'Dunkelblum' - Seiten 084 - 173

  • Für mich ist die Vorstellung, eine Gruppe Jugendlicher, die zwar besten Willens sind, aber nicht gerade praktische Fähigkeiten haben, auf so einen alten jüdischen Friedhof zu schicken, schon sehr seltsam. Ob das im

    Sinne der Auftraggeber ist?


    Natürlich wird ihr Auftauchen nicht überall gerne gesehen und die Angst, man müsse womöglich selbst zu den Kosten beitragen, ist recht typisch.


    Flocke mag ich. Die Sympathieträgerin bisher. Mit eigenem Kopf.

  • Natürlich wird ihr Auftauchen nicht überall gerne gesehen

    Ich habe den Eindruck, die Dunkelblumer sehen gar keine Fremden gerne, egal, ob es sich um Flüchtlinge oder um (neugierige) Besucher handelt. Mir scheinen alle Bewohner des Ortes ständig auf der Hut zu sein vor jedem, der den gewohnten Alltag unterbricht und – welch Graus! – Forderungen oder Fragen stellt.


    Ich glaube, da haben ganz viele irgendwelchen Dreck am Stecken ...


    Flocke mag ich auch gerne. Sie und Lowetz (bzw. natürlich die Szenen mit den beiden) geben mir immer einen Augenblick der Ruhe und Freundlichkeit inmitten all dieser Geheimnisse und Verfehlungen im Ort.

  • In diesem LR-Abschnitt passiert ganz schön viel und man bekommt beim Lesen immer mehr Puzzlestückchen serviert.


    Das Kapitel, in dem es um die Verteidigung Dunkelblums im Zweiten Weltkrieg geht, fand ich sehr eindringlich erzählt, obwohl oder gerade weil das Grauen (und das gilt nicht nur für dieses Kapitel) nur angedeutet wird. Durch diese Vogelperspektive, die man durch Horkas und Grauns Versteck in dem Stipsits-Haus einnimmt, fühlte ich mich gleichzeitig ganz nah dran am Geschehen und doch distanziert.


    Was da wohl nach dem Krieg zwischen Horka und dem alten Graun vorgefallen ist, dass Horka seinen Freund tötet? (Nachtrag: Es wird ja erzählt, dass Horka zu den Russen übergelaufen ist. Vielleicht war die Aktion politisch motiviert.)


    Und Lowetz' Mutter hatte alle möglichen Unterlagen und Zeitungsartikel zu den Ereignissen von 1946 gesammelt; für die Dorfchronik. Ob sie dabei auf etwas gestoßen war, das Horka und/oder seine Freunde in ein schlechtes Licht rückt? Sie ist ja auch urplötzlich viel zu jung gestorben – war das vielleicht kein natürlicher Tod und sie wurde umgebracht, um sie zum Schweigen zu bringen? Die zusammengestellten Unterlagen wurden ja offenbar aus ihrem Haus entfernt.


    Ich glaube, ich bin schon ein bisschen paranoid geworden und sehe nur noch Geheimnisse und Verbrechen in Dunkelblum! :lache


    Und sie hatte diese Postkarte bekommen mit dem Schloss, die der namenlose Fremde alle aufgekauft hatte, von denen er aber nur vier verschicken wollte. Ob Eszters Karte auch von ihm stammte und wenn ja, für wen sind die anderen drei Exemplare gedacht?


    Und jetzt wurde noch ein Skelett gefunden! Ich bin wirklich gespannt, wie sich die ganze Geschichte weiterentwickelt. Für mich hat die Story mittlerweile echt eine Sogwirkung.

  • Wie Eva Menasse so en passant ihre Figuren charakterisiert, nur in einem kleinen Nebensatz, gefällt mir übrigens echt gut. So wie hier:


    "In der Hauptstadt waren mehrere Bunker stehengeblieben, weil der dicke Nazibeton fastt unzerstörbar war, ein Baumaterial, vergleichbar der Seele vom Ferbenz." (S. 105).


    Den alten Judenfriedhof fand ich auch so schön beschrieben:

    "Wurzeln fressen sich von unten durch, hebeln alles weg, egal, wie schwer es ist. Mit ihren bohrenden Fingern bringen sie die Steine zum Weinen, von ihren unsichtbaren Tränen bersten sie, und die Äste und Blätter von oben tun nur so, als kämen sie zum Trösten." (S. 99)


    Vor einigen Jahren war ich mal auf so einem alten, nicht mehr genutzten Judenfriedhof. Der scheint ein bisschen gepflegter gewesen zu sein als der in Dunkelblum und nicht so stark von der Natur zurückerobert, die Stimmung war aber auch eine ganz besondere. An den muss ich immer denken, wenn der Dunkelblumer erwähnt wird.


    Bezeichnend finde ich im Übrigen auch, dass die Dunkelblumer diesen Friedhof scheinbar gar nicht mehr bewusst wahrgenommen haben, bis die jungen Leute dort mit den Arbeiten begonnen haben. Als hätten sie alles, das irgendwie mit Juden (und dem Krieg) zu tun hat, bestmöglich verdrängt.


    Entschuldigt übrigens bitte, dass ich jetzt gleich mehrere Beiträge nacheinander geschrieben habe. Ich wollte nur meine Gedanken loswerden, bevor ich weiterlese.

  • Im zweiten Leseabschnitt habe ich mich gelegentlich verlaufen und musste hin und her blättern, um mich zurechtzufinden, zwischen den vielen Personen.

    Zudem wechselt die Erzählperspektive und die Zeit ständig und da heißt es, die Gedanken beisammenzuhalten.

    Das macht es schwierig, die Ereignisse in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Vermutlich hat die Autorin genau das beabsichtigt.


    Und Lowetz' Mutter hatte alle möglichen Unterlagen und Zeitungsartikel zu den Ereignissen von 1946 gesammelt; für die Dorfchronik. Ob sie dabei auf etwas gestoßen war, das Horka und/oder seine Freunde in ein schlechtes Licht rückt? Sie ist ja auch urplötzlich viel zu jung gestorben – war das vielleicht kein natürlicher Tod und sie wurde umgebracht, um sie zum Schweigen zu bringen? Die zusammengestellten Unterlagen wurden ja offenbar aus ihrem Haus entfernt.

    Ob man Horka und Kumpane in ein noch schlechteres Licht rücken kann, das weiß ich nicht. Es sind zwar sicher nicht all seine Untaten bekannt, aber die Älteren werden genug wissen.


    Mein Gedanke über die fehlenden Unterlagen war, ob sie nicht bei Rehberg gelandet sind?


    Und sie hatte diese Postkarte bekommen mit dem Schloss, die der namenlose Fremde alle aufgekauft hatte, von denen er aber nur vier verschicken wollte. Ob Eszters Karte auch von ihm stammte und wenn ja, für wen sind die anderen drei Exemplare gedacht?

    Ich bin noch einmal in den ersten Abschnitt gewandert. Ist der Fremde nicht gleichzeitig mit Lowetz in Grüns Laden gewesen als er die Karten gekauft hat? Da muss Lowetz Mutter doch schon tot gewesen sein?


    Mein Eindruck von dem Fremden ist eher, dass er Aufklärung möchte oder jemanden sucht.

    Für einen "Täter" ist er wohl zu jung.


    Menasses Bilder gefallen mir auch, sie sind sehr ausdrucksstark.

    Bei dem jüdischen Friedhof musste ich an die Redewendung "Gras über eine Sache wachsen lassen" denken. Hier ist es nicht nur Gras, das über die alten Gräber gewachsen ist.

  • Zudem wechselt die Erzählperspektive und die Zeit ständig und da heißt es, die Gedanken beisammenzuhalten.

    Das macht es schwierig, die Ereignisse in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Vermutlich hat die Autorin genau das beabsichtigt.

    Ja, Menasse fordert wirklich Aufmerksamkeit beim Lesen (was ich nicht kritisieren möchte). Ich bin mir sicher, dass sie ihre Erzählweise bewusst gewählt hat, damit es nicht so leicht ist, den Ereignissen zu folgen. Stattdessen legt man nach und nach einzelne Schichten frei und muss sie selbst in den Zusammenhang einordnen. Mir macht das sehr viel Spaß! :-]


    Rumpelstilzchen schrieb:

    Mein Gedanke über die fehlenden Unterlagen war, ob sie nicht bei Rehberg gelandet sind?

    Würde Flocke das dann nicht wissen? Sie tauscht sich doch regelmäßig mit Rehberg aus.


    Rumpelstilzchen schrieb:

    Ist der Fremde nicht gleichzeitig mit Lowetz in Grüns Laden gewesen als er die Karten gekauft hat? Da muss Lowetz Mutter doch schon tot gewesen sein?

    Ach na klar, du hast natürlich völlig recht! Das hatte ich bei meiner Spekulation gar nicht berücksichtigt.

  • Oh, das gibt es aber öfter, dass Jugendgruppen im Zuge einer Aktion für etwas herangezogen werden. Ich kenne das als Wiedergutmachungsaktionen.


    Sehr eigenartig ist das mit dem Wasser, der alte Bürgermeister kann sich ja nicht mehr artikulieren und der neue Korenzy? hat wenig Ahnung aber er scheint zumindest das richtige tun zu wollen obwohl er sich ja wenig zutraut. Ich bin gespant, was mit diesen Wasserabmachungen nicht stimmt.

    Eigentlich kann ich allen Deinen Überlegungen nur zustimmen. Es empfiehlt sich, das Buch wirklich am Stück zu lesen. Wenn ich abends im Bett noch ein paar Seiten hin bekommen, ist das früh weg. Tagsüber sind oft viele andere Aktionen, aber ich hoffe, ich bekomme heute mal ein größeres Stück fertig. Spannend ist es allemal und die "Leichen" die im wahrsten Wort in Dunkelblum begraben sind, müssen ja mal ans Tageslicht kommen.

  • Hier bei uns in der Gegend gibt es einige Friedhöfe, die sind aber alle gepflegt und werden auch gut besucht.

    Aber ja, die Sprache Menasses ist wirklich sehr bildhaft und treffend. Das gefällt mir sehr gut.

  • Was da wohl nach dem Krieg zwischen Horka und dem alten Graun vorgefallen ist, dass Horka seinen Freund tötet? (Nachtrag: Es wird ja erzählt, dass Horka zu den Russen übergelaufen ist. Vielleicht war die Aktion politisch motiviert.)


    Und Lowetz' Mutter hatte alle möglichen Unterlagen und Zeitungsartikel zu den Ereignissen von 1946 gesammelt; für die Dorfchronik. Ob sie dabei auf etwas gestoßen war, das Horka und/oder seine Freunde in ein schlechtes Licht rückt? Sie ist ja auch urplötzlich viel zu jung gestorben – war das vielleicht kein natürlicher Tod und sie wurde umgebracht, um sie zum Schweigen zu bringen? Die zusammengestellten Unterlagen wurden ja offenbar aus ihrem Haus entfernt.


    Ich glaube, ich bin schon ein bisschen paranoid geworden und sehe nur noch Geheimnisse und Verbrechen in Dunkelblum! :lache

    Und Flocke ist verschwunden. Die Lösung zu allem scheint die alte Reschen in sich verschlossen zu haben. Mal sehen, ob sie irgendwann mal damit raus rückt. Und der Fremde scheint nicht so fremd zu sein, er fragt sie ja, ob sie ihn wirklich nicht erkennt.

  • Dieser Fremde, der kein Fremder ist, gibt mir auch Rätsel auf. Um einen der Männer, die von Dunkelblum weggegangen sind, kann es sich wegen des Alters wohl kaum handeln.


    Die Lösung zu allem scheint die alte Reschen in sich verschlossen zu haben. Mal sehen, ob sie irgendwann mal damit raus rückt.

    Ich könnte mir auch vorstellen, dass die alte Reschen noch eine wichtige Rolle bei der Aufklärung spielen wird. An einer Stelle heißt es ja auch sinngemäß, dass sie alles mitbekommt, was in Dunkelblum vor sich geht.


    Ihr Kapitel fand ich im Übrigen auch sehr beeindruckend. Wie da mit Andeutungen und knappen Bildern ihre Ängste und Traumata aus der Vergangenheit beschrieben werden! Klasse gemacht!



    Oh, das gibt es aber öfter, dass Jugendgruppen im Zuge einer Aktion für etwas herangezogen werden. Ich kenne das als Wiedergutmachungsaktionen.

    Jepp, oder im Rahmen des Freiwilligendienstes. Und hier im Buch sind es auch keine Jugendlichen, sondern Studenten, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.



    Ich bin gespant, was mit diesen Wasserabmachungen nicht stimmt.

    Diese ganze Wassergeschichte fand ich auch recht verwirrend und bin ebenfalls gespannt, was daraus noch wird.


    Ich freue mich schon aufs Weiterlesen heute Abend!

  • Soweit ich es verstehe, geht es bei der "Wassergeschichte" um den Anschluss des Städtchens an eine regionale Wasserversorgung.

    Und wie das so ist - die Landwirte sind erst einmal dagegen. Auch wenn die die Ersten sind, wenn es mal kein Wasser mehr gibt.

    Ja schon, aber soweit ich das verstanden habe, gibt es da Alternativen. Mir erscheint die Geschichte nicht ganz sauber.

  • Der Fremde lässt mir keine Ruhe. Ich habe nochmal im ersten Abschnitt geblättert. Der Fremde ist überhaupt nicht jung, sondern schon älter und war seit Jahrzehnten nicht mehr in Dunkelblum.


    Hilft mir jetzt aber auch nicht weiter. :lache

    Es müsste einer der Söhne sein, in den verworrenen Beziehungen evtl. der von der alten Graun oder wie heißt die? Also die die soviel trinkt? Oder einer der ausgewiesenen Juden? Ein Sohn davon?

  • Das ebook hat ein Personenverzeichnis, wie mir jetzt erst aufgefallen ist. Ich verrate aber nix drüber. Höchstens am Ende.



    Der Fremde ist überhaupt nicht jung, sondern schon älter und war seit Jahrzehnten nicht mehr in Dunkelblum.


    Nein, jung ist der Fremde nicht, etwa in Grüns Alter. Dann war er im Krieg ein Kind und sicher einer der Vertriebenen, den nach so langer Zeit niemand mehr erkennt.



    Ich habs mal gespoilert, obwohl die Leute ja alle schon von Anfang an dabei sind.

    Jedenfalls kommen die Grauns als Familie schon vor. Wer da welche Kinder hat oder hatte, ist schwer zu verfolgen.