Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Marcel Proust

  • Meinst du, er hat das als Kind schon erkannt oder erst jetzt als Erwachsener?

    Das hab ich mich auch gefragt.


    Ich vermute aber schon, dass er sich von seiner Mutter mehr geliebt gefühlt hat als von seinem Vater. Ich vermute einfach mal, dass seine Mutter auch versucht hat, ihm zu erklären, warum sie streng sein muss.

    Und ein Kind in dem Alter kann schon unterscheiden, denke ich, ob ein Elternteil nachgibt, um seine Ruhe zu haben oder weil er seinem Kind nicht weh tun will.

  • Für mich hören sich viele Überlegungen so erwachsen an, dass ich immer wieder darüber nachdenke, ob sie die Meinung des jetzt Erwachsenen darstellen.

    Es muss auch kein Schaden sein, es fällt mir nur immer wieder auf.


    Jetzt geht es an die nächste Folge.

    Es ist bei mir ja schon eine Weile her, dass ich es gehört habe, aber ich habe es immer als Rückblick eines alten Mannes auf sein Leben wahrgenommen, auch in Bezug auf Meinungsäußerungen.

  • Es ist bei mir ja schon eine Weile her, dass ich es gehört habe, aber ich habe es immer als Rückblick eines alten Mannes auf sein Leben wahrgenommen, auch in Bezug auf Meinungsäußerungen.


    Je länger ich es höre, desto mehr bin ich auch dieser Meinung.


    Mich faszinieren diese ausführlichen Schilderungen. In einem Abschnitt ging es um die Kriterien der Großmutter für die Auswahl von Geschenken oder den Bildern. Den Unterschied zwischen Fotografien von Gebäuden und Fotografien von Gemälden dieser Gebäude habe ich noch nie bedacht. :-]


    Und heute war ich begeistert von der Beschreibung von getrockneten Lindenblüten für den Tee der Großtante. Nie im Leben habe ich mir die so genau angeschaut. Aber Lindenblütentee finde ich sehr lecker und ich werde mir die Blüten demnächst genau ansehen. Allerdings mag ich vor allem ihren Duft.

  • Und heute war ich begeistert von der Beschreibung von getrockneten Lindenblüten für den Tee der Großtante. Nie im Leben habe ich mir die so genau angeschaut.

    Ich habe mich daran erinnert, dass ich noch Lindenblütentee im Schrank habe. Gerade habe ich einen aufgegossen und dem Ganzen zugeschaut. :lache

    Ich habe die ersten Minuten nicht viel mehr wahrgenommen, als dass ab und zu eine Blüte oder ein Blatt zu Boden gesunken ist. Irgendwann kam die Assoziation mit einer Unterwasserwelt.


    Ich stelle mir das wahnsinning anstrengend vor, wenn man so eine Beobachtungsgabe und Fantasie hat wie er. Kein Wunder, dass er nervös ist.


    Ich glaube, es war im Zusammenhang mit der Madeleine zum Tee, dass er erwähnt, dass er eine zeitlang von Combray nur das in Erinnerung hatte, was mit dem Zubettgehen zusammenhing.

    Das wundert mich. Schließlich war er doch mehrere Jahre für einige Monate dort. So habe ich das verstanden. Hat er das alles verdrängt?

  • Vielleicht ist es auch so, dass besonders intensive Erinnerungen alles andere verdrängen. In dem Fall hatte er wohl Angst davor, alleine schlafen geschickt zu werden. Das vergisst ein Kind nicht so leicht.


    Und was er in einer der Folgen über die Kirche berichtet finde ich schon fast beängstigend. So genau schaue ich mir heute keine Kirche an, geschweige denn als Kind.

    Allerdings scheinen seine Eltern mit ihm täglich die Messe besucht zu haben. Da hat man Zeit, sich umzusehen.

  • Und was er in einer der Folgen über die Kirche berichtet finde ich schon fast beängstigend. So genau schaue ich mir heute keine Kirche an, geschweige denn als Kind.

    Ja, das ist die 7. Folge. (Für alle diejenigen, die das vielleicht noch hören wollen. :lache)

    Unglaublich! Fast eine halbe Stunde erzählt er von den Eindrücken, die die Kirche und der Glockenturm auf ihn gemacht hat.

  • Inzwischen bin ich bei Folge 9 angekommen.

    Unser Erzähler ist vom Theater begeistert, obwohl er noch nie dort war. Außerdem wird ein weiteres Mitglied der großen Familie vorgestellt. Onkel Adolphe.

    Mich versetzt diese Lesung ganz oft in meine eigene Kindheit. Ich hatte auch so einige Großonkel und Tanten, die wenn möglich besucht wurden, an den unterschiedlichsten Orten, wie die Lebensumstände eben gerade waren.

    Schade, dass viele Kinder heute so große Familien gar nicht mehr erleben können.

  • Unser Erzähler ist vom Theater begeistert, obwohl er noch nie dort war.

    Mich wundert, dass seine Eltern es ihm bisher noch nicht erlaubt haben. Er scheint doch zu dem Zeitpunkt schon Jugendlicher sein.


    Ich muss sagen, dass diese Lesungen stellenweise meine Konzentrationsfähigkeit sehr strapazieren, z. B. als er von den allegorischen Figuren von Giotto erzählt.

    Und dass er das Küchenmädchen als "verfettet" auf Grund ihrer Schwangerschaft bezeichnet, war nicht sehr freundlich von ihm.


    Aber insgesamt finde ich es bewundernswert, wie er seine Umgebung beobachtet und sie mit treffenden Ausdrücken und Vegleichen dem Leser nahe bringen kann.

  • Ich muss sagen, dass diese Lesungen stellenweise meine Konzentrationsfähigkeit sehr strapazieren, z. B. als er von den allegorischen Figuren von Giotto erzählt.

    Das geht mir stellenweise auch so, es ist für mich als Lesung aber einfacher mich zu konzentrieren.

    Tja über das Alter des Erzählers bin ich mir so gar nicht im klaren, vielleicht gibt es irgendwann mal einen genaueren Anhaltspunkt.

  • Das geht mir stellenweise auch so, es ist für mich als Lesung aber einfacher mich zu konzentrieren.

    Ich bin auch erstaunt, dass es bei mir dem Hören besser klappt als ich anfangs befürchtet hatte.

    Tja über das Alter des Erzählers bin ich mir so gar nicht im klaren, vielleicht gibt es irgendwann mal einen genaueren Anhaltspunkt.

    Ich habe den Eindruck, dass da Zeitsprünge vorkommen. Bei dem geschilderten Besuch bei seinem Onkel kam er mir älter vor (er gibt der Dame in Rosa einen Handkuss) als bei seinen Einschlafproblemen in Combray.

  • Mich wundert, dass Tante Leonie von Menschen außerhalb der Familie mit "Madame Octave" angesprochen wird. Ist denn "Octave" nicht der Vorname ihres verstorbenen Mannes?


    Zu Beginn des 12. Abschnitts werden die Gedankengänge Francoises geschlldert, vor allem bezüglich der Geldzuwendungen der Tante an Eulalie.

    Ich frage mich, woher der Erzähler das alles weiß. Zumindest scheint er ja in diesen Situationen nicht anwesend zu sein. Oder ist es eher so, dass Erwachsene Kinder oft übersehen?

  • Mich wundert, dass Tante Leonie von Menschen außerhalb der Familie mit "Madame Octave" angesprochen wird. Ist denn "Octave" nicht der Vorname ihres verstorbenen Mannes?

    So habe ich es auch verstanden. Vielleicht zur Unterscheidung von Verwandten mit demselben Familiennamen. Von der Großmutter wurde in irgendeinem Zusammenhang als Madame Amadé gesprochen, ist wohl dieselbe Logik.


    Mit dem Beginn des 10. Abschnitts kämpfe ich gerade ein wenig und werde es noch einmal hören. Im Moment verstehe ich es so, dass der Erzähler sich ein wenig in der Welt der Bücher, seiner Phantasie und der dort lebenden Gestalten verliert, zuungunsten der gelebten Realität, die offenbar dann nie so schön und lebendig erlebt werden kann.


    Interessant ist dann der Beginn des nächsten Abschnitts, wo berichtet wird, dass Swanns Tochter die in Büchern und Schauspielen beschriebenen Orte besuchen darf.

  • So habe ich es auch verstanden. Vielleicht zur Unterscheidung von Verwandten mit demselben Familiennamen. Von der Großmutter wurde in irgendeinem Zusammenhang als Madame Amadé gesprochen, ist wohl dieselbe Logik.

    Ah, das könnte sein, klingt logisch.

    Mit dem Beginn des 10. Abschnitts kämpfe ich gerade ein wenig und werde es noch einmal hören. Im Moment verstehe ich es so, dass der Erzähler sich ein wenig in der Welt der Bücher, seiner Phantasie und der dort lebenden Gestalten verliert, zuungunsten der gelebten Realität, die offenbar dann nie so schön und lebendig erlebt werden kann.

    Ich verstehe das auch so. Allerdings kenne ich das auch andersherum. Aber das ist wohl eher eine Frage der Bücher, der Phantasie und vielleicht auch des Alters.

    Interessant ist dann der Beginn des nächsten Abschnitts, wo berichtet wird, dass Swanns Tochter die in Büchern und Schauspielen beschriebenen Orte besuchen darf.

    Ich frage mich sowieso, was die jungen Leute damals in ihrer Freizeit gemacht haben, so ganz ohne Fernsehen, Kino und Computer. Und der Erzähler durfte auch noch nicht ins Theater.

  • Ich frage mich sowieso, was die jungen Leute damals in ihrer Freizeit gemacht haben, so ganz ohne Fernsehen, Kino und Computer. Und der Erzähler durfte auch noch nicht ins Theater.

    Ach, das kann ich dir erzählen, Fernseher gab es bei uns erst, als ich etwa 10 war und in unserem Kaff war von Kino auch nicht die Rede.
    Man hatte ganz viel Freiheit mit allen möglichen anderen Kindern unterwegs zu sein, die unser Erzähler allerdings auch nicht hat. Er wird doch sehr im Haus und in der Familie gehalten und die Beschreibung, wie Freunde kritisch unter die Lupe genommen wurden, ist schon drastisch.

    Vom herrschenden Antisemitismus gar nicht zu reden.


    Allerdings hatte der Freund Bloch schon ein sehr seltsames, um nicht zu sagen unverschämtes Auftreten.


    Ich glaube, in diesem Abschnitt ist erstmals über Umwege etwas über das Alter des Erzählers enthalten. Er geht noch zum collège, also der Mittelstufe vor dem lycée. Also vielleicht 14 oder 15.

  • Er scheint ja besonders behütet zu sein wegen seiner Nervosität, wie es ja am Anfang heißt.


    In der Mitte des 12. Abschnitts beschreibt er den Weißdorn. Was da alles in seinem Kopf vorgeht! Ich habe mir vorgenommen, im Frühling die Augen offen zu halten und mir die Blüten genau anzuschauen.

  • Er scheint ja besonders behütet zu sein wegen seiner Nervosität, wie es ja am Anfang heißt.


    Wenn man so behütet aufwächst und dann so eigenartige Verwandte hat, wie die Tante, die das Bett nicht mehr verlässt, ist es kein Wunder, wenn er nervös ist.

    Ich halte das im Übrigen für ein Gerücht. Ein Kind, das sich so sehr in etwas versenken kann, kann unmöglich nervös sein.