Zitat
Original von MagnaMater
@ Bernhard
gute idee, dann sollen sie von hier verschwinden. Ich denk mir, wenn ich so zeitungen lese manchmal, die Aufklärung ist nichtmal bis an die tore von Paris gekommen - oder wahlweise Königsberg.
Aufklärung bitte nicht gleichsetzen mit der totalen Ablehnung von Religion. Damit wäre diese geistige Bewegung vollkommen missverstanden und in eine Richtung interpretiert, die als schick, weil fortschrittlich gilt (anders kann ich den Ausdruck "anachronistisch" oben nicht verstehen). (Das hatten wir übrigens auch schon mal bei der Französischen Revolution - wobei bei der Ablehung der Religion auch die Ablehnung des sakrosankten Königtums eine gewichtige Rolle spielte, die heute eher unbedeutet ist -, als die Herren und Damen Sansculotten, bzw. ihre intellektuellen Führer die Vernunft zum obersten Wesen erklärten. Geändert hatte sich dadurch übrigens nichts - die Kirchen hießen nun eben "Tempel der Vernunft".)
Aber eine ganz andere Sache, weshalb ich mich oberhaupt erst in diesem Thread zu Wort melde (und das auch erst, nachdem der Titel geändert wurde, den ich nicht wie du, Tom
, als provokativ, sondern bestenfalls als polemisch bezeichnet hätte) - ich bin ziemlich enttäuscht von dir, Tom. 
Ich habe dein Eingangsposting gelesen und mir verwundert die Augen gerieben und mich gefragt: "Ist das wirklich Tom? Ist das Tom, der sich plötzlich mit all jenen sensationsgierigen Journalisten und aufgebrachten ungebildeten Horden, die johlend Fahnen verbrennen, auf eine Stufe stellt und den Stab über ein Zitat bricht, dessen Zusammenhang er nicht einmal kennt? Ist das Tom, der an anderer Stelle lautstark und vehement für Meinungsfreiheit eintritt? Der den Ton intellektueller Diskurse kennt und in der Lage ist, Zitate entsprechend zu verstehen und einzuordnen?" 
Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um ein Zitat handelt, das im Zuge einer Vorlesung an einer Universität gefallen ist. Um ein historisches Zitat. Das Verständnis für Texte vor ihrem historischen Hintergrund gehört zu den Grundfertigkeiten, die ich meinen Schülern bereits in der Mittelstufe beibringe und die von ihnen nach wenigen Beispielen hinlänglich beherrscht werden. Wie kann man dann so kurzsichtig sein, ein historisches ZITAT mit der Meinung des Zitierenden gleichzusetzen, zumal etliche Jahrhunderte zwischen beiden liegen? (Für alle, die es nicht wissen, Manuell II und die anderen Palaiologen versuchten sich vergeblich gegen das Voprrücken der Osmanen zu behaupten. Konstantinopel stand im 14. und 15. Jahrhundert mit dem Rücken zur Wand und hatte diesen einen großen Feind.) Außerdem wird vergessen zu erwähnen, welche Funktion dieses Zitat im Gesamtkontext der Rede hat - eigentlich die wichtigste Frage, mit der ich mich beschäftige, ehe ich ein Zitat werte.
Sensationsgier ist das einzige, was mir dazu einfällt. Der Zusammenhang wird unterschlagen, um eine Schlagzeile zu haben.
Es betraf den Papst, doch dieser hat Manuel II nicht in einer Predigt zitiert, sondern in einer Vorlesung an einer Universität. Wenn nun mit Zitaten in wissenschaftlichen Vorträgen so umgegangen wird, stellt sich mir die Frage: Was bedeutet das für die freie Wissenschaft? Darf man nach heutigen Gesichtspunkten schwierige Zitate nicht mehr in den Mund nehmen, weil man befürchten muss, die Meinung des Zitierten werde mit der eigenen gleichgesetzt? Muss man jedes Wort in einem WISSENSCHAFTLICHEN Vortrag sorgsam abwägen, weil es Leute geben könnte, die den Zusammenhang nicht verstehen und ihr Halbwissen lauthals herausposaunen und im nahen Osten für Unruhe sorgen, bis wieder Fahnen brennen und Morddrohungen eingehen, wegen eines nicht verstandenen Zusammenhangs? Ich mag gar nicht daran denklen, was man mir alles antun könnte, wenn man Zitate, die ich im Unterricht zitiere, aus ihrem Zusammenhang risse. Im besten Fall würde mich der Verfassungsschutz überwachen ("Die Menschen werden als Untertanen geboren (...) Der Fürst blickt von einem höheren Standpunkt aus; man darf darauf vertrauen, dass er weiter sieht als wir; deshalb muss man ihm ohne Murren gehorchen." Bossuet, 1682) oder erschießen, weil ich den Islam / die Türken oder sonstwen beleidigt habe ("Das Osmanische Reich stellte eine erhebliche Bedrohung dar.") ich kann daher nur froh sein, dass ich an einer kleinen Schule im hessischen Hinterland unterrichte und nicht täglich sensationsgeile Reporter im Klassenzimmer habe, die Zitatfetzen suchen, anhand deren man meine Ewig-Gestrigkeit belegen kann.
Kardinal Lehmann räumte m.W. ein, dass der Papst vielleicht nicht deutlich genug die historischen Umstände erläutert hätte. Auch hier muss ich wieder fragen - was erwarten wir von einem wissenschaftlichen Vortrag? Die Zuhörer haben die Vorbildung, um die Zusammenhänge zu verstehen, und es wäre eine Zumutung, diesem Auditorium noch einmal vom Hölzchen zum Stöckchen alles zu erläutern.
Ich werfe dir, Tom
, nicht vor, dass DU diese Zusammenhänge nicht durchdacht und verstanden hast - eher im Gegenteil. Ich bin enttäuscht, dass du (zumindest mit deinem Eingangsthread) mit den Sensationsreportern und den ungebildetejn, fahnenverbrennenden Massen in ein Horn stößt, obwohl du es besser wissen solltest - und gerade hier gegen Stimmungsmache zu Lasten wissenschaftlicher Meinungsfreiheit auftreten solltest. Dass du das nicht tust, kann m.E. nur einen Grund haben - du willst provozieren (du nennst den alten Titel ja selbst provozierend) und eine Diskussion erneuern, die bereits mehrfach in diesem Forum geführt wurde.
Und da muss ich dich fragen - ist das nötig? Ist es nötig, eigene Wertmaßstäbe (Meinungsfreiheit) zu opfern, um hier eine Show zu inszenieren, bei der die Akteure von vornherein bekannt sind? Wenn du ernsthaft mit Iris und Rabarat über Religion diskutieren willst, warum dann in einem Thread mit einem unsäglichen Titel und nicht bei einem Glas Wein in einer gemütlichen Kneipe? 
Viele Grüße 
Heike 
PS: Wenn sich etwas mit bereits vorausgegangenen Postings gedoppelt haben sollte, bitte ich um Verzeihung - ich hatte keine Lust, das alles noch mal zu lesen. 