehen.

    Er kämpfte als ginge es um sein Leben, hin und her kreuzend sah er nach drei Tagen und vier Nächten endlich die Lichter der Strandfeuer. Bald würde er seinen Triumph feiern können. Das Meer war hier nicht mehr tief und am Abend war es ihm endlich gelungen, eine große Metallkiste an Bord zu hieven. Sogar Buchstaben waren noch zu erkennen. "Dynamit Nobel" stand da, darunter "Landmi", aber alles andere war nur noch bruchstückhaft oder gar nicht mehr zu erkennen.

    Egal, er hatte etwas Großes gefunden, das alleine zählte. Er öffnete mühsam die Kiste und darin lagen kleine runde Dinger, alle in einer weichen Hülle. Er nahm eines davon heraus. Ein Knopf stand oben heraus. Es wurde hell. Er grinste, griff nach dem Suzukhelm, setzte ihn auf, nahm ein großes Plastikteil und legte es sich über die Schultern, das runde Ding legte er auf den Boden, dann ließ er den Wind voll in die Segel blasen, hielt das Ruder fest und grölte und hüpfte auf seinem Boot herum.

    Die Strandwächter sahen das Boot herankommen, darauf ein einen schrecklich anmutenden Dämon mit einem riesigen, schwarz glänzenden Kopf, der Dämon brüllte und voller Angst, aber auch mit dem Mut der Pflichtbewussten, schossen sie Pfeil um Pfeil auf diesen Meeresdämon, der Omuha anscheinend getötet und nun das Dorf als Ziel seiner bösen Absichten hatte.

    Der Dämon schrie, etliche Pfeile ragten aus ihm heraus, er hüpfte und sprang herum und zerrte an seinem Kopf, die Menschen am Strand zitterten zwar, aber vor Angst starr sahen sie plötzlich, wie eine riesige Flamme mit einem gewaltigen Donner das Boot zerteilte, der Dämon auf der Flamme in die Luft flog und es ihn in Stücke zerriss. Teile fielen ins Meer, Dämonenfleisch, Holz, Seilstücke lagen auf dem Wasser, langsam trieben der Wind und die Wellen es fort vom Strand. Die Wächter und alle anderen dort jubelten und verhöhnten den wie sie meinten besiegten Dämon. Einen Tag lang trauerten sie um den alten Omuha, doch das Leben ging weiter.

    Die Kiste lag nicht weit vom Strand entfernt im Wasser, sie hatte die Explosion überstanden. Noch bewahrte sie ihr Geheimnis, vielleicht war das Meer diesmal aber gnädig und vergrub sie für immer.

    Das Bermudadreieck des Nordens

    R. Bote


    12. Juni 1908: Der dänische Schoner Korbinian Låsesmed, mit einer Fracht von 370 Tonnen Bauholz und Kleineisenteilen und sechs Passagieren auf dem Weg von Esbjerg nach Qaqortoq, verschwindet nach einem Zwischenstopp auf dem Färöern spurlos.

    17. Januar 1946: Der isländische Trawler Ísblóm („Eisblume“) gibt am Abend eine Position 160 Seemeilen südlich von Reykjavik an. Der Kapitän kündigt an, noch etwa 30 Meilen nach Süden zu fahren und dann die Netze auszubringen. Am Morgen des 18. Januar meldet das Schiff sich nicht mehr, eine groß angelegte Suche bleibt erfolglos.

    31. Juli 1962: Das Arktis-Kreuzfahrtschiff Polar Vanguard sinkt in den Gewässern südlich von Island innerhalb von zwanzig Minuten, ohne dass vorher ein Schaden oder ein Zusammenstoß zu erkennen gewesen war. Die Zeit reicht gerade, um die Rettungsboote zu Wasser zu lassen, die ein Frachter nach wenigen Stunden aufnimmt.


    Eike legte das Handy auf den Kajütentisch. Es war kurz nach acht, seine Freiwache, und er hatte die Zeit genutzt, um ein bisschen durch die digitalen Ausgaben verschiedener Zeitschriften zu blättern. Er fuhr seit über 30 Jahren zur See, wie vor ihm schon Vater, Großvater und Urgroßvater; wie viel weiter zurück die Tradition noch reichte, wusste er nicht, aber er glaubte, dass es etliche Generationen waren.

    Von einem „schwarzen Loch im Nordmeer“, so war der Artikel überschrieben, hatte er in all den Jahren nie gehört. Die Korbinian Låsesmed, die Ísblóm und die Polar Vanguard sollten stellvertretend stehen für über 100 Schiffe, die seit Ende des 19. Jahrhunderts in einem vergleichsweise kleinen Seegebiet südlich von Island unter ungeklärten Umständen verloren gegangen waren.

    Eike schüttelte den Kopf. Er war selbst schon oft durch dieses Seegebiet gefahren, nie hatte es irgendwelche Vorfälle gegeben. Oder schon Vorfälle, aber nichts, was nicht mit den üblichen Gefahren der See und den Herausforderungen der Schifffahrt zu erklären war. War das so eine Geschichte wie beim berüchtigten Bermudadreieck, wo sich die meisten Legenden bei genauerer Betrachtung als Erfindungen oder normale Unfälle entpuppten?

    Eine kurze Recherche schien das zu bestätigen. Eike fand zwar ältere Artikel, die ebenfalls von einer auffälligen Häufung ungeklärter Schiffsunfälle berichteten und weitere Beispiele brachten, aber wenn er sich die Einzelfälle anschaute, dann blieb nicht mehr viel Mysteriöses. Der Schoner war fast 40 Jahre alt gewesen, ein geradezu methusalemisches Alter für Schiffe aus dieser Zeit, und bei stürmischer See wahrscheinlich schon kurz nach dem Ablegen in Tórshavn weit vor dem besagten Seegebiet gesunken. Ähnlich verhielt es sich bei der Ísblóm, eine junge, unerfahrene Crew auf einem Eimer, den jeder fliegende Schrotthändler verschämt unter einer Plane versteckt hätte. Der Polar Vanguard war wohl ein falscher Stahl zum Verhängnis geworden, der bei Kälte so spröde wurde, dass er den normalen Belastungen der See nicht mehr gewachsen war.


    „Tja, ich weiß nicht, ob es gut ist, dass dieser Artikel jetzt erscheint.“ Eikes Schiff lag im Heimathafen, und er nutzte die Zeit, um seine Mutter zu besuchen. Er wusste selbst nicht, warum er den Bericht über das angebliche „Schwarze Loch“ vor Island erwähnt hatte, und war überrascht über ihre Reaktion.

    Seine Mutter, schon gut über 70, schien es zu merken. „Ich kenne die Geschichte“, erklärte sie. „Eine riesiger Betrug, aber zu einem guten Zweck: In dem Gebiet lebt eine seltene Walart und zieht dort ihre Jungen groß. Sie sollte vor den Fischern geschützt werden. Aber ich fürchte, heute, wo die Seefahrt ihren Aberglauben verloren hat, bewirkt so eine Geschichte eher das Gegenteil, und irgendwer fängt an, die Sache zu untersuchen.“ Eike nickte betreten, er teilte die Befürchtung. „Aber woher weißt du…?“

    Seine Mutter lächelte fein. „Der Erfinder dieser Geschichte war“, sie machte eine kurze Pause, um die Spannung zu steigern, „dein Großvater.“

    :welle


    Es ist ausgewertet!


    1. Partyplaner (Breumel) - 34 Punkte

    2. Vorbei, aber nicht vergessen (Marlowe) - 27 Punkte

    3. Wunderbare Jahre (Inkslinger) - 20 Punkte

    4. Mit freundlichen Grüßen (Booklooker) - 13 Punkte

    5. Billiges Vergnügen (R. Bote) - 11 Punkte


    Herzlichen Glückwunsch und vor allem: Herzlichen Dank allen die mitgeschrieben, gelesen, bewertet oder kommentiert haben!


    :danke