Hans Jürgen Balmes - Der Rhein - Biographie eines Flusses

  • Hans Jürgen Balmes - Der Rhein - Biographie eines Flusses


    ASIN/ISBN: 3103974302


    Zitat

    Der Rhein ist ein wahrhaft europäischer Strom

    ( Viktor Hugo)


    1232,7 Kilometer lang zieht sich die "große Völkerpumpe" (Carl Zuckmayer) durch Westeuropa, das Quellgebiet im Schweizer Kanton Graubünden, die Mündung im Niederländischen Rhein - Maas - Delta.

    Der Rhein also ein deutscher Strom?

    Wohl kaum, vielmehr eine Menschen- und Kulturschleuse, ein völkerverbindendes Gewässer, jedenfalls so viel mehr als eine trennende Grenze.

    Richtig ist jedoch, der Fluß hat die Länder, Völker, Sprachen und Lebensart der Menschen beiderseits seiner Ufer nachhaltig geprägt.


    Davon erzählt Hans Jürgen Balmes in diesem Buch, es ist eine poetisch - literarische Flußfahrt, eine entschleunigte Kulturkreuzfahrt. Was Balmes nicht weiß über den Rhein, ist unwichtig. Detailgetreu, zum Teil etwas berauscht vom eigenen Rechercheerfolg, aber immer mit hoher Sprachkultur, unterhaltsam und bestens informiert, führt der Autor durch die Sitten- ,Kultur- und Ländergeschichte längs des Stroms.


    Begonnen hat dort alles schon in den tropischen Meeren der Kreidezeit, wo spätere Leitfossilien wie Ceratiten, Ammoniten und Belemniten als Kopffüsser den Meeresboden bevölkerten und Räuber wie der Plesiosaurus auf sie Jagd machten. Diese kreidezeitlichen Ablagerungen bildeten das rheinische Schiefergebirge, die Landschaft, das Flußtal und alle umliegende Gebiete.


    Die Besiedelung durch indogermanische Stämme steinzeitlicher Menschen rheinabwärts ist ab dem Mesolithikum nachgewiesen. ( Zeit zwischen dem Paläolithikum (Altsteinzeit) und Neolithikum)

    Zahlreiche Begräbnisplätze und Wohnstätten zeugen davon entlang der Rheinufer. Bedeutende Funde von Wohnhöhlen gab es in der Gegend von Boppard und Worms.


    Der Vorstoß des Römischen Imperiums nach Germanien, wie es die Römer nannten, ( Vgl. Cassius Dio, Caesar, Tacitus) , war ohne den Fluß kaum denkbar, nur in Rhaetien und der Römischen Provinz Gallia Cisalpina waren die Versorgungsbasen und Nachschublager, die diese gewaltige Operation unterstützen und möglich machen konnten. Jahrhunderte lang bildete dann der Rhein die Grenze zwischen dem Imperium Romanum und dem unbesetzten Germanien, durch eine ganze Flotte römischer Patrouillenboote und befestigte Uferfestungen gesichert. Die Römer bildeten eine größere Zahl von Coloniae, römischen Ansiedlungen mit eigener Verwaltung an den Rheinufern, die sich bis zum Mittelalter hin zu bedeutenden Städten auswuchsen.


    Der wichtigste Grund aber, warum der Rhein ein europäischer Strom wurde, war und ist bis heute der Handel. Wein und Gewürze, Öl und Textilien aus Südeuropa, Zinn aus Britannien, Schiefer, Granit und Holz aus den Mittelgebirgen, Basalt aus der Eifel, Heringe aus der Grafschaft Holland, alle Produkte des täglichen Bedarfs wurden auf dem Fluß transportiert und gehandelt, in den Städten an seinen Ufern gestapelt und weiterverkauft.

    Mit den Waren kamen viele Menschen in die reich gewordenen Städte, Handwerker, Künstler, Soldaten, Geistliche, Kaufleute, Gaukler, Söldner, Prostituierte, Menschen aus ganz Europa unterlagen der Anziehungskraft, die der Fluß ausübte und dem Sog des Geldes.


    Eng verbunden ist der Rhein zudem mit der jüdischen Geschichte an seinen Ufern, besonders in Deutschland. Verdienstvoll sind die ausführlichen Kapitel, die Balmes dieser fruchtbaren, engen und alten Verbundenheit widmet. Die Geschichte der Juden in Deutschland ist beinahe so alt wie die römische, bereichernd und nicht wegzudenken, aber auch schmerzhaft.

    Millionen Menschen wurden längs des Stroms mit Rheinwasser getauft, aber ebenso unterzogen sich tausende Menschen in den Mikwen, auf Flußebene gegrabenen Bädern, mit Rheinwasser ihrem rituellen Reinigungsbad. Die Kulturgeschichte der Rheinlande ist ohne ihre jüdische Geschichte undenkbar, vor allem in der Literatur und bildenden Kunst. Am Rhein befanden sich die größten und einflussreichsten jüdischen Gemeinden.

    Aber auch die ersten wirklich schlimmen Progrome des Mittelalters ereigneten sich in den großen Städten am Rhein.



    Neben sehr schönen Beschreibungen der Tierwelt und der Natur entlang der alten Rheinarme, macht also folgerichtig den Großteil von Balmes Buch die Kulturgeschichte aus.

    Immer wieder begegnen wir dabei dem großen englischen Maler William Turner, den seine enge Verbundenheit mit dem Strom zeitlebens nie losliess. Den großen rheinischen Geistern von Heine bis Böll begegnet man im Buch ohnehin in fast jedem Kapitel.


    Für jemanden wie mich, der am Fluß aufgewachsen ist und der dachte, er wüsste alles darüber, ist die Lektüre des Buches eine gute Lektion, sich in Bescheidenheit zu üben, ich habe viel interessantes gelernt.


    Eines ist das Buch auf jeden Fall:

    Nature Writing vom Feinsten, Sprache und Stil reif, streckenweise von poetischer Feinheit und insgesamt äußerst erfreulich zu lesen.

    Die Abbildungen sind in anderen Büchern über den Rhein opulenter und vielfältiger, dieses ist kein Bildband. Die ausführlich besprochenen Bilder von William Turner lohnte es sich, in einer speziellen Monographie über den Maler nachzusehen.


    Im Ganzen ist es das ausführlichste und beste Buch über den Rhein, das ich kenne und das sind schon so einige. Ich kann mit bestem Gewissen eine Empfehlung aussprechen, es wird sicher den meisten Spaß machen, das zu lesen.










  • Was schreibt der Autor zur Quelle des Rheins in Graubünden?

    Ich kenne den Rhein alles andere als gut, doch vor vielen Jahren hatte ich bei einem Besuch in Graubünden die Chance, dort an den Rhein zu fahren und zu wandern. Das ausgedehnte Flussbett lädt zum Baden ein und dort sind - für die Schweiz völlig selbstverständlich - Grillplätze/Feuerstellen aufgebaut.

  • Was schreibt der Autor zur Quelle des Rheins in Graubünden?

    Ich kenne den Rhein alles andere als gut, doch vor vielen Jahren hatte ich bei einem Besuch in Graubünden die Chance, dort an den Rhein zu fahren und zu wandern. Das ausgedehnte Flussbett lädt zum Baden ein und dort sind - für die Schweiz völlig selbstverständlich - Grillplätze/Feuerstellen aufgebaut.

    Salonlöwin ,der Teil über das Quellgebiet ist ein recht langes Kapitel. Balmes schreibt von mehreren Quellbächen, vor allem dem beim Dorf Hinterrhein. Dort gibt es eine Hütte, wo man den Weg erfragen könne und man brauche im Winter Ski. Dann wird noch ein Schweizer Truppenübungsplatz erwähnt und ein Kiosk beim San-Bernadino-Tunnel.

    Aber wie gesagt, das Kapitel ist ziemlich umfangreich, es werden viele Orte beschrieben. :wave