Bist du ein Brite? Und könnte der Beruf mit Jura zu tun haben?
Beiträge von finsbury
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Nach Abschluss des zweiten Witichis-Buches mache ich auch erstmal eine kurze Lesepause, weil ich an einer anderen Leserunde beteiligt bin. Wird aber wohl nicht lange dauern, nicht so lange wie dieser Kampf ...
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Nun habe ich den zweiten Teil über Witichis mit dem melodramatischen Ende des Königs und seiner zwei Frauen beendet. Hier hat übrigens Dahn mehr Geschichtsklitterung als sonst betrieben. Laut Wikipedia wurden sowohl Witichis als auch Mataswintha nach Byzanz gebracht und dort ehrenvoll behandelt. Mataswintha heiratete dort auch Germanus. Übrigens geht Dahn auch in seiner historischen Abhandlung auf das weitere Schicksal der beiden nicht ein, obwohl er die gleichen alten Quellen wie die Wiki-Artikel angibt.
Aber zum Erzählen wars so mie im Roman natürlich viel dramatischer und romantischer!
Es gibt auch ein paar Parallelen in der Personenkonstellation. Denr Kerkerwächter von Witichis, der zwei Kämmerchen am Turm bewohnt, erinnert mich an den Torwächter in Neapel mit seiner schönen Tochter, deren Part in der Szene hier Rauthgundis übernimmt. Beide sterben für den Mann, den sie lieben und beide Wächter erliegen auch.
Hildebad hat Dahn wohl kein eigenes Buch gönnen wollen, zu kurz war seine Regierungszeit wohl. -
Das Buch hat viele gute Seiten (im doppelten Sinne des Wortes :-)),aber natürlich ist es auch ein Zeichen der unreflektierten Ideologie seiner Zeit, dem Zeitalter der Nationalstaaten und insbesondere hier die Phase der Reichsgründung und des Kriegs gegen Frankreich 1870/71.
Das muss man sagen dürfen, auch wenn es Spaß macht, den Roman zu lesen.
Auch mir geht es so wie dir, maikaefer , ich mag trotz ihrer ideologischen Verirrungen Werke einiger Autoren, die sogar offen mit den Nazis sympathisiert haben, wie z.B. viele Gedichte von Gottfried Benn, die ich für das Schönste halte, was in deutscher Sprache geschrieben wurde. Aber man muss eben solche Leute differenziert sehen und sich über die schönen Stellen freuen, aber auch hervorheben, was einem bedenklich scheint. Auch wenn Dahn sich vielleicht von den Nazis distanziert hätte, vertritt er einige nationalchauvinistische Ansichten, die gefährlich sind. Ich meine, dass gerade in einer Leserunde auch dafür Platz sein muss, so etwas zu bemerken.
So, nun aber zurück nach dem Roman: Nach meiner Lesepause steige ich wieder ein in dem Moment, wo die Goten unter Witichis den letzten Versuch machen, Rom einzunehmen.
Interessant finde ich die umtriebige Gestalt des Syphax: Er ist seinem Herrn Cethegus treu ergeben und hat keinerlei Probleme mit dessen Charakter. Im Gegensatz zu Cethegus' anderen Getreuen scheint dieser für seinen Sklaven auch aufrichtige Zuneigung zu empfinden bzw. hält ihn für besonders wertvoll, z.B. als er ihn während des Ansturms der Goten wegschickt mit einem Auftrag, der ihn aus der Gefahrenzone wegbringt.
Dass Witichis Syphax gegenüber so leichtgläubig ist, erstaunt mich, es passt nicht zu seiner ansonsten gezeigten Wohlüberlegtheit. -
Ihr seid zwar schon lange dabei, aber ich möchte jetzt auch noch einsteigen. Es geht ja um nix, und mit dem Bingo hat man wieder einen Anreiz mehr, seinen SUB zu reduzieren. Das Leserundenbuch von Felix Dahn "Ein Kampf um Rom", das ich gerade unter den Augen habe, nehme ich dann für das erste Bingofeld, das ich hoffentlich bald ausfüllen kannt: Ein blaues Buch!
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Im dritten Teil unserer Lektürerunde nutzt Dahn auch wieder die geschichtlichen Gegebenheiten (Heirat Witichis' mit Mataswintha) hemmungslos für romantische Umwege zum historischen Resultat: Mataswintha wird enttäuscht durch Witichis' Vernunftheirat mit ihr und zieht deshalb alle Register, um die gotische Herrschaft in Italien zu zerstören. Das macht das Ganze natürlich für uns um so "haptischer".
Es geht hier wieder sehr ums Volk und die Treue zu ihm. Wie Hildebrand seinen Enkel exekutieren lässt, weil der, der Erziehung und Einstellung nach Römer und auch biologisch zur Hälfte, sich auf die Seite der Römer stellt, das ist schon starker Tobak und hat den Chefideologen der Nazis bestimmt gut gefallen. Tut mir Leid, dass ich da manchmal so drauf rumhacke, aber solche Stellen stoßen mir schon bitter auf.
Übrigens bin ich ab morgen ein paar Tage in Urlaub und will mich nicht mit dem dicken Wälzer belasten. Ich lese dann ab Sonntag darin weiter.
Viel Spaß, @maikäfer, mit dem Normannen in Italia, ist ja gar nicht so weit weg von unserem Thema.
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Zitat
Original von Zefira
Ich kann dazu sagen, dass Gothelindis' Schicksal - als ich im Alter von etwa elf das Buch zum ersten Mal las - mich bewegt und gerührt hat. Amalaswinthas mutwilliger Wurf der Schere hat ihr Leben auf einen Schlag zerstört; Amalaswintha hat ihr alles genommen, und außer Eutharich, den sie nicht behalten durfte, hat nie jemand Mitgefühl für sie empfunden. Mir hat sie einerseits leid getan, andererseits empfand ich eine gewissen Achtung vor ihr. Mit ihreer kompromisslosen Rachsucht, die sogar Theodahad Angst einflößt, ist sie letztlich kaum weniger standhaft als die gotischen Helden, nur ist ihr Heldentum fehlgeleitet.Da würde ich dir zustimmen, gerade im Kontrast zu dem geldgierigen Opportunisten Theodahad wirkt das so! Gothelindis hat durchaus antike Größe: ich könnte sie mir gut als Titelgestalt einer griechischen Tragödie, wie z.B. Medea, vorstellen.
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Nun bin ich auch über Kapitel 60 hinaus: Es geht bei mir langsam, weil der Roman für mich Erstlektüre ist und wir außerdem im Moment renovieren, da fall ich abends ins Bett und komm kaum mehr zum Lesen.
Aber nun zum Roman: Die Handlung bleibt spannend und immer mehr wichtige Personen kommen ums Leben: Theodahad, seine Frau, Miriam, Valerias Vater ... .
Cethegus fährt eine interessante Doppelstrategie gegen Goten, Kirche und Byzantiner.
Witichis als neuer König ist eine makellose Lichtgestalt und trifft kluge politische Entscheidungen.
Übrigens durchaus modern, dass Dahn immer wieder die Schauplätze wechselt, bevor ein Erzählabschnitt zu Ende geführt ist. -
Entschuldigung,
ich habe mich um mindestens 50 Seiten verzählt, hab jetzt aber alles mit dem Gutenberg-Text abgeglichen.
Bin also noch mitten drin im zweiten Abschnitt und möchte jetzt auch mal was Lobendes schreiben:
Das Ende von Amalaswintha könnte auch ein Jussi Adler Olsen nicht dramatischer gestalten. Die Szene hat mich wirklich sehr an diesen Krimiautor erinnert. Das gesuchte technische Setting (mit den Mitteln der damaligen Zeit), die psychologische Motivierung Gothelindis und das beobachete Opfer im verschlossenen Raum, das ist allererste Thrillersahne und für das 19. Jahrhundert durchaus modern, wenn auch nicht singulär.
Wie du, Teresa , im nächsten Abschnitt schreibst, rührt Gothelindis Schicksal schon und wirft einen weiteren negativen Schein auf Amalaswintha, die ihren doch ziemlich folgenreichen und gemeinen Anschlag auf ihre damalige Rivalin anscheinend vergessen/verdrängt hat und für vernachlässigbar hält.
Im Tod darf sie dennoch noch einmal Größe gewinnen und Gothelindis darf uns wieder von Gesicht und Charakter her hässlich erscheinen.
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Diese dreißig Kapitel habe ich nun auch hinter mir. Das Ganze entwickelt sich zu einem riesigen Intrigenspiel, in das immer mehr Personen eingreifen, nun auch der byzantinische Kaiser Justinian, seine Gattin, ihr Gesandter Petros, Theodahad und Gotelindis.
Dagegen stehen die Lichtgestalten Mataswintha (ganz "Weib": bloß Liebe und Heim, keine Politik, kein Machtstreben) und Totila sowie aber auch der verzichtende Ziehsohn von Cethegus, Julius, diesem kontrastiv gegenübergestellt.
Interessant, dass die Bösen häufig, nicht immer, auch äußerlich missraten sind: Ich glaube nicht, dass dies aus Quellen überliefert ist (vielleicht mit Ausnahme Justinians und Theodoras, wobei ersterer meiner Meinung nach durchaus differenziert dargestellt wurde, zumindest in der einleitenden Vorstellung, als die Handlung nach Byzanz wechselt). Eine ziemlich holzschnittartige Methode.
Die historischen Fakten scheinen aber weiter im Groben richtig dargestellt und spannend ist die Story allemal. -
Nun habe ich die ersten dreißig Kapitel hinter mir.
Das kontrastive Schreiben scheint den ganzen Roman zu durchziehen, wieder sehr auffällig bei der Szene auf Herzog Witichis Landgut mit seiner fleißigen Frau Rauthgundis, die ihr Haus und ihren Hof sauberer hält als es je römische Sklaven könnten - die schwäbische Kehrwoche lässt grüßen - und die zu grundehrlich und den "Welschen" zu feind ist, als dass sie es am Hof in Ravenna aushielte. Kurz danach beobachten wir junge Römer, die sich bei einer Orgie um den intriganten Cethegus scharen und halt- und gewissenlos ihrer Sinneslust frönen. Auch im Kleinen liebt Dahn die Schwarz-Weißmalerei, wenn er die römischen Sklaven auf Witichis Landgut die Tiere quälen lässt, während die guten Goten zuerst die Tiere versorgen und erst dann an sich denken.
Tja, warum les ich das weiter? Weil Dahn andererseits ein ungeheures, detailgenaues Bild einer Zeit schafft, über die es auch heute noch kaum historische Romane gibt. Allein das oben erwähnte Gelage ist so aufwändig geschildert, dass man meint, mit an der Tafel zu sitzen. Überhaupt sind die Römer in dem Roman bisher die interessanteren Personen, weil sie nicht idealisiert werden.
Übrigens gönnt er sich einige dichterische Freiheiten, obwohl er diese Epoche genauestens studiert hat.
Ich lese parallel zum Roman jene von Dahns historischen Schriften, die sich auf die gleiche Epoche beziehen.
Auch darin erkennt man den voreingenommenen Germanenfreund, aber er ist auch ein gründlicher Quellenkenner und gibt diese durchaus so wieder, dass man die Ereignisse von mehreren Seiten sieht.
Zu den dichterischen Freiheiten:
Athalarich ist laut Dahn zum Zeitpunkt des Todes seines Großvaters deutlich jünger als die Romanfigur, erst acht Jahre. Aber das passte natürlich nicht für die ergreifende Kamilla-Geschichte.
Auch ist es nicht Athalarich, der wieder stärker die Goten an den Hof holt, sondern diese trotzen Amalaswhinta ab, dass ihr Sohn, den sie zuvor stark "römerisierend" erzogen hatte, nun mit jungen Goten umgeben wird. "Diese aber verderben den Jüngling alsbald mit allerlei Ausschweifung und hetzen ihn gegen die Mutter auf, ihr die Herrschaft zu entreißen."
Im Roman wird daraus eine Phalanx von altehrwürdigen und erfahrenen Goten, die den jungen König beraten.Ansonsten stimmt aber das Dargestellte bisher, soweit ich es ermitteln konnte, mit den historischen Ereignissen meist überein.
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Hallo,
seit dem 4. lese ich auch in dem Roman, komme jetzt zu meiner ersten Stellungnahme.
Teresa , Maikäfer hat ganz Recht, du wirst uns hier wohl viele wichtige Hintergrundeindrücke vermitteln können.
Tja, am Anfang habe ich mich doch ein bisschen schwer getan mit der Lektüre. In den ersten Kapiteln tauchte bei mir ständig der Gedanke auf, wie gut den Nazis diese deutsch- bzw. germanisch-tümelnden Darstellungen in ihr Konzept passten. Der edle Hildebrand, die vier stolzen Recken um ihn herum, die große Leistung Theoderichs für die Römer, deren großer Kultur er Tribut zollt und die er so zivilisiert behandelt, schließlich die kontrastiven Kapitel 3 und 4, die die Verschwörung von Römern zeigte, die entweder undurchsichtig (in diesem Kapitel gilt das noch für Cethegus) oder machtgeil und intrigant wie Silverus sowie moralisch angefressen und hasserfüllt wie Rusticiana sind. Das ist schon eine ziemlich heftige Schwarz-Weiß-Malerei, die sich auch in der Sterbeszene Theoderichs fortsetzt.
Nun scheint aber mit der Handlung um Rusticiana und ihre Tochter Kamilla ein differenzierteres Schreiben einzusetzen. (Das gilt aber auch schon für die Vorstellung von Amalaswintha - die Schilderung von Frauencharakteren scheint Dahn besser zu liegen). Natürlich haben wir weiterhin Cethegus, von dem wir jetzt erfahren, dass sein Streben nach dem Titel des Imperators das lange von ihm selbst verkannte Lebensziel ist und er alles diesem unterordnet, aber die beiden Frauen sind differenzierter gezeichnet und man ahnt einige Verwicklungen bei Hofe, wenn Kamilla jetzt als Köder für Athalarich dort hinreist.Diese Szene übrigens auf dem Landgut, das der König für seine heimliche Liebe umgestaltet, erinnert mich doch sehr an einige Fortsetzungsromane für die "Gartenlaube", d i e literarische Trivialzeitschrift der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Nun erwarte ich gespannt die folgenden Ereignisse in Ravenna. -
1988 las ich den Roman und war damals ganz überrascht, was für ein gutes Stück Literatur das ist. Ich hatte, wie viele andere auch, das Vorurteil, dass es bei Bukowski eben nur ums Saufen und Ficken ginge. Aber der Roman zeigt, dass das nur eine außen stehendes Merkmal ist. In den 90ern las ich noch die "Aufzeichnungen eines Außenseiters" und "Kaputt in Hollywood", beides ebenfalls sehr lesenswert.
Danke, Voltaire , dass du an diesen wichtigen Autor erinnerst!
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Danke für deine nette Wieder-Begrüßung, @ maikaefer!
Ich freue mich inzwischen, wenn zwischen all den Neuererscheinungen - auch mal ein älteres Werk gemeinsam gelesen wird. Danach muss man in den Foren inzwischen sehr suchen.
Übrigens habe ich auch Dahns historisches Werk über die Völkerwanderung im Bücherregal und will versuchen, beide parallel zu lesen. -
War schon sehr lange nicht mehr hier, aber dieser Schmöker steht schon so lange in meinen Regalen, nun will ich ihn auch mal -trotz aller Bedenklichkeiten- gerne lesen.
Ich möchte also auch mitmachen! -
Hallo,
auch ich habe das Buch zu Beginn dieses Jahres gelesen und - wie bisher jedes Buch von Seth - genossen, wobei dieses mich auch betroffen gemacht hat.
Neben der schönen und wie du @ Lesterschwein, so schön schreibst "leisen Lebensgeschichte" haben mich besonders die Passagen über das Schicksal von Hennys Familie ergriffen sowie Seths Kommentare über Deutschland und Israel nachdenklich gemacht. Es ist sehr interessant, diese Zusammenhänge einmal aus der Sicht eines Außenestehenden, in diesem Falle eines Angloinders beleuchtet zu bekommen.
Für mich ein Buch, das es auch immer wieder zu verschenken lohnt.HG
finbury -
Hallo zusammen,
nach mindestens zwei Jahren habe ich das Buch nun endlich durch und bin vom ersten Teil, "Wissen" durchaus angetan. Man frischt vieles auf und erfährt manches neu und das auf unterhaltsame Art und Weise.
Den zweiten Teil "Können" fand ich zum Teil abgeschmackt: Themen, worüber man am besten nicht redet und HInweise, wie man am besten blendet, haben vielleicht in einem Lebenshilfemagazin etwas zu suchen, passen aber in dieses ansonsten sehr seriöse Werk nicht rein.
Insgesamt aber sehr lesenswert.HG
finsbury -
Hallo Darcy und alle,
deine Stellungnahme finde ich sehr passend. Die reißerische Werbung wird dem Buch wirklich nicht gerecht. Ich fand die Auflösung sehr überraschend. Aber im Nachinein muss ich sagen, dass der Plot sorgfältig gestrickt war und es keine toten Handlungsfäden gab.
Gut hat mir auch gefallen, dass der Held sich nicht absichtlich in idiotische Situationen stürzt, sondern entweder aus nachvollziehbarer Motivation oder von langer Hand her vorbereitetem Zufall.
Die Ausführungen zum weiteren Lebensweg des Helden fand ich ein wenig widersprüchlich, aber vielleicht habe ich da nicht genau genug gelesen.HG
finsbury -
Hallo zusammen,
vor vielen Jahren habe ich von Oates "Bellefleur" gelesen, ein sehr spannendes Familienepos, das gekonnt mit Elementen des Kolportageromans spielt.
Außerdem liegen noch "Wir waren die Mulvaneys" und "Die Schwestern von Bloodsmoor" bei mir auf Halde. Vielleicht kennt die jemand anderes von euch?!
J.C.Oates ist laut Sekundärliteratur auch dafür bekannt, dass sie ständig ihren Stil wechselt bzw. mit Stilen spielt, so dass man sich wohl nicht sicher sein kann, dass man das nächste Buch genauso gern hat wie das davor.HG
finsbury -
Danke für die Infos,
muss ich aber wohl nicht lesen!
HG
finsbury