Hallo 
Ich war jetzt für ein paar Tage in Ostfriesland untergetaucht und hatte leider weder Zeit noch ausreichend Gelegenheit, um mich an den PC zu setzen.
Daher jetzt mit einiger Verspätung 
Die Aufmachung gefällt mir gut, das Buch sticht ins Auge, es lädt zum Blättern ein. Das Papier ist leider recht dick, aber das scheint inzwischen üblich zu sein bei diesem Genre.
Ein Namensverzeichnis/ einen Stammbaum hätte ich mir auch gewünscht, da selbst ich, die ich im Laufe meines Studiums zwei-drei lateinische Elisabeth-Viten gelesen habe, bei einigen Personen Schwierigkeiten habe, sie zuzuordnen. Es gibt zweimal Wigo, oder? Und wer Juditha ist und wo nun genau das Erbproblem liegt, war mir auch nicht klar. Die Heinriche, Konrads, Elisabeths und Hermanns haben mir jedoch keine Probleme bereitet, hier geht die Zuordnung m.e. gut aus dem Text hervor.
Die lateinischen Zitate stellen für mich kein Problem dar :grin, aber ich laufe da wohl nicht in der Konkurrenz.
An einigen Stellen wäre m.E. eine Orts- und Zeitangabe sinnvoll gewesen, um über die Zeitsprünge flüssiger hinweglesen zu können. Doch das relativiert sich im weiteren Verlauf.
Nahezu unschlagbar ist der Sprachschatz, mit dem Iris die Welt des 13. Jahrhunderts heraufbeschwört. Längst vergessene Wörter und Formulierungen werden wiederbelebt, dass mir als Philologin das Herz aufgeht
Genauso stark die Sprachbilder - die Metaphern sitzen, passen, nichts wirkt aufgesetzt. An einigen Stellen spürt man noch die Hektik der Endredaktion
- kleinere Wiederholungsprobleme, die aber das Gesamtbild in keinster Weise trüben.
Zu den Personen - Sie sind plastisch, leben, funktionieren. Heinrich gefällt mir gut, von einem Konrad von Marburg hoffe ich noch mehr zu lesen, Konrad der Bruder ist noch zu selten aufgetaucht, um ihn wirklich beurteilen zu können -ein Schicksal, das er leider mit vielen anderen Personen teilt, auf deren weitere Entwicklung ich gespannt bin.
Ein Problem ist Elisabeth. Ich habe mich - wie gesagt - früher schon mit ihr beschäftigt, und egal ob Heilige oder nicht, sie ist mir suspekt. Die Konsequenz, die sie an den Tag legt, kenne ich sonst nur von Fanatikern - und Magersüchtigen, die sich auf ähnliche Art und Weise zugrunde richten können (und vielleicht noch von Cato, aber der gehört in die Schublade Fanatiker). Es hätte andere Wege gegeben, ein gottgefälliges Leben zu führen - schließlich gab es genügend Orden, die sich mit der Verantwortung, die sie als Landgräfin und Mutter hatte, besser in Einklang hätten bringen lassen als die Minoriten. Für die Bewegung des Franz von Assissi hat sie sicher vieles bewirkt, aber es war nicht zwingend notwendig, gerade dieses Schritt zu gehen. Für eine Landgräfin bedeutete das, ihrem Stand zu entsagen, dem gegenüber sie eigentlich Verpflichtungen gehabt hätte, so dass Elisabeth hier eine sehr persönliche und in gewisser Hinsicht auch egoistische Entscheidung getroffen und diese mit fanatischem Eifer gelebt hat - mit der Belohnung der Heiligsprechungen und dem Erfolg der tausendfachen Nachahmung, sicher. Doch auch wenn das Mutter-Kind-Gedudel eine Erfindung des Bürgertums des 19. Jh. ist, das unser Mütterbild bis heute prägt, kann man Verantwortung und Bindung zu Kindern auch für das Mittelalter nicht ganz unter den Tisch kehren - zumal gerade diese Bindung im Verhältnis Heinrich-Sophia wieder zu Tage tritt (abgesehen von der Verantwortung als Beraterin, die sie für ihre Söhne auch nach dem Eintritt ins Kloster bleibt). Natürlich ist es ein anderes Verhältnis als wir es heute kennen, aber die Gleichgültigkeit, mit der Elisabeth ihren Kindern begegnet, ist für das 13. Jh. auch nicht repräsentativ (das Problem lässt Iris Heinrich ja auch ansprechen). Daher erscheint mir auch und gerade die Lossagung von den Kindern, die ihre Unterstützung als Regentin nötig gehabt hätten, als sehr egoistische Entscheidung, bei der Elisabeth ihre Wünsche über ihre Verantwortung gegenüber ihrem Stand und ihrer Familie stellt (Heinrich hätte Hermann auch gut "entsorgen" lassen können - eine Gefahr, die andere Königs- und Kaiserwitwen sehr wohl sahen und daher alles taten, um ihren Nachwuchs zu schützen und eine entsprechende Gefolgschaft aufzubauen - die genannte Adelheid hatte ja ein sehr ähnliches Problem).
Dennoch muss man auch bedenken, dass Elisabeths Eintreten für die Armen und Kranken außergewöhnlich war für eine Frau ihres Standes.
Ich selbst bin unsicher, wie ich diese Heilige bewerten will, und der Roman bestärkt mich eher noch in dieser Ungewissheit.
Auf den Lesegenuss haben all diese Überlegungen keine Auswirkungen - ich lese gerne über Menschen, die mir suspekt sind oder die mich faszinieren; ich brauche keine Figuren, mit denen ich mich identifizieren können muss. 
Und nun mache ich mich an den nächsten Teil ![:-]](https://www.buechereule.de/images/smilies/pleased.gif)
Das Buch macht Spaß, und ich freue mich schon darauf, wenn ich gleich im Bett die nächsten 100 Seiten runterreiße 
Feines Buch, Iris 
Viele Grüße 
Heike