Beiträge von Bartlebooth

    Der 60jährige, aber relativ jugendliche Soudain führt eine Beziehung mit der 30 Jahre jüngeren Equilibre. Gemeinsam schotten sie sich nicht gerade von der Außenwelt ab, führen aber ein zurückgezogenes Leben zu zweit (wenn man von dem Hund Primavera einmal absieht) in einem Landhäuschen am Ufer der Marne.
    Das Idyll wird gestört von dem ca. 40jährigen Saint-Polar einem bohèmehaften Rechtsanwalt, den Soudain eines Tages mit nach Hause bringt. Equilibre und er verlieben sich, haben eine Affäre, schließlich zieht Saint-Polar zu den beiden ins Häuschen. Diese ménage à trois geht aber nicht lange gut, bald entscheidet sich Equilibre - gegen beide.


    Das Buch von Undine Gruenter liest sich nicht oder nur selten wie ein Roman. Es ist vielmehr eine Art Essay über die Liebe, die verschiedenen Vorstellungen von ihr, und ihre Erfolgsaussichten. Alles ist geschrieben als ein Monolog Soudains, der als nicht gefühlloser, aber sehr ruhiger und analytischer Chronist die Vorgänge um Equilibre beobachtet. Gegen Ende des Buches gibt es schließlich auch noch eine Art Typologie, welche Hauptfigur welcher Auffassung der Liebe zuzuordnen sei.


    Was soll ich sagen? Warum schreiben Schrifsteller/innen, wenn sie einen Essay über die Liebe schreiben wollen, nicht einfach einen Essay, sondern kommen mir mit einem solchen Proteus, der im Grunde keine Geschichte erzählt. Über die einzelnen Vorgänge im Landhaus erfahren wir so gut wie nichts, auch kaum etwas über die Vorgeschichte der einzelnen Figuren. Alles wird im Zeitraffer geschildert, stets von außen, und selbst wenn einer der seltenen Dialoge den Text auflockert, wirkt er hölzern und gestelzt, immer im Dienste des höheren philosophischen Ziels.


    Dabei ist es gar nicht so leicht zu formulieren, was man aus dem vorliegenden Text eigentlich über die Liebe lernen soll. Dass sie sich ändert? Dass sie Isolation schlecht aushält? Dass eine gewisse Fixierung aber kaum zu vermeiden ist? Dass Treue als Prinzip nicht taugt, als Lebensweise aber schon?


    Ich kann es nicht beantworten, der Essay hätte mir wahrscheinlich nicht sehr gefallen, der Roman tut es auch nicht, er hudelt zu sehr über alle Handlung hinweg und begeht ganz lehrbuchhaft den Fehler des telling not showing. Soudain erzählt die ganze Zeit, zeigt aber nichts, sondern zergliedert auch noch das geringste Fünkchen Ereignis, was sich im Laufe des Textes hochrappelt.


    Zugute halten kann ich dem Buch lediglich, dass er keine Altmännervariation über das Thema des Altersunterschieds in der Liebe ist. Andererseits wäre es vielleicht auch mal ganz interessant gewesen, Altmännerphantasien nicht nur von alten Männern wie Schlink, Walser oder Frisch zu lesen, sondern von einer Frau. Sei's drum.


    Kein Buch für mich, ein sehr deutsches Buch, möchte ich sagen, wenn Undine Gruenter selbst auch die letzten Jahre ihres Lebens in Frankreich verbracht hat. Die Autorin ist übrigens vor einigen Jahren ziemlich jung verstorben und war die Lebensgefährtin des konservativen Kulturtheoretikers Karl-Heinz Bohrer.


    *

    Zitat

    Original von arter
    Für mich ist auffällig, dass die beiden Texte vorn lagen, die das Kinderkriegen als etwas darstellen, das man auf keinen Fall verpasst haben sollte. Das Glück Mutter oder Vater zu sein und ein neues Leben in die Welt zu begleiten, ist das größte Glück auf Erden. Und ich bin froh, dass die beiden Geschichten vorn lagen, die genau diesen Tenor zum Inhalt hatten.


    :wow
    Da haben wir nicht dieselben Texte gelesen.
    Gehört aber doch eher in den Kommentar-Thread.

    Zitat

    Original von beowulf
    Getroffen hat mich allerdings schwer die Kritik Pseudorealismus. Es war eine in der Mittagspause verfasste Geschichte im Ergebnis eines Mandantentermins in dem ich als Mann die Gefühle erfassen wollte, die meiner Ansicht nach in dem Auftrag lagen, den ich gerade erhalten hatte- Vaterschaftsfeststellungsklage, Unterhalt und möglichst Sicherung, wegen der beabsichtigten Auswanderung des Kindesvaters nach Kanada- allerdings war im wirklichen Leben das Töchterchen der Mandantin schon geboren und der Sohn von der anderen auch.


    "Treffen" wollte ich damit natürlich niemanden. Aber im Grunde zeigt das mal wieder zwei Dinge:


    1. Die Realität kann manchmal verdammt unrealistisch sein. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass eine Geschichte "wahr" wirkt, weil sie wirklich passiert ist.


    2. Kleine Details können den Wahrscheinlichkeitsgrad zum Teil erheblich ändern. Will sagen: Dass ein Mann zwei Kinder von unterschiedlichen Frauen hat und die eine für die andere verlässt, klingt nicht mehr ganz so dick aufgetragen. Gibt aber halt für sich genommen deshalb auch keine Geschichte her, das ist der Witz. Insofern macht die Änderung, die du vorgenommen hast zwar aus der Alltäglichkeit ein durchaus erzählenswertes fait divers, andererseits eben auch eine metaphysische Schmonzette.


    Herzlich: Bartlebooth.

    Zitat

    Original von Humpenflug
    Mal ganz allgemein:
    Muss denn "Schwangerschaft" immer und ausnahmslos zur Gesellschaftsanklage führen, irgendetwas , irgendein Verhalten, Zustände, "anprangern".


    Davon kann wohl nicht die Rede sein. Viele der Geschichten sind weit entfernt von Gesellschaftsanklage, vielmehr thematisieren sie meistenteils individuelle "Zustände".


    Zitat

    Original von Humpenflug
    Warum wird "Schwangerschaft" nur mit negativen Stories verknüpft?
    Angst vor dem "Eva-Prinzip"?


    Puh, mal im Ernst. Wer will den eine Geschichte über Mutterglück in der Schwangerschaft lesen? Ich nicht. Außerdem sind nicht alle Stories negativ.

    Ein nicht ganz leichtes, darum aber auch interessantes Thema. Insgesamt wurde wenig kreativ damit umgegangen, was nicht heißt, dass es nicht den in oder anderen lesenswerten Text gab.


    Mai 2108
    Ein Thema, das spätestens seit "Gattaca" in dieser einfachen Form durch ist. Fügt dem Thema nichts Neues hinzu.


    Geschwängert
    Weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Ein Inzest mit vagen Folgen (auf wen bezieht sich das "tot"?) in Form einer recht aufgesetzten Stichomythie. Uninteressant.


    Liebeslügen
    Frau will, Mann nur ihrzuliebe. Wenn er sich schon glimpflich der Sache entronnen sieht, schlägt das Schicksal gnadenlos zu. In Text gegossenes Geschlechterklischee.


    Jahresringe
    Schöne Idee, den Wandel eines Kinderwunsches zu thematisieren, ihn nicht als naturgegebene Konstante im Leben eines jeden Menschen zu verkaufen. Die Protagonistin trauert ja ganz und gar nicht um vertane Chancen, sondern der Blick ist - ganz der einfachen Struktur des Textes gemäß - stets nach vorn gerichtet. Das ist in seiner Einfachheit nicht brillant, aber doch überzeugend gelöst.


    Rosie
    Vielleicht die interessanteste Idee des Wettbewerbs, das Schwangerschaftsthema mit dem der Euthanasie zu verbinden. Das wirkt ein bisschen anachronistisch, aber wir befinden uns ja auch in Karow-Einvach. Sprachlich und orthographisch wird gegen Ende ein bisschen geschludert, was wegen des frühen Einstelldatums etwas lieblos wirkt. Trotzdem gelungen.


    Anfang
    Eine Geschichte, wie sie das Leben schreibt? Wohl eher nicht. Pseudorealismus mit überrissener Pointe.


    Gewissheit
    Der Text konzentriert sich auf nichts. Da sind Selbstvorwürfe, die Karriere, die gescheiterte Ehe wegen nicht eintretender Schwngerschaft (wie vormodern! Gibt es so was heute noch?), der schon fast neurotische Kinderwunsch, der One-Night-Stand (als unbewusste Übersprungshandlung?). Die Versatzstücke werden nicht aufeinander bezogen und so führt das zu einem ziemlich lauen Ergebnis.


    Problemlösung
    Völlig überzeichneter Machismo aus der radikalen Innenperspektive. Wen soll das schockieren? Oder interessieren?


    Vorfreude
    Diese eigenartigen Schwangerschaftsblogs habe ich neulich auch mit einigem ethnologischen Interesse zur Kenntnis genommen. Schöner Text, der mal ein bisschen differenzierter an das Thema rangeht.


    Seelenwanderung
    Ich hab nichts Prinzipielles gegen Schwangerschaft. Aber was in drei Teufels Namen ist denn der Sinn an dieser Körperübernahme? "Er durfte nicht schwach sein, sie brauchte ihr Werkzeug in seiner vollen Stärke." Werkzeug? Wozu? "Sie würde ihn als Waffe einsetzen und wenn er irgendwann im Kampf fiel, würde sie sich einen neuen Wirtskörper suchen. Es gab genügend Schwangere." Und wenn das der Fall ist, wieso das ganze Boohay vorher? Ganz misslungen.


    Klimawandel und der Dalai Lama
    Manch eine Pubertät endet nie. Ich hätte gut ohne die beiden Kalendersprüche von Kollegin und Dalai Lama leben können.


    Halluzination
    Rosemary's Baby revisited oder doch ein telepathisch begabter Embryo? Das Thema Vernachlässigung des eigenenLebens im Kernschatten der Kernfamilie ist ein gutes, hier aber leider vollkommen verschenkt.


    Frostige Zeiten
    Relativ kreativ mit dem Thema umgegangen, aber Armin Balsziehwitz bleibt leider ein sehr flaches Abziehbild. Schade drum.


    Geprägt für's Leben
    An diesem Text stimmt nichts. Unrealistisches Setting, pathetischer Ton, hanebüchene Pointe.


    Was vergessen?
    Eigentlich kein dummer Ansatz, bleibt aber zu sehr im Heftchenroman-Tralala-Ton stecken. Von hier aus könnten gewiefte Liebesromanautor/innen jetzt das Buhlen des geläuterten Frauenhelds um die Liebste starten lassen. In sich nicht rund.


    Glückwunsch?!
    Ungewollte Schwangerschaft nach Vergewaltigung ist ein etwas schwierigeres Thema als es dieser Text weismachen will. Misslungen.


    Revolutionär
    Sprachlich zu blumig und unpräzise. Das Thema ist die Pointe, das geht selten gut.

    In einer zeitlich nicht klar bestimmten Zukunft - etwa im 22. Jahrhundert - ist die Welt in "phyles" unterteilt, in kulturelle Einheiten, die überall auf der Welt Standorte haben. Die Technologie ist weit fortgeschritten, Hunger dank des "matter compilers" besiegt, doch die Welt ist nichtsdestoweniger gewalttätig geblieben und gefährlicher denn je.
    Die wichtigste phyle ist die posteuropäische-postangloamerikanische der "New Victorians", technologisch führend, moralisch das Ideal des ausgehenden 19. Jahrhunderts hochhaltend. Einer der höchsten Repräsentanten dieser Gruppierung ist Lord Alexander Chung-Sik Finkle-McGraw. Er ist mit der Gegenwart jedoch unzufrieden, vermisst die Subversion und fürchtet durch die rigide Angepasstheit seiner phyle deren langsamen Verfall. Dieser Entwicklung möchte er entgegenwirken. Er beauftragt den nanotechnologisch außerordentlich beschlagenen Ingenieur John Hackworth damit, eine Art interaktives Buch für junge Mädchen zu entwerfen, "The Young Lady's Illustrated Primer", ein Buch, das sich seiner Leserin ganz genau anpasst und diese die Tugend lehrt, die nach Meinung Lord Finkle-Mc Graws seiner Gesellschaft am meisten fehlt: Subversion.
    Natürlich soll dieses Projekt geheim bleiben und es soll deshalb auch nur einen "Primer" geben, nämlich für die Enkelin Finkle-McGraws. Doch Hackworth stellt heimlich einen zweiten für seine Tochter her, der ihm auf abenteuerliche Weise abhanden kommt, so dass er in die Hände von Nell gerät, einem Mädchen aus der Unterschicht, das keine Ausbildung genossen hat, sondern vor allem häuslicher Gewalt durch die wechselnden Liebhaber ihrer Mutter ausgesetzt ist.


    Neal Stephenson gehört zuu den cleversten zeitgenössichen SF-Autoren, der sich immer wieder mit dem Problem der virtuellen Realität auseinandersetzt. In "The Diamond Age" geht es zudem um den Themenkomplex der Erziehung. Die Gesellschaft, die Stephenson beschreibt, ist eine, die gelernt hat, dass Fähigkeiten und Verhaltensweisen nicht angeboren, sondern kulturabhängig sind. Es ist daher ein ziemlich spannender Schachzug, einen Technik-Thriller um eine Art Lehrbuch zu stricken und dessen Effekte auf die zu beschreiben, die mit ihm in Berührung kommen. Dabei steht der Lernprozess Nells im Mittelpunkt, einem Mädchen, das von ganz unten kommt, und schließlich mit und durch den Primer zu einer wichtigen Figur in einer Revolution wird, die die Welt erschüttert.


    "The Diamaond Age" ist also in vieler Hinsicht sehr lesenswert, allerdings nicht der gelungene Entwicklungsroman, der dieses Buch sein könnte. Denn leider geht Stephenson irgendwann die Luft aus und auf den letzten 20 Seiten des Buches verfällt er sogar in ein raffendes "telling". Man hat den Eindruck nur noch eine Handlungsskizze zu lesen, so sehr unterscheiden sich die letzten Passagen des Buches von der detaillierten und sorgfältigen Erzählweise des Restes des Buches. Das ist nicht nur höchst bedauerlich, sondern führt auch zu einem sehr eigenartigen und unbefriedigenden Ende, das nicht so recht zum gesamten Duktus des Buches passen will. War Stephenson hier gezwungen, sein Manuskript abzuliefern? Hatte er keine Lust mehr auf einen durchdachten Abschluss seines Buches? Schade ist es um den auf den ersten ca. 350-400 Seiten toll entwickelten Plot, der auf den letzten 100-150 Seiten vollkommen verwahrlost.


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    Hallo Alicja,


    ich bin nicht Toms Meinung (kommt schon mal vor ;-)) und halte "Riven Rock" für eines von Boyles besten Büchern. Die unheimlich differenzierte Schilderung dieser psychologisch höchst heiklen Situation, die Sympathie, die man trotz seiner Ausfälle - vielleicht wegen ihnen - für Stanley McCormick empfindet - ich denke da nur an die Hochzeitsnacht oder die besessene Suche nach dem "groundhog" - haben mich auf eine Weise berührt, wie es "Wassermusik" nie geschafft hat, das ich für routiniert, aber wenig pointiert halte (meine Rezension habe ich vor kurzem hier eingestellt, ich glaube "Wassermusik" steht aber bei "Zeitgenössisches").


    Herzlich: Bartlebooth.

    Die amerikanische Schriftstellerin Joan Didion erzählt in diesem Essay vom Tod ihres Mannes am 30. Dezember 2003. Und von dem Jahr, das folgte.
    Der Tod von John Gregory Dunne - Schriftsteller wie Joan Didion selbst - fällt in eine ohnehin sehr schwere Phase in ihrem Leben: Sie und ihr Mann sind gerade vom Krankenhaus Beth Israel North in New York, wo ihre einzige Tochter Quintana im Koma liegt, nach Hause gekommen, als ein Herzinfarkt Dunne niederstreckt. Er ist sofort tot
    Quintana kommt zwar nach einiger Zeit wieder zu sich, gerät aber Ende März 2004 ein weiteres Mal in Lebensgefahr, als sie nach einer Hirnblutung erneut ins Koma fällt.
    Joan Didion beschreibt ihr Handeln in diesem so schwierigen Jahr, sie beschreibt, wie sie sich nicht von ihrem Mann zu lösen vermag. Das "magische Denken" bezieht sich dabei auf rituelle Handlungen: Wenn sie dies oder jenes tut oder unterlässt (z.B. seine Kleider weggeben), getan oder unterlassen hätte - vielleicht würde John zurückkehren. Denn das Schlimme an einem so plötzlichen Tod ist sein vollkommen unvermittelter Einbruch in das alltägliche Einerlei, das aber nach ihm selbstverständlich nicht wiederkehrt.


    Eine nicht geringe Rolle spielt in Didions Essay auch die Reflexion über das Selbstmitleid, das sie bei sich feststellt und zu dem sie sich sehr ambivalent positioniert: Einerseits verweist sie darauf mit wieviel Herablassung sie etwa auf die Publikation von Leftover Life to Kill von Caitlin Thomas - der Witwe von Dylan Thomas - reagiert hat, als es 1957 publiziert wurde, andererseits räumt sie ein, dass es Verluste gibt, die einen mit der ganzen Wucht der Sinnlosigkeit des Lebens konfrontieren.


    "The Year of Magical Thinking" wurde von der Kritik begeistert aufgenommen und ist mit Sicherheit ein auf eine spröde Weise sehr berührender Text. Jedoch habe ich mich nicht selten während der Lektüre gefragt, ob mir das Ganze nicht zu persönlich ist, um es überhaupt mit der nötigen Distanz lesen zu können: Sehr persönliche Texte sind ja häufig für Außenstehende nur in ihrem dokumentarischen Charakter interessant, nicht als ästhetisches Gebilde.
    Joan Didion rutscht tatsächlich oft in die Topoi ab, die man gut kennt, in das Festhalten an den harten Fakten (sie betont, wie absurd für sie die Vorstellung war, sich einer Autopsie zu widersetzen: Sie wollte eine medizinische Aufarbeitung der Gründe für den Tod ihres Mannes), das Zurückziehen ins Schneckenhaus, die Unmöglichkeit, sich auf anderes als auf den Verlust zu konzentrieren usw.


    Zugleich - und das macht den Text dann doch interessant - weiß Didion um diese Topoi, sie will nichts Besonderes sein, sondern einen vielleicht nicht einmal exemplarischen, aber ganz sicher auch nicht besonders schrecklichen Fall schildern. Sie zitiert seitenweise aus Abhandlungen (soziologischen oder auch medizinischen), die sich mit dem Sterben und seinen Folgen für die Hinterbliebenen beschäftigen, sie geht auf die Suche nach Darstellungen von Hinterbliebenen in der Literatur - all das um zu zeigen, dass ihr Fall, so besonders hart er durch die zeitliche Nähe der Lebensgefahr der Tochter und des Todes des Ehemannes erscheint, von ihr selbst nicht als besonders herausgehoben betrachtet wird. Diese Unaufgeregtheit und das völlig fehlende Pathos zeichnen den Text sehr positiv aus.


    Außerdem sind die Gedanken Didions zur fehlenden Nähe, auch nach einer Ehe von 40 Jahren, sehr faszinierend. Didion streicht heraus, wie sehr sie selbst dachte, ihren Mann gut zu kennen, all seine Reaktionen voraussehen zu können - und dann, in kleinen Schnipseln, die sie nach seinem Tod findet, verliert sie sehr schnell diese Gewissheit. Es geht dabei nicht um dunkle Geheimnisse, die sie entdeckt, sondern um völlig banale Dinge, die ihr zeigen: Der Mann, mit dem ich 40 Jahre lang verheiratet war, war immer noch eine von mir getrennte Person.


    Sie schreibt all dies wertfrei, sie missioniert nicht, pfropft nicht auf, ihre Darstellungen verlieren nie den Charakter des ganz Persönlichen, das keinen Anspruch auf Objektivität erhebt, aber ihr selbst ganz viel Verständnis für die Schmerzen anderer Hinterbliebener beschert.
    Genau: Da ist noch die Unterscheidung zwischen Schmerz (grief) und Trauer (mourning), "The Year of Magical Thinking" ist eher ein Buch über den Schmerz, wenn er auch wie in Watte verpackt erscheint. Vielleicht ist er deshalb so eindringlich, weil er in seiner mangelhaften Kommunizierbarkeit sichtbar gemacht wird - und vielleicht ist das Buch dort am schlechtesten, wo Didion vor dem Schmerz kapituliert. Zugegebenermaßen tut sie das selten. Übel nehmen kann man ihr diese Momente des Zusammenbruchs nicht, auch nicht, dass sie sie nachträglich nicht herausredigiert hat. Der Text, wie er ist, muss in seiner Unabgeschlossenheit und Unvollkommenheit reichen.

    Der westafrikanische, fiktive Staat Beninia steht kurz vor einem Machtwechsel. Präsident Obomi ist bei schlechter Gesundheit. Jedoch garantiert er allein - als eine Art pater familias nationalen Ausmaßes - das Wohlergehen seines Volkes. Sein Tod, so wird befürchtet, könnte ein Machtvakuum erzeugen und Beninia zum Zankapfel der umliegenden politischen Mächte werden lassen. Der junge, erfolgreiche afroamerikanische Geschäftsmann Norman House, Manager des riesigen internationalen Konzerns General Technics, bekommt die Gelegenheit, das gigantische Projekt zu prüfen, Beninia in die amerikanische Handelssphäre einzugliedern und es somit zu stabilisieren und den Neidern zu entziehen.


    Gleichzeitig staunt die Weltöffentlichkeit über die wissenschaftliche Sensation, die aus dem pazifischen Inselstaat Yatakang gemeldet wird. Angeblich soll es dort dem berühmten Biologen Prof. Sugaiguntung gelungen sein, eine Technik zu entwickeln, das Erbgut der Bevölkerung dieses Staates im großen Stil zu perfektionieren. Oder ist diese Meldung ein riesiger Bluff, ausgeheckt von dem skrupellosen Diktator Solukarta, der über das Inselreich herrscht? Das herauszufinden (und ein wenig mehr) ist Aufgabe von Norman Houses Mitbewohner Donald Hogan. Ja, auch ein Top-Manager hat im New York des 21. Jahrhunderts einen Mitbewohner. Warum?


    John Brunners Stand on Zanzibar beschäftigt sich mit einem Thema, das heute ein wenig aus der Mode gekommen ist. Menschen, die - wie ich - in den 80ern aufgewachsen sind, wissen allerdings noch, dass es damals, neben dem Atomkrieg, eine weitere allpräsente Angst gab: Die vor dem Kollaps unseres Planeten durch Überbevölkerung.


    Brunner findet für dieses Problem das sehr griffige Bild, das seinem "non-novel" den Titel leiht: Würde man jedem Menschen gerade den Platz geben, um aufrecht zu stehen, könnte man die gesamte Erdbevölkerung auf Sansibar unterbringen - zumindest zu Beginn der Romanhandlung.


    In Zeiten des allgegenwärtigen Geheules um den Geburtenrückgang, darf nicht vergessen werden, dass die Erdbevölkerung weiter wächst, bestimmte europäische Länder nur eine Ausnahme vom globalen Trend bilden. Die von Brunner entworfene Gesetzgebung zur Besteuerung zu vieler Nachkommen ist inzwischen (das Buch erschien 1968 und gewann damals den renommierten "Hugo Award") etwa in China Realität geworden.


    Formal ist der Roman interessant angelegt: Kurze Kapitel, die in einem Inhaltsverzeichnis zu vier Gruppen gegliedert werden, folgen in diskontinuierlicher Weise aufeinander. Das verlangsamt am Anfang die Lesegeschwindigkeit beträchtlich und erfordert einige Geduld vom Lesenden.
    Erst nach etwa einem Drittel des recht umfangreichen Buches, also nach etwa 220 Seiten, beginnt sich das fragmentierte Bild zu einem geordneten Ganzen zu fügen. Ab hier wirkt diese Technik dann allerdings etwas aufgesetzt.
    Die vielen Stränge, die Brunner aufmacht, die vielen Personen, deren Geschichte er - oft nur sehr schlaglichtartig - erzählt, laufen ihm auch ein ganz klein wenig aus dem Ruder. Manche der Fäden, die er spinnt, hängen am Ende etwas lose aus seinem Text.


    Bemerkenswert ist auch der Stellenwert der Biologie, der dem ganzen Roman ein etwas seltsames Ende gibt. Der Mensch erscheint als ein Wesen, das im großen Stil von Hormonen und Genen gesteuert ist; bewusste moralische Entscheidungen haben in der Welt von Stand on Zanzibar eigentlich keinen Platz. Diese Fixierung geschieht allerdings nicht unkritisch, sie wirkt eher wie eine unhintergehbare anthropologische Konstante. Mensch und Maschine werden in vielerlei Hinsicht einander angenähert, so dass sich die Leserschaft am Ende zurecht fragt, ob der Supercomputer "Shalmaneser" nicht wirklich der beste Lenker menschlicher Geschicke wäre.
    Alles in allem ein beachtliches Buch, dessen erstes Drittel auch einen formal faszinierenden Text darstellt - bei SF nicht unbedingt an der Tagesordnung.


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    Alfred Döblin war nicht nur ein sehr experimentierfreudiger und produktiver Romancier, dem wir wichtige praktische Impulse und Muster für die Entwicklung des Romans im 20. Jahrhundert verdanken, er war auch ein bedeutender Theoretiker, der sich in seinen programmatischen Schriften gegen die "psychologische Manier" der Romanautoren wandte und die Hinwendung zu einer "entseelten Realität" forderte, die sich auf "das Exemplarische des Vorgangs und der Figuren" konzentrieren solle.


    Diese Forderung wird in Döblins erstmals 1924 erschienenem Zukunftsroman Berge Meere und Giganten sehr plastisch greifbar. Die Figuren, die Döblin auftreten lässt, sind von geradezu märchenhafter Flachheit und die Situationen, in die sie geraten, sind exemplarische Schlaglichter und politische Wendepunkte, die aus den etwa 600 imaginierten Jahren erzählter Zeit herausgegriffen werden.


    Die Handlung des Romans zerfällt grob in drei Teile. Die ersten beiden Bücher durchmessen in zumeist stark raffendem Tempo die Geschichte der Menschheit bis zum großen Uralischen Krieg Anfang des 26. Jahrhunderts, der alles in Schutt und Asche legt. Die nächsten drei Bücher widmen sich anhand der Vorgänge im Märkischen beispielhaft dem Ringen der Menschheit um den einzuschlagenden Weg ihrer Entwicklung. Grob gesagt existieren unter den Menschen zwei opponierende Gruppen: Die Herrschenden, die die immer weitere Entnaturalisierung und Technisierung des menschlichen Lebens propagieren, und deren Gegner, die sich nach einigen Jahrhunderten synthetischer Nahrung und schrecklicher Erfahrungen mit den Kriegstechnologien wieder dem einfachen und naturnahen Leben zuwenden wollen.
    In einem dritten Teil, der die letzten vier Bücher umfasst, wird von den technologiefreundlichen Machthabern versucht durch ein landplanerisches Projekt gigantischen Ausmaßes, den immer schwelenden Konflikt zwischen den beiden Parteien endgültig zu lösen: Island wird gesprengt, um an seiner Stelle ein offenes Lavabecken zu erzeugen, dessen Energie von Schleiern aus Turmalinen aufgenommen wird; diese Schleier werden per Schiff nach Nordwesten transportiert, um mit ihrer Hilfe Grönland zu enteisen. Das so gewonnene Land soll den technikfeindlichen Siedlern zur Verfügung gestellt werden. Doch die Turmalinschleier haben einen unvorhergesehenen Effekt, von dem eine Kettenreaktion ihren Ausgang nimmt, die droht, der gesamten Menschheit ein für alle Mal den Garaus zu machen.


    Döblins Roman kann eigentlich als nicht weniger denn monumental bezeichnet werden. Allein der umspannte Zeitrahmen ist mehr als ungewöhnlich und wäre in einem herkömmlichen Romankonzept sicherlich nicht auf den engbedruckten 511 Seiten zu bewältigen gewesen. Die Sprache ist von überbordender Bildhaftigkeit, in den Dialogen manchmal von fast biblischer Feierlichkeit.
    Das fehlende Komma im Titel Berge Meere und Giganten ist Programm. Bei fast allen unverbundenen Aufzählungen, deren Glieder nur aus jeweils einem Wort bestehen, weigert Döblin sich standhaft, Kommata zu setzen. Dieses Stilmittel nervt zwar bisweilen ein bisschen, unterstreicht aber die sprachliche Überfülle.


    Inhaltlich ist die Verankerung Döblins in der klassischen Moderne unübersehbar: Die pseudodemokratischen Strukturen der vorgestellten nächsten 600 Jahre sind noch imprägniert von einer feudalen Kaiserzeitlichkeit; Zeichen der typisch modernen Obsession zur Kategorisierung finden sich außerdem allenthalben.


    Auch das monströse landplanerische Projekt, das Sach- und Menschenmaterial in unvorstellbaren Mengen verschlingt, ist eine typische Idee der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als bekannteste reale Entsprechungen seien nur genannt das Atlantropa-Projekt, das durch Austrocknung des Mittelmeers eine Landbrücke zwischen Europa und Afrika herstellen sollte, oder der sowjetische Dawydow-Plan, der die Schaffung eines Sibirischen Meeres vorsah; bekanntestes durchgeführtes europäisches Projekt (von nicht ganz so monumentalen Ausmaßen) ist die Trockenlegung der Zuijdersee.


    Insofern ist Döblins Roman ein eindringliches Bild der Zukunftsvisionen seiner Zeit und in seiner Fokussierung auf biotechnologische Elemente auch noch höchst aktuell. Dass er dabei die Entfernung von der Natur als das Grundübel menschlicher Entwicklung begreift, macht Döblin in einer drastischen Bildhaftigkeit klar, die in meinem Kopf tatsächlich ein Kino ablaufen ließ. Alles in allem ein nicht wirklich leicht zu lesender, aber nicht weniger faszinierender Text, der zT wie ein riesiger motivischer Fundus der SF-Literatur wirkt.

    Der Forschungsreisende Mungo Park und seine beiden Afrrikaexpeditionen stehen im Mittelpunkt des ersten großen Erfolgsbuches von T.C. Boyle "Water Music", dem über die Jahre viele weitere gefolgt sind.
    Erzählt wird entlang der historischen Fakten - den beiden Exepeditionen zum Niger - eine Geschichte vom Überleben und vom Schicksal. Mungo Park überlebt die erste Expedition eigentlich nur durch Zufall und durch die Hilfe seines treuen Beraters Johnson, der leider irgendwann von einem Krokodil gefressen wird. Er schliddert von einer lebensbedrohlichen Situation in die nächste und lernt im Grunde nichts über die Menschen, die er in Afrika trifft. Dafür ist der Bericht über die Reise ins Innere Afrikas umso blumiger ausgeschmückt und furchtbar weit von den wahren Erlebnissen entfernt. Eine nette Parodie auf die ethnographische Praxis, die 1990 mit Sicherheit einen Nerv getroffen hat, der heute nicht mehr gar so empfindlich ist.
    Parallel werden zwei andere Geschichten erzählt: Einmal die von Mungo Parks wartender Verlobter Ailie Anderson, die fast schon in eine andere Heirat gezwungen worden ist, als Mungo Park doch noch von seiner ersten Exepdition zurückkehrt. Ihre Geschichte ist eine des Wartens und des Beharrens. Bei allem Zorn über Mungo, ist sie ihm restlos verfallen und vermag sich nicht von ihm zu lösen, wie sehr er sie auch verlässt und belügt.
    Die zweite Parallelgeschichte ist die des Überlebenskünstlers Ned Rise, der in den Slums von London groß wird und immer wieder vom Schicksal um seinen Erfolg, sein Geld und seine Lieben gebracht wird. Er gelangt auf verschlungenen Pfaden schließlich nach Goree, wo er für Mungo Parks zweite Expedition rekrutiert wird - und diese als einziger überlebt.


    T.C. Boyle kann eines nicht abgesprochen werden: Er gräbt immer wieder vergessene historische Personen oder Ereignisse aus, die er in routinierter Weise zu einer unterhaltsamen Prosa zu verarbeiten versteht. Nichtsdestoweniger muss ich nach meinem sechsten Boyle sagen, dass er über diese kurzweilige Unterhaltsamkeit eigentlich nur in zwei Fällen wirklich hinausgekommen ist, nämlich in "Riven Rock" und in "Drop City", die über die reine Abschilderung eines skurrilen fait divers der Geschichte hinausgehen und auf etwas - pathetisch gesagt - allgemein Menschliches verweisen, was ich in den anderen Büchern meist vermisst habe.


    Manche Boyles brechen einfach etwas unter der Überfülle der Handlungsdetails zusammen; d.h. es gelingt ihnen nicht, transparent zu machen, worauf die Geschichte hinausläuft. Am Ende steht dann kaum einmal ein Aha-Effekt, viel eher ein hardcorerealistisches Kapitulieren vor den Fakten des Lebens. Überraschungen und unerwartete Kehren der Handlung gibt es zuhauf und dennoch drängte sich mir bei der zweiten Expedition der Eindruck einer ereignislosen Gleichförmigkeit auf - obwohl Mungo Park natürlich auch hier von einem Hinterhalt in den nächsten und von einer Katastrophe in die nächste stolpert. Doch diese Ereignisse erscheinen insgesamt so unfokussiert und zufällig, dass sie wirkliche Spannung für mein Empfinden nie aufkommen ließen.


    Ein einziges Buch von T.C. Boyle steht nun noch auf meiner Wunschliste, wird aber mit ziemlicher Sicherheit noch lange warten müssen, bis ich es in Angriff nehme. Der Reiz des geschmeidigen Erzählens hat sich abgenutzt.

    Zitat

    Original von MaryRead
    Das englische TB ist ja leider überhaupt nicht schön. :-( Aber haben muss ich es wohl doch!


    Es gibt doch auch die TB-Ausgabe von Corgi, die an das Cover der englischen und der deutschen Erwachsenenausgabe angelehnt ist. Das Cover mit den Dominosteinen ist eigentlich das der amerikanischen Ausgabe. Ich persönlich finde die englischen Cover schöner.


    Herzlich: Bartlebooth.

    Zitat

    Original von Annuith
    1) Eine Übersetzung ohne sprachliche und inhaltliche Schnitzer ist für mich nicht unbedingt eine gute, sondern erst mal „nur“ eine korrekte ... was eigentlich selbstverständlich sein sollte, es aber keineswegs immer ist. Wirklich gut ist eine Übersetzung erst dann, wenn es ihr gelingt, auch die Idee oder eben den „Geist“ (wie SiCollier es ausgedrückt hat) des Originals zu vermitteln. Ich vergleiche das gerne mit einem Lied, dessen Melodie und Text ich angemessen in meine eigene Sprache übertragen muss.


    Bei der ersten Hälfte stimme ich - leider - zu, die zweite Hälfte ist mir ein bisschen zu pathetisch. Was ist denn der "Geist" eines Textes? Ich habe nicht so eine mystifizierende Herangehensweise an einen Text. Daher bleibt mir auch der Liedvergleich eher fremd. Sich auf einen Text einlassen - das sollte man sicher, aber seine "Botschaft" werde ich dadurch nicht herausfinden. Allein das Vokabular ist mir viel zu produktionsästhetisch. Aber das ist eine andere Diskussion.


    Zitat

    Original von Annuith
    5) Es gibt verschiedene Gründe, warum wirklich gute Übersetzungen eher die Ausnahme als die Regel sind:


    b) Aktualität wird zunehmend höher bewertet als Qualität; der Zeitdruck wächst, oft arbeiten mehrere Übersetzer parallel an verschiedenen Textabschnitten desselben Buches, die Abgabefristen – nicht nur für die Übersetzer, sondern auch für Lektoren und/oder Redakteure – sind eng und werden immer enger.


    Das ist ein Punkt, den man nicht dick genug unterstreichen kann. Problem ist, dass der Leser schlechte Übersetzungen nicht bestraft, indem er zum Original greift, wohl weil er es nicht immer kann. Außerdem muss man leider festhalten, dass Bücher nicht immer aufgrund ihrer literarischen Qualität gemacht werden, so dass auch die literarische Qualität einer Übersetzung oft in den Hintergrund tritt.


    Zitat

    Original von Annuith
    c) Die Honorierung richtet sich gewöhnlich nicht nach dem Schwierigkeitsgrad von Texten und schon gar nicht nach der Qualität der abgegebenen Übersetzung. Ob ich mir also viel oder wenig Mühe gebe, ggf. umfangreich nachrecherchiere oder sonstigen Aufwand betreibe, ist gewissermaßen mein Privatvergnügen – auf den Stundenlohn wirkt es sich allenfalls negativ aus, weil ich mehr Zeit pro abzurechnender Normseite aufwende. Bösartig zugespitzt: Dünnbrettbohrer stehen sich finanziell am besten.


    Das sehe ich nicht ganz so. In Lektoraten wird schon genau bemerkt, welche/r Übersetzer/in gut arbeitet. Der/die bekommt im Zweifel auch als erste/r den nächsten Auftrag angeboten. Umgekehrt gilt natürlich: Lausige Übersetzungen versperren im Regelfall den Weg zu neuen Übersetzungsaufträgen. Das ist bei literarischen Texten sicher stärker der Fall, als bei reinen Gebrauchstexten.


    Zitat

    Original von janda
    Da ich ein Buch nie im Original und übersetzt lese, sondern entweder oder, habe ich als Leserin keinen Vergleich.
    Ich kann nicht sagen, ob eine Übersetzung tatsächlich fehlerfrei ist und ob sie den Geist eines Originals in allen Aspekten transportiert.


    Diese einfach Tatsache halte ich im übrigen für den Hauptgrund, warum Übersetzungsleistungen selten Erwähnung finden. Man stolpert in der Übersetzung ja eigentlich nur über die unrunden Formulierungen. Die runden können entweder dem Übersetzer zu danken oder auf den ursprünglichen Text zurückzuführen sein. Das kann man als Leser nur einer Version in der Regel nicht entscheiden.


    Herzlich: Bartlebooth

    Ich kann mich der allgemeinen Klage über mangelnde Qualität nicht anschließen. Ich konnte in diesem Monat guten Gewissens punkten, was mir im Januar nicht gelungen war.


    Der Bann
    Autsch. Es fing schlimm an. Eigentlich eine gute Idee, mal ein Märchen zu schreiben, eine Form, die sich für kurze Texte ja sehr eignet. Aber dann war da diese süßliche Moral serviert mit der Zaunlatte. Ich ächze immer noch.


    Erregungsniveau
    Gutes Thema. Leider nicht gut umgesetzt. Der Text ist, um realistisch zu sein, in die falsche Dimension reflektiert; als Text, der nicht realistisch sein soll, sehe ich seinen Sinn nicht.


    CountdownEtwas abgeschmackt und mit zu vielen bekannten Versatzstücken, auch erzählerischer Art versehen (zB das mit dem Vakuum im Weltraum), dabei nicht ohne Routine. Die Namen bereiten mir Schwierigkeiten und scheinen mir eher in einen Highlander-Beißer zu passen. Der Text kann die Nähe zu diesem Genre auch nicht ganz leugnen. Das verliert mich als Leser leider.
    Mein Autorinnentipp: Leserättin.


    Verliebt in den ChefSehr schön. An einigen Stellen sprachlich etwas überrissen (ich warf mein Pamphlet auf den Tisch, da ist der Thesaurus wohl mit uns durchgegangen...), aber insgesamt eine tolle Idee, mit der Pointe punktgenau auf dem Thema.
    Mein Autorentipp: Nudelsuppe.


    Über den Zaun hinaus
    War lange mein Favorit, sehr rund erzählt. Verlor am Ende, weil's mir ein bisschen zu glatt und erwartbar war. Aber das ist keine wirklich substantielle Kritik. Vor allem der dritte Absatz ist sehr gelungen.
    Mein Autorentipp: churchill.


    Über Reklame usw.
    Ein irgendwie altbekanntes Schwankstückchen mit erwartbarer Pointe. Zu brav, um gut zu sein. Da kann ich auch das Ohnesorg-Theater schauen.


    Bösartigkeiten
    Ein halbherzig verbittertes Stückchen übers Versagen mit leichtem Drall ins Geschmacklose. Zu abgedroschen, um zu schockieren, zu larmoyant, um zu gefallen. Qed.


    Erdbeerzeit
    Stilistisch gewöhnungsbedürftig (Jippieh! Endlich! - Dio mio!), inhaltlich ein Kinsella gone mad. Ich kann schon mit dem Original nichts anfangen.
    Mein Autorinnentipp: Eine Eule unter 20.


    Der neue Kollege
    Ulala, was für eine moralische Pointe. Da verfehlt mich einfach alles um mehrere Kilometer.


    Rund ist gesund
    Bis auf wenige Ausnahmen ein einfach nur langweiliger Text. Den Schlankheitswahn kann man so nicht auf die Schippe nehmen.


    Meer
    Nicht wirklich schlecht, aber dann doch zu kurz, um mich überzeugen zu können. Worauf bezieht sich eigentlich der erste Satz? Das scheint mir das eigentliche Problem zu sein. Die Grenzüberschreitung ist in keinem Fall so eine drastische, dass sie mir den einleitenden Satz plausibel machen könnte.


    Mein freier Tag
    Nach dem Oder? hätte Schluss sein dürfen. Der Text leidet ein bisschen an seiner Geschwätzigkeit. Aber insgesamt hat mir die Pointe gefallen und mich auch überrascht. Ein Punkt war das allemal wert.

    Zitat

    Original von Firesong
    Naja, in die Nebel von Avalon kommt eine Szene mit einem flotten Dreier vor *g*, das zählt für mich nicht.


    Naja, jetzt reduzierst du die Geschichte aber so ziemlich auf ihren Ausgang. Ich erinnere schon eine ganze Zeit Liebesnöte bei Lancelot, der sich Artus nicht nähern kann und sich Gwenwhyfars Annäherungen nicht zu erwehren vermag. Was in den bewussten Dreier mündet.


    Herzlich: Bartlebooth.

    Zitat

    Original von melanie
    bei mir war es :


    Olivia Newton-John & ELO - Xanadu


    Das ist ja sehr schick. Ich bin ausgerechnet in der einen Woche geboren, in der Christian Anders mit "Es fährt ein Zug nach nirgendwo" Nummer eins war. Wäre ich einen Tag früher gekommen, wäre es Daniel Boone "Beautiful Sunday" gewesen, was bestimmt viel toller ist (ich kenn's aber nicht). Aber ich will nicht klagen. Hätte ich noch eine Woche gewartet, wäre es "Michaela" von Bata Illic gewesen... Dann doch lieber Christian Anders...

    Ein schwuler Klassiker ist die "Stadtgeschichten"-Reihe von Armistead Maupin, gerade ist ein siebter Band über Michael Tolliver und seine Welt erschienen, den ich allerdnigs noch nicht gelesen habe.


    Schwule Liebesgeschichten gibt es auch immer bei Alan Hollinghurst (The Swimming-Pool Library, The Folding Star, The Line of Beauty).


    Ein weiterer Tipp von mir ist Colm Tóibíns "The Master" ein Roman über das Leben Henry James'.


    Ich erinnere mich auch, dass in Marion Zimmer-Bradleys "Die Nebel von Avalon" eine schwule Liebesgeschichte zwischen Artus und Lancelot als Nebenhandlung vorkommt.


    Interessant sind sicher auch Jean Cocteau (den ich lange nicht gelesen habe, daher kein expliziter Tipp) und Christopher Isherwood (ein Klassiker der schwulen Subkultur, den ich noch nie gelesen habe).


    Homosexuelle Liebesgeschichten haben außerdem tatsähclih oft eine Tendenz ins undiffenrenziert Sexuelle. Ein ganz eindrückliches Buch in diese Richtung ist Pier Paolo Pasolinis "Teorema".


    Soviel für den Augenblick.


    Herzlich: Bartlebooth.


    EDIT S ergänzt :-)