Mörderischer Stundenplan
von Breumel
Ein gut gezielter Schuss, und der Drecksack war erledigt. Und noch einer! Heute hatte es ihm sowas von gereicht, und jetzt war seine Geduld am Ende. Er schoss zurück.
Schon am Morgen hatte es angefangen. Fast hätte er den Wecker überhört und war spät dran, und dann ein unangekündigter Test in Französisch. Mit der Sprache stand er sowieso auf Kriegsfuß, und Frau Ulbricht hatte so eine arrogante Art, wenn sie ihn mal wieder korrigierte. Er hatte natürlich versagt, schon mit Ankündigung und vorherigem Lernen hielt er sich gerade so auf einer vier.
Dann Physik bei Herrn Maasmann. Die Parallelklasse hatte Herrn Schmidt, der baute vor der Stunde immer einen Versuch auf, den sie dann ablaufen ließen. Das war echt cool! Aber Herr Maasmann war das zu aufwändig. Da hätte er ja unbezahlt arbeiten müssen. Nein, seine Physikstunden waren erweiterte Mathestunden – Formeln sammeln, Werte eintragen und Unbekannte bestimmen. Ätzend langweilig.
In der Pause hatte er Hunger gehabt, da er ohne zu frühstücken aus dem Haus gerannt war. Also hatte er sich am Kiosk angestellt. Als er endlich an der Reihe war, waren die ganzen guten Brötchen schon weg gewesen, und er hatte nur noch einen Muffin kaufen können. Und weil Softdrinks ja verboten waren und Schüler auch keinen Kaffee kaufen durften, hatte er die Wahl zwischen Milch und Wasser gehabt. Echt jetzt?!?
In Deutsch hatten sie die neue Klassenlektüre besprochen. Wobei „neu“ das falsche Wort war. Das Buch war von 1968 und umfasste fast 600 Seiten. Wer suchte so etwas aus? Sein Kumpel Michael hatte ins Hörbuch reingehört, aber das war hier auch keine Alternative – zum Einschlafen langsam und emotionslos gelesen. Es ging um „die Freuden der Pflicht“ – wie wäre es als Alternative denn mit der Freude am Lesen?
Wenigstens die Englischstunde war gut gewesen. Sie hatten über alternative Energien diskutiert. Dazu hatte fast jeder eine Meinung, so dass der Unterricht zu einer lebhaften Diskussion ausgeartet war, welche Frau Rast auch nicht unterbunden hatte. Bei ihr durften sie reden, und er beteiligte sich freiwillig am Unterricht.
Dafür war Mathe eine reine Arbeitsblätter-Stunde gewesen. Er hatte die Aufgabe nicht verstanden und Frau Eichhorn um Hilfe gebeten, aber diese konnte einfach nicht gut erklären. Zudem hatte sie zu wenig Zeit für die ganzen Schüler gehabt, welche Fragen hatten. Selbststudium war nicht hilfreich, wenn man sowieso schon Schwierigkeiten mit dem Stoff hatte! Nele hatte neben ihm gesessen und versucht, es ihm zu erklären, aber das hatte ihnen nur eine Ermahnung eingebracht, da sie während der Lernzeit nicht reden durften.
Auf die sechste Stunde – Sport – hatte er sich eigentlich gefreut, aber Herr Ludwig hatte nur gefragt, ob sie Fußball oder Basketball spielen wollten. Und natürlich waren wieder mehr Schüler für Fußball. Sie könnten echt mal wieder Badminton spielen, oder wenigstens Volleyball! Aber dazu müsste man ja Netze aufbauen.
Nach Sport hatte er sich noch etwas zu trinken am Automaten geholt. Die Halle wurde auch von Vereinen genutzt, deshalb gab es hier einen richtigen Getränkeautomaten mit Apfelschorle und Iso-Limonaden. Leider kam er dadurch später zum Bus und die Haltestelle war schon knallvoll. Der Bus war überfüllt und er musste auf den nächsten warten. Bis er zuhause ankam, hatte es bereits zu regnen angefangen, und er war völlig durchweicht angekommen.
Es reichte! Nach diesem Sch…tag wollte er dringend jemanden umbringen. Wieder nahm er einen gegnerischen Soldaten ins Visier und drückte ab. Volltreffer! Er grinste. Bis es Zeit fürs Training im Schützenverein war, sollte sich seine Wut halbwegs gelegt haben. Seine Playstation hatte schon viele virtuelle Leben gekostet, aber keinen wirklichen Schaden angerichtet. Nicht die Ballerspiele machten aggressiv. Dafür war das echte Leben verantwortlich …