Beiträge von Lipperin

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    Original von magali
    Es ist nicht klar, ob der Abschnitt vom Autor stammt, denn er hat, so der Klappentext, seine Erzählung nicht beendet. 1965 kam Kähne bei einem Unfall ums Leben. Er war Mitglied einer Autorengruppe, diese Erzählung ist der einzige seiner Texte, der veröffentlich wurde. Seine Lebensdaten sind laut Umschlaglappe 1929 – 1965, in den üblichen Schriftstellerlexika ist er nicht zu finden.
    Das Buch ist somit in vieler Hinsicht einzigartig.


    In meinem Büchlein ist noch vermerkt, dass er den Beruf eines Werkzeugmachers erlernte. Von 1951 bis zu seinem Tod sei er im Stahl- und Walzwerk Brandenburg in verschiedenen Arbeitsbereichen tätig gewesen, habe ein Fernstudium betrieben und war dann in jenem Werk als Ingenieur tätig. Er habe Skizzen, Kurzgeschichten und Erzählungen nebst Hörspielen geschrieben. Schade, dass ich nicht herausfinden konnte, ob er noch etwas veröffentlicht hat (in Zeitschriften oder so), er konnte schon erzählen, find ich.


    Mein Büchlein hat nur 220 Seiten (TB-Ausgabe), es sei leicht gekürzt, ist vermerkt.

    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Ich habe ein Buch bestellt, da die Buchhandlung hier nahezu keine Bücher von Independent-Verlagen hat.


    ... und wenn man den Buchhändler danach fragt, muss man damit rechnen, gesagt zu bekommen, solche Bücher würden "sich nicht lohnen" (fürs Geschäft). Die Kunden wünschten Mainstream. Auf mein Bemerken, wenn sie vielleicht wüssten, dass es auch anderes gibt, würden sie vielleicht auch da zugreifen, bekam ich nur ein Kopfschütteln. Jedenfalls lehnt es "mein" Buchhändler ab, Bücher von den kleinen Verlagen vorrätig zu halten, weil es sich "für ihn nicht rechnet" (geht um irgendwelche Prozente). Außerdem müsse er es mit der Post kommen lassen - also Direktbestellung beim Verlag -, weil der Großhändler sie auch nicht vorrätig halte.


    Gut, dass die kleinen Verlage auch eine Bestellmöglichkeit bieten, die meisten jedenfalls.


    Besorgt habe ich mir:
    Lee Hochol - Heimatlos (Reihe Phönixfeder im Ostasien Verlag)
    Jo Jong-Rae - Land der Verbannung (Edition Peperkorn)

    Vielen Dank für die Vorstellung des Buches. :wave
    Ich habe es schon hier liegen, aber bei Yates habe ich immer das Gefühl, ich brauche "Sonnenschein" (in welcher Form auch immer), um sein allzu genauen und entlarvenden Blick verdauen zu können.

    Hatte ich das nicht so ganz anders in Erinnerung? Hatte ich etwas überlesen, vielleicht zu einseitig gelesen? Da half nur ein zweiter Blick ins Buch, ein zweites Lesen dieses Buches, das fast schon ausgesondert war.


    Zu Beginn des Buches … nun ja, drei (in Worten: DREI!) Seiten Lobpreisungen, nein, keine Angst, nicht für Gott, sondern „nur“ für den Text, den zu lesen man sich nun anschicken soll. Eine winzige kleine Einschränkung macht doch immerhin Mr. Caleb J. D. Maskell auf Seite 2, „vielleicht“, so sein Einwand, stimme „nicht jeder Leser mit allen Aussagen Metaxas über Bonhoeffer überein“, doch darum solle es „überhaupt“ (sic!) nicht gehen. Nein? Ja, ich bitte, worum denn dann? Wachgerüttelt solle man werden, „provoziert“ und – immerhin auch das: - inspiriert, so weiter der Zitierte. Bedauerlicherweise funktionierte bei mir auch beim zweiten Lesen nur der zweite dieser Begriffe.


    Beeindruckend kommt ja auch das Vorwort zur deutschen Fassung daher, wer hat da nicht alles mitgewirkt, damit auch alles stimme, auch der Vorwortschreiber Dr. Rainer Mayer ist ja nun nicht irgendwer, mit Bonhoeffer hat er sich, so ist leicht zu recherchieren, sehr beschäftigt. Nur zu gut erinnere ich mich noch an seine Schelte für eine Rezension in der Zeitschrift „Zeitzeichen“, Metaxas Buch betreffend (1). Tja, und da sitzt man dann mit der angesammelten Frustration und fragt sich, darf man denn zu diesem Buch etwas anderes sagen als … Lobpreisung?


    Das letztgenannte Wort benutze ich nicht leichtfertig, es scheint mir vorliegend allerdings angebracht. Mayer sagt (Seite 14), Metaxas Werk sei „weder ein Roman noch eine wissenschaftliche Abhandlung“, was es auch wirklich nicht ist: Ich kann es schlicht nur als Auslegung auffassen. Nicht eines biblischen Textes, sondern des Lebens Bonhoeffers und einiger Texte Bonhoeffers. Mehr nicht. Und damit kann man einverstanden sein oder nicht.


    Dass ich das Buch gerne gelesen habe, kann ich nicht behaupten. Eingedenkt des oben Erwähnten beschränke ich mich auf wenige Punkte: Der Weg Bonhoeffers bis in die Nachfolge Jesu erscheint mir zu einfach, zu durchsichtig gezeichnet, zu glatt verläuft in Metaxas Text diese besondere Lebensbahn. Der große Sucher, der intensiv Fragende (nicht nur an die Kirche, sondern auch an das Christentum) kommt mir ein bisschen zu kurz.
    Auch Bonhoeffers Beziehung zu Maria von Wedemeyer erscheint mir angesichts der „Brautbriefe“ so einfach nicht gewesen zu sein, wie ich das hier zu lesen bekomme.
    Ob Helmuth James von Moltke wirklich so gerne mit Bonhoeffer zusammen war, wie Metaxa Seite 489 behauptet, erscheint mir nicht schlüssig erklärt gerade auch angesichts ihrer vollkommen gegensätzlichen Meinungen zum Tyrannenmord; eine Quelle dafür gibt Metaxa, der sonst reichliche Quellenangaben bietet, nicht preis. Immerhin saß Moltke zur selben Zeit wie Bonhoeffer in Tegel ein; ein Bedürfnis, miteinander (wieder?) ins Gespräch zu kommen, scheint nicht unbedingt bestanden zu haben, obwohl durchaus die Möglichkeit zum Kassiberaustausch bestand.
    Mit einigem Befremden habe ich Metaxas Ausführungen zur liberalen Theologie zur Kenntnis genommen, es erscheint mir doch eine wenig arg verkürzte Sicht auf diesen Zweig zu sein. Sie ist wesentlich bunter und komplexer, als es in Metaxas Text zum Ausdruck kommt; ihre Fragen nach Gott sollte man nicht gleich abtun oder abwerten.
    Befremdlich habe ich auch einiges an Metaxas Ausdrucksweise empfunden, zum Beispiel wenn er Seite 629 den Tod „regelrechte Orgien“ in Buchenwald feiern lässt. Waren es nicht Menschen, die mordeten und folterten? Wenn Metaxa die „… rücksichtslose Raubgier“ (Seite 595) in Bezug auf einen „‘germanischen‘ Wolf“ erwähnt, ist mir nicht deutlich genug herausgestellt, wessen Meinung da kundgetan wird (auch hier: keine Quellenangabe): Ist es Terminus der Nazis, hätte es kenntlicher gemacht werden dürfen, ist es Metaxas Meinung, finde ich es empörend.


    Insgesamt ist mir in Metaxas Text zu viel im Ton einer Predigt gehalten, wenn es um Bonhoeffer resp. seine im Buch zitierten Schriften geht, zu viel Abwertendes, wenn es unter anderem um liberale Theologen, um katholische Glaubensgüter, um all die vielen anderen Dinge geht, die Metaxas Zustimmung oder Gefallen nicht finden. Letzten Endes geht es im Fall Bonhoeffer, so scheint mir zunehmend, um nichts anderes als um die Frage Jesu in Matthäus 16,15b (2). Die Antwort, die Metaxa gibt, ist meine Antwort nicht.


    Fragen werfen für mich auch die Auswahl der Fotos auf: Warum muss man dreimal das Konterfei eines gewissen Herrn Hitler begutachten, aber kein einziges Mal zum Beispiel eines von Maria von Wedemeyer, von der auch Metaxa konstatiert, sie sei für Bonhoeffer ein sehr wichtiger Mensch gewesen. Und wenn man schon ein Foto präsentiert, auf dem auch Otto Dibelius abgebildet ist, warum dann nicht wenigstens ein paar Worte zu seiner Rolle, zu seinem Reden und zu seinem Schweigen in der Bekennenden Kirche?


    Als Fazit bleibt für mich festzuhalten, dass das zweite Lesen die Enttäuschung verstärkt hat.


    Abschließend, weil Metaxa gern die Bibel zitiert: Man mag mir nicht mit 1. Kor. 14,35b (3) kommen, das kann hier schon nicht gelten, weil ich nicht zur Gemeinde von Herrn Metaxa gehöre: Röm 3,6a (4)


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    (1) Quelle: Unter anderem hier
    (2) „Ihr aber, was sagt ihr, wer ich bin?“
    Zitiert nach der Elberfelder Bibel
    (3) „Es steht der Frau schlecht an, in der Gemeinde zu reden“
    Zitiert nach Luther Bibel 1984
    (4) „Das sei ferne.“
    Zitiert nach Luther Bibel 1984


    Zitiert habe ich bewusst aus verschiedenen Bibel-Ausgaben, auch um zu verdeutlichen, dass es ein allzu Leichtes ist, die jeweils in Frage kommenden Passagen auszuwählen, nicht nur was die Bibel betrifft.

    Über das Buch:
    Hitlers Regime war gerissen genug, die Menschen mit Versprechungen und Schmeicheleien für sich einzunehmen, und brutal genug, sie mit Terror, Folter und Morden das Fürchten zu lehren. Einem solchen Regime Widerstand zu leisten war selten, und es war gefährlich. Zwei höchst außergewöhnliche Männer, Hans von Dohnanyi und sein Schwager Dietrich Bonhoeffer, haben es dennoch getan.
    Was sie dazu bewogen hat, warum sie von Anbeginn genau wussten, mit wem sie es zu tun hatten, wie sie den Weg zum Handeln fanden und am Ende für ihre Überzeugungen ihr Leben ließen – dem gehen Elisabeth Sifton und Fritz Stern in diesem tief bewegenden, meisterhaft geschriebenen Doppelportrait nach.


    Die Autoren:
    Elisabeth Sifton war lange Jahre Lektorin. Sie ist die Tochter von Reinhold Niebuhr und die Frau von Fritz Stern.
    Fritz Stern wurde 1926 geboren. Er ist em. Professor für Geschichte an der Columbia University und Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels.


    Übersetzt wurde das Buch von Ruth Keen und Erhard Stölting.


    Meine Meinung:
    Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, insgesamt 176 Seiten mit 20 Abbildungen.
    Nach einem Vorwort folgen sechs Kapitel, Anhang, Anmerkungen, Bildnachweis und Bibliographie.


    Im Vorwort werden die familiären und freundschaftlichen Beziehungen und Verflechtungen zur Familie Bonhoeffer erläutert (Seiten 12, 13), was zu wissen mir nicht ganz unwichtig erscheint angesichts des Tons, in dem diese biografische Skizze geschrieben ist. Wie ein Vorstellen zweier Menschen, die einem bekannt sein müssten, was sie im Fall des einen – Bonhoeffers – sicher auch sind, und die Sifton und Stern sehr genau zu kennen scheinen, wie ein aus ihrer Sicht notwendiges Geraderücken einiger Dinge, so kam mir dieser schmale Band vor.


    Neue Erkenntnisse zu Bonhoeffer und Dohnanyi habe ich nicht gefunden, aber ich glaube, darauf kam es den beiden Autoren auch nicht so sehr an, sondern, sie überhaupt in Erinnerung zu rufen, sie dem Vergessen besonders im Fall Dohnanyi zu entreißen. In sechs Kapiteln zeichnen sie die Lebensläufe dieser beiden Männer auf, von der Kindheit, dem in meinen Augen privilegierten familiären Umfeld – nicht nur, was das Finanzielle anbetrifft, sondern erst recht, was Bildung und ethische/moralische Ansprüche geht -, bis hin zu beider Inhaftierung in Konzentrationslagern und im Gestapo-Gefängnis und ihrem Ende, ihrer Ermordung in der Endphase des Nationalsozialismus. Sifton/Sterns deutlichen Worte die Stellung der Widerstandskämpfer und ihrer Familien in der Zeit der Bundesrepublik betreffend haben bedauerlicherweise immer noch ihre Berechtigung.


    Mich hat diese persönliche Sicht einerseits beeindruckt. Der Band ist zwar schmal, aber erfordert Konzentration beim Lesen, Sifton und Stern lassen mit dieser ihrerseits an keiner Stelle beim Erzählen nach. Es ist ein sehr dichtes, aber nicht überfrachtetes Portrait, das ich insgesamt nicht ungern gelesen habe. Aber: Mir erscheint dieser Text nicht uneingeschränkt objektiv, was er vielleicht auch gar nicht sein will. Das liegt zum Einen an der „Verteidigung“ Bonhoefferschen Denkens gegen evangelikale Fundamentalisten (der ich zustimme), zum Anderen an einigen Fehlern, die mir auffielen (Pardon, aber die USA traten bereits im April 1917 in den Ersten Weltkrieg ein, nicht wie Seite 26 behauptet, Anfang 1918). Und ganz besonders liegt es an dem Umstand, dass und wie sie das Wirken von Eberhard Bethge in Bezug auf die Schriften Bonhoeffers präsentieren, kritisieren und – so kommt es mir fast vor – auch ein wenig verurteilen. Dass ohne Bethge vieles von eben jenen Schriften, von der Bedeutung Bonhoeffers kaum bis gar nicht bekannt wäre, erkennen die beiden Autoren zwar an, trotzdem klingt da ein Ton mit, der mich verstörte, auch wenn er aus der Autoren Enttäuschung über das zu geringe Anerkenntnis Hans von Dohnanyis geboren sein mag.


    In zwei Punkten stimme ich Sifton und Stern allerdings unumwunden zu: In der Forderung nach einer umfassenden Studie oder Biografie zu Hans von Dohnanyi (auch eingedenkt des herausragenden Buches von Marikje Smid: „Hans von Dohnanyi , Christine Bonhoeffer - Eine Ehe im Widerstand gegen Hitler“ und in der deutlichen und harschen Kritik an der Bonhoeffer-Biografie von Eric Metaxa.


    Insgesamt erscheint es mir ein sehr schön erzählter Überblick über zwei außergewöhnliche Leben zu sein, der neugierig machen kann und wohl auch soll, sich weiter mit diesen herausragenden Persönlichkeiten zu beschäftigen.



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    Danke, dass Du auf das Buch aufmerksam gemacht hast, ich werde es mir auf jeden Fall besorgen.


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    Original von maikaefer


    Von Lena Christ hatte ich vorher nie etwas gehört ...


    Sie ist vermutlich heute fast vergessen, in früheren Zeiten war sie in unserem Haus stark vertreten.
    :grin

    Entschuldigung meine verspätete Reaktion :knuddel1, im Moment ist es ein bisschen schwierig bei mir/für mich.


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    Original von Nicole


    Simon und Willoughby ... Ich habe mir Willoughby immer optisch schneidiger vorgestellt als Simon. Aber was den Charakter angeht, bin ich mir ziemlich sicher, Simon hätte sich womöglich zu einem ähnlichen Windhund entwickeln können, wäre er Ada nicht begegnet, die Anlagen dazu hätte er nämlich gehabt.


    Willoughby habe ich nie wirklich gemocht, zu sehr "Windhund" - Entschuldigung! Simon kam mir immer ziemlich unreif vor, er brauchte wirklich eine führende Hand. Aber für mich hätte er, hätte es diese nicht gegeben, nie Willoughby-Format (das meine ich jetzt durchaus nicht positiv :grin) erreicht.

    Zitat

    Original von Lipperin


    Ada und Royston: Eine – für mich – fast zwangläufige Entwicklung. Ada erinnert mich an jemanden, ich komme nur einfach nicht auf den Namen … ich kam darauf, als sie sagte, dass Simon immer ein großer Platz in ihrem Herzen vorbehalten bleiben wird …



    Ach ja, manchmal dauert es ja bei mir ein bisschen länger, aber die Frage hat anscheinend bei mir ziemlich lange arbeiten müssen, bis ich drauf kam, an wen mich Ada erinnert: Sie ist die kleine, praktisch veranlagte Schwester von Marianne und Elinor. Nicht, dass ich damit andeuten wollte, Simon habe auch nur das Geringste von Willoughby an sich ... na ja, vielleicht ein bisschen, den Charme ... oder so ...
    Ähm, ich meine natürlich "Sense and Sensibility" von Jane Austen.

    Über das Buch:
    Verdun 1916 – längste Schlacht der Weltgeschichte, Sinnbild des totalen Krieges, Markstein für das 20. Jahrhundert. „So furchtbar kann nicht einmal die Hölle sein“, entsetzte sich ein Augenzeuge. Nie wieder starben mehr Soldaten auf so engem Raum. Olaf Jessen zeichnet auf der Grundlage vergessener Dokumente ein neues Bild von der Schlüsselschlacht des Ersten Weltkrieges. Sein glänzend erzähltes, unter die Haut gehendes Buch ist ein „Muss“ für alle, die den Großen Krieg aus Sicht der Frontsoldaten, Generäle und Politiker beider Seiten neu kennenlernen wollen.


    Über den Autor:
    Dr. phil. Olaf Jessen wurde 1968 geboren. Er ist Historiker und Publizist, unter anderem des Buches „Die Moltkes“.



    Meine Meinung:
    Gebundenes Buch, ausgestattet mit Lesebändchen und Schutzumschlag. Insgesamt 66 Fotos und 8 Karten verteilen sich auf den 496 Seiten resp. den 348 Seiten umfassenden Haupttext. Vorangestellt ist ein Inhaltsverzeichnis und ein Verzeichnis der Hauptpersonen, abgeschlossen wird das Buch mit einem umfangreichen Anhang, bestehend aus einem Dank und Darstellung der Quellen, Anmerkungen, Bildnachweisen, Quellen- und Literatur-Angaben, Personen- und Ortsregister sowie einer Inhaltsübersicht.


    Vom 21.02.1916 bis zum 20.12.1916 dauerte eine der blutigsten und brutalsten Schlachten nicht nur des Ersten Weltkriegs, die über 700.000 Soldaten das Leben kostete. Ungezählt sind die an Leib und Seele Verwundeten, ungezählt die Verluste an Hab und Gut. „Urschlacht“, dieses Wort hört und liest man immer wieder, wenn die Sprache auf die Kämpfe um Verdun kommt. Olaf Jessen listet in seinem Buch fast schon minutiös die Entwicklung, die zu dieser Schlacht führte, und die Entwicklung der Schlacht selbst. Zu Wort kommen lässt er Generäle und Angehörige der Stäbe, Offiziere und Soldaten.


    Deutlich wird, was Verdun eigentlich bedeutete, was es anstieß, welche Auswirkungen sich anschlossen: Von der Weiterentwicklung zum Beispiel der Flugzeuge, zumal derjenigen, die Tod und Vernichtung brachten, der Kanonen, der Degradierung des Menschen zum „Menschenmaterial“, über das nach Belieben und – gedachter, angenommener – Fortune zu entscheiden war, über die Absetzung der beiden maßgeblich beteiligten Heerführer, auf französischer Seite des Generalissimus Joseph Joffre, auf deutscher Seite des Chefs des Generalstabs des deutschen Feldheeres (das hieß wirklich so, darunter ging es nicht) Erich von Falkenhayn, bis zur Installierung des Gespanns Hindenburg-Ludendorff als militärische Machthaber, immerhin mit der Koppelung an den „Retter“-Mythos, der, man mag es glauben oder nicht, auch in heutigen Tagen nicht völlig aus der Welt geschafft ist. Doch damit nicht genug: Jessen weist eindrücklich darauf hin, dass die Generalität mit ihren Offizieren (auf deutscher Seite) maßgeblich identisch war mit der Führung der Wehrmacht zu Zeiten des Nationalsozialismus, was deutliche Folgen in der „Bekräftigung des Angriffsdogmas und Entwicklung einer Doktrin der Totalisierung“ (Seite 336) hatte.


    Jessens Buch zeigt, und das ist vielleicht das Besondere, dass die Schlacht von Verdun keineswegs als das geplant war, als was sie seit jeher zu stehen scheint, nämlich als eine Vernichtungsschlacht, die zum „Ausbluten“ des Gegners führen sollte. Blutig genug war sie, daran kann ja kein Zweifel bestehen, Jessens intensive Auswertung der Quellen weist auf ein anderes Moment hin: Geplant war ein schneller Angriff und „Wegnahme“ der Festung mit Möglichkeit zum „Durchstoß“, alles selbstverständlich zügig vorgetragen, was dann letztlich auf ein rasches und – natürlich – siegreiches Ende des Krieges zielte. Die wenigen Tage, die veranschlagt wurden in den Rechnungen der militärischen Führung, deuten auf einen mir bedingungslosen, aber dennoch überhöhten Glauben an die Fähigkeiten und Möglichkeiten der eigenen Armee hin, negierend selbstverständlich, welchen Belastungen und Aderlassen sie bis dahin ausgesetzt war. Jessen erklärt genau und akzentuiert, wie und mit welchen Worten in den Jahren nach Kriegsende der Schlacht von Verdun gedacht wurde, welche Eigenschaft ihr beigegeben wurde. Ebenso genau und akzentuiert schlüsselt er die Quellen auf, widerlegt, was zu widerlegen ist und stellt die sich ihm präsentierende Lage vor.


    Das Buch ist durchaus lesenswert. Jessen scheut sich nicht davor zurück, klare Worte zu gebrauchen. Dennoch habe ich sein Werk zunehmend mit einem Gefühl gelesen, das ich nur als Unbehagen bezeichnen kann. Dieses gilt nicht nur den Fakten an sie, die sind wahrlich unbehaglich genug; es gilt auch dem Umstand, den ich so in einem Sachbuch nicht unbedingt erwartet hätte: Jessen wahrt mir schlicht ein wenig zu wenig Distanz. Auf mich wirkte es stellenweise so, als sei Jessen von seinem Thema förmlich mitgerissen, als wenn er sich fast an die Seite der jeweiligen Protagonisten stellte und sie hin und wieder auf andere, bessere Möglichkeiten hinweisen wollte, was natürlich durchaus an den Formulierungen resp. meiner Interpretation derselben liegen kann. Ob damit das im Klappentext attestierte „meisterhaft beherrschte kinematographische Erzählen“ Jessens umfasst ist, das „die Grausamkeit der Kämpfe und das Ringen der Heerführer so anschaulich werden“ lassen „wie in einem guten Film“, kann ich nicht entschlüsseln. Mit manchen Ausdrücken jedenfalls hatte ich so meine liebe Müh und Not, ich war mir unklar darüber, ob sie nicht hin und wieder einem mir unbekannten militärischen/militärhistorischen Terminus zugehörig sind. Wenn ich beispielsweise lesen muss, die „vornehmste (sic!) Aufgabe“ der „Heerführer der Aufklärung“ sei die „Einhegung militärischer Gewalt“ (Seite 342) gewesen, so löst das bei mir nur Fassungslosigkeit aus. Fraglich erscheint mir in diesem Zusammenhang, ob der Gedanke erlaubt ist, dass ein Verzicht auf Krieg nicht die völlige „Einhegung“ solcher Gewalt bedeutet hätte, auch unter dem Gesichtspunkt, dass Jessen einen General von Rüchel zitiert, wonach „die Kunst zu kriegen“ eine „Wohltat für das Menschengeschlecht“ sei. (Seite 342). Gut, dass Jessen in diesem Zusammenhang zweimal den Hinweis „Zeitalter der Vernunft“ (Seite 237 und 342) anbringt, man hätte sonst seine Zweifel haben können.


    Deutlich werden lässt Jessen für mich aber eines: Es ist eine mir doch manchmal seltsam erscheinende Diskrepanz in dem Verhalten der damaligen – deutschen – höheren Militärs, die auf der einen Seite den Damen des Gegners durchaus mit Charme zu begegnen wussten, aber nicht den geringsten Skrupel hatten, diesen selbst brutalster Kampfmethoden auszusetzen; man denke nur an die berüchtigte Grünkreuz-Granaten. Da wird seitens eines Generals schwadroniert, dass „der liebe Gott es gut gemeint habe“ mit den Deutschen, obwohl sie ihm doch „den Feiertag ordentlich mit Blut verschandelt haben“ (Seite 287). Dass sie für den Tod von Hunderttausenden verantwortlich waren, scheint sie nicht so sonderlich belastet zu haben, jedenfalls lese ich davon in dem Buch wenig bis nichts. Bedauert werden allenfalls die gefallenen eigenen Leute, fraglich wurde für mich allerdings, ob das nicht mehr aus dem Grunde geschah, weil sie schlicht in den Planungen fehlten. Dass laut Jessen die Militärführer der anderen beteiligten Nationen – Franzosen und Briten – letztlich um keinen Deut besser waren, tröstet mich nicht im Mindesten.



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    Über das Buch:
    Einer der bedeutendsten Romane der koreanischen Literatur des 20. Jahrhunderts – die ergreifende Lebensgeschichte eines nordkoreanischen Arztes, der am Krieg und an den Folgen der Teilung von Land und Volk zerbricht.


    Über den Autor:
    Hwang Sok-yong wurde 1943 in der Mandschurei geboren. Er gilt, so der Klappentext, als der bekannteste und wichtigste zeitgenössische Autor Südkoreas. In seinem Werk widmet er sich besonders der politischen Geschichte seines Landes, er wurde dafür mehrfach ausgezeichnet. In den 90er Jahren wurde er selbst wegen einer Reise nach Nordkorea zu sieben Jahren Haft verurteilt. Zur Zeit lebt er in London.


    Übertragen wurde der Roman von Oh Dong-sik, Kang Seung-hee und Torsten Zaiak.


    Meine Meinung:
    Paperback, insgesamt 137 Seiten, davon Romantext 126 Seiten, anschließend ein informatives und lesenswertes Nachwort. Dankenswert augenfreundlicher Druck.


    Ein altes Haus mit zu vielen Mietern, ärmliche Verhältnisse. Ein alter Mann, den kaum jemand richtig zu kennen scheint, einen einsamen Tod stirbt er. Verhältnisse, die – außer den Namen, die so fremdartig klingen – nicht unbedingt sofort darauf hindeuten, dass wir uns in Korea befinden, in Südkorea, um genau zu sein.


    Knapp und mit kräftigen Strichen skizziert Hwang die Geschichte des Lebens seines Protagonisten, ausgehend von der Arzt- und Professorenstelle in Pjöngjang über die Repressalien der kommunistischen Machthaber, die Flucht in den Süden, die die Familie des Herrn Han zerreißt, die Repressalien der südkoreanischen Machthaber, weil Herrn Han als Spion gelten könnte, die neue Tätigkeit in einer Arztpraxis, das Betrogenwerden durch seine Partner bis hin zu dem einsamen Tod und den Erinnerungen seiner wenigen Bekannten und seiner Tochter.


    Hwangs Roman hat mich an eine Tuschzeichnung erinnert, das Weiß des Papiers und als Gegensatz das Schwarz der Tusche, die Konturen, die plastisch darzustellen vermögen, was dargestellt werden soll, mehr eben auch nicht. Und wie bei einer solchen Zeichnung ist es am Betrachter resp. Leser, die Farben in das Bild zu bringen, seiner Phantasie zu erlauben, die Szene(n) lebendig werden zu lassen. Mir fiel das nicht schwer, zu genau setzt Hwang seine Akzente. Die Folterszenen, die der Verzweiflung, die der Flucht haben mich stark beeindruckt, aber das bedeutet nicht, dass es für mich schwache Szenen in dem Buch geben würde. Um es so zu sagen: Das Schwarz dieser Szenen erscheint mir allerdings stärker und tiefer ausgeprägt, es lassen sich mehr als einmal Schatten in ihm erkennen. So manches, was erzählt wird, scheint mir nicht nur die offensichtliche Bedeutung zu haben; die Frage, die sich mir stellte, ist allerdings, ob ein westlicher, mit der koreanischen Geschichte nur in Umrissen vertrauter Leser die Tiefe dieses Textes auszuloten vermag.


    Hwangs Text, das versuchte ich oben schon anzudeuten, weist für mich über koreanisches Leben und koreanische Verhältnisse hinaus, besitzt einiges an Allgemeingültigkeit. Damit meine ich nicht unbedingt, dass Korea immer noch unter dem leidet, was in Deutschland überwunden wurde. Die Zerrissenheit innerhalb der Familien und der Menschen dürften zwar auch etlichen Deutschen – zumal den nicht mehr ganz jungen – nur allzu bekannt sein, aber mir scheint doch, dass die Erfahrungen der Einsamkeit und jener im Alter nicht unbedingt – nur – an der Teilung eines Landes festzumachen ist. Die immer wieder aufs neue gemachte Erfahrung von Enttäuschung und Leid prägen nicht nur das Leben von Herrn Han, der Glaube an das Gute, das doch in jedem Menschen wünschenswerterweise sein soll, wird nicht nur bei ihm auf eine allzu harte Probe gestellt. Daneben spiegelt Hwangs Roman natürlich vieles wieder, was die koreanische Gesellschaft ausmacht, nicht nur, was das Verhältnis von Mann und Frau resp. die Hierarchien ausmacht, sondern auch das Klima des Misstrauens, das so leicht nicht aus der Welt zu schaffen ist.


    Die Sprache, in der dieses Leben erzählt wird, wirkte auf mich beeindruckend in ihrer unprätentiösen Schlichtheit, ganz schlank kommt das Erzählte daher.


    Das Nachwort sollte man sich nicht entgehen lassen, wenn man zu diesem Buch greift. Es verdeutlicht auch, dass Hwang in diesem Roman auch eigene Erfahrungen resp. die seiner Familie verarbeitet hat.


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    Galsan Tschinag; Auf der großen blauen Straße; 2
    Stefan Daniel; Hoffnung, vergangen. Aber; 2,5
    Aleksandar Tišma; Die wir lieben; 1,5
    Agota Kristof; Die Analphabetin; 1
    Oliver Janz; Der große Krieg; 1,5
    Simone Morgenthaler; Im Garten meiner Mutter – Chronik eines Abschieds; 1; Monatshighlight
    Barbara Tuchman; August 1914; 2,6
    Nina Sankovitch; Tolstoi und der lila Sessel; 3,8
    Olaf Jessen; Verdun 1916 – Urschlacht des Jahrhunderts; 2,5
    Hwang Sok-yong; Die Geschichte des Herrn Han; 2

    Über das Buch:
    Oliver Janz zeigt den Ersten Weltkrieg erstmals als eine historische Katastrophe, die sich nicht nur auf Europa beschränkt hat. Aus Feldpostbriefen, Propagandaschriften, Aufzeichnungen von Kriegsdienstverweigerern, Episoden aus dem Frontbordell, Lokalzeitungen von der Heimatfront oder den Berichten einer Kämpferin aus Schanghai gewinnt er eine faszinierend neue, globale Perspektive auf den Großen Krieg, dessen Folgen uns auch heute noch beschäftigen.


    Über den Autor:
    Oliver Janz ist Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin. Zahlreiche Bücher und Aufsätze zur deutschen und europäischen Geschichte veröffentlichte er, leitet zahlreiche internationale Forschungsprojekte zum Ersten Weltkrieg und ist Chief Editor von „1914-1918-online. International Encyclopedia of the First World War“.


    Meine Meinung:
    Gebundenes Buch, insgesamt 415 Seiten mit zehn den einzelnen Kapiteln vorangestellten Fotos. Nach 358 Seiten Haupttext folgt ein Anhang mit Anmerkungen, Quellen- und Literaturverzeichnis und ein Register.


    Der Erste Weltkrieg – mehr als Verdun und die Schlachten an Marne und Somme, mehr als Gasangriffe und unendlich viele Tote. Dass man es sich viel zu leicht macht, diesen Krieg auf die Kämpfe im Westen, auf die Auseinandersetzung zwischen Deutschland, Frankreich und England mit Beteiligung Russlands, ja selbst auf die Zeit allein von 1914 bis 1918 zu beschränken, macht Oliver Janz in seinem mir ganz hervorragend erscheinenden Buch deutlich, er räumt immer wieder auf mit Mythen, die sich durchaus bis in unsere Zeit halten.


    Janz erklärt die historischen Hintergründe, unter anderem die Rolle des Sozialdarwinismus und die daraus resultierende immer aggressivere und antiliberalere Nationalisierung in allen Ländern, verdeutlich die Bündnispolitik mit ihrer „zunehmenden Verfestigung und Konfrontation“ (Seite 32) und die selbstverschuldete Isolierung des Deutschen Reiches. Die Vorgeschichte dieses Krieges, Lybien- und Balkankrieg, letzterer mit ungeheuren Kriegsverbrechen an der muslimischen Zivilbevölkerung, die damit einhergehende Destabilisierung der Verhältnisse, ganz besondere seine Ausführungen zur Julikrise haben in mir eine gewisse Ausweglosigkeit angesichts der sich zuspitzenden Situation aufkommen lassen – auch wenn Janz wiederholt darauf hinweist, dass das, was dann eskalierte, nicht in dieser Größenordnung resp. Globalität gewollt, geplant oder vorhergesehen war, sondern aus „zahlreichen Fehleinschätzungen“ (Seite 62) der Reichsleitung herrührte, was letztlich zu dem Schluss zwingt, dass sie „die Hauptschuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs“ (Seite 62) trifft. Gewollt, so Janz, habe den Krieg niemand, aber es habe ihn auch keiner verhindert, er wurde in Kauf genommen.


    Die Ausführungen zu Zeit, buchstäblich globaler Auswirkung, Entgrenzung und Totalisierung in jedweder Hinsicht, sei es in wirtschaftlicher, in moralisch/ethischer, in gesellschaftlicher und die Rolle der Frau betreffender, in kultureller und politischer, ganz besonders in militärischer, ziviler und intellektueller Hinsicht erscheinen mir schlüssig und zwingend; Janz weiß brillant zu erklären. Mit besonderem Interesse habe ich seine Erklärungen zu einem der großen Mythen gelesen, nämlich der Kriegsbegeisterung. Dass man auch hier differenzieren muss, war angesichts der immer wieder aufgestellten Behauptung, alle Deutschen hätten voller Begeisterung für den Krieg gestimmt, die Soldaten wären lachend und blumenbekränzt in den Krieg gezogen, mangels Nachprüfbarkeit so einfach nicht und habe zumindest ich immer wieder beiseitegeschoben, zu eindeutig und überzeugend waren die Stimmen, deuteten Fotos solches an. Janz gibt sich hier wie überhaupt an keiner Stelle mit dem Offensichtlichen und allzu Bekanntem zufrieden, er bietet mehr als lesenswerte Differenzierungen und Details, macht die Unterschiede, so sie denn gegeben sind, von Land zu Land, von Stadt- und Landbevölkerung, von Jung und Alt, von Mann und Frau deutlich. Janz schreibt bewundernswürdig klar, er hat immens viel zu sagen und sagt das in aller Deutlichkeit. Von den drei Büchern, die ich bisher zur Thematik Erster Weltkrieg gelesen habe, erscheint mir sein Buch das wertungsfreieste zu sein.


    Dieses Buch habe ich mit einer gewissen Spannung, besser gesagt Anspannung gelesen, aber auch mit zunehmendem Entsetzen, zu genau beziffert er das Versagen von Politik und gesellschaftlicher/intellektueller Elite, ein Versagen, man ahnt es, das 1918 nicht schlagartig aus der Welt geschafft war. Die Auswirkungen selbst bis in unsere Zeit, die Mythenbildung (nicht nur, was die Dolchstoßlegende betrifft) mit all den fatalen Reaktionen, die ihnen auf dem Fuß folgten, haben in mir nicht nur großes Bedauern, sondern auch viele Fragen ausgelöst; sie betreffen nicht nur die allzu dünne Tünche der Zivilisation, die so leicht abfällt, sie betreffen auch Friedenswillen und Geschäftemacherei, Ehrgeiz, Neid und übersteigerten Egoismus und natürlich den Nationalismus, der heutzutage wieder so stark im Kommen ist. Man muss sich wohl an die kleinen Begebenheiten halten, zum Beispiel die Menschen, die trotzdem Frieden wollten, die auch und trotzdem zu finden waren, um dem Gedanken, dass man nicht froh werden kann bei Betrachtung nicht nur jener Zeitläufe, nicht allzu viel Raum zu geben.


    Janz Buch bietet eine solche Fülle an Details, dass es mir unmöglich erscheint, auf alles einzugehen; mir erscheint es ein sehr fundiertes und gut lesbarer Buch über Vorgeschichte, Kriegsgeschehen – und zwar weltweit! – und dem, was danach geschah. Allein diese Bemerkung sei noch erlaubt: Seine These, der Krieg habe nicht – nur – von 1914 bis 1918 gedauert, klingt in seiner Argumentation, besonders wenn man den globalen Aspekt dieses Krieges nicht aus den Augen verlieren will, plausibel. Gleichwohl glaube ich nicht, dass sich an der Zeitangabe irgendetwas ändern wird, zu festgeschrieben erscheint sie, zu sehr ist immer noch der europäische Aspekt und die westeuropäische Sicht auf diesen Krieg vorherrschend.


    Punktabzug gibt es einzig aus zwei Gründen:
    1. Zu den Fotos hätte ich gerne nähere Erläuterungen gehabt, auch wenn sie die Darstellung aus dem folgenden Kapitel erschließt.
    2. Als Laie bin ich naturgemäß nicht unbedingt in der Lage, die Formulierungen der Historiker genau zu benennen und zu erkennen. Gleichwohl sei es mir erlaubt zu bemerken, dass ich über Druckfehler sowie mir nicht schlüssig erscheinende Formulierungen stolperte, z. B. Seite 263 „Eine Krönung zum König Böhmens lehnte Karl ab und begab sich damit der Möglichkeit, die Sympathien der Tschechen zu gewinnen“ oder Seite 149: „Ervon dem australischen Kreuzer Sydney empfangen …“.
    Marginalien, sicherlich, dennoch habe ich sie als störend empfunden und von einem Buch des Campus-Verlages nicht unbedingt erwartet.

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    Über das Buch:
    Jahrelang haben sich die zukünftigen Kriegsparteien auf den Krieg vorbereitet, Kriegsziele definiert, sich über Kontributionen für die Zeit danach Gedanken gemacht – und auf einmal ist der Krieg wirklich da. Unaufhaltbar, wie ein Räderwerk, schnurrt der Kriegsapparat ab. Besonnene Beamte in den verschiedenen Ministerien in den verschiedenen Ländern stehen auf verlorenen Posten. Der Krieg ist nicht mehr zu verhindern. Denn jede Macht ist selbstverständlich von ihrem Sieg überzeugt und von ihrem Zugewinn. Barbara Tuchman beschreibt packend, entlang der Fakten und Dokumente, den Weg in den Krieg und den Verlauf dieser Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. In Europa gingen, nach dem berühmten Diktum, im August 1914 die Lichter aus.


    Über die Autorin:
    Barbara Tuchman lebte von 1912 bis 1989, sie war eine amerikanische Historikerin und Autorin. Für das vorliegende Buch wurde sie mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.


    Das Buch wurde von Grete und Karl-Eberhard Felten aus dem Amerikanischen übertragen.



    Meine Meinung:
    Taschenbuchausgabe (ungekürzte Neuausgabe 2013), insgesamt 527 Seiten. Nach 462 Seiten Haupttext folgen im Anhang ein Literaturverzeichnis, ein Kartenverzeichnis, Anmerkungen sowie Namen- und Sachregister.


    Tuchman beginnt ihr Buch mit den Trauerfeierlichkeiten für Eduard VII. von England im Jahre 1910, stellt Protagonisten vor, die im vier Jahre später beginnenden Krieg eine Rolle zu spielen haben würden, der deutsche Kaiser Wilhelm II zum Beispiel, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich oder der belgische König Albert. Es scheint mir ein gelungener Auftakt, bietet er doch gerade anlässlich dieses Ereignisses die Möglichkeit, die zu Tage tretenden Animositäten und „Nickeligkeiten“ und die tatsächlichen und die gewünschten politischen Verhältnisse darzustellen. Die folgenden vier Kapitel widmen sich Deutschland, Frankreich, England und Russland und ihren jeweiligen Plänen und Planspielen, kurzen historischen Abrissen, befassen sich mit Feldzugplänen und kriegstheoretischen Gedankengebäuden, dem Warum, Wann, Weshalb und Wogegen.


    Und dann also, mit Kapitel 6 und seiner vorangestellten kurzen Einführung zum Kriegsausbruch, sind wir beim Ausbruch des Krieges angekommen. Die folgenden Kapitel bis zur Nummer 22 widmen sich dem ersten Kriegsmonat, den schnellen Erfolgen, den Demütigungen und Massakern, den Toten und den Lebenden und den Zerstörungen. Beschlossen wird das Buch mit den Planungen und Truppenbewegungen für die Marne-Schlacht Anfang 1914 und einem kurzen Ausblick, nicht nur auf „jenen brutalen, schlammerfüllten, mörderischen Wahnsinn der Westfront“ (Seite 460).


    Gerne habe ich das Buch aufgrund seiner Thematik nicht gelesen, aber Tuchman weiß durchaus zu fesseln. Sie lässt nicht nur die Generäle und Politiker lebendig werden, wechselt sozusagen fließend die Seiten, so dass quasi ein „Rundumblick“ auf die Kriegsteilnehmer Deutsches Reich, Frankreich, England, Russland geboten wird. Einschränkend muss erwähnt werden, dass Tuchmans Text 1962 erstmals gedruckt erschein; die neueren Forschungsergebnisse können darin naturgemäß keinen Eingang gefunden haben. Trotzdem habe ich einen guten Eindruck von den handelnden und namentlich benannten Personen gewonnen, von ihrem Denken und Planen, von ihren Erwartungen und Zielen. Das Grauen und die Brutalität dieses Krieges wurden mir mehr als deutlich vor Augen geführt. Tuchman scheut nicht davor zurück, deutliche Worte zu finden, benennt, was zu benennen ist, mit klaren und manchmal harten Worten. Der von ihr gebotene Detailreichtum hat mich beeindruckt.


    Tuchman bleibt – soweit ich es überprüfen konnte – dicht an der Faktenlage, soweit sie ihr bekannt sein konnte. „August 1914“ würde ich nur bedingt als Sachbuch bezeichnen, es ist das, was der Verlag auf der Rückseite des Buches gedruckt hat, nämlich „… erzählte Geschichte“. Das bietet ihr die Möglichkeit dieser darstellenden Erzählweise, birgt aber auch die Gefahr, die Figuren ein wenig zu sehr festzulegen. Von einigen Personen habe ich ein Bild gewonnen, das vielleicht ein wenig zu plakativ ist, um der Wirklichkeit entsprechen zu können. Sie erlaubt Tuchman aber, und das ist für mich der entscheidende Punkt, die wertende Darstellung, auch wenn ich sie hier als dezent wahrgenommen habe.


    Der im vorigen Absatz zitierte Aufdruck lautet übrigens vollständig: „Ein grandioses Stück erzählter Geschichte“. Hätte man statt „grandios“ das Wort „beeindruckend“ gewählt, würde ich dem fast vorbehaltlos zustimmen. Das Buch ist fakten- und detailreich, es hat sein eigenes Tempo, das ich der Thematik angemessen fand, es bietet Ein- und Ausblicke in und auf ein Geschehen, das man wohl als Zäsur bezeichnen kann.



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    Über das Buch:
    Ulhwa, eine Schamanin, sieht ihren Sohn Yongsul nach jahrelanger Trennung wieder. Seine Abkehr vom Buddhismus und Hinwendung zum Christentum löst eine tiefe Krise innerhalb der Familie aus. Yongsul will nun auch seine Mutter und Schwester vom Wert des neuen Glaubens und der Rückständigkeit ihres Aberglaubens überzeugen und sie bekehren. In dieser Konstellation ist der Ausbruch eines schweren Konflikts zwischen traditionellen und neuen Werten, zwischen der alten und der jungen Generation, schon angelegt.


    Über den Autor:
    Kim Dongni, geboren 1913, verstorben 1995, entstammt ärmlichen Verhältnissen. Er gilt als moderner Klassiker der koreanischen Literatur.


    Übersetzt wurde der Roman von Kim Sun-Hi und Edeltrud Kim.



    Meine Meinung:
    Gebundenes Buch, insgesamt 218 Seiten, davon Romantext bis Seite 199, gefolgt von sehr ausführlichen und informativen Anmerkungen und einem ebensolchen Nachwort, das nicht nur Erklärungen zum koreanischen Schamanismus, sondern auch zu Autor, Werk und Übersetzern bietet.


    Ulhwa und ihre Tochter Wolhi führen ein zurückgezogenes Leben nicht gerade in der Mitte der Gesellschaft, ruhig verläuft es, wenn auch durch nicht vorhandenen Reichtum geprägt. Der Sohn der Schamanin, im Alter von zehn Jahren in ein buddhistisches Kloster gegeben, kehrt nach erneuten zehn Jahren zurück mit einer klaren Vorstellung, wie er Mutter und Schwester begegnen, wie er sie überzeugen will, denn er ist zum christlichen Glauben übergetreten. Dass die Geschichte katastrophal enden wird, ahnt man schnell, Kim Dongni vermag die entstehenden Konflikte zu genau zu benennen.


    Kims Roman hat mich mehrfach überrascht, einerseits in seiner Detailfülle, was Leben, Wirken und Akzeptanz einer Schamanin, aber auch der koreanischen Gesellschaft in ihrer hierarchischen Abstufung zur Zeit der japanischen Herrschaft anbetrifft, andererseits in der feinen Zeichnung der Charaktere, den Gewissensnöten und -qualen der beiden sich gegenüberstehenden Protagonisten. Nicht nur Anklänge an die koreanische Sagen- und Mythenwelt finden sich, sonderen auch deren unmittelbares Weiterleben innerhalb der Gellschaft; ebenso wurde der Konflikt der unterschiedlichen Religionen und Glaubenswelten, einerseits des Schamanismus, andererseits des Christentums, sowohl für die Lebenden als auch die Toten in seiner ganzen Komplexität für mich deutlich. Die Brüche, die sich innerhalb der koreanischen Gesellschaft allmählich auftun, finden hier schon ihren Niederschlag.


    Sehr interessant fand ich die Erzählweise Kims, sie nimmt Momente aus der Erzähltradition auf, zum Beispiel in Wiederholungen, um etwas zu verdeutlichen, ist aber auch sehr ruhig und in ihrer Beschreibung fast schon sachlich. Mir hat dieser Stil sehr gut gefallen, ich hatte stellenweise mehr das Gefühl, etwas erzählt zu bekommen anstatt es „nur“ zu lesen.


    Der Roman wird linear erzählt, mit kurzen erklärenden Rückblicken, und bietet viel Raum für eigenes Nachspüren. Die Figuren habe ich als realistisch und plastisch gestaltet empfunden, sie haben ihre eigene Stimme und Eigenständigkeit, es fällt leicht, sie anzunehmen oder abzulehnen. Auch wenn die Geschichte sich um den Konflikt zwischen Mutter und Sohn dreht, habe ich doch die Tochter resp. Schwester Wolhi als die zentrale Figur angesehen, vordergründig um sie dreht sich das Werben der Schamanin und des Christen. Wolhi ist für mich zum Sinnbild des koreanischen Volkes geworden, dem die Verführung bzw. Überzeugungskraft der religiösen Riten und Worte galt, wobei die bunte, auf mich schon fast theatralische Wirkung einer Kut-Zeremonie im krassen Gegensatz zu der Nüchternheit und Einfachheit des protestantischen Gottesdienstes stand. Die große Crux, dass beide religiöse Vertreter eine eindeutige Wahl fordern, führt zum tödlichen Konflikt; ein vielleicht erwünschtes oder erstrebtes Neben- und Miteinander, das sich für mich in dem Nichtfestlegen Wolhis für eine der Seiten findet, hat bei dieser geforderten Hingabe keine Chance.


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    Meine Meinung:
    Taschenbuch, insgesam 75 Seiten, unterteilt in elf Kapitelchen (wobei die Verniedlichung einzig ihrer Kürze geschuldet ist), großzügiger, augenfreundlicher Druck.


    Extreme: Behütete Kindheit mit Platz und Gelegenheit für Spiele und Streiche, früh infiziert vom Lesefieber. Als die Kommunisten die Herrschaft in Ungarn übernehmen, wird die Familie zerrissen wie so viele andere auch: der Vater inhaftiert, die Mutter mit dem jüngsten Sohn kämpft ums tägliche Überleben, der ältere Bruder und sie selbst werden in unterschiedlichen Internaten untergebracht. Was man so Internat nennt in Zeiten politischer Diktaturen: Drill, Lieblosigkeit, Hunger und Kälte prägten den Alltag und die Kinder. Flucht mit Mann und Kind nach Österreich, später Ansiedlung in der Schweiz. Erlernen einer neuen Sprache, von der sie sagt, sie habe sie nicht gewählt und beherrsche sie auch nicht.


    Sie, das ist Agota Kristof; eine Meisterin des Wortes scheint sie mir zu sein. Egal, in welcher Sprache, die Übersetzung ins Deutsche zeigt, so glaube ich, ihre Einzigartigkeit. Ihre Genauigkeit, aber auch ihre Kälte. Ihre Fähigkeit zur Reduktion auf das absolut Notwendige, um verstanden zu werden. Mehr ist nicht nötig, so erscheint mir ihre Sprache, die Neugier des Lesers über das Gesagte hinaus befriedigt sie nicht resp. nur in dem Maße, als sie Weniges von sich preiszugeben bereit ist. Und doch versteht man.


    Es sind wenige Momente, in denen sie aus ihrem gewählten Minimalismus heraustritt und einen winzigen Blick auf ihre innere, ihre Gefühlswelt zulässt, beispielsweise als sie ihre Mutter noch einmal sieht, in Ungarn, mehr als eine Umarmung findet keinen Raum mehr. Oder ihre Begeisterung für Thomas Bernhard.


    Manchmal habe ich den Text als schwer auszuhalten empfunden, weil ich das Gefühl hatte, alleingelassen zu werden, meine Interpretation, meine Gefühle beim Lesen fanden keine Entsprechung im Text. Es ist fast schon zu reduziert, zu sehr Nüchternheit und Konzentration. Aber manchmal muss man sich dem wohl aussetzen, schon um der eigenen Bodenhaftung willen.