Das Glück ist mit den Tapferen von Inkslinger
Die Sonne sieht aus wie eine feurige Knoblauchzehe, dachte Elspeth.
Den Blick gen Horizont hatte sie lange über einen passenden Vergleich nachgedacht. Was anderes konnte sie eh nicht tun. Die Einöde um sie herum bot keinerlei Abwechslung.
Seit Tagen waren sie schon unterwegs, ihr Ziel nicht in Sicht.
“Kopf hoch, Prinzessin”, wieherte ihr Begleiter und warf seine rote Mähne zurück. “Es sind nur noch wenige Tage bis nach Putamar. Euren Eltern wird nichts geschehen. Der König und die Königin waren schon immer gut darin, brenzlige Situationen zu überstehen.”
Elspeth seufzte und schaute den alten Zentauren an. “Ich weiß, Grull. Trotzdem habe ich Zweifel. Was soll ich meinem Volk sagen, falls ich versage?”
“Grübelt nicht über das Morgen, Prinzessin. Lebt im Heute, wo alles möglich ist. Außerdem haben wir doch für unser Glück ausreichend vorgesorgt.”
Gedankenverloren streichelte er über die Tasche an seiner Flanke.
Ein Lächeln stahl sich auf Elspeths Gesicht. “Du hast wie immer Recht, Grull. Gut, dass ich dich habe. Mit dir an meiner Seite kann ich jedes Übel bezwingen.”
Vier Tage später kamen sie in Putamar an. Ihr vorausschauender Widersacher hatte die Wachen verstärkt, doch für Elspeth und ihren Gefährten stellten sie keinerlei Hindernis dar. Grulls Schwert und die Pfeile der Prinzessin richteten sie in Massen.
Schließlich kamen die Menschenprinzessin und ihr Zentaur im großen Saal an, wo sie König Egbert und Königin Esther fanden. Zusammen mit dem Herrn von Putamar, der die Eindringlinge mit aufgerissenen Augen anstarrte. “Wie, zur Hölle, konntet Ihr hier eindringen? Was fällt Euch ein? Das erlaube ich nicht!”
Grull lachte grollend. “Dann hättet Ihr Euch nicht meiner Herrscher annehmen dürfen, Ihr Möchtegern-Monarch!”
“Schweig, Pferdegesicht! Prinzessin, ich kann nicht zulassen, dass Ihr meine Männer abschlachtet!”
“Was dachtet Ihr denn, wie ich auf Eure dreiste Tat reagiere? Ein Geschenkbouquet und ‘Danke, dass ihr meine Eltern entführt’?! Nima, ich zweifle einmal mehr an Eurer geistigen Gesundheit.”
Nimas Gesicht lief rot an. “Ich muss doch sehr bitten, Prinzessin!”
Elspeth schüttelte den Kopf. “Die Zeit des Bittens ist vorbei.” Sie wandte sich an ihren Schwertmeister. “Grull.”
Der Angesprochene stürzte sich mit einem markerschütternden Schrei auf seinen Gegner und köpfte ihn mit einem Hieb.
Nachdem er sein Schwert an Nimas Kleidung abgewischt hatte, trabte er zu Elspeth zurück und überreichte ihr den Beutel.
“Danke, Grull. Lass uns allein.”
Er tat wie ihm geheißen und schloss die Saaltür mit einem kräftigen Hufschlag.
Elspeth legte ihre Waffe ab und ging auf ihre Eltern zu. “Vater, Mutter - ihr habt überlebt.”
Das Königspaar fasste sich an den Händen. Ihr Vater setzte sein professionelles Lächeln auf. “Ja, und du hast uns gefunden.”
“Dank dieses Schatzes.” Sie öffnete die Tasche und zog den Inhalt hervor.
Den Eltern fielen die Kinnladen herunter. Es war das Schönste, was sie jemals gesehen hatten. Ein schillerndes, gewundenes Horn, das in allen Farben der Welt strahlte. Pure Magie ging davon aus und erfüllte sie mit nie erlebter Ehrfurcht.
“Wo… Woher hast du das, Kind?”
“Was glaubst du denn, Vater? Natürlich direkt von der Quelle. Hat mich fast eine Woche gekostet, das Scheißding zu besorgen. Aber es hat sich gelohnt.”
“Du hast ein Einhorn getötet?”
Elspeth grinste. “Ich habe nur das Horn genommen. Krepiert ist der blöde Esel von allein.” Mit dem Dolch aus ihrem Stiefel schabte sie am Horn, sammelte das glitzernde Pulver auf ihrem Handrücken und zog es sich durch die Nase. “Hui, geiler Shit! Aber zurück zu euch. Irgendwelche letzten Wünsche?”
Das Volk war bestürzt vom Tod ihrer Majestäten zu hören.
Elspeth wurde gekrönt und fortan die Glückshornkönigin genannt.
Und wenn sie nicht gestorben ist, dann schnieft sie noch heute.