Agatha Christie: Das Eulenhaus (1946)
Dieser Roman gehört zur Hercule-Poirot-Reihe.
Im „Eulenhaus“, dem Landhaus von Lucy und Henry Angkatell treffen sich zu einem Wochenende Verwandte und Freunde: Edward Angkatell, dem der Landsitz Ainswick von Lucys Vater nach englischem Recht statt an seine Tochter vererbt wurde und der Cousin der um vieles älteren Lucy ist, sowie Henrietta Savernake und Midge Hardcastle, ebenfalls Cousinen der Angkatells, außerdem David Angkatell, ein Oxford-Student und das Arztehepaar John und Gerda Christow. Für den Sonntag zum Lunch ist außerdem Hercule Poirot eingeladen, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft ein kleines Landhaus gekauft hat.
John Christow ist ein einerseits sehr fähiger und aufopferungsvoller Arzt, der an der Behandlung der sogenannten Ridgeway-Krankheit, einer fiktiven Erkrankung, deren Symptome an die Multiple Sklerose erinnern, arbeitet und gleichzeitig für die Finanzen eine Modepraxis für reiche, gelangweilte Patientinnen führt. Andererseits ist er ein extremer Egoist, der seine Frau Gerda geheiratet hat, weil sie ihn anbetet und sich ihm völlig unterwirft, und unterhält eine Beziehung zu Henrietta Savernake, die selbstbewusst und selbstständig als Bildhauerin arbeitet. Gerda erscheint als schüchternes Dummchen, sie hat Angst vor dem Wochenende im Eulenhaus, insbesondere vor der faszinierenden Lucy, die trotz ihrer über 60 Jahre mit ihrer flatterhaften Art und ihrem besonderen Charme alle fasziniert, aber auf Gerda eher hochfahrend wirkt. Edward, der Eigentümer von Ainswick, an das alle Verwandten die schönsten Kindheitserinnerungen haben, ist seit Jahrzehnten in seine Cousine Henrietta verliebt, die aber alle seine Heiratsanträge abgelehnt hat und wird seinerseits von Midge Hardcastle geliebt.
Am Samstagabend sitzen alle beim Bridge, als Veronica Cray, eine berühmte Schauspielerin und Nachbarin, hereinplatzt und nach Streichhölzern fragt, die sie in ihrem Landhaus nicht vorrätig hat. Dies dient ihr als Vorwand, denn sie möchte mit John Christow sprechen, mit dem sie vor 15 Jahren eine Liebesbeziehung hatte und der sie verließ, weil sie von ihm verlangte, dass er mit ihr wegen ihrer Schauspielkarriere in die USA gehen sollte. Sie tut so, als habe sie ihn gerade wieder erkannt und lädt ihn ein, sie um der alten Zeiten willen nach Hause zu begleiten. Die beiden verbringen einen Teil der Nacht miteinander, und John kehrt erst um 3 Uhr nach Hause zurück. Er ist erleichtert, dass seine Frau nur kurz wach wird und sein Fernbleiben nicht weiter kommentiert. Am nächsten Morgen lässt Veronica ihn noch einmal zu sich bitten. Dabei kommt es zum Streit und trotz der gemeinsamen Liebesnacht weist John sie ab. Sie reagiert darauf hasserfüllt. Als John mittags am Swimmingpool des „Eulenhauses“ entlang zum Lunch kommt, wird er von jemandem, den er kennt erschossen. Unmittelbar darauf trifft auch Hercule Poirot im Garten ein, in den ihn das Personal weitergeleitet hat, weil sich dort Lady Angkatell aufhalte. Ihm erscheint zunächst die Szene, die er ansehen muss, gestellt. Gerda Christow steht mit einer Pistole über ihren sterbenden Mann gebeugt am Pool, in ihrer Nähe sind Henrietta, Edward und Lucy, die aus unterschiedlichen Richtungen ebenfalls gerade eingetroffen sind. John Christows letztes Wort ist „Henrietta!“, ehe er stirbt.
Dieses Setting nun beschäftigt Hercule Poirot und die eintreffende Polizei um Inspektor Grange, und die Ermittlungen kommen nur schleppend voran, weil immer wieder verwirrende Indizien und Spuren in unterschiedliche Richtungen weisen. So ist z.B. die Waffe, die Gerda hält, gar nicht die Tatwaffe. Es dauert eine ganze Weile, bis Poirots kleine graue Zellen die ganze Verschwörung, die hinter dem Mordfall steckt, aufdecken können. Am Ende wird niemand verhaftet, aber der Gerechtigkeit doch Genüge getan.
Der Roman ist wieder einmal einer, in dem Christie genüsslich falsche Spuren auslegt und ihre Leser gründlich verwirrt, ehe sich die Fäden entwirren. Diesmal macht auch das Personal viel Freude, besonders die faszinierende Lady Lucy und ihre treue Dienerschaft, die ihr vorauseilend jeden Wunsch von den Augen abliest. Auch heute noch macht der Krimi viel Lesefreude, vor allem für anglophile Leser*innen.