Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Marcel Proust

  • Ich denke, der Autor muss sich doch auch über sich selbst lustig machen. Diese verklärten Vorstellungen vom Leben mit dem jungen Bauernmädchen müssen doch in der Rückschau eher zum Lachen sein.

    Guter Gedanke! Der Sprecher hat aber immer so einen ernsthaften Ton drauf, dass ich gar nicht auf diese Idee gekommen bin. Aber auch so manche Ironie fällt mir erst im Nachgang auf.

    Ich habe schon wieder vergessen, ob das in Wirklichkeit Caen sein soll? Sollte ein Wunder geschehen und wir Ende Mai nach Frankreich fahren, werde ich auf dem Weg die Kathedrale anschauen.

    Dann drück ich dir die Daumen.

  • II/25.


    So langsam bekomme ich eine Ahnung, wie Marcel tickt. Wenn ich mir vesuche vorzustellen, wieviele Reize auf ihn einstürmen, die er einfach nicht ausblenden kann, und was die für eine Maschinerie von Gedankengängen und Assoziationen in Gang setzen, ist ja klar, dass er völlig überreizt ist und nur sehr schwer zur Ruhe kommt. Sogar die Zimmereinrichtung scheint ihn zu erdrücken, bis endlich die Gewöhnung einsetzt. So ein Ortswechsel muss ja fast wie ein Tsunami für ihn sein.


    II/26.


    Dieser Abschnitt war sehr angenehm zu hören. Er beschreibt die Gesellschaft in Balbec. Was für eine Beobachtungsgabe! Köstlich der Vergleich mit dem Aquarium!

    Gut gefallen hat mir auch die Beschreibung von Leuten, die ihre eigenen Kreise nicht verlassen wollen.

  • Über 25 habe ich lange nachgedacht. Auch weil die Gedankengänge zu meiner aktuellen Lektüre passen. Frank Witzel - Inniger Schiffbruch. Er beschreibt seine Kindheit, das Verhältnis zu seinen Eltern und die Orte.

    In einem Abschnitt nimmt er ausdrücklich Bezug auf Proust, ist aber der Meinung, es sei nicht die Zeit, die ihm (Witzel) verloren gegangen ist, sondern die Orte.


    Mir selbst ist dieses Haften an einem Ort, an einem bestimmten Zimmer völlig unverständlich. Das kommt aber sicher daher, dass ich völlig anders aufgewachsen bin und in meiner Kindheit immer in einem Gewusel von Menschen gelebt habe. Ich war eher froh, woanders zu sein und da meine Ruhe zu haben.


    Dann freue ich mich auf 26.

  • Da lag ich falsch. Es ist Cabourg, in dem Proust sich gerne aufgehalten hat und das er beschreibt.


    26

    Interessant die Schilderung der alten Dame mit der vorausgeschickten Dienerschaft. Es wäre doch auch für Marcel die richtige Art zu reisen. Das Zimmer so herrichten wie daheim. Allerdings könnte man dann auch gleich auf das Reisen verzichten.

    Es wundert mich auch, dass er dieses sorgfältige Vermeiden von Kontakten mit Menschen andere Gesellschaftsschichten so ausdrücklich beschreibt. Es ist das offenbar überall vorherrschende Prinzip, sich bloß nur in den eigenen Kreisen zu bewegen und die weiter unten zu verachten, ebenso die weiter oben aus der Ferne zu bewundern.

  • In einem Abschnitt nimmt er ausdrücklich Bezug auf Proust, ist aber der Meinung, es sei nicht die Zeit, die ihm (Witzel) verloren gegangen ist, sondern die Orte.

    Ist es denn nicht bei Zeit und Ort gleichermaßen, dass sie immer nur in Zusammenhang mit Menschen oder Erfahrungen eine Bedeutung haben?

    Mir selbst ist dieses Haften an einem Ort, an einem bestimmten Zimmer völlig unverständlich. Das kommt aber sicher daher, dass ich völlig anders aufgewachsen bin und in meiner Kindheit immer in einem Gewusel von Menschen gelebt habe. Ich war eher froh, woanders zu sein und da meine Ruhe zu haben.

    Er hat halt woanders keine Ruhe, wenn ihm dieses Woanders fremd ist. Vielleicht würde man Marcels Zustand heute mit Hypersensibilität bezeichnen.

  • Er hat halt woanders keine Ruhe, wenn ihm dieses Woanders fremd ist. Vielleicht würde man Marcels Zustand heute mit Hypersensibilität bezeichnen.

    Jedenfalls ist es traurig zu hören, dass er gerne mit Gleichaltrigen unterwegs wäre und sich weder gesund genug fühlt, noch sich überhaupt traut, an gemeinsame Unternehmungen zu denken.

    Er ist doch sehr einsam.

  • Wenn man bedenkt, wie sehr auf Standesunterschiede geachtet wird, macht das die Sache nicht leichter. Er kann die Leute nicht einfach ansprechen. Aber vielleicht wird das ja noch. Die Besucher in Balbec scheinen ja nicht nur ein oder zwei Wochen dort zu sein.


    Es hat mich früher schon gewundert, dass Freunde nie das Thema waren. Dennoch wurde ein paar Mal so nebenher von Kameraden und Freunden gesprochen. Anscheinend hatte er doch Kontakte. Warum die allerdings so gut wie nie erwähnt werden, verstehe ich nicht. Er hatte in Paris sicher auch noch anderes zu tun, außer zu den Swanns zu gehen. Man erfährt aber gar nichts davon. Vielleicht weil das alles nicht zum Thema "Verlorene Zeit" gehört?

  • Es wundert mich auch, dass er dieses sorgfältige Vermeiden von Kontakten mit Menschen andere Gesellschaftsschichten so ausdrücklich beschreibt. Es ist das offenbar überall vorherrschende Prinzip, sich bloß nur in den eigenen Kreisen zu bewegen und die weiter unten zu verachten, ebenso die weiter oben aus der Ferne zu bewundern.

    Und dass einem dadurch sehr viel entgehen kann, beschreibt er so schön.

  • II/27.+28.


    Ich glaube, es wird nicht mehr lange dauern, bis Marcel Anschluss findet. Schließlich haben sie jetzt Kontakte in die höheren Kreise geknüpft, eigentlich aus Zufall. Seine Großmutter und Madame Villeparisis konnten sich nicht mehr aus dem Weg gehen. :lache

    Und dann noch die Prinzessin von Luxemburg! Was für eine Type!


    Sein Ansehen wird durch diese Bekanntschaften steigen, sicher auch bei Mademoiselle de Stermaria, die ihn sehr beeindruckt. Er rechnet sich Chancen aus. Ich bin beeindruckt, wie er sich nur vom Ansehen ein Bild von ihr macht, ohne mit ihr gesprochen zu haben.


    Und diese Tratschtanten und Lästermäuler! :rofl


    Mir gefällt, wieviel Zeit der Erzähler sich nimmt, uns Francoise und Aimee (?) nahezubringen.

  • II/29.+30.


    In diesen zwei Abschnitten waren wieder so schöne Beschreibungen dabei, z. B. das Zimmer seiner Großmutter, sein Ausblick auf das Meer, das nie zweimal das gleiche ist, die Apfelblüten oder die Kirche.


    Überlegenswert ist seine Feststellung, dass besonders reizvoll für ihn das ist, was er nicht haben kann. Vor allem, wenn er keine Gelegenheit hat, das Objekt genauer wahrzunehmen. Die Begebenheit mit Madame Verdurin war ja zum Lachen komisch!

    Beim Fischermädchen genügt ihm, dass er "Besitz von ihren Geist ergriffen" hat. :gruebel


    Die Beobachtung mit den drei Bäumen fand ich großartig. Irgendwie kennt man das doch, dass man etwas wahrnimmt und sich dann denkt: Irgendwie erinnert mich das an was, aber ich komm und komm nicht drauf.

  • II/31.-34.


    Endlich findet Marcel Anschluss. Das Kennenlernen von Marcel und Saint-Loup verläuft zwar anfangs sehr holprig. Doch dann entwickelt sich sogar eine Freundschaft. Aber irgendwie kommt mir bei ihm alles zu viel vor, zu überschwänglich, zu rücksichtsvoll, einfach perfekt. Er ist sogar ein Trendsetter.

    Aber das ist eben Marcels Sicht. Umso weniger kann ich verstehen, dass er Saint-Loups Anwesenheit nicht so richtig genießen kann.


    Marcel trifft in Balbec auch seinen Schulkameraden Bloch wieder. Der ist mir sehr unsympathisch. Dass er der Anlass zu umfangreichen Auslassungen über die Fehler ist, die jeder Mensch hat, hätte ihm sicher nicht gefallen.


    Und schließlich lernt er den Baron de Charlus kennen. Sehr rätselhaft!


    Immer wieder klingt das Thema Antisemitismus an. Ich bin schon etwas befremdet darüber, wie er die Juden in Balbec beschreibt: eine homogene Gruppe, die sich bewusst gegen die anderen abgrenzt.

  • Booklooker , ich habe überlegt, ob es möglich ist, bei diesem Buch einfach mittendrin einzusteigen. Es sind ja keine komplizierten Handlungsstränge. Allerdings ist das Buch nicht in Kapiteln eingeteilt. Schwierig hier einen Einstieg zu finden. :gruebel


    Ich weiß nicht, wieviel das Hörbuch kostet. Ich gehe allerdings davon aus, dass die wenigsten bis zum Schluss durchhalten. Ich bin mir da bei mir auch nicht sicher. Ich vermute mal, eher nicht. Was aber nicht schlimm wäre, denn ein Versuch lohnt sich auf jeden Fall.


    Und noch was. Ich weiß nicht, wie es Rumpelstilzchen geht. Ich zumindest kann dieses Hörbuch nicht nebenher hören.

  • II/36.-37.


    Familie Bloch ist schon eigenartig. Dieser homerische Sprechstil!


    Hab ich das richtig verstanden? Bloch sen. behauptet, er hätte bei einem echten Rubens die Signatur weggeschnitten, damit es in den Rahmen passt? Sehr schlecht gelogen.


    Was mir schon früher mal aufgefallen ist: Marcel ist mit Saint-Loup immer noch per "Sie". Mit Bloch hingegen duzt er sich, was wohl daran liegt, dass er ihn schon seit der Schulzeit kennt.


    Ich verstehe nicht, warum Saint-Loup noch an seiner Geliebten festhält. Er hatte doch schon vor ihr jede Menge flüchtige Beziehungen. Offensichtlich hat sie es geschafft, ihn an sich zu binden. In gewisser Weise hat sie ihn sogar erzogen.

  • Mittlerweile bin ich auch bei 35 oder 36 angekommen. Das mit der Rubens Signatur fand ich auch drollig. Ob er erwartet, dass ihm das jemand glaubt?


    In Frankreich war es lange üblich, sich zu siezen. Selbst innerhalb der Familie. In der besseren Gesellschaft haben sich selbst Eheleute gesiezt. Und unser französischer Vermieter im Perigord, auch schon über 70, lässt sich von den Schwiegerkindern auch heute noch siezen.

    Sehr verwunderlich für unsereins.


    Booklooker ich hätte das Buch sicher schon lange in die Ecke geworfen. Diese halbe Stunde Lesung ist für mich genau die richtige Dosis. Natürlich kriege ich nicht alles mit, das macht aber gar nichts.